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BERNHARD MAIER

DIE KELTEN

IHRE GESCHICHTE
VON DEN ANFÄNGEN
BIS ZUR GEGENWART

C.H.BECK

ZUM BUCH

Viele Fortschritte auf den Feldern der Archäologie, Geschichtswissenschaft und Keltologie haben eine durchgreifende und umfassende Neubearbeitung dieser Darstellung von 2500 Jahren Geschichte und Kultur der Kelten erforderlich gemacht. Nun präsentiert sich das Standardwerk wieder auf dem neuesten Stand der Forschung.

Der Lebensraum der Kelten erstreckte sich einst vom Norden des heutigen Schottland und von der Iberischen Halbinsel bis ins ferne Kleinasien, wo sie etwa in einem Brief des Apostels Paulus als Galater erscheinen. Ihre Rolle in der europäischen Geschichte reicht aber weit über die Antike hinaus, als sie vielfach Erwähnung in den zeitgenössischen Schriftquellen fanden, deren bekannteste wohl Caesars Darstellung «Über den Gallischen Krieg» ist. Doch begegnen wir vielerorts auch heute noch stummen Zeugen des hohen Entwicklungsstands ihrer einstigen Kultur – Ringwällen, Schanzen und Hügelgräbern, denen zahlreiche keltische Gebrauchsgegenstände, Schmuck und Waffen entstammen, die unsere Museen und Sammlungen bereichern.

Im Mittelalter leisteten die Kelten in Gestalt irischer Mönche einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung des Christentums und halfen, dort das Bildungsgut der Antike zu bewahren, wo es nach dem Untergang des weströmischen Reiches (476) in Vergessenheit zu geraten drohte.

Sprache, Literatur und Kultur der Kelten sind bis in unsere Tage in der Bretagne, in Schottland, Wales und Irland lebendig geblieben. Lebendig geblieben sind aber auch die Folgen der Eroberungs- und Machtpolitik Englands seit dem Mittelalter in den keltisch besiedelten Regionen der Britischen Inseln. Wirtschaftliche, soziale, kulturelle und religiöse Spannungen in diesen Gebieten legen bis heute davon beredtes Zeugnis ab.

ÜBER DEN AUTOR

Bernhard Maier lehrt als Professor für Allgemeine Religionswissenschaft und Europäische Religionsgeschichte an der Universität Tübingen und genießt international großes Ansehen als Spezialist für keltische Geschichte, Kultur, Religion und Sprache. Im Verlag C.H.Beck sind von demselben Autor lieferbar: Geschichte Schottlands (2015); Geschichte und Kultur der Kelten (Handbuch der Altertumswissenschaft III.10, 2012); Die Weisheit der Kelten (2011); Kleines Lexikon der Wörter und Namen keltischen Ursprungs (32010); Die Druiden (2009); Stonehenge (2007); Die Religion der Kelten (22004); Die Religion der Germanen (2003).

INHALT

AUS DEM VORWORT ZUR ERSTAUSGABE

Vorwort zur vollständig überarbeiteten und erweiterten Neuausgabe

EINLEITUNG: VOLK, SPRACHE UND KULTUR IN DER GESCHICHTE DES KELTENBEGRIFFS

ERSTER TEIL: DIE FESTLANDKELTISCHEN – KULTUREN DER ANTIKE

1.: DIE ANFÄNGE DER KELTISCHEN GESCHICHTE IN MITTELEUROPA

Leben in der Eisenzeit: Wirtschaft und Gesellschaft im Westhallstattkreis

Fürstengräber, Fürstensitze: Selbstdarstellung einer gesellschaftlichen Elite

Weiterleben nach dem Tode: Fürstengräber als Spiegel des Jenseitsglaubens

2.: DIE FRÜHE LATÈNEKULTUR

Gesellschaft im Umbruch: Das Ende der Hallstattkultur

Weltbild im Wandel: Die Geburt der keltischen Kunst

Ahnenkult und Amulettgebrauch: Aspekte frühkeltischer Religiosität

3.: DAS ZEITALTER DER KELTISCHEN EXPANSION

Aufbruch nach Süden: Die Wanderungen der Kelten im Urteil der Antike

Schild, Speer und Schwert: Das keltische Kriegswesen

Siegesdenkmäler und Opferstätten: Die ältesten keltischen Heiligtümer

4.: GALLIEN AM VORABEND DER ROMANISIERUNG

Oppida: Die ältesten Städte nördlich der Alpen

Viereckschanzen und Druiden: Spätkeltische Kulte und Riten

Zwischen Römern und Germanen: Der Niedergang der Festlandkelten

5.: DIE KELTEN DER IBERISCHEN HALBINSEL

Jenseits der Säulen des Herakles: Das Zeugnis der antiken Ethnographie

Kampf um Numantia: Die Kriege der Keltiberer gegen Rom

Keltiberisch, Iberisch, Baskisch: Die vorrömischen Sprachen Spaniens

6.: DIE KELTEN IN OBERITALIEN

Von der Golasecca- zur Latènekultur: Das Zeugnis der Archäologie

Kelten, Etrusker und Römer: Das Zeugnis der Schriftquellen

Gallisch und Lepontisch: Die keltischen Inschriften Oberitaliens

7.: DIE KELTEN IN KLEINASIEN

Söldner und Siedler: Die Geschichte der Galater

Galatische Namen: Keltisches Sprachgut in griechischer Überlieferung

Der Sterbende Gallier: Die Kelten in der antiken Kunst

8.: DIE GALLORÖMISCHE KULTUR

Von Augustus bis Chlodwig: Die Geschichte der gallischen Provinzen

Weihinschriften und Zauberformeln: Das Fortleben der gallischen Sprache

Interpretatio Romana: Aspekte der gallorömischen Religion

ZWEITER TEIL: DIE INSELKELTISCHEN KULTUREN – DES MITTELALTERS

9.: DIE FRÜHEN KELTEN IRLANDS UND DER BRITISCHEN INSELN

Entdecker, Eroberer, Historiker: Das Zeugnis der antiken Schriftquellen

Von Navan Fort bis Maiden Castle: Eisenzeitliche Funde und Fundstätten

P-Keltisch, Q-Keltisch: Die Deutung der ältesten Sprachdenkmäler

10.: IRLAND VON DER CHRISTIANISIERUNG BIS ZU DEN EROBERUNGEN DER WIKINGER

Insel der Heiligen: Die frühe irische Kirche

Insel der Könige: Recht, Wirtschaft und Gesellschaft

Ein Land, fünf Provinzen: Aspekte der politischen Geschichte

11.: IRLAND VON DEN ZÜGEN DER WIKINGER BIS ZUR ANKUNFT DER NORMANNEN

Kampf um die Vorherrschaft: Wikinger und einheimische Herrscher

Anknüpfung und Abgrenzung: Die heidnische Zeit in der Literatur

Wegbereiter des Mittelalters: Die irische Mission in Europa

12.: IRLAND VON DER ANKUNFT DER NORMANNEN BIS ZUR KOLONISIERUNG

Irland, England und die Anglo-Iren: Politische Entwicklungen

Angleichung an Rom: Die irische Kirche und die Normannen

Tradition und Innovation: Die irische Literatur des Spätmittelalters

13.: SCHOTTLAND VON DER ANKUNFT IRISCHER SIEDLER BIS ZUR REFORMATION

Skoten und Pikten: Aspekte der politischen Geschichte

Herrscher und Heilige: Das frühe Christentum in Schottland

Sieben Zungen, sechs Nationen: Die Sprachen Schottlands im Mittelalter

14.: WALES VOM ABZUG DER RÖMER BIS ZUR ANKUNFT DER NORMANNEN

Kelten und Angelsachsen: Die Geschichte Britanniens im Frühmittelalter

Römisches Erbe: Die frühe Geschichte des Christentums in Wales

Sagen aus dem alten Norden: Die frühe kymrische Literatur

15.: WALES VON DER ANKUNFT DER NORMANNEN BIS ZUR UNION MIT ENGLAND

Von der Teilung zur Annexion: Politische Entwicklungen

Keltische Tradition und höfische Ideale: Die mittelkymrische Literatur

Arthur – Artus: Der Beitrag der Kelten zur Weltliteratur

16.: DIE BRETAGNE VON DER VORZEIT BIS ZUR UNION MIT FRANKREICH

Land am Meer: Von den frühen Siedlern bis zur «Britannia minor»

Bretonen und Franzosen: Aspekte der politischen Geschichte

Namen, Glossen und Gedichte: Die frühen Zeugnisse des Bretonischen

DRITTER TEIL: GESCHICHTE, SPRACHE UND KULTUR DER KELTEN VOM HUMANISMUS – BIS ZUR GEGENWART

17.: IRLAND VON DER KOLONISIERUNG BIS ZUR KATHOLIKENEMANZIPATION

Alteingesessene und Neuansiedler: Irland in der frühen Neuzeit

Dichter und Gelehrte: Die irische Literatur im 17. und 18. Jahrhundert

Gälisches Erbe: Von der Altertumskunde zur Keltologie

18.: IRLAND VON DER KATHOLIKENEMANZIPATION BIS 1945

Vom Anschluss zur Unabhängigkeit: Aspekte der politischen Geschichte

Sprache und Identität: Die Rolle des Irischen in der Gesellschaft

Wege in die Moderne: Die irische Literatur im 19. und 20. Jahrhundert

19.: SCHOTTLAND VON DER REFORMATION BIS ZUR SCHLACHT VON CULLODEN

Politik und Religion: Schottland in der frühen Neuzeit

Die Welt der Clane: Wirtschaft und Gesellschaft im Hochland

Preisdichtung und Balladen: Die frühe schottisch-gälische Literatur

20.: SCHOTTLAND VON DER SCHLACHT VON CULLODEN BIS 1945

Pächter, Schafe und Touristen: Die Umgestaltung des Hochlands

«Wahrhaft Ossianische Szenen»: Macpherson, Scott und die Folgen

Dichter und Sammler: Die neuere schottisch-gälische Literatur

21.: WALES VON DER UNION MIT ENGLAND BIS ZUR INDUSTRIALISIERUNG

Zentralisierung und Anglisierung: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft

Humanisten und Theologen: Die kymrische Literatur der frühen Neuzeit

Barden und Druiden: Die Anfänge der walisischen Altertumskunde

22.: WALES VON DER INDUSTRIALISIERUNG BIS 1945

Gesellschaft im Wandel: Industrialisierung und Nonkonformismus

Klassizismus und Modernismus: Kymrische Literatur seit 1800

Das Los der Sprache: Kymrisch in Politik und Kultur

23.: DIE BRETAGNE VON DER UNION MIT FRANKREICH BIS 1945

Konservatismus und Modernisierung: Wirtschaftliche Entwicklungen

Bretonisch und Französisch: Aspekte der Zweisprachigkeit

Jenseits von Kirche und Staat: Die neuere bretonische Literatur

24.: DIE KELTISCHSPRACHIGEN REGIONEN VON 1945 BIS HEUTE

Keltische Länder? Zur Problematik einer Definition

Anpassung und Widerstand: Die keltischen Sprachen heute

Nationalismus, Regionalismus, Föderalismus: Politische Entwicklungen

RÜCKBLICK UND AUSBLICK: DIE KELTEN UND EUROPA

ANHANG

ANMERKUNGEN

LITERATURVERZEICHNIS

ABBILDUNGSNACHWEIS

REGISTER

AUS DEM VORWORT ZUR ERSTAUSGABE

Wie kaum ein anderer Name, der uns durch die ethnographischen Schriften des Klassischen Altertums überliefert ist, ruft der Name der Kelten eine Fülle unterschiedlicher Assoziationen hervor: Denkt der eine dabei an die museale Präsentation archäologischer Funde wie etwa aus dem Grab von Hochdorf, so denken andere an die farbigen Schilderungen keltischer Krieger bei antiken Autoren wie Poseidonios und Caesar, an antike Skulpturen wie die des «Sterbenden Galliers», an die unverwechselbare Ornamentik frühmittelalterlicher Buchmalerei, an Sagenhelden mittelalterlicher Literaturwerke wie Arthur/Artus und Cú Chulainn oder auch an eigene Erfahrungen mit Sprache und Brauchtum in Irland, Schottland, Wales und der Bretagne.

Die vorliegende Geschichte der Kelten sucht allen diesen Aspekten gerecht zu werden und spannt daher ihren Bogen von der schriftlosen Vorzeit bis zur Gegenwart und von der westlichsten Ausprägung der keltischen Kultur in Irland bis zu ihrer östlichsten in Kleinasien. Ihr Ziel ist es, dem allgemein interessierten Leser eine historische Einordnung der unterschiedlichen Facetten keltischer Kultur zu ermöglichen und dem wissenschaftlichen Benutzer anhand detaillierter Quellen- und Literaturhinweise eine Übersicht über den gegenwärtigen Stand der Forschung zu geben. Dem Gang der Ereignisse entsprechend, zerfällt die Darstellung in drei Teile:

Der besonders ausführliche erste Teil stellt die festlandkeltischen Kulturen des Altertums vor, für die einheimische Schriftquellen weitgehend fehlen und die wir daher vornehmlich durch Bodenfunde und Notizen antiker Beobachter kennen. Die ersten Kapitel schildern zunächst die Kultur und Geschichte der mitteleuropäischen Kelten von der späten Westhallstattkultur bis zur unmittelbar vorrömischen Zivilisation der Oppida. Darauf folgt ein Abriss der Geschichte der Kelten in Oberitalien sowie der westlichsten und östlichsten Ausläufer der keltischen Kultur auf der Iberischen Halbinsel und in Kleinasien. Den Abschluss bildet ein Kapitel über die Romanisierung Galliens, mit der die politische Selbständigkeit der keltischen Völker auf dem europäischen Festland ihr Ende fand.

Der weniger umfängliche zweite Teil schildert die mittelalterliche Geschichte der keltischen Völker Irlands, der Britischen Inseln und der von dort aus besiedelten Bretagne. Einen Schwerpunkt bilden dabei die Auswirkungen der Christianisierung, die Grundlagen der politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Ordnung, die Entwicklung der Sprachen und Literaturen sowie der Beitrag der inselkeltischen Völker zur Kultur des europäischen Mittelalters, wie er vor allem in der irischen Mission und in der Rezeption keltischer Stoffe und Motive in der höfischen Literatur greifbar ist. Die Darstellung endet mit einer Übersicht über die Transformation der traditionellen gesellschaftlichen, kulturellen und rechtlichen Strukturen infolge des Verlusts der politischen Selbständigkeit.

