Steffen Unger

Vorkoster gesucht!

100 Berufe aus der Antike

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für meine Familie

Impressum

ISBN 978-3-8053-4874-4

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Inhalt

Einleitung

Reportage 1: Aphrodites Ebenbild

Politisches

Griechenland

Rom

Juristisches

Militärisches

Agrarisches

Gewerbliches

Reportage 2: Alltag eines Medicus

Medizinisches

Pädagogisches

Religiöses

Kriminelles

Unterhaltsames

Löhne und Preise in der Antike

Zeittafel

Quellen und Literatur

Berufe- und Personenregister

Abbildungsnachweis

Einleitung

 

 

Das Arbeitsleben in der Antike unterscheidet sich zum Teil gravierend von dem späterer Zeiten und dem unseren. Nicht allein der Fakt, dass ein Mensch Eigentum eines anderen werden und zu verschiedensten Arbeiten gezwungen werden konnte, beeinflusste die damalige Berufsbildung, Arbeitsverteilung oder -einstellung immens. Auch das weitgehende Fehlen von Wirtschaftsanalysen, der recht konstante Entwicklungsstand der technischen Hilfsmittel, die heute fremden Praktiken, Sitten und Bräuche schufen und beeinflussten die Berufe, über die wir uns heute teilweise wundern mögen. Zugleich war die Menschheit seit eh und je von Umständen betroffen, die bis heute anhalten, oder sie ging ebenso dauerhaften Beschäftigungen und Interessen nach. Vor allem Metropolen wie Athen oder Rom waren beispielsweise vom Getreideimport abhängig und konnten bei Lieferschwierigkeiten oder Missernten in schwerste Krisen geraten. Im ländlichen Bereich, der in der vorindustriellen Gesellschaft den wirtschaftlichen Löwenanteil stellte, hatte die Selbstversorgung der freien Kleinbauern, die Hauptstütze der antiken Staaten, oberste Priorität. Regierungen ergriffen mitunter die Initiative, um den Preis zu binden; die Regelung von Grundeigentum oder Fragen der Verteilungsgerechtigkeit sorgten bereits vor über 2000 Jahren für Aufruhr. Politiker kämpften gegen derartige Probleme oder nutzten sie für den eigenen Machtausbau. Die Menschen begeisterten sich für sportliche – oft auch tödlich endende – Wettkämpfe und musische Darbietungen, die Römer liebten die Thermen, und nicht zuletzt muss man der recht chauvinistischen Aussage, Prostitution sei „das älteste Gewerbe der Welt“, einen gewissen Wahrheitsgehalt zusprechen. Kluge Köpfe entwickelten in verschiedenen Bereichen erstaunlich hochwertige und präzise Geräte, clevere Strategien oder auch Gesetze, die bis heute im Einsatz sind bzw. gelten.

Zahlreiche Berufe oder Tätigkeiten, die damals gelernt oder ungelernt, bezahlt oder unbezahlt, freiwillig oder erzwungen ausgeübt wurden, existieren noch heute, andere mögen aus heutiger Sicht absurd erscheinen. Die antike Welt wirkt zum einen fremd, zum anderen vertraut, denn unsere Kultur beruht in beträchtlichem Maße auf ihr.

Diese Sammlung von „100“ Berufen – eine exakte Zahlenangabe ist allein aufgrund der häufigen Überlagerungen der Aufgabenbereiche und Kompetenzen sowie der oft ungenauen und verschiedenen antiken Bezeichnungen für ein und dieselbe Tätigkeit kaum möglich und auch nicht gewollt –, in zehn Branchen eingeteilt und untereinander verknüpft, ist durch Infokästen mit Zusatzinformationen und spektakulären Anekdoten und Fakten sowie durch eine halbfiktive und eine fiktive Reportage aus dem spätklassischen Athen bzw. dem kaiserzeitlichen Rom bereichert.

Aphrodites Ebenbild

Die Venus von Milo zeigt den Moment, als Phryne den Ältestenrat verzauberte.

Der Redner hat sein Plädoyer beendet. Starr verharrt er inmitten des Gerichts. Seine Augen wandern über die Gesichter der ehemaligen Archonten. Er versucht Ruhe zu bewahren. Schier unmöglich. Die Altehrwürdigen tuscheln, teils gelassen, teils energisch, mit vorwiegend verstimmten Gesichtern; dann kehrt Ruhe ein. Alle warten auf das Wort des Vorsitzenden. Doch Aristomenes verharrt auf seinem Platz …

‚Warum schweigen sie? Aristomenes müsste zum nächsten Punkt übergehen! Was würde Isokrates wohl sagen? Ich wünschte fast, er wäre hier! Ich habe all seine Ratschläge, die er uns jahrelang erteilt hat, befolgt und verbessert. Und dennoch: Diesmal …‘

Erst nach einer Weile erhebt sich der 72-jährige Vorsitzende des Areopags. Er wendet sich dem Redner zu und spricht in tiefem Bass: „Ich danke Euch, Hypereides. Für diese – nun ja – wie erwartet beeindruckende Rede, dieses Mal nicht als Ankläger, sondern als Verteidiger. Ich kann Euch versichern, dass Ihr auch darin dem hohen Gericht glaubwürdig erscheint. Zu glaubhaft diesmal, fürchte ich. Ihr macht selbst kein Geheimnis aus Eurer Beziehung zur Angeklagten. Doch das ist nicht der einzige Grund dafür, weshalb Euer Erfolgskurs in Gefahr ist.“

Mehrere Mitglieder des Areopags stimmen lauthals zu. Aristomenes genügt ein kurzes Handzeichen, um sie zur Ruhe zu bringen.

„Bevor wir abstimmen, frage ich, ob sich jemand zur Rede des Hypereides äußern möchte.“

Prompt erhebt sich ein etwa Fünfzigjähriger mit Glatze und grauem Vollbart. Hypereides, etwa gleichen Alters, nur etwas fülliger, knirscht leise: „Alexias. Kein Wunder.“

Der hagere Athener schaut zum Vorsitzenden und sagt auf dessen Zeichen hin: „Ich teile Eure Meinung, ehrwürdiger Aristomenes. Hypereides hat auch mich erneut davon überzeugt, bei Isokrates durch eine hohe Schule gegangen zu sein. Und gerade hier liegt das Problem! Wie wir alle wissen, äußert sich der alte Lehrmeister seit Längerem öffentlich im Sinne der Makedonier! Er scheint Philippos regelrecht zu bewundern! Das sollte Euch doch genauso stören wie viele andere auch, da Ihr wie sie und ich die Gefahr erkannt habt, die über uns schwebt. Wir alle spüren doch, wie Philipp, der große Retter Delphis, immer weiter nach Griechenland ausgreift. Und alles nur wegen der verräterischen Bundesgenossen, die wir so entbehrungsreich bekämpfen mussten. Wir können uns ganz besonders jetzt Skandale wie um diese Frau in unserer Stadt nicht leisten. Der Areopag muss durchgreifen, um seinen uralten Einfluss zu bewahren, und die Position aller künftigen Archonten stärken!“

„Der Krieg war nicht der einzige Grund, das weißt du, Alexias!“, platzt sein Rivale Pytheas in die Rede. Andere unterstützen ihn lauthals: „Du begehrst sie doch selbst! Das weiß die ganze Stadt!“

Alexias schnaubt.

„Um mich geht es hier nicht, sondern einzig und allein um die Angeklagte. Sie hat die Götter beleidigt. Diesen Frevel zu verzeihen heißt, selbst zu freveln!“ Seine Sympathisanten brüllen, die Situation scheint zu eskalieren. Aristomenes eilt in die Mitte des Saals. Der Schein der Öllampen lässt sein erregtes Gesicht streng und alt erscheinen; seine Augen treten hervor. Er dreht sich mehrere Male behäbig um sich selbst und hält dabei seinen Gehstock in die Höhe. Diesmal kehrt erst Ruhe ein, als die Gerichtsdiener hereinstürmen, die nur selten auf dem Areshügel zum Einsatz kommen. Die prekäre Situation vorausschauend, hat er sie beim Rat der 500 für den Prozess beantragt. Sie stellen sich zwischen die beiden Lager, die sich im Lauf des Wortgefechts formiert haben. Er ermahnt seine Kollegen immer wieder zur Ruhe. Erstaunt richten die Areopagiten ihre Gewänder und setzen sich. Der Alte tritt auf Hypereides zu.

„Geht bitte einen Moment hinaus, Hypereides.“

Der Redner nickt; er geht auf die Tür zu. Ein Diener öffnet und schließt sie hinter ihm. Hypereides stellt sich an die kleine Mauer, die den Areshügel begrenzt, und schaut hinüber zur Akropolis. An der mehr als hundertjährigen Athena, die oben schwer bewaffnet über die Stadt wacht finden Ausbesserungsarbeiten statt. Der gewaltige Bronzekörper ist bis zur Hüfte von einem Gerüst bedeckt, auf dem einige Handwerker arbeiten. Von unten scheinen sie Anweisungen zu erhalten, vielleicht vom Baumeister. Hypereides genießt es, sich in Gedanken über die Geschichte seiner Heimatstadt zu verlieren, um von seinem momentanen Kummer Abstand zu nehmen. Zumindest für einige Momente. Er wird jedoch eher als gewollt zurückgeholt: Sie sagt nichts, doch er weiß, was sie sagen würde – wenn sie wollte. Dass es keinen Ausweg gibt. Nicht in dieser von Männern bestimmten Welt.

„Wenn sie Sokrates verurteilt haben, dann mich erst recht“, sagt Phryne trocken, die mit ihren Sklaven neben dem Gebäude gewartet hat und leise an ihren Liebhaber herangetreten ist. Sie trägt einen feinen Chiton, darüber einen Mantel, im Haar ein Band – keine Schuhe und keinen Schmuck. Hypereides schaut zum Parthenontempel, dreht sich dann langsam um. Er weiß nicht, ob er ihren Anblick heute verkraften kann. Es verbindet ihn mehr mit ihr als bezahlte Erotik und anspruchsvolle Konversation, wie sie typisch für Hetären sind. Zumindest gilt das für ihn. Was sie fühlt, hat er nie erkennen können. Doch ist er sich sicher – genau deshalb liebt er sie.

„Was kann ich nur tun? Ich habe auf Praxiteles verwiesen, deinen Einfluss, deine großzügigen Weihungen und Spenden. – Sie reden nur von Gottlosigkeit. Ich weiß nicht, was passiert.“

Sein Blick streift die vier Leichtbewaffneten, die den Weg hinab in die Stadt – die Fluchtmöglichkeit – blockieren. Den Felsen hinabklettern? Würde zu lange dauern … Hypereides hört nicht, wie Phryne seinen Namen wiederholt, merkt aber ihren festen Griff an seinen Schultern. Er blickt sie verstört an; sie nickt in Richtung Gebäude. In der Tür steht sein Freund Skamandrios und winkt ihn heran, kommt Hypereides aber auch entgegen.

Leicht geduckt flüstert er: „Es ist noch nicht entschieden. Ihr könnt wirklich froh sein, dass der Fall von der Heliaia hierher verlegt worden ist – vor dem Volk wäre das Urteil längst gefallen. Du kannst sie noch retten, aber gib acht, was du sagst. Die Mehrheit scheint Alexias zu folgen!“

„Richtig.“ Alexias steht plötzlich hinter ihm. Er schaut argwöhnisch zu Phryne und ruft: „Das Gericht hat tatsächlich entschieden, die Angeklagte selbst vorzuladen – an deiner Seite, Hypereides.“

Grinsend fügt er hinzu: „Wollen wir sehen, ob Tugend oder Laster überwiegen. Das wird entscheidend sein.“

Hypereides folgt zögernd den festen Schritten Phrynes. Sie stellt sich mitten in den Saal.

Aristomenes fährt fort: „Also, Hypereides. Wir stimmen dir zu, dass Praxiteles ein großartiger Künstler ist. Ganz gewiss hat er hervorragende Werke geschaffen, doch zeigen sie nicht das, was Athen jetzt braucht: Stärke und Gemeinschaftsdenken. Und wo ist Praxiteles? Warum weilt er nicht unter uns? Weiß jemand, wo er sich aufhält?“

„Wie ich hörte, in Megara oder Korinth.“

„Ach was, er ist in Thespiai, wo er die Hetäre in Gold verewigen soll! Wie die Göttin selbst!“

„Sie hätte in Böotien weiter Gemüse verkaufen sollen!“

„Ruhe!“, wiederholt Aristomenes. „Das geht zu weit, Alexias!“ Der Vorsitzende wendet sich Phryne zu und ruft: „Jedoch – in der Tat lautet die von mehreren Bürgern bestätigte Anklage, die hier Vorgeladene habe mehrfach geäußert, sie sei mindestens genauso schön wie Aphrodite selbst, also könne Praxiteles die Göttin auch nach ihrem Abbild schaffen – noch dazu völlig nackt! Entspricht dies der Wahrheit? Ich gebe Euch, Hypereides, nun eine letzte Möglichkeit, diesen ungeheuren Vorwurf zu entkräften.“

Phryne schaut Hypereides an: Was wird er antworten? Welches Argument bleibt noch? Er selbst ist wie gelähmt, starrt erneut in die Runde. Ein Blick zu seiner Geliebten … Sie scheint sich ihm zuzuwenden und einen Arm zu heben! Will sie ihn berühren? Ihm etwas zeigen? Er denkt nicht weiter nach – er handelt. Blitzschnell fliegt ihr Mantel vom Körper, Hypereides springt geradezu vor Phryne hin, schaut ihr tief in die Augen – und zerreißt ihren Chiton in zwei Zügen. Bis auf einen kleinen Schurz bekleidet, steht sie regungslos vor der entsetzten Versammlung. Erst verschränkt sie die Arme, dann senkt sie sie, atmet entspannt aus und schaut geradeaus an die Wand.

Die einstigen Archonten springen auf, wenden sich beschämt ab, um im nächsten Moment doch hinzuschauen, trauen ihren Augen nicht oder wollen ihre Erregung nicht wahrhaben. Der Körper der über vierzigjährigen Hetäre ist, wie sie finden, makellos; ihre Haut marmorglatt. Es ist ein Rätsel, warum sie ihren eigentlichen Namen, den keiner hier kennt, abgelegt hat und sich „Kröte“ nennt oder nennen lässt.

Als sich der Tumult etwas gelegt hat, beschwört Hypereides die gelähmte Menge. „Seht selbst, warum Praxiteles sie als Modell gewählt hat! Phryne steht unter Aphrodites Schutz höchstpersönlich. Nicht wer sie verteidigt – wer sie verurteilt, der frevelt, der kränkt die Göttin! Ich fordere Freispruch! Freispruch!“

Die überwiegende Mehrheit beginnt tatsächlich zu jubeln. Alexias tobt und brüllt dazwischen, doch nur seine direkten Nachbarn können ihn verstehen. Er drängt sich aus dem Gemenge und verlässt das Gebäude. Aristomenes und Hypereides schauen sich stumm an – ihre Blicke schweifen vorbei an der nackten Phryne, die nicht aufhört, in Bewegungslosigkeit zu verharren. Nur ein kurzes, kaum erkennbares Augenzwinkern zeigt Hypereides ihr ungebrochenes Selbstbewusstsein.

 

 

Politisches

 

 

Im Zuge ihrer Entwicklung, Expansion und ihres Hegemoniebestrebens versahen die griechischen Stadtstaaten und das Imperium Romanum die antike Welt mit einer Fülle von administrativen Tätigkeiten, die entweder in abgewandelter Form noch heute existieren, in unserem Sprachgebrauch verankert sind oder aber kurzlebig waren. Die höchsten Ämter blieben oft dem Adel und den privilegierten Ständen vorbehalten, die es sich leisten konnten, auf das oft nicht vorgesehene Gehalt zu verzichten oder sich mit einer Aufwandsentschädigung zufrieden zu geben. Diese Ehrenämter waren äußerst begehrt, denn ihre Träger konnten mit einer herausragenden politischen Laufbahn Ansehen erringen, sozial aufsteigen, ihren Einfluss und mittelbar auch ihr Vermögen steigern.

Griechenland

Die Archonten – zehn „Herrscher“ aus älterer Zeit

In vielen griechischen Poleis war das Archontat jahrhundertelang das höchste politische Amt. Es war aus der königlichen Gewalt hervorgegangen, die in Athen im Verlauf der sogenannten dark ages, vielleicht im 11./10. Jahrhundert v. Chr., abgeschafft worden war. Hier verteilten sich die umfassenden Kompetenzen erst auf einen, später auf drei archontes aus dem Geburtsadel (die Eupatriden), die für zehn Jahre gewählt wurden und in einem eigenen Gebäude tagten. Um deren Macht weiter einzudämmen, konnten sie ihr Amt – folgt man der erhaltenen, wenn auch unvollständigen Archontenliste Athens – ab dem Jahr 683 v. Chr. nur noch für ein Jahr ausüben. Man durfte das Amt prinzipiell nur einmal innehaben. Solon, der Archon des Jahres 594/93 v. Chr., der selbst den Eupatriden angehörte, teilte die Bürger in vier Vermögensklassen ein – das Archontat blieb zunächst der ersten Klasse vorbehalten. Dennoch war die bisherige Macht des Geburtsadels stark beschnitten worden.

