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|3|Hermann-Josef Frisch

Die Welt
des Buddhismus

Von Indien bis Japan

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

|4|Impressum

 

 

Menü

|5|Inhalt

Einführung

Aus dem Leben des Buddha

Kapilavastu – die Heimat

Lumbini – die Geburt

Bodh Gaya – die Erleuchtung

Sarnath – die erste Predigt

Rajagriha – Predigten auf dem Geiergipfel

Shravasti – Jetavana-Kloster

Vaishali – erstes Frauenkloster

Kushinagara – Eingang ins Paranirvana

Die Länder des Theravada

Indien/Pakistan

Rajagriha – Konzil in den Saptaparni-Höhlen

Nalanda – buddhistische Universität

Taxila – Universität und Kunstzentrum

Sanchi – der Große Stupa

Ajanta und Ellora – Höhlenklöster

Sri Lanka

Mihintale – der Mönch und der König

Anuradhapura – der Bodhi-Baum

Polonnaruwa – Gal Vihara

Kandy – der Zahn des Buddha

Kelaniya – der Sitz des Buddha

Myanmar

Yangoon – Sule-Pagode

Yangoon – Shwedagon-Pagode

Bagu und Kyaiktiyo – der Goldene Fels

Bagan – 2500 Tempel und Pagoden

Mandalay – das Steinerne Buch

Shan-Plateau – Pindaya-Höhlen

Mrauk U – das letzte Reich von Rakhine

Thailand

Lamphun – Wat Haripunchai

Chiang Mai – Wat Doi Suthep

Sukothai – das Goldene Zeitalter

Phitsanulok – Wat Phra Si Ratana Mahathat

Kamphaeng Phet – Waldtempel

|6|Ayutthaya – Wat Yai Chai Mongkol

Bangkok – Wat Phra Keo

Laos

Pak Ou – die Buddha-Höhlen

Luang Prabang – die Tempelstadt

Vientiane – Vat That Luang und Vat Ho Phra Keo

Pakse – Vat Phou

Kambodscha

Udong – Pagoden auf dem Berg

Kompong Cham – Wat Nokor

Tonle Bati – Wat Ta Prohm

Phnom Penh – Wat Phnom Don Penh

Die Länder des Mahayana

(Alt-)Kambodscha

Angkor – der Bayon-Tempel

Indonesien

Borobudur – der Meditationsberg

Vietnam

Hanoi – Thai-Pagode und Tai-Phuong-Pagode

Hue – Chua Thien Mu

Danang – die Marmorberge

Saigon – Giac-Lam-Pagode

China

Seidenstraße – die Höhlen von Bezeklik

Dunhuang – Mogao-Grotten

Lanzhou – die Buddhas von Bing-Ling-Si

Luoyang – Bai-Ma-Si und Shao-Lin-Si

Luoyang – Longmen-Grotten

Xian – Große Wildgans-Pagode

Datong – Yungang-Grotten

Hengshan – Hängendes Kloster

Yingxian – Holzpagode

Beijing – die Tempel im Westen

Shanghai – Jadebuddha-Tempel

Guangzhou – Tempel der Sechs Banyan-Bäume

Hainan – Südberg-Tempel

(Süd-)Korea

Sokcho – Naksansa

(Nord-)Korea

Seoraksan – Singheungsa: der Große Buddha

Golgulsa – Der Felsen-Buddha und Sunmudo

Gyeongju – Seokguram-Grotte

|7|Gyeongju – Bulguksa

Haeinsa – Tempel des Buches

Japan

Miyajima – Pagode auf der Shinto-Insel

Koyasan – Okunoin-Friedhof

Nara – Horyuji

Nara – Todaiji

Kyoto – Ryoangji

Kamakura – Der Große Buddha

Tokio – Asakusa: Kannon-Tempel

Die Länder des Vajrayana

Tibet (China)

Lhasa – Jokhang und Parkhor-Pilgerweg

Lhasa – Potala, Grabtempel der Dalai Lamas

Lhasa – Kloster Sera

Lhasa – Kloster Drebung

Shigatse – Kloster Tashilhunpo

Mount Everest – Kloster Rongbuk

Kailash – der Heilige Berg

China

Xining – Kloster Kumbum

Xiahe – Kloster Labrang

Beijing – Lama-Tempel

Chengde – Acht äußere Tempel

Mongolei

Karakorum – Kloster Erdene Dsuu

Bhutan

Paro – Dzong (Klosterburg)

Parotal – Taksang, Kloster Tigernest

Punakha – Dzong

Wangdiphodrang – Dzong

Laya und Lunana – Buddhismus in den Dörfern

Nepal

Kathmandu – Bodhnath und Svayambhunath

Ladakh (Indien)

Lamayuru – Kloster am Steinernen Meer

Alchi – Perle buddhistischer Kunst

Leh – die Klöster Shey, Tikse und Hemis

Zanskar – Dorfklöster

Bildnachweis

Buddha in Bhumisparsamudra (Geste der Erdberührung), Bodhi-(Erleuchtungs-)Tempel, Bodh Gaