Reinhard Kaiser
Der glückliche Kunsträuber
Das Leben des Vivant Denon
C.H.Beck
Benjamin Zix: «Allegorisches Porträt von Vivant Denon», 1811.
Die einen sahen in ihm «Napoleons Auge», die anderen hielten ihn für den größten Kunsträuber seiner Zeit. Vivant Denon, Direktor des Louvre in seiner allerersten Glanzzeit, war eine der schillerndsten Figuren Europas vor und nach der Französischen Revolution. Für seine große Liebe, die Kunst, tat er alles und war sich für nichts zu schade. Unter seiner Aufsicht wurde sogar die Quadriga vom Brandenburger Tor nach Paris geschafft. Reinhard Kaiser erzählt hier zum ersten Mal Denons staunenswerte Lebensgeschichte. Sie ist auch die Geschichte einer großen Liebe, die die Wirren der Revolutionsepoche überdauerte – so lebendig und glänzend erzählt, dass die Lektüre zu einer großen Verführung wird.
Reinhard Kaiser, geb. 1950, ist Schriftsteller und Übersetzer. Er ist ein Meister darin, recherchierte Lebensgeschichten mit literarischen Mitteln zu erzählen. Zu seinen Veröffentlichungen zählen der Roman Der kalte Sommer des Dr. Polidori, Königskinder. Eine wahre Liebe sowie zuletzt die großen Romane von Grimmelshausen, übersetzt aus dem Deutschen des 17. Jahrhunderts. Für seine Bücher erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter zweimal den Deutschen Jugendliteraturpreis, den Geschwister-Scholl-Preis sowie den Niederrheinischen Literaturpreis. Reinhard Kaiser lebt in Frankfurt am Main. Im Verlag C.H.Beck liegt von ihm vor: John William Polidori/Lord Byron, Der Vampir, herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort versehen (2014).
Vorspann
Hist
orische Achse
Fran
kreich beraubt
Vand
alismus
Triu
mph und Trophäe
1. Kapitel
Herk
unft, Legenden, Prägungen
Zutr
itt erlangen
Als
Volontär in Sankt Petersburg
Nur
diese Nacht
Die
Entdeckung Italiens
From
me Diebstähle
Winc
kelmann und die Ameisen
Auf
verlorenem Posten
Vase
nsammeln und andere Liebhabereien
Ein
Graveur mit vielfältigen Talenten
2. Kapitel
Die
Griechin seines Lebens
Gewi
sse Einzelheiten
Zum
Reisen genötigt
Ist
Hinsehen Arbeit?
Neui
gkeiten aus Frankreich
Allt
ag und Liebe nach den Akten der Inquisition
Das
Kabinett des Antonio Zanetti
Goet
he wartet
Ein
Duell
Das
Porträt
3. Kapitel
Fran
kreich von außen betrachtet
Unte
r Spitzeln und Emigranten
Die
Ausweisung
Haft
ende Blicke
Rück
kehr ins Vaterland
4. Kapitel
Die
sicherste Stadt Europas
Vom
Verschwinden der Perücken und anderen Neuerungen
Ein
guter Freund
Robe
spierre erschrickt selbst
Neuz
ugänge im Zentralmuseum
Komp
liziert genug
Kauf
en und verkaufen
José
phine
Die
Mitte der Welt wird an die Seine verlegt
Vene
dig gibt die Schlüssel ab
5. Kapitel
Bis
an den ersten Katarakt des Nil
Zeic
hnen im Ausnahmezustand
Der
Fuß der Mumie
Wovo
n diese Steine sprechen
Pest
und Propaganda
Der
Held entfernt sich von der Truppe
Ein
dickes Buch
6. Kapitel
Ämte
rhäufung
Mita
rbeiter und Gegenspieler
Verk
lärungen
An d
er Schwelle zur Lebendigkeit
Ein
ruchloser Plan
Sein
e einzige Untreue
Besu
cherandrang
Gene
raldirektor der Künste
Spät
es Begräbnis
Wied
ersehen am Terraglio
Wien
, Straßburg und der Zeichner Zix
7. Kapitel
Ein
Einquartierungs-Billett auf das goethesche Haus
Was
Berlin zu bieten hat
Die
Quadriga wird verschickt
Weih
nachten in Wolfenbüttel
Soll
ich etwa nichts nehmen?
Der
Krieg rückt näher
Im f
ernen Osten von Preußen
Erob
ert von der Grande Armée
Isab
ella porträtiert Vivente De-Non
8. Kapitel
Span
ischer Winter
Mit
feinen Sägen
Aben
dessen zwischen Alten Meistern
Des
Kaisers neue Ehe
Denk
mäler
Ital
ien sehen …
Tode
sfälle
Beim
Papst in Fontainebleau
Abfl
auende Betriebsamkeit
9. Kapitel
Bege
gnung am Louvre
Triu
mphale Heimholung
Auf
der Pirsch
José
phines Erbe
Die
Meisterwerke bleiben in Paris
Wer
sich mehr schämt
Im J
ahr darauf ist alles anders
Die
Aachener Säulen
Im M
useum wird es wüst
Ende
einer Mission
10. Kapitel
Das
Diktionär der Wetterfahnen
Priv
ate Bereicherung
In W
ürde ohne Amt
Monu
ment seiner Sammlung
Tref
fpunkt am Quai Voltaire
Isab
ella in Paris
Nach
tgeschichten
Nich
t unsterblich
Zers
treuung nach Nummern
Nachspann
Was
in Frankreich blieb
Vere
hrung, Liebe, Annäherung
Zeit
weilige Verluste, bleibender Gewinn
Eine
europäische Geschichte
Anhang
Anmerkungen
Vorspann
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
Nachspann
Literaturverzeichnis
Schriften von Vivant Denon in chronologischer Reihenfolge
Quellen und Schriften zu Vivant Denon
Bildnachweis
Namenregister
Tafelteil
Vor- und Nachsatz
Fußnoten
Mein Dank gilt Elena Balzamo, Marie-Luise Knott, Michael Hohmann, Ann Anders, Heiner Boehncke, Rainer Wieland, Stefan Bollmann, meiner Frau Viktoria, unserer Tochter Lisa und unserer Enkeltochter Emma Gesine. Ohne die Ermutigung, die mir von ihnen allen zuteilwurde, wäre dieses Buch nicht fertig geworden.
Frankfurt am Main, 20.September 2015
Reinhard Kaiser
Que Pierrot serait content
s’il avait l’art de vous plaire.*
*Ach, wie froh wär Pierrot, hätt’ er die Kunst, euch zu vergnügen.
Historische Achse — Seit es sie gibt, scheint die gläserne Pyramide des Louvre in Paris den Ausgangspunkt einer Geraden zu bilden, die wie mit dem Lineal gezogen in westlicher Richtung durch die französische Hauptstadt verläuft. Zunächst passiert diese Gerade einen Triumphbogen römischen Formats, schneidet dann – auf der Place de la Concorde – einen echten, altägyptischen Obelisken und unterquert noch einen zweiten Triumphbogen, diesmal von napoleonischen Ausmaßen, bevor sie sich hinter der so gut wie quadratischen Öffnung einer Baulichkeit im Weiten verliert, die seltsamerweise ebenfalls «Bogen» – sogar «Großer Bogen», Grande Arche – genannt wird und allein zu dem phantastischen Zweck errichtet scheint, ein Stück Himmel einzurahmen und gleichsam an die Erde zu heften.
Genau genommen beginnt diese «historische Achse», wie sie in Frankreich genannt wird, allerdings nicht bei der gläsernen Pyramide, sondern bei einem schräg vor ihr stehenden Reiterstandbild Ludwigs XIV. Die Pyramide und der ganze Louvre liegen nämlich ein wenig versetzt zu ihr. Trotzdem ergibt sich der Eindruck, dass zwischen all diesen Denk- und Sehenswürdigkeiten, über Räume und Zeiten hinweg, ein Zusammenhang besteht, und dieser Eindruck täuscht nicht.
Auch die gläserne Pyramide dient einem phantastischen Zweck. Sie markiert und beschirmt einen Zugang zur Kunst, wie es keinen zweiten auf der Welt gibt. Sie eröffnet den Weg in eine Sammlung von Sammlungen, die nicht ihresgleichen hat.
Wenn der Besucher in die Pyramide getreten ist, bleibt ihm nach der Sicherheitskontrolle nichts anderes übrig, als erst einmal hinabzusteigen auf eine tiefer gelegene, dank des durchsichtigen Zeltes über ihm aber dennoch lichte Ebene. Dort unten hat er dann die Wahl. Drei Wege führen von hier zur Kunst. Entscheidet er sich für den, der nach rechts, nach Süden, in Richtung der Seine, zum ältesten Teil des Museums abzweigt, so gleitet er nach einigen Schritten auf einer nun wieder in die Höhe führenden Rolltreppe den Buchstaben D-E-N-O-N entgegen und kann dann, unter ihnen hindurchgehend, seinen Weg fortsetzen – zu den römischen und griechischen Antiken im Erdgeschoss oder hinauf nach der Beletage, zu den italienischen Meistern in der Grande Galerie, zur Mona Lisa und zu den großformatigen Franzosen des 19.Jahrhunderts in den angrenzenden Sälen.
Der Louvre hat in den zweieinhalb Jahrzehnten seit der Eröffnung der Pyramide und mit all den Erweiterungen, die ihr folgten, einen Glanz erlangt, der ungeheuerlich und unvergleichlich erscheint. Doch dieser Eindruck täuscht. So viel Strahlkraft, wie er heute hat, ist schon einmal von ihm ausgegangen – kurz nachdem das einstige Königsschloss zu Beginn der revolutionären Schreckensherrschaft, im Sommer 1793, in ein Kunstmuseum umgewandelt worden war. Während der ersten beiden Jahrzehnte seines Daseins stand dieser Louvre in seiner Pracht und seiner Anziehungskraft hinter dem von heute nicht zurück, und was die – nach dem Urteil der Zeitgenossen – großartigen Gemälde und Skulpturen allerhöchsten Ranges anging, die er damals beherbergte, so übertraf ihre Zahl und ihre Qualität sogar die Bestände des heutigen Museums. Nachher allerdings ging es dann sehr plötzlich und steil bergab.
*
Frankreich beraubt — Im Herbst des Jahres 1815, nach der Schlacht bei Waterloo, als Napoleon Bonaparte abgedankt hatte und zu Schiff in sein endgültiges Exil nach Sankt Helena unterwegs war, erschienen in Paris Abgesandte zahlreicher europäischer Mächte – Kunstsachverständige. Sie verschafften sich – bisweilen unter militärischer Bedeckung – Zugang zum Museum und wanderten mit langen Listen durch die schier endlose Grande Galerie, auf der Suche nach Bildern und Skulpturen, die sie von ihren Sockeln oder von den Wänden zu holen und abzutransportieren gedachten.
Der Direktor des Museums, Dominique Vivant Denon, ein quicklebendiger, streitbarer Herr von achtundsechzig Jahren, stellte sich den Eindringlingen nach Kräften entgegen. Zeit seines langen, wendungsreichen Lebens hatte er es immer verstanden, im Umgang mit sehr unterschiedlichen, sehr einflussreichen, sehr mächtigen Personen den richtigen Ton zu treffen. Aber diesmal, angesichts des drohenden Untergangs seines Museums, verlor er jegliche Contenance.
Auch der Heilige Stuhl beteiligte sich an der Leerung des Louvre und hatte dazu den berühmten italienischen Bildhauer Antonio Canova nach Paris entsandt. Als Denon gegen ihn ausfallend wurde, wies Canova ihn zurecht, so führe man sich in Gegenwart eines Botschafters, eines Ambassadeur, nicht auf. «Ambassadeur!», erwiderte Denon, «Sie wollten wohl sagen emballeur – Einpacker!»*
Die Vereinigten Niederlande hatten vier Kommissare nach Paris geschickt. Unter der Leitung von Cornelis Apostool, dem Direktor des Koninklijk Museum in Amsterdam, des heutigen Rijksmuseums, sollten die Maler Balthasar-Paul Ommeganck, Joseph Dionysius Odevaere und Petrus Johannes van Regemorter etliche alte Niederländer und Flamen und vor allem die Gemälde des Peter Paul Rubens aus Paris in ihre Heimat zurückholen. Als Denon sah, wie van Regemorter, hoch auf einer Leiter stehend, eines der großen Rubensbilder abhängen wollte, das zu den Hauptattraktionen des Louvre gehört hatte, packte ihn der Zorn. Er stieß die Leiter um, und van Regemorter wäre unweigerlich mit ihr in die Tiefe gestürzt, hätte er sich nicht mit beiden Händen oben an den Rahmen des Bildes geklammert, wo er, vor der kostbaren Leinwand strampelnd, eine Weile hängenblieb, bis seine Landsleute die Leiter wieder aufgerichtet hatten.* Doch aller Widerstand Denons und seiner Mitarbeiter blieb vergebens. Der Louvre leerte sich zusehends und noch viel schneller, als er sich in den beiden vorangegangenen Jahrzehnten gefüllt hatte. Schließlich erschien in der «Gazette de France» unter dem Datum des 18.Oktober 1815 die folgende Notiz:
Monsieur Denon, Generaldirektor des Museums, hat um seine Entlassung gebeten. Ihre Majestät hat seinem Gesuch stattgegeben und dabei Ihre Zufriedenheit darüber zum Ausdruck gebracht, mit welchem Eifer sich dieser Gelehrte dafür eingesetzt hat, Frankreich einen Teil der Meisterwerke zu erhalten, deren es sich nun beraubt sieht.*
Frankreich beraubt! So sah es die «Gazette de France». So sah es «Ihre Majestät», Ludwig XVIII., der Nachfolger Ludwigs XVI. auf dem französischen Königsthron, der die Jahre der Revolution und des napoleonischen Kaiserreiches im Exil verbracht und nach der Schlacht bei Waterloo mit Hilfe der Engländer und Preußen den Weg zurück in die französische Hauptstadt gefunden hatte. So sah es auch Denon selbst – ausgerechnet er, den übelwollende Zeitgenossen außerhalb Frankreichs den «französischen Raubkommissär»* nannten und für den größten Kunsträuber ihrer Zeit, wenn nicht aller Zeiten hielten.