Vorsitzender war der archon (eponymos), nach dem etwa seit klassischer Zeit datiert wurde. Er klärte Familien- und Erbschaftsangelegenheiten, organisierte religiöse Feste und empfing Gesandte. Der archon basileus führte den Titel des Königs fort und hatte dessen einstige religiöse Macht inne; er entschied über Morde und Fälle, in denen dem Angeklagten Gotteslästerung vorgeworfen wurde. Der archon polemarchos war ursprünglich der militärische Oberbefehlshaber, war für andere Feste verantwortlich, entschied unter anderem auch über Streitigkeiten mit Nichtbürgern, vor allem Metöken. Sie alle hatten eigene Gehilfen.

Infolge massiver Unruhen – in der Archontenliste ist zu Beginn des 6. Jahrhunderts v. Chr. von anarchia die Rede – wurde das Amt, um eine noch abwechslungsreichere Besetzung zu gewährleisten und als wirksames Mittel gegen Korruption, etwa zu jener Zeit auf neun bzw. zehn Köpfe verteilt. Dazu gehörten die Thesmotheten, die „Gesetzeshüter“. Sie schrieben Gesetze nieder und bewahrten sie auf, informierten die Öffentlichkeit über ergangene Gesetzesvorschläge und hatten umfassenden Einfluss auf Gerichtszeiten und -beschlüsse, die komplizierte Auswahl der Richter und Geschworenen. Der ihnen Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. vom Staatsmann Kleisthenes zugeteilte Sekretär, der grammateus, unterstützte sie bei schriftlichen Formalitäten. Für die Zeit der Peisistratiden, der Tyrannen Athens (546–510 v. Chr.), sind zwar Archonten nachgewiesen; sie entstammten jedoch Familien, die den Peisistratiden ergeben waren, oder dem Tyrannengeschlecht selbst.

Die insgesamt zehn „Herrschenden“ kamen ansonsten aus allen zehn Bezirken (Phylen) Attikas, die Kleisthenes eingerichtet hatte – erst Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. wurden zwölf festgelegt. Sie legten zu Beginn ihrer Amtszeit einen Eid ab und mussten am Ende einen Rechenschaftsbericht vorlegen. Als Zeichen ihrer altehrwürdigen umfassenden politischen Gewalt trugen sie eine Art Krone. Nichtsdestotrotz verlor das Gremium in klassischer Zeit weiter an Einfluss. Staatsmänner der demokratischen Partei übertrugen viele Kompetenzen wie das militärische Oberkommando nach und nach auf die Strategen. Diese wurden fortan gewählt, während die Archonten spätestens seit 487 v. Chr. ausgelost wurden. Den hippeis („Rittern“), den Bürgern der zweiten Zensusklasse, stand das Amt seit etwa dieser Zeit offen. Die Staatsmänner Perikles und Ephialtes bewirkten 457 v. Chr., dass auch Angehörige der dritten Zensusklasse – der Zeugiten, die ein kleines Grundstück besaßen und zu denen die meisten Hopliten zählten –, diesem Rat beitreten durften. Insgesamt stand also wahrscheinlich mindestens der Hälfte aller athenischen Bürger das einst mächtige Kollegium offen. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass Themistokles, der Sieger über die Perser in der Schlacht von Salamis 480 v. Chr., der letzte namhafte Archon war. Er amtierte 493 v. Chr. Das Hauptaugenmerk der Athener lag nunmehr auf den Strategen.

Dass viele politische Ämter seit Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. in Athen, das auf dem Höhepunkt seiner Macht war, vergütet wurden, wird ein weiterer Dämpfer für die Aristokraten gewesen sein: Mittellose konnten es sich nun finanziell erlauben, ein öffentliches Amt zu besetzen! Dieses demokratische Standbein überdauerte ungefähr zwei Jahrhunderte. Im Verlauf des 4. Jahrhunderts v. Chr. wurde festgelegt, dass schließlich auch die Theten, die besitzlosen Bürger, als Archon wirken durften.

Orthagoras von Sikyon war der Sohn eines Opferschlachters. Er wurde Polemarch und schwang sich dadurch zum Tyrannen – einem gesetzlich nicht anerkannten Gewaltherrscher – auf. Sein Bruder Myron, Olympiasieger von 648 v. Chr. im Wagenrennen, wurde sein Nachfolger. Die Tyrannis der Orthagoriden hielt sich erstaunliche hundert Jahre. Der letzte ihrer Tyrannen war Kleisthenes, Großvater des bekannten Reformpolitikers. Er siegte 572 v. Chr. ebenfalls im olympischen Wagenrennen.

Seit Solon konnten die Archonten nach ihrer Amtszeit lebenslanges Mitglied im Areopag, dem Altenrat, der auf dem „Areshügel“ gegenüber der Akropolis tagte, werden. Diesem altehrwürdigen Rat hatten zuvor nur Eupatriden angehört. Sie hatten den Beraterstab des Königs gebildet, sollen als das älteste Gericht schon in mythischer Zeit aktiv gewesen sein und waren bald mit vielen Verwaltungsangelegenheiten betraut worden. Im 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. bestimmten die Areopagiten im Wesentlichen die Staatsgeschäfte, wachten über die Einhaltung der Sitten, die politischen Ämter oder prüften die Qualifikation von Bewerbern.