Der dritte, der Neuzeit gewidmete Teil behandelt zum einen die weitere Geschichte der keltischen Sprachen und Literaturen, zum anderen die Wiederentdeckung der antiken Kelten und deren Rückwirkung auf das Selbstverständnis der Sprecher keltischer Sprachen. Hier liegt der Schwerpunkt der Darstellung auf den wirtschafts-, bevölkerungs- und kulturpolitischen Entwicklungen, dem Einfluss der christlichen Konfessionen auf Sprache und Literatur sowie schließlich der Schöpfung eines zeitlosen, imaginären Keltentums im Zuge romantischer und nationalistischer Strömungen. Der Band schließt mit Betrachtungen zur Problematik unseres modernen Keltenbegriffs und zur Rolle der Kelten innerhalb der abendländischen Kultur.

Bernhard Maier

Vorwort zur vollständig überarbeiteten und erweiterten Neuausgabe

Nur drei Jahre nach dem Erscheinen der Erstausgabe dieses Buchs im Jahr 2000erhielt ich mit dem Erscheinen einer zweiten Auflage und der englischen Übersetzung die Gelegenheit, einige Fehler und Versehen zu verbessern und dem Literaturverzeichnis einige Ergänzungen hinzuzufügen. Nach nunmehr dreizehn weiteren Jahren erschien jedoch angesichts der vielen Fortschritte auf den Feldern der Archäologie, Geschichtswissenschaft und Keltologie eine durchgreifende und umfassende Neubearbeitung angezeigt. Am grundlegenden Plan des Werks hat sich freilich nichts geändert, weshalb nur der Schluss des ursprünglichen Vorworts entfallen musste und das Gros des ursprünglichen Textes aller drei Teile des Buches erhalten bleiben konnte. Gleichwohl bot die vom Verlag eingeräumte Möglichkeit eines Neusatzes vielfache Gelegenheit, sowohl Haupttext als auch Anmerkungen und Literaturverzeichnis durch notwendige Modifikationen sowie Einschübe und Ergänzungen an den gegenwärtigen Forschungsstand anzupassen. Berücksichtigt wurden dabei sowohl aufsehenerregende archäologische Neufunde als auch neue Interpretationen bereits bekannter Quellen, was nicht zuletzt in dem um rund 60 Seiten erweiterten Umfang, der Beigabe zusätzlicher Karten und Abbildungen sowie einem umfassend aktualisierten Literaturverzeichnis Ausdruck gefunden hat.

Bernhard Maier

EINLEITUNG

VOLK, SPRACHE UND KULTUR IN DER GESCHICHTE DES KELTENBEGRIFFS

Wer ein Buch über die Geschichte der Kelten zu schreiben beginnt, muss zunächst einmal den Gegenstand seiner Darstellung bestimmen.[1] Dabei gilt es drei verschiedene Verwendungsweisen des Begriffs «Kelten» zu unterscheiden:

In den Schriften der antiken Ethnographie bezeichnet der Name «Kelten» (griechisch Keltoí, Kéltai und Galátai, lateinisch Celtae und Galli) eine Vielzahl unterschiedlicher Völker Mitteleuropas, mit denen Griechen und Römer seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. zunächst durch Handelsbeziehungen und später infolge kriegerischer Auseinandersetzungen in Berührung kamen.[2] Dabei bezieht sich die Bezeichnung im Unterschied zum heute üblichen Sprachgebrauch vor allem bei griechisch schreibenden Autoren vielfach auch auf jene Völker, die man heute gemeinhin als Germanen bezeichnet, während die Bewohner der Britischen Inseln und Irlands anders als heute von den antiken Autoren niemals als Kelten bezeichnet werden. Die Kelten der Iberischen Halbinsel nennen die antiken Autoren zumeist «Keltiberer» (griechisch Keltíbēres, lateinisch Celtiberi), während die heute als «Galater» bekannten Kelten Kleinasiens wegen ihrer weitgehenden Anpassung an die hellenische oder griechische Kultur ihrer Umwelt in der Antike mitunter Hellēnogalatai bzw. Gallograeci genannt werden. Was alle diese Namen ursprünglich bedeuteten, ist heute auch mit sprachwissenschaftlichen Mitteln nicht mehr sicher festzustellen, auch wenn zur sprachlichen Ableitung des Keltennamens in erster Linie eine jener drei indogermanischen Wurzeln in Betracht kommt, deren Grundbedeutung man mit «erheben», «schlagen» und «verbergen» glaubt adäquat wiederzugeben.