Vivant Denon, von 1802 bis 1815 Direktor des Louvre oder vielmehr des «Musée Napoléon», wie es während dieser Zeit hieß, hat die «Politik des nationalen Kunstraubs»* für Frankreich nicht erfunden und nicht in Gang gesetzt. Aber er hat sie, nachdem ihm die Leitung des Museums übertragen worden war, so energisch und so sachverständig betrieben wie niemand in den Jahren vor ihm. Bei den planmäßig organisierten Aktionen wurde – ebenfalls nicht selten unter militärischer Bedeckung – aus zahlreichen europäischen Groß- und Kleinstaaten eine unübersehbare Menge von Kunstwerken und anderen Kulturgütern nach Frankreich «weggeführt» – zum höheren Ruhm der Grande Nation, als Trophäen ihrer militärischen Triumphe. Damals wurden mehr Kunstwerke von ihrem bisherigen Standort entfernt als je zuvor in Europa. Übertroffen wurde diese Betriebsamkeit, was die Masse der bewegten, verschleppten und verschobenen Werke angeht, wohl erst durch die kunsträuberischen Untaten, die Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus vollbrachte: die Beschlagnahmung und Enteignung von jüdischem Kunstbesitz im eigenen Land seit den dreißiger Jahren und während des Krieges dann die Plünderung öffentlicher und privater Sammlungen in den besetzten Ländern.
Irgendwann im Herbst 1815 sah Vivant Denon schließlich ein, dass er die Fülle seiner Sammlungen gegen die Rückgabeforderungen der Geschädigten nicht würde retten können:
Sollen sie die Sachen doch mitnehmen – der Blick dafür fehlt ihnen, und Frankreich wird durch seinen Vorrang in der Kunst immer aufs Neue beweisen, dass diese Meisterwerke hier besser aufgehoben waren als anderswo.*
In trotziger Resignation bezeugt hier der selbstbewusste Kunsträuber sein gutes Gewissen. Wie immer es um das förmliche Recht der ursprünglichen Besitzer und ihrer Abgesandten bestellt sein mag, er reklamiert für sein Land das bessere, kunstfreundlichere Klima und für sich selbst das höhere Recht der Kennerschaft und des wahren Kunstverstandes – der Blick dafür fehlt ihnen.
Friedrich Schiller, zweitgrößter Dichter jenes Landes, das – nach Italien – von den französischen Kunstraubzügen am heftigsten getroffen wurde, hatte sich und seine Leser schon in dem Gedicht «Die Antiken zu Paris» von 1802 mit einem ganz ähnlichen Gedanken getröstet, wie ihn dann schließlich auch Denon formulierte:
Was der Griechen Kunst erschaffen,
Mag der Franke mit den Waffen
Führen nach der Seine Strand,
Und in prangenden Museen
Zeig er seine Siegstrophäen
Dem erstaunten Vaterland!
Ewig werden sie ihm schweigen,
Nie von den Gestellen steigen
In des Lebens frischen Reihn.
Der allein besitzt die Musen,
Der sie trägt im warmen Busen,
Dem Vandalen sind sie Stein.
*
Vandalismus — Wie sind die Vandalen eigentlich zu ihrem schlechten Ruf gekommen? Gewiss, sie haben im Jahre 455 unter ihrem Anführer Geiserich während vierzehn langen Tagen Rom geplündert. Aber sie waren nicht die Ersten und nicht die Einzigen, die so etwas taten. Beim «Sacco di Roma» zum Beispiel, der Plünderung Roms im Jahre 1527, waren vor allem deutsche Landsknechte am Werk. Auch könnte man den alten Vandalen zugutehalten, dass sie ihrem späteren Ruf insofern nicht gerecht wurden, als sie damals in Rom eben nicht einfach alles, was ihnen unterkam, kurz und klein schlugen. Blinde Zerstörungswut, für die sie heute ihren Namen hergeben müssen, scheint ihre Sache nicht gewesen zu sein. Den siebenarmigen Leuchter zum Beispiel, den die Römer vierhundert Jahre vorher selbst zusammen mit zahlreichen anderen Kult- und Kunstgegenständen aus dem Tempel von Jerusalem geraubt und im Triumphzug nach Rom gebracht hatten, haben auch die Vandalen nicht zerstört oder verschwinden lassen. Sie haben ihn nach Karthago mitgenommen und dort sorgfältig aufbewahrt. Verschwunden ist der den Juden so unschätzbar wertvolle und bis heute schmerzlich vermisste Leuchter erst, nachdem wiederum achtzig Jahre später Belisar, ein Feldherr des christlichen Kaisers Justinian I., ihn den Vandalen weggenommen hatte. Auf der Seereise nach Konstantinopel soll er mit einem Schiff voller Beute im Mittelmeer versunken sein.
Der Begriff «Vandalismus» kam erst sehr viel später auf. Die Französische Revolution selbst hat ihn hervorgebracht – selbstkritisch, so könnte man sagen, im Blick auf ihren eigenen Umgang mit der Kunst.