In klassischer Zeit büßten sie wie zuvor als Archonten zahlreiche ihrer alten Funktionen ein. Der radikale Demokrat Ephialtes bewog die Volksversammlung zur Verabschiedung von Gesetzen, die dazu führten, dass viele Kompetenzen auf andere Gremien wie die Boulé, den Rat der 500, übertragen wurden. Etwa hundert Jahre lang beschränkten sich die Debatten der geschwächten, aber immer noch geachteten Areopagiten, die bei der damaligen geringen Lebenserwartung höchstens 150 Mann gewesen sein können, auf Mordfälle und solche mit religiösem Hintergrund wie vielleicht den der Phryne. Danach sprach man ihnen wieder einige Funktionen zu, vor allem in Sachen Sittengesetzgebung. Der Areopag blieb auch in der Kaiserzeit eines der wichtigsten Gremien im alten Athen.

Der erste, wenn auch mythische Archon Athens regierte Mitte des 11. Jahrhunderts v. Chr., der letzte bekannte „herrschte“ im Jahr 484/85 n. Chr. Das Amt hatte somit – mit Unterbrechungen – das Weströmische Reich mit dessen Königen, Konsuln, Diktatoren und Kaisern überdauert. Auch in Ostrom (Byzanz) wurde es bis zu dessen Untergang abgewandelt beibehalten.

Die Epimeleten – Beamte verschiedener Art

Epimeleten, das Pendant zu den römischen Procuratoren, waren im alten Athen mit verschiedenen Aufgaben betraut: Finanzverwaltung, Kontrolle des Trinkwassers, Organisation von Festen, Marktaufsicht oder im Zusammenhang mit dem Attischen Seebund stehende Arbeiten. Sie konnten ferner neben dem Archonten die Choregen bestimmen und auch in vielen anderen Poleis für weitere Aufgaben zuständig sein. Sie ähneln sehr den episkopoi („Wärter“, „Aufseher“) und häufig in hellenistischer Zeit erscheinenden epistatai („Vorstehende“), von denen einer den König in verschiedenen Städten vertrat.

Die Ratsherren – auf Staatskosten gespeist

Die Bulé oder Boulé, die Ratsversammlung in demokratischen Poleis – hier jene Athens –, entstand unter Solon zu Beginn des 6. Jahrhunderts v. Chr., gewissermaßen als Ausgleich zum Areopag. Sie bestand zunächst aus 400 vorwiegend wohlhabenden Mitgliedern, die den archaischen vier Phylen („Stämmen“) Athens entstammten. Um 500 v. Chr. weiteten die Athener die Bulé auf 500 Mitglieder aus, je fünfzig aus den neuen zehn Phylen. Der Rat bestand in schwankendem Umfang noch in der Kaiserzeit.

Diese buleutai, die mindestens dreißig Jahre alt und Bürger sein mussten, wurden jedes Jahr ausgelost – Iteration war nach einer Pause einmal möglich – und hatten die Aufgabe, die Tagesordnung der Volksversammlung (ekklesia), die oft alle neun Tage stattfand, vorzubereiten und diese einzuberufen, die Flotte instandzuhalten oder verschiedene hohe Amtsträger auf Tauglichkeit zu prüfen und auszuwählen. Sie verwalteten zudem den Staatsschatz und urteilten über verschiedene Delikte. Dafür hatten die Mitglieder einer Phyle als sogenannte Prytanen, als geschäftsführender Ausschuss, für 35 bzw. 36 Tage die Verantwortung; die Reihenfolge war ebenfalls Losentscheid. Sie teilten sich in Schichten ein, sodass mehrere von ihnen ständig am Buleuterion, ihrem Amtsgebäude nahe der Agora, wo der Rat außer bei Festen tagte, präsent waren und zum Beispiel Gesandte empfingen.

Ein Prytane wurde täglich, aber ohne Iteration zum Vorsitzenden der bulé und der ekklesia (epistates) erlost; er hatte dann die Verantwortung für die Archive und den Staatsschatz. Dieses ehrenvolle Amt, das lediglich die Archonten einst bekleidet hatten, besetzte zum Beispiel der berühmte Philosoph Sokrates 406 v. Chr. Doch auch die prytaneis verloren es im 4. Jahrhundert v. Chr. – an jeweils neun prohedroi, die zwar ebenfalls Ratsherren waren, aber zu jeweils einer der gerade nicht geschäftsführenden Phylen gehörten.

Die Buleuten erhielten seit Perikles ein tägliches Gehalt von einer Drachme, und wenn sie präsent waren, durften sie neben einigen anderen Privilegierten, vor allem Olympiasiegern, im neben dem Buleuterion liegenden Prytaneion auf Staatskosten speisen. In diesem Rundbau brannte auch das heilige Feuer der Hestia (röm.: Vesta), der Göttin des Herdfeuers. Buleuten waren zudem von der Teilnahme an Kriegszügen befreit. Dies betraf auch den eingangs erwähnten Redner und Logografen Hypereides im Jahr 338 v. Chr., als Philipp II. von Makedonien durch die Schlacht von Chaironeia die Herrschaft über Griechenland übernahm.

Das Gegenstück zur demokratischen bulé ist die typisch oligarchische gerusia oder Gerousia, meist ein Ältestenrat, der wahrscheinlich aus der Königszeit stammt. Spartas 28 Geronten („Greise“), die ein Mindestalter von sechzig hatten, wurden von der apella (Volksversammlung) per Akklamation gewählt. Sie berieten sich mit den Ephoren und waren sogar berechtigt, die beiden Könige Spartas, die ebenfalls Mitglied der Gerusia waren, zum Beispiel bei Versagen zu verurteilen.