Namentlich bekannt waren die Kelten vielleicht schon im 6. Jahrhundert v. Chr., als der Geograph Hekataios von Milet seine nur in Fragmenten erhaltene Erdbeschreibung verfasste. Den ersten sicheren Beleg des Namens findet man indessen bei dem Historiker Herodot (Historien 2,33,3–4), der die Kelten im Quellgebiet des Istros, das heißt der Donau, lokalisiert.[3] Sehr wahrscheinlich stammt diese Information von Gewährsleuten aus dem Mündungsgebiet der Donau an der Schwarzmeerküste, wo auch der Flussname Istros gebräuchlich war, denn die Kelten selbst nannten den Fluss mit jenem keltischen Namen, der später zu Donau wurde. Nach zahlreichen kurzen Erwähnungen u.a. bei dem Historiker Xenophon und bei den Philosophen Platon und Aristoteles bietet im 2. Jahrhundert v. Chr. das Geschichtswerk des Polybios erstmals vergleichsweise ausführliche Nachrichten über die Kelten Oberitaliens.[4] Zu Beginn des 1. Jahrhunderts v. Chr. verfasste dann der stoische Philosoph Poseidonios von Apameia im 23. Buch seiner heute verlorenen Universalgeschichte auf der Grundlage eigener Forschungsreisen in Südfrankreich und auf der Pyrenäenhalbinsel eine für spätere Autoren richtungsweisende Schilderung Galliens und seiner Bewohner, die man aus Zitaten und Entlehnungen bei dem Historiker Diodor von Sizilien (1. Jahrhundert v. Chr.), dem Geographen Strabon (1. Jahrhundert v. Chr./1. Jahrhundert n. Chr.) und dem Unterhaltungsschriftsteller Athenaios von Naukratis (2./3. Jahrhundert n. Chr.) annäherungsweise rekonstruieren kann.[5] Wohl in Abgrenzung zu Poseidonios beschrieb dann um die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. Iulius Caesar die Kelten, wobei er im Einklang mit der politischen und propagandistischen Tendenz seiner Feldzugsberichte insbesondere ihre Verschiedenheit von den Germanen mit Nachdruck hervorhob (Der Gallische Krieg 6,11–28).[6] Von entscheidender Bedeutung für das Verständnis der griechischen und römischen Nachrichten über die Kelten ist die – vergleichsweise junge – Einsicht in jene Eigenart der antiken Ethnographie und Geschichtsschreibung, kleinere Völkerschaften unter einem oft willkürlich gewählten Namen zu größeren – von ihnen «Völker«(éthnē) genannten – Einheiten zusammenzufassen, ohne sie weiter nach Zeit und Raum zu differenzieren. Darüber hinaus bringt es die große Bedeutung der Kelten als militärische Gegner erst der Griechen und danach der Römer mit sich, dass die antiken Darstellungen stark von Feindbildern und ethnographischen Klischees geprägt sind. Oft kann man daher weder die genaue Herkunft einer aus zweiter oder dritter Hand übernommenen Information noch deren Wahrheitsgehalt mit einiger Sicherheit abschätzen, zumal Griechen wie Römer augenscheinlich literarische Versatzstücke unterschiedlicher Herkunft nach Gutdünken mit eigenen Beobachtungen kombinierten, wobei sie gerne Verblüffendes und Ungewöhnliches in den Vordergrund rückten. Alle Angaben zur Kultur und Religion sind teilweise bis zur Karikatur schematisiert, und über ein so augenfälliges Phänomen wie die keltische Kunst findet man in der ganzen antiken Literatur kein Wort.

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Mutmaßliches Verbreitungsgebiet der keltischen Sprachen zur Zeit ihrer größten Ausdehnung im 2./1. Jahrhundert v. Chr.

Im Unterschied zum diffusen Keltenbegriff der Antike bezieht sich «Keltisch» in der zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstandenen Vergleichenden Sprachwissenschaft ausschließlich auf sprachliche Gegebenheiten.[7] Dazu muss man allerdings wissen, dass die Kelten des europäischen Festlands und Kleinasiens ihre Sprache bis zum Ausgang der Antike gegen das Lateinische bzw. Griechische eingetauscht hatten und mit dem Übergang zum Mittelalter auch die Kenntnis des historischen Zusammenhangs zwischen den Idiomen der antiken Kelten und den Sprachen der Iren, Hochlandschotten, Waliser und Bretonen verloren gegangen war. Erst der schottische Humanist George Buchanan (1506–1582) entdeckte diesen Zusammenhang wieder von Neuem, und erst seit dem 18. Jahrhundert setzte sich dann der Name «Keltisch» als Oberbegriff zur Bezeichnung sowohl der Sprache der antiken Kelten als auch der alteingesessenen Sprachen von Irland, Schottland, Wales und der Bretagne allgemein durch. Starken Auftrieb erfuhr die Beschäftigung mit den nunmehr sogenannten keltischen Sprachen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nach der Entdeckung der indogermanischen Spracheinheit durch Sir William Jones (1746–1794), besonders nachdem man in den 1830er Jahren die Zugehörigkeit der in mancher Hinsicht eigentümlichen keltischen Sprachen zur indogermanischen Sprachfamilie zweifelsfrei festgestellt hatte. Als «Keltisch» bezeichnet die Vergleichende Sprachwissenschaft seither eine Gruppe miteinander verwandter, doch gleichwohl deutlich voneinander verschiedener Sprachen, die im Laufe der Geschichte aus einer gemeinsamen Grundsprache, dem Alt- oder Urkeltischen, entstanden sind. Sie alle sind gekennzeichnet durch ein Bündel charakteristischer Merkmale, darunter den Übergang von ē zu ī (vgl. lateinisch rēx «König» gegenüber irisch ) und den Schwund des p im Anlaut und vor Vokal (vgl. lateinisch pater «Vater» gegenüber irisch athair). Das so definierte Keltische bildet den westlichsten Zweig der indogermanischen Sprachfamilie, die außerdem (in west-östlicher Reihenfolge) das Germanische, das Italische (u.a. Latein), das Baltische, das Slawische, das Albanische, das Griechische, das Armenische, das Hethitische in Kleinasien, das Iranische (u.a. Persisch), das Indische (u.a. Sanskrit) und das Tocharische in Zentralasien umfasst. Lange Zeit war es üblich, das Keltische nach der Entwicklung des aus der indogermanischen Grundsprache ererbten Lauts kw in eine p-keltische und eine q-keltische Untergruppe einzuteilen. Deutlich sichtbar ist diese unterschiedliche Lautentwicklung etwa in dem Wort für «vier» (vgl. lateinisch quattuor), das im Irischen ceathair, im Walisischen aber pedwar lautet. Demgegenüber unterscheidet man heute in der Regel aufgrund geographischer und chronologischer Kriterien die beiden Untergruppen des schon in der Antike belegten Festlandkeltischen (Gallisch auf dem Gebiet des antiken Gallien, Galatisch in Kleinasien, Lepontisch in Oberitalien, Keltiberisch auf der Iberischen Halbinsel) und des seit dem frühen Mittelalter durch volkssprachliche Literaturwerke bezeugten Inselkeltischen. Bei den inselkeltischen Sprachen wiederum unterscheidet man im Allgemeinen zwischen den beiden Untergruppen Goidelisch (Irisch, Schottisch-Gälisch im Schottischen Hochland und auf den Hebriden, Manx auf der Insel Man) und Britannisch (Walisisch oder Kymrisch in Wales, Kumbrisch in Nordengland, Kornisch in Cornwall und Bretonisch in der Bretagne). Waren die festlandkeltischen Sprachen spätestens im Frühmittelalter ausgestorben, so haben sich das Irische, das Schottisch-Gälische und das Kymrische ebenso wie das im Frühmittelalter von Cornwall aufs Festland verpflanzte Bretonische bis in die Gegenwart gehalten. Das Kumbrische wurde in Nordengland immerhin noch im Mittelalter gesprochen, während Kornisch bis ins 18. Jahrhundert und Manx bis ins 20. Jahrhundert lebendig blieben.

In der modernen Archäologie ist die Verwendung der Bezeichnung «Kelten» bis heute uneinheitlich und teilweise auch umstritten.[8] Dabei muss man sich vergegenwärtigen, dass die Anfänge einer archäologischen Beschäftigung mit den Kelten bis in die Zeit des Humanismus zurückreichen und eng mit der Wiederentdeckung der antiken Literatur verbunden sind. Erst ganz allmählich setzte sich in der frühen Neuzeit die Auffassung durch, dass Bodendenkmäler und archäologische Funde nicht nur der Veranschaulichung oder Bestätigung antiker Texte dienen sollten, sondern unabhängig davon die schriftlose Vorgeschichte Alteuropas erhellen konnten. Da man bis ins späte 18. Jahrhundert hinein jedoch fast allgemein davon ausging, dass die Schöpfung erst wenige tausend Jahre zurückliege und Europa nicht allzu lange vor dem Einsetzen der griechischen und lateinischen Schriftquellen von den Nachkommen eines der Söhne Noahs besiedelt worden sei, schrieb man – vor allem in Frankreich und auf den Britischen Inseln – oft sämtliche Denkmäler der vorrömischen Zeit den aus der antiken Literatur bekannten und als «Volk» verstandenen Kelten zu. Erst im 19. Jahrhundert begann man nach dem Vorbild des dänischen Gelehrten Christian Jürgen Thomsen (1788–1865) in der Vorgeschichte Mittel- und Nordeuropas die drei aufeinanderfolgenden Perioden der Stein-, Bronze- und Eisenzeit zu unterscheiden und die Bezeichnung «keltisch» auf die zuletzt genannte Periode einzuschränken. Ausgehend von bedeutenden Funden aus einem 1846 entdeckten Gräberfeld bei Hallstatt im oberösterreichischen Salzkammergut bzw. aus einer La Tène genannten Untiefe bei Marin an der Nordspitze des Neuenburger Sees in der Schweiz unterschied Hans Hildebrand (1842–1913) erstmals innerhalb der vorrömischen Eisenzeit Mitteleuropas eine ältere Hallstatt- und eine jüngere Latèneperiode. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelte dann der Prähistoriker Georg Kossack (1923–2004) – unter anderem anhand unterschiedlicher Grabausstattungen – die heute gängige Unterscheidung zwischen einem Westhallstattkreis (Nordostfrankreich, Mittelrheingebiet, Süddeutschland, Böhmen und Oberösterreich) und einem unmittelbar daran angrenzenden Osthallstattkreis (Mähren, Niederösterreich, Steiermark, Westungarn, Slowenien und nördliches Kroatien). Bis heute ist es weithin üblich, die Träger der Latènekultur mit den aus antiken Quellen bekannten Kelten zu identifizieren. Dagegen wird die eisenzeitliche Hallstattkultur zumeist nur in ihrer letzten Phase und westlichen Ausprägung den Kelten zugeschrieben, denn zum einen gebrauchen die antiken Autoren für frühere Jahrhunderte und benachbarte Kulturräume nirgends die Bezeichnung «Kelten», und zum anderen unterscheidet sich die letzte Phase der Hallstattkultur auch im archäologischen Fundbild etwa durch das Aufkommen reich ausgestatteter Gräber mit Importgütern aus dem Mittelmeerraum deutlich von den vorausgegangenen Jahrhunderten. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Verwendung der keltischen Sprache nach Ausweis der keltischen Ortsnamen sehr viel weiter verbreitet war als die Latènekunst, während umgekehrt entsprechende Kunstwerke auch bei solchen Personen in Gebrauch gewesen sein mögen, die selbst gar keine keltische Sprache benutzten. Vermutungen über die «Ethnogenese» der Kelten, über das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der keltischen Sprachen und über die Rolle von Migrationen und Akkulturation in der frühen Eisenzeit orientieren sich in erster Linie an der archäologisch nachweisbaren Kontinuität einzelner Kulturmerkmale mit Funden aus älteren Perioden und an der geographischen Stellung des Keltischen im Kreis der indogermanischen Sprachen, doch sind allgemein akzeptierte Ergebnisse hier bislang nicht erzielt worden.

Stellt man sich im Hinblick auf diese drei unterschiedlichen Verwendungsweisen des Begriffs «Kelten» abschließend die Frage, worin die Einheit des Gegenstands der vorliegenden Darstellung denn nun eigentlich besteht, so muss man zunächst drei negative Feststellungen treffen: Nach heutiger Kenntnis war diese Einheit weder anthropologisch noch kulturell noch im Bewusstsein der Kelten selbst begründet. Das Fehlen einer stichhaltigen anthropologischen Grundlage dokumentieren wohl am besten die Knochenfunde, da sie zum Beispiel hinsichtlich der Körpergröße oder der Form des Schädels eine beträchtliche Variationsbreite aufweisen und für eine Unterscheidung zwischen den Kelten und benachbarten Völkern keine zureichende Handhabe bieten.[9] Die Unzulänglichkeit einer Definition der Kelten anhand ihrer materiellen und geistigen Kultur ersieht man ohne weiteres daraus, dass die als typisch keltisch geltende Latènekunst etwa in Irland und auf der Iberischen Halbinsel kaum eine Rolle spielte, dass die frühkeltischen Handelspartner der Griechen zur Zeit Herodots ganz andere Siedlungs- und Wirtschaftsformen besaßen als die keltischen Völker zur Zeit Caesars und dass den weitaus meisten inschriftlich bezeugten keltischen Göttern nur lokale oder regionale Bedeutung zukam. Ähnliches gilt für das Gemeinschaftsbewusstsein der heute als Kelten bezeichneten Völker. Welche Vorstellungen die Kelten des Altertums von ihrer Herkunft hatten, entzieht sich zwar weitgehend unserer Kenntnis, doch war Iren, Schotten, Bretonen und Walisern schon im frühen Mittelalter das Wissen um die Kontinuität ihrer Sprache und Kultur mit jener der antiken Kelten verloren gegangen. Erst die humanistischen Gelehrten des 16. Jahrhunderts entdeckten die Verwandtschaft der noch lebenden inselkeltischen Sprachen mit dem Keltischen der Antike, und erst im 19. Jahrhundert schuf die romantische Rückbesinnung auf das nationale und regionale Erbe bei den letzten Sprechern keltischer Sprachen das Gefühl einer historischen und kulturellen Zusammengehörigkeit.[10]

Vordergründig könnte es so scheinen, als sei die Sprache das einigende Band, das die schriftlose Vorzeit mit der Gegenwart verbindet, doch sind auch hier sogleich zwei Einschränkungen zu machen. Zum einen hatten sich der goidelische und der britannische Zweig des Inselkeltischen schon im frühen Mittelalter so weit auseinanderentwickelt, dass Iren und Waliser sich nicht mehr ohne weiteres verständigen konnten und folglich auch die Literaturen dieser beiden Länder weitgehend eigene Wege gingen. Zum anderen ähneln die modernen inselkeltischen Sprachen ungeachtet ihrer Verwandtschaft mit den festlandkeltischen Sprachen des Altertums in vieler Hinsicht eher den hamito-semitischen Sprachen Nordafrikas und des Vorderen Orients (u.a. Arabisch, Berber und Ägyptisch) als etwa dem Griechischen oder Lateinischen. Da die vorkeltische Bevölkerung Irlands und der Britischen Inseln möglicherweise aus Nordafrika eingewandert ist, könnten diese typologischen Ähnlichkeiten auf die Wirkung eines vorindogermanischen Substrats, also auf die Nachwirkungen von Sprechgewohnheiten der vorkeltischen Bevölkerung jener Gegenden Westeuropas, zurückzuführen sein.[11]

Der Schluss erscheint daher unausweichlich, dass die heute übliche Verwendung des Begriffs «keltisch» zur Bezeichnung ganz verschiedener Phänomene von der Vorzeit bis zur Gegenwart weniger auf deren fundamentaler innerer Einheit als vielmehr auf einer subjektiven Sichtweise des modernen Betrachters beruht. Dass man von archäologischen Funden aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit kaum auf ein keltisches Volkstum oder auf die Zugehörigkeit zum keltischen Sprachstamm schließen kann, ist heute allgemein anerkannt. Beachtung verdient indessen, dass auch die Bezeichnung der mittelalterlichen irischen und walisischen Literaturen als «keltisch» diesen Traditionen nur bedingt gerecht wird. Zum einen findet man dort nämlich neben archaischen und konservativen Zügen eine Vielzahl kreativer Neuerungen und Adaptionen ausländischer Kultureinflüsse, zum anderen fehlte den mittelalterlichen Iren, Schotten, Walisern und Bretonen eben jenes Bewusstsein einer kulturellen Einheit und Besonderheit, das erst unser heutiges Verständnis dieser Literaturen auszeichnet.

So ist denn nicht zu verkennen, dass die Gründe für die Anwendung der Bezeichnung «keltisch» im heutigen Sprachgebrauch je nachdem von durchaus unterschiedlicher Art und Qualität sind: Was eine keltische Sprache auszeichnet, ist durch charakteristische Merkmale auf dem Gebiet der Laut- und Formenlehre eindeutig bestimmt. Hier ist «keltisch» jedoch eine letztlich willkürliche moderne Bezeichnung, aus der man weder auf eine besonders große Ähnlichkeit dieser Sprachen untereinander noch auf ein ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl ihrer Sprecher schließen darf. Der Gebrauch des Namens «Kelten» zur Bezeichnung eines einheitlichen Volkstums ist demgegenüber zwar sehr viel älter, erweist sich vom wissenschaftlichen Standpunkt aus jedoch sehr schnell als eine Fiktion der antiken Ethnographie, deren Fragwürdigkeit schon die ungerechtfertigte Vereinnahmung der Germanen als Kelten oder die kaum nachvollziehbare Ausgrenzung der keltischen Bewohner Britanniens und Irlands zeigen. Gleichwohl verdient diese Verwendungsweise des Begriffs durchaus eine nähere Betrachtung, da die Fiktion eines einheitlichen keltischen Volkstums im Bewusstsein der Griechen und Römer eine erhebliche Rolle spielte und daher für das Verständnis der antiken Geschichte von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Ähnlich steht es mit der heute vielbeschworenen «keltischen Spiritualität». Die damit bezeichnete Vorstellung ist zwar ebenso haltlos wie die eines einheitlichen keltischen Volkstums, doch lohnen auch diesbezügliche Aussagen und Vermutungen durchaus eine nähere Untersuchung, denn sie sagen zwar wenig über die antiken Kelten aus, aber viel über die abendländische Geistesgeschichte der Neuzeit.

Für eine Geschichte der Kelten ergeben sich zwei Konsequenzen aus diesen Überlegungen. Die erste besteht darin, den Schwerpunkt der Darstellung auf das mittel- und westeuropäische Altertum zu legen, in dem die keltische Kultur eine bemerkenswerte Einheitlichkeit aufwies und zugleich in der Auseinandersetzung mit den Kulturen des Mittelmeerraums ihre größte geschichtliche Bedeutung entfaltete. Ebenso wichtig erscheint es aber auch, die Geschichte der Kelten nicht mit der Romanisierung Galliens und dem Vordringen germanischer Stämme in die einstigen Siedlungsgebiete der Kelten enden zu lassen. So gewiss man nämlich die mittelalterlichen Kulturen der Iren, Schotten, Waliser und Bretonen nicht allein aus ihrer gemeinsamen keltischen Grundlage heraus verstehen kann, so legitim ist es doch andererseits, dem Weiterleben keltischer Traditionen und ihrer Bedeutung für die Geschichte dieser Völker von der Christianisierung bis zum Anbruch der Neuzeit nachzugehen. Dass auch die Neuzeit selbst in einer Geschichte der Kelten nicht ausgeblendet werden darf, dürfte sich nach dem oben Gesagten von selbst verstehen, da diese Epoche nicht nur ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl der modernen Sprecher keltischer Sprachen, sondern auch das moderne Bild der antiken Kelten und ihrer Geschichte überhaupt erst hervorgebracht hat. Nach diesen einleitenden Bemerkungen erscheint es angebracht, den Blick auf die Anfänge dieser Geschichte zu lenken.