Kurz nachdem schließlich auch Robespierre unter die Guillotine geraten war, im August 1794, legte ein gemäßigter Abgeordneter, der Abbé Henri Grégoire, der Nationalversammlung drei «Berichte über die Zerstörungen des Vandalismus und die Mittel, sie zu verhindern» vor. Darin formulierte er als eine Tatsache, was den radikaleren Vorkämpfern der Revolution und ihren Fußtruppen erst noch klargemacht werden musste: «Barbaren und Sklaven verabscheuen die Denkmäler der Kunst, freie Menschen lieben und bewahren sie.»*
Die Revolution hatte der Kunst in den zurückliegenden Jahren keineswegs jene Liebe entgegengebracht, die der Abbé Grégoire hier als eine Selbstverständlichkeit hinstellt. Im Gegenteil. Kunstbesitz galt vielen Revolutionären als verwerfliches Privileg des Adels und der Kirche, als schändliches, zerstörungswürdiges Zeichen des Luxus und der Dekadenz, und so gehörten zu den Folgen des Sturms auf die Bastille auch ungezählte wüste Bilderstürme. Nicht nur Herrscherstatuen und andere Symbole des alten Regimes fielen ihnen zum Opfer. Der Idee nach galt es, sämtliche Spuren der Monarchie, der Feudalherrschaft und des Klerikalismus auszulöschen. Königs- und Heiligenfiguren im Inneren und an den Fassaden und Portalen der Kirchen wurden zerschlagen, die Kirchenschätze mit ihren Reliquiaren, Kelchen und Monstranzen eingeschmolzen, um den Goldwert zu realisieren. Adelssitze wurden verwüstet und geplündert. Vernichtung und Verschleuderung von Kunstbesitz gingen dabei dicht nebeneinander her. Möbel, Gemälde und Gobelins wurden versteigert – an eine Kundschaft, die aus Holland, England und Italien mit Annoncen in den dort erscheinenden Zeitungen nach Frankreich gelockt wurde.
Die Gruft der Kirche von Saint Denis im Norden von Paris, wo seit achthundert Jahren die französischen Könige und ihre Gemahlinnen bestattet worden waren, wurde im Herbst 1793 verwüstet – angeblich um das Blei der Särge im Inneren der Grabmäler für die Rüstungsproduktion zu gewinnen, vor allem aber um die Herrschaft dieser Herrscher wenigstens nachträglich und symbolisch ungeschehen zu machen und das Andenken an sie auszulöschen. Die Gebeine der Toten wurden in ein Massengrab neben der Kirche geworfen. In der letzten Phase der Vorherrschaft Robespierres scheint dieses zerstörerische Treiben seinen Höhepunkt erreicht zu haben. Noch im April 1794, nur wenige Monate bevor Henri Grégoire der Nationalversammlung über den Vandalismus berichtete, erschienen im Musée Central, wie der Louvre damals hieß, Bevollmächtigte des Wohlfahrtsausschusses und sonderten im Depot sämtliche Gemälde aus, die in ihrer Thematik irgendwie an die Feudalzeit erinnerten, um sie nachher zu verbrennen.*
Dem vandalistischen Wüten der Revolutionäre stellten sich besonnenere Zeitgenossen entgegen und brachten sich mitunter selbst in Gefahr, indem sie gefährdete Kunstwerke und wertvolle historische Objekte vor der Zerstörung zu retten versuchten. Alexandre Lenoir richtete im ehemaligen Kloster der Petits Augustins, wo heute die «Ecole des beaux-arts» von Paris residiert, ein Depot für solche bedrohten Kulturschätze ein, das er dann im Jahre 1795, nach dem Ende der Schreckensherrschaft, in ein Museum für französische Kultur und Geschichte umwandelte.*
Während in Paris und der französischen Provinz die Werke der Kunst noch, wie die Menschen, in Massen hingerichtet wurden, begannen die Truppen der französischen Republik jenseits der Landesgrenzen schon damit, nicht nur die von Klerikalismus und Fürstenherrschaft unterdrückten Völker, sondern auch die in diesen Gegenden anzutreffenden Kunstwerke zu befreien. Seit 1792 kämpften französische Armeen mit wechselndem Erfolg auf linksrheinischem deutschen Gebiet und auf dem Territorium des heutigen Belgien und der Niederlande gegen eine von Österreich und Preußen angeführte Koalition europäischer Mächte, die Frankreich wieder in eine Monarchie verwandeln wollten.