Räte anderer Poleis hießen zum Beispiel „die Fünfzig“ (Tegea), „die Achtzig“ (Argos), „die Dreihundert“ oder die sechzig „Amnemones“ (Knidos).

Das Ephorat – starkes demokratisches Element

Die Ephoren, die „Aufseher“, waren die höchsten Beamten Spartas sowie einiger ähnlich strukturierter Poleis, die seit archaischer Zeit, vielleicht bereits in der Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. von der Apella für jeweils ein Jahr per Akklamation gewählt wurden. Seit etwa 400 v. Chr. waren es fünf an der Zahl. Die beiden Könige, die von den Ephoren vertreten werden sollten und – als Kontrollmaßnahme – stets von deren zwei auf Feldzügen begleitet wurden, scheinen zumindest in der Frühzeit Einfluss auf die Ernennung gehabt zu haben. Nach dem ersten Ephoren benannten die Spartaner das Jahr. Später wurde ihre Macht ausgebaut. Die Ephoren waren einflussreiche Gesetzgeber, kontrollierten die Staatsfinanzen und die Heloten, die unterdrückte Bevölkerung der Landschaft Messenien, denen sie jährlich symbolisch den Krieg erklärten, entschieden mehrheitlich und in Kooperation mit der Apella über Krieg, Frieden und Bündnisse, leiteten die Gerousia, beriefen die Apella ein und konnten sowohl diese beiden Gremien als auch in Zusammenarbeit mit den Geronten die Könige zu verschiedenen Maßnahmen zwingen.

Ephoren und Könige leisteten zwar regelmäßig gegenseitige Eide, doch kam es häufig zu schweren Auseinandersetzungen, die sogar zur Verurteilung des Königs führen konnten. Zum Beispiel ließen sie den Regenten Pausanias – Vormund des minderjährigen Pleistoanax, des Sohnes des berühmten Leonidas – angeblich auf heimtückische Weise töten: Der vormalige Oberbefehlshaber der Griechen in der Schlacht von Plataiai gegen die Perser 479 v. Chr. hatte Hochverrat begangen und sich in einen Tempel geflüchtet. Dort konnten seine Häscher nicht gewaltvoll eindringen, doch erhielten sie den Befehl, Pausanias einzumauern. Kurz vor seinem Tod „befreiten“ sie ihn, damit er nicht auf geweihtem Boden sterbe. Über seinen königlichen Namensvetter verhängten sie 395/94 v. Chr. die Todesstrafe, da er sich mit seinen Truppen nach der Niederlage des „Helden“ Lysander kampflos zurückgezogen hatte. Auch hier wählte er weitsichtigerweise den Rückzug und ging nach Tegea ins Exil.

Die Ephoren waren dennoch keine entstellten „Monster“, als die der Reißer „300“ sie verteufelt, sondern Vertreter des Volks, die heute seltsam erscheinende Riten vollzogen, die in der antiken Welt jedoch allgegenwärtig waren: Sie legten sich zum Beispiel in einem Tempel zwecks Traumdeutung zur Ruhe. Doch auch sie schwebten durchaus in Gefahr, und zwar nicht erst nach ihrer kurzen Amtszeit: König Kleomenes III. löste ihr Gremium 227 v. Chr., als Sparta seine Macht längst eingebüßt hatte, auf und ließ die Ephoren ermorden. Das Ephorat existierte zwar weiter, selbst noch unter römischer Herrschaft, doch hatte es seine einstige politische Macht eingebüßt.

In den Städten Böotiens war der Böotarch/Boiotarch der oberste Beamte. In größeren Poleis gab es zwei und in Theben, der Hauptstadt des Bundes, zeitweise vier. Die wiederwählbaren Böotarchen führten die Amtsgeschäfte für ein Jahr, legten der Bundesversammlung Verträge und Gesetzesvorschläge vor und hatten den militärischen Oberbefehl. Bis zum frühen 4. Jahrhundert v. Chr. gab es elf, wenig später sieben. – In Thessalien hießen die höchsten Beamten tagoi bzw. poliarchoi.

Der Proxenos – „Freund (einiger) Gäste“

Ein proxenos war ein hoher Beamter im alten Griechenland. Er hatte Bürgerstatus und sollte die Bürger einer bestimmten anderen Polis in seiner Heimatstadt schützen. Konkrete Aufgaben waren die Vorstellung von Gesandten bei den Amtsträgern seiner Stadt oder deren Beherbergung in seinem Heim. Die Volksversammlung (ekklesia, apella) der jeweiligen auswärtigen Stadt ernannte ihn zum proxenos.

Im Gegenzug genoss dieser Amtsträger verschiedene Ehrungen in dieser Polis gegenüber den anderen dort lebenden Metöken (freien Nichtbürgern) und konnte im Fall einer Verurteilung oder eines Bürgerkriegs in seiner Heimat dort Zuflucht finden.

Berühmte Beispiele sind der Politiker Alkibiades (um 450–404 v. Chr.) und der Redner Demosthenes (384–322 v. Chr.),proxenoi der Spartaner bzw. Thebaner in Athen, und der thebanische Dichter Pindar, der „Freund“ der Athener.

Die Schatzmeister – Hüter des Hortes

Geldsäcke, Geschäftsbücher und ein Gefäß mit Rechnungstäfelchen

Die unzähligen griechischen Stadtstaaten, ihre Bezirke, die Heiligtümer sowie private Vereinigungen hatten jeweils ein oder mehrere Schatzhäuser, die von einem oft zur ersten Steuerklasse gehörenden Schatzmeister (tamias) oder einem ganzen Kollegium verwaltet wurden.