Der französischen Nordarmee, die schließlich die Oberhand behielt und die österreichischen Niederlande und die Generalstaaten besetzte, gehörte auch eine Gruppe von «Kunstkommissaren» an. Sie wählten zum ersten Mal – vor allem in den Kirchen und Klöstern Flanderns – eine größere Zahl von Kunstwerken für die Überführung nach Paris aus: die Mitteltafel des berühmten Genter Altars von Jan van Eyck, Bilder von Paulus Potter, Jacob Jordaens, Rembrandt, van Dyck und immer wieder Rubens – nicht zuletzt auch dessen «Kreuzigung des Apostels Petrus», die im Oktober 1794 in der Kirche Sankt Peter in Köln abgehängt wurde. Es war dies allerdings das einzige Gemälde, das damals in Köln beschlagnahmt wurde. Die Kunst der Gotik, an der die Stadt so reich war, galt dem französischen Kunstgeschmack der Zeit als primitif, was im Französischen nicht so abwertend klingt wie im Deutschen das Wort primitiv, damals aber dennoch bedeutete, dass diese «frühe», «ursprüngliche», «urwüchsige» Kunst nicht hoch im Kurs stand und kaum Beachtung fand.*
Stattdessen nahmen die Kunstkommissare in Köln aus den Sammlungen des ehemaligen Jesuitenkollegs mehr als 26.000 Kupferstiche und über 6000 Zeichnungen sowie die wertvollsten Bücher aus dessen großer Bibliothek mit. In Aachen beschlagnahmten sie unter anderem den Proserpina-Sarkophag, in dem einst Karl der Große bestattet worden sein soll, sowie ein Armreliquiar und ließen außerdem an die vierzig Marmor- und Porphyrsäulen aus den Bögen der Pfalzkapelle des Doms brechen und nach Paris schaffen.* Vom weiteren Schicksal dieser Kostbarkeiten wird noch die Rede sein.
*
Triumph und Trophäe — Verglichen mit den verschiedenen Formen ihrer Zerstörung und Vernichtung erscheint der Raub von Kunst fast wie eine Form ihrer Wertschätzung und Verehrung. Anders als für Schiller fielen diese Kunstentführungen in der Wahrnehmung der Franzosen, die für ihre Planung und Ausführung zuständig waren, jedenfalls nicht unter die Rubrik «Vandalismus». Der Erfinder dieses Begriffs selbst, der Abbé Grégoire, kündigte im August 1794 voller Überschwang das baldige Eintreffen der ersten Kunstkonvois aus den Niederlanden an:
Die Republik erwirbt durch ihren Mut, was Ludwig XIV. auch mit ungeheuren Summen niemals zu gewinnen vermochte. Crayer, van Dyck und Rubens sind auf dem Weg nach Paris, und die flämische Schule erhebt sich und kommt herbei, um unsere Museen zu schmücken.*
Am 20.September 1794 trat der Maler Jacques-Luc Barbier, zu jener Zeit als Leutnant und Kunstkommissar im Dienst der Nordarmee stehend, vor die Nationalversammlung und meldete die Ankunft jenes ersten, von ihm selbst in Flandern zusammengestellten Kunsttransports. Die Rede, die er aus diesem Anlass hielt, ist aufschlussreich. Aus der Entführung von Kunstschätzen wird in Barbiers Rhetorik deren Heimkehr in ihr wahres Vaterland, und das ganze Unterfangen erscheint nicht im Mindesten als Bilderraub, sondern als groß angelegte Bilderbefreiung.
Vertreter des Volkes! Die Früchte des Genies stellen das Erbe der Freiheit dar, und dieses Erbe wird stets von der Volksarmee respektiert werden. Die Armee des Nordens drang mit Feuer und Schwert in die Mitte der Tyrannen und ihrer Anhänger vor, aber sie schützte sorgfältig die zahlreichen Meisterwerke der Kunst, welche die Despoten in ihrer überstürzten Flucht zurückließen. Zu lange waren diese Meisterwerke durch den Anblick der Sklaverei beschmutzt worden. Im Herzen der freien Völker sollen diese Werke berühmter Männer ihre Ruhe finden; die Tränen der Sklaven sind ihrer Größe nicht würdig, und die Ehrung der Könige beunruhigt nur ihren Grabesfrieden. Nicht länger befinden sich diese unsterblichen Werke in fremdem Land; heute sind sie im Vaterland der Künste und des Genies, der Freiheit und Gleichheit, in der französischen Republik angekommen. Ich habe diese kostbaren Bilder zusammengebracht und begleitet, denen weitere folgen werden. Ich bitte Euch, Bürgervertreter, ihre Sicherstellung anzuordnen, so dass ich nach Erfüllung dieser Mission zurückkehren kann, um die Despoten zu bekämpfen. Lang lebe die Republik!*
Als sich der Schwerpunkt des Kriegsgeschehens nach Italien verlagert, wo der junge General Napoleon Bonaparte Oberbefehlshaber über die französische Armee wird, ist wieder eine Kunstkommission mit von der Partie. Während Napoleon einen Sieg nach dem anderen über die Österreicher erringt und ganz Nord- und Mittelitalien republikanisiert, besichtigen die Kunstkenner in seiner Nachhut Kirchen, Klöster und Paläste.