Im Athen des 6./5. Jahrhunderts v. Chr. zum Beispiel überwachten die sogenannten kolakretai – der Begriff geht möglicherweise auf kultische Aufgaben zurück – den Staatsschatz, der sich aus typischen Einnahmen wie etwa Steuern oder aus dem Besitz von Ländereien füllte. Sie wiesen unter anderem auch Zahlungen an verschiedene Beamte an. Die Verwaltung großer Staats- und Tempelschätze war eine viel Vertrauen fordernde und teilweise heikle Tätigkeit, bei der Vergehen schwer bestraft wurden. Obwohl die wichtigsten Schatzmeister deshalb von Finanzbeamten (logistai) geprüft wurden, amtierten die zehn kolakretai, die in den einzelnen Phylen ausgelost wurden, kein ganzes Jahr. Sie wechselten vielmehr zusammen mit den Prytanen, den fünfzig Ratsherren einer Phyle, nach einem Zehntel des Jahres. Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. wurde das Gremium aufgelöst.

Die zuvor zehn, seitdem zwanzig hellenotamiai übernahmen die Staatskasse sowie die damit verbundenen Aufgaben. Diese gewählten „Schatzmeister der Hellenen“ verwalteten zugleich den Schatz, den die Seemacht Athen mit seinem Delisch-Attischen Seebund seit 478/77 v. Chr. angehäuft hatte. Nachdem der Bundesschatz zuerst auf Delos aufbewahrt worden war, brachten ihn die Athener 453 v. Chr. auf ihre Akropolis. Diese tamiai standen in regelmäßigem Austausch mit dem Rat und der Volksversammlung, um die Einnahmen (phoroi, Tribute) und Ausgaben zu erfassen, zu prüfen oder zu bestreiten. Ein erheblicher Teil der Einnahmen ging auf einen weiteren Schatz über: den der Athena, den zehn andere tamiai im Parthenontempel auf der Akropolis verwalteten. Ein weiteres Kollegium nannte sich „Schatzmeister der anderen Götter“. Sie verwalteten Rückzahlungen von Anleihen.

Im 5. Jahrhundert v. Chr. sollen zehn hellenotamiai der Veruntreuung des Bundesschatzes angeklagt worden sein. Nach ihrer Hinrichtung stellte sich heraus, dass es sich um eine Falschaussage gehandelt hatte.

Mit der Niederlage im Peloponnesischen Krieg 404 v. Chr. wurde mit dem Seebund auch das Gremium der hellenotamiai aufgelöst und trotz Bildung des 2. Attischen Seebundes, der an die Macht des Vorgängers nicht mehr anknüpfen konnte, nicht mehr eingerichtet. Stattdessen verteilten sich Athens staatliche Einkünfte auf mehrere Institutionen mit speziellen tamiai.

Weitere Beamte im alten Griechenland (Auswahl)

Agoranomoi: Sie wurden jährlich gewählt, hatten die Marktaufsicht inne, prüften die dort und im Hafen eintreffenden Produkte und gingen gegen Betrüger vor. In Athen waren es zehn, doch sind agoranomoi von der klassischen Zeit bis in 3. Jahrhundert n. Chr. in etlichen griechischen Stadtstaaten belegt – mit gleichen, ähnlichen oder anderen Aufgaben. In Ägypten etwa kontrollierten sie unter anderem die Bewässerungsanlagen.

Astynomoi: in Athen zehn für die Straßen und die öffentliche Ordnung zuständige Beamte mit Schutzfunktion, auch Sittenwächter

Dioiketes: oberster Finanzbeamter unter den Ptolemäern, aber auch lokale Magistrate oder Verwalter

Episkopoi: „Aufseher“, von verschiedenen Poleis für außenpolitische Angelegenheiten eingesetzt, auch im Christentum oft verwendet (Bischof)

Epistatai: die Leiter der Münzprägestätten, wo eigene und fremde Nominale (re-)emittiert bzw. eingeschmolzen wurden; auch: Beamte, die mit Bauunternehmen und Architekten im Auftrag der Stadt Verträge schlossen

Grammateus: von der ekklesia bestellter Schreiber/Sekretär für verschiedene Institutionen, allen voran die bulé; hypogrammateus: Untersekretär

Logistai: unter anderem Mitglieder eines athenischen Gremiums von in klassischer Zeit unterschiedlicher Anzahl, die vor allem – neben den zehn sogenannten euthynoi – Zwischen- oder Endabrechnungen von Magistraten prüften und bei Zweifeln diese an ein Gericht (Heliaia) weiterleiteten; unabhängig davon auch Rechnungsprüfer in der bulé

Metronomoi: im klassischen Athen per Los bestimmte Aufseher, die auf der Agora und am Piräus (Athens Hafen) Maße und Gewichte und auch die Münzprägung kontrollierten; die Urmaße wurden im „Tempel des kranztragenden Helden“ aufbewahrt; in Rom übernahm ein mensor sacomarius (vgl. Vermesser) in etwa diese Aufgaben

Neoroi: wichtige Aufsichtsbeamte für die Seefahrt, die unter anderem Vorgehen und Finanzlage der Trierarchen prüften; ähnlich: die trieropoioi, die den Schiffbau organisierten

Nomographos: in archaischer Zeit in verschiedenen Poleis einzelner Staatsmann mit dem Auftrag, Gesetze niederzuschreiben oder zu erlassen; berühmte Beispiele: Drakon und Solon; stand später auch für verschiedene Kommissionen

Nomophylakes: als „Wächter der Gesetze“ für deren Wahrung verantwortlich (darin den Thesmotheten ähnelnd), bis spätestens Ende der klassischen Epoche gehörte dies zu den Aufgaben der Areopagiten, danach eines speziellen Gremiums; in den hellenistischen Reichen mit unterschiedlicher Funktion

Nomothetai: Amtsträger in verschiedenen Poleis, die Gesetze entwarfen oder erließen; Zusammenarbeit mit der Volksversammlung

Poletai: in Athen ein zehnköpfiges Kollegium mit eigenem Amtsgebäude auf der Agora, das in Zusammenarbeit mit der bulé Unternehmern oder Privatleuten öffentliche Aufträge vergab (zum Beispiel Verpachtung von Minen oder Ackerland); die poletai konfiszierten auch das Vermögen eines Verurteilten; ihnen standen zehn Diener zur Seite

Paredroi: Assistenten zahlreicher Magistrate, so in Athen und Sparta, auch in Rom

Praktores: „die Macher“, Beamte in zahlreichen Poleis, die öffentliche Bußgelder eintrieben oder vermerkten

Sitophylakes: Aufseher auf den Märkten über den Getreide- und damit auch den Brot- und Mehlpreis; in Athen zehn, seit spätklassischer Zeit 35

Rom

Der Konsul – die Spitze erklommen

Romulus, der sagenhafte Gründer Roms, gilt als der erste von sieben Königen (753–716 v. Chr.). Der Senat richtete nach seinem Tod ein Wahlkönigtum ein. Der König musste nun für wichtige Entscheidungen die Zustimmung der Senatoren einholen. Dass die etruskischen Tarquinier, die letzten zwei oder drei Könige Roms (616–510 v. Chr.), diese grundsätzliche Übereinkunft übergingen, bestärkte die Römer darin, deren Herrschaft abzuschütteln. Die tatsächlichen Ereignisse im frühen Rom lassen sich aber nur bedingt rekonstruieren.

Der oder das Konsulat galt vielleicht bereits zu dieser Zeit, jedenfalls aber während der weiteren römischen „Republik“ – die de facto eine Oligarchie war, da die höchsten Ämter am ehesten Mitgliedern altehrwürdiger Familien zugänglich waren –, als das mächtigste ordentliche Amt innerhalb des cursus honorum. Dieser Terminus technicus bezeichnet die übliche senatorische Ämterlaufbahn. Dieses Amt war somit das höchste „mit Ehren honorierte“ Amt, also unbezahlt, und zwar im militärischen wie im zivilen Bereich, und mit dem imperium sowie der potestas, den beiden entsprechenden Amtsgewalten, ausgestattet (zu den außerordentlichen Ämtern vgl. Diktator, Zensor, tribuni militum consulari potestate, decemviri).

Zufall, Zeichen der Zeit oder späteres Konstrukt?
Die Römer setzten Tarquinius Superbus, den letzten König, angeblich 510 v. Chr. ab – genau in dem Jahr, als die Athener den Tyrannen Hippias vertrieben. Die ersten Konsuln sollen der berühmte L. Iunius Brutus und L. Tarquinius Collatinus gewesen sein.

Das Konsulat war – bis auf Ausnahmejahre – ein kollegiales Amt, und zwar auf zwei Senatoren verteilt, um monarchische Macht auszuschließen. Sie teilten sich in möglichst regelmäßigen Abständen die zahlreichen Zuständigkeiten innerhalb und außerhalb Roms: Sie leiteten Senatssitzungen, konnten das Kriegsrecht ausrufen, hatten richterliche Gewalt, übten wichtige religiöse Handlungen aus und hatten den Oberbefehl über die Truppen. In den häufigen Kriegen waren sie natürlich gezwungen, Aufgaben zu delegieren. Sie konnten auch miteinander in Konflikt geraten, und so manche Schlacht endete katastrophal, da sie gewillt waren, in dem ihnen verbleibenden Amtsjahr die Lorbeeren zu ernten und nicht mit dem Amtskollegen oder einem Prokonsul zu teilen. Iteration war ausgeschlossen oder erst nach zehn Jahren wieder möglich, was später allerdings des Öfteren ignoriert wurde: C. Marius, der Bezwinger der Kimbern und Teutonen und „Vater des Vaterlandes“, wurde insgesamt siebenmal Konsul: 107, 104 bis 100 und 86 v. Chr.

Die Konsuln waren die sogenannten eponymen Beamten, das heißt, das Jahr wurde nach ihnen benannt (vgl. Archon). Sie waren bis zum Jahr 367 v. Chr. Patrizier, dann waren auch Plebejer, also Personen von „niederer“ Herkunft, zugelassen, was auch für die anderen Ämter bald darauf zutraf. Dass beide Konsuln fortan wohl aus beiden Ständen stammten und sich gegenseitig kontrollierten, gilt manchen als die eigentliche Geburtsstunde des Konsulats; die vorherigen Angaben in den überlieferten konsularischen Namenslisten (fasti consulares), ganz besonders die vor den Reformen der decemvirn, könnten ein späteres Konstrukt sein (vgl. Prätor). Später verschmolzen beide Stände zur sogenannten Nobilität. Aufstrebende Politiker hatten dann vorzuweisen, welche Sprossen der Ämterlaufbahn ihre Ahnen, gleich welcher Herkunft, bisher erklommen hatten oder ob sie ein homo novus – ein „Neuling“ – waren, also aus unbedeutender Familie stammten wie zum Beispiel C. Marius.

Schon in jungen Jahren bestimmend: der spätere Diktator C. Iulius Caesar.

Die nahezu allumfassende Vollmacht der Konsuln konnte nur vom jeweiligen Kollegen, in Rom per Volksbeschluss oder auch durch den Volkstribun außer Kraft gesetzt werden; sie wurde durch die zwölf Begleiter, die Liktoren, signalisiert.

C. Iulius Caesar war anscheinend bereits 59 v. Chr. als Konsul so dominant, dass er sich über Vetos seines Amtskollegen M. Calpurnius Bibulus hinwegsetzte. In der Kaiserzeit büßten die consules an Macht ein, denn die Kaiser verfügten über ein übergeordnetes imperium maius