Napoleon gab dem Kunstraub eine vermeintlich unanfechtbare rechtliche Form, indem er die Ablieferung einer bestimmten Zahl von Kunstobjekten in seinen Friedens- oder Waffenstillstandsverträgen festschrieb. Piacenza, Parma und Modena zum Beispiel hatten jeweils zwanzig Bilder nach Auswahl der französischen Kommissare zu liefern. Rom musste einhundert Bilder, Skulpturen, Mosaiken, Vasen und fünfhundert Handschriften hergeben und Venedig außer sechs Millionen Zechinen in bar und zwanzig Bildern auch das Wahrzeichen der Stadt, den Bronzelöwen, sowie die berühmten vier Bronzepferde aus der Fassade des Markusdoms, die die Venezianer ihrerseits sechshundert Jahre zuvor in Konstantinopel entwendet hatten.
Aus seinem Hauptquartier in Tolentino berichtet Napoleon 1797 an die Regierung in Paris:
Bürger Direktoren, der Ausschuss der Gelehrten hat in Ravenna, Rimini, Pesaro, Ancona, Loreto und Perugia reiche Ernte gehalten; dies alles wird unverzüglich nach Paris gesandt werden. Zusammen mit dem, was aus Rom gesandt werden wird, werden wir dann alles haben, was in Italien an Schönem zu finden ist, ausgenommen eine kleine Zahl von Dingen, die sich in Turin und Neapel befinden.*
Viel Sinn für Kunst hat Napoleon nicht besessen. Das «Schöne», das in Italien zu finden war, interessierte ihn nicht um seiner selbst willen. Er schätzte die Kunstbeute vor allem als Denkmal, als Beleg für seine Siege und zu ihrer Ausschmückung. Denn zum Triumph gehörte, nach antikem Vorbild, die Trophäe.
«Tropaion» nannten die alten Griechen ihre Siegesdenkmäler. Ursprünglich bestand ein solches Tropaion aus erbeuteten Waffenstücken der Feinde, die an Baumstümpfe oder eigens aufgerichtete Pfähle und Gerüste gehängt wurden, und zwar genau dort, wo sich die «Trope», die Wendung der Feinde zur Flucht, oder die «Katas-Trophe», die vollständige Wendung ihres Schicksals zum Schlimmsten, ereignet hatte.
Später verlegte man die Siegesdenkmäler vom Schlachtfeld in die Hauptstadt, und schließlich hörten die Sieger auf, ihre Siege allein mit den Waffen der Besiegten zu schmücken. Von dem siebenarmigen Leuchter, den Titus Flavius Vespasianus im Jahre 70 n. Chr. aus Jerusalem entführte und im Triumph nach Rom brachte, war schon die Rede. Die Römer scheuten auch den Aufwand nicht, der erforderlich war, zahlreiche Wahrzeichen des alten Ägypten, dieses scheinbar so unerschütterlichen und dennoch von ihnen unterworfenen Reiches, über das Meer zu holen und in ihrer eigenen Kapitale aufzurichten, so dass Rom heute der Ort auf der Welt ist, wo die meisten ägyptischen Obelisken stehen. Und ein Konsul namens Lucius Aemilius Paulus führte nach seinem Sieg über den mazedonischen König Perseus im Jahre 168 v. Chr. nicht weniger als zweihundertfünfzig Wagen voller Kunstschätze aus ganz Griechenland in seinem Triumphzug mit sich.
Man weiß, wie sehr das Vorbild der Römer die Anhänger der Französischen Revolution inspirierte und auch denjenigen, der ihr durch seinen Staatsstreich ein Ende machte. Napoleon hat seinen italienischen Siegen mit römischer und italienischer Kunst in Frankreich Denkmäler gesetzt. Schon zu einer Zeit, als er sich noch nicht zum Ersten Konsul und erst recht nicht zum Imperator oder Kaiser aufgeschwungen hatte, im Juli 1798, bescherte er den erstaunten Bürgern von Paris einen Triumphzug nach altrömischem Muster (Abb. 12). Die Brüder Goncourt haben ihn in ihrer «Geschichte der französischen Gesellschaft unter dem Direktorium» nach zeitgenössischen Quellen beschrieben:
Ein neues, gewaltiges Fest – der 10. Thermidor des Jahres VI [28.Juli 1798 – der vierte Jahrestag von Robespierres Sturz]. Auf den Boulevards des Städtchens, das sich einst Kaiser Julian als Winterlager erkor, werden die Wunderwerke Italiens und Griechenlands herumgefahren! Ein Wagen trägt die vier Pferde aus Venedig; ein anderer Apollon und Clio; ein anderer Melpomene und Thalia, ein anderer die Venus vom Kapitol, ein anderer den Dornauszieher und den Diskuswerfer; ein anderer den sterbenden Gallier … ein anderer die Laokoon-Gruppe; ein anderer den Apoll von Belvedere; ein anderer die Verklärung von Raffael; ein anderer Bilder von Tizian und Veronese! Und als wären neunundzwanzig Wagenladungen mit Meisterwerken von göttlicher Schönheit nicht genug, folgen noch Wagen mit Gewächsen, Versteinerungen, Tieren; es folgen die Bären von Bern, die Löwen, die Kamele, die Dromedare Afrikas und ganze Fuhren von Manuskripten, Medaillen, Notenhandschriften, Druckwerken. … Nachdem sie die Boulevards entlanggezogen sind, bilden die Wagen auf dem Marsfeld drei Kreise um die Statue der Freiheit, und auf ihnen türmt sich im goldenen Glanz der untergehenden Sonne ein Olymp aus Marmor.*
Viele Beutestücke blieben verpackt. Aber auf den Kisten stand in großen Buchstaben geschrieben, was sie enthielten, und zwischen den antiken Statuen wurde ein Schild getragen, auf dem zu lesen war:
La Grèce les ceda,
Rome les a perdu,
Leur sort changea deux fois,
Il ne changera plus.*
Griechenland gab sie her,
Rom hat sie verloren,
Ihr Schicksal wechselte zweimal,
nun jedoch nie mehr.
Vivant Denon und Bonaparte selbst waren bei diesem seltsamen Umzug allerdings nicht zugegen. Auch an den bisher geschilderten Aktionen war Denon nicht beteiligt gewesen. Gegen die Ideen, die dieser Art von Beute- und Triumphzügen zugrunde lagen, hatte er sogar zusammen mit einigen anderen französischen Künstlern und Historikern öffentlich Bedenken erhoben. Zwei Jahre zuvor, zu Beginn des italienischen Feldzugs, hatte er einen von dem Archäologen und Kunsthistoriker Antoine Chrysostôme Quatremère de Quincy angeregten, zwar zaghaft formulierten, aber ernst gemeinten Brief an das Direktorium unterzeichnet:
Bürger Direktoren – wir treten mit der Bitte an Sie heran, die wichtige Frage reiflich zu erwägen, ob es Frankreich nützlich, ob es für die Künste und Künstler überhaupt vorteilhaft ist, wenn die Denkmäler des Altertums und die Meisterwerke der Malerei und Bildhauerkunst, die den Bestand der Galerien und Museen von Rom bilden, aus dieser Hauptstadt der Künste weggeführt werden …*
Bei den «Bürgern Direktoren» hatte dieses Schreiben wenig Interesse geweckt. Diese Leute hatten erkannt, wie anschaulich und symbolkräftig sich mit der spektakulären Überführung weltberühmter Skulpturen und Gemälde von Rom nach Paris vor aller Welt der Anspruch der französischen Hauptstadt auf das Erbe Roms und seine Nachfolge als Neues Rom, als neue Mitte der Welt bekräftigen ließ. Deshalb bremsten sie ihren erfolgsverwöhnten General in Italien weder in seinen militärischen noch in seinen konfiskatorischen Ambitionen.
Sie legten ihm auch keine Steine in den Weg, als er 1798 den Plan einer militärischen Expedition nach Ägypten ins Gespräch brachte. Napoleon wollte auf diese Weise die Stellung Frankreichs im östlichen Mittelmeerraum stärken und diejenige Englands und des mit ihm verbündeten Osmanischen Reiches schwächen. Am 19. Mai 1798 verließ er den Hafen von Toulon mit einer Kriegsflotte, der sich in den folgenden Tagen weitere Einheiten anschlossen. Auf ihrem Weg nach Süden nahm sie die Insel Malta kampflos ein und landete am 1. Juli bei Alexandria.
Mit an Bord waren hundertfünfzig Gelehrte, die während des Feldzugs das Land erkunden und die Altertümer des Pharaonenreiches erforschen, vermessen, zeichnen und, soweit sie transportabel waren, für die Museen in der Heimat einsammeln sollten. Zu ihnen gehörte auch Denon, der sich dann in Ägypten allerdings von den gelehrten Kollegen trennte und seine eigenen Wege ging. Die meisten Teilnehmer der ägyptischen Expedition fanden, Denon sei mit seinen einundfünfzig Jahren viel zu alt für ein derart gefahrvolles und kräftezehrendes Unternehmen. Denon selbst fand das nicht.
Mein Leben lang hatte ich mir gewünscht, eine Reise nach Ägypten zu machen. Aber die Zeit, die alles abnutzt, hatte auch diesen Wunsch stumpf gemacht. Als nun von der Expedition, die uns zu Herren dieses Landes machen sollte, die Rede war, fachte die Aussicht, mein altes Vorhaben doch noch zu verwirklichen, dieses Verlangen von neuem an. Ein Wort des Helden, der die Expedition befehligte, entschied über meine Abreise; er versprach mir, mich mit sich zurückzubringen, und ich zweifelte nicht an meiner Rückkunft. Sobald ich für jene gesorgt hatte, deren Schicksal von dem meinen abhing, ließ ich die Vergangenheit hinter mir und gehörte ganz der Zukunft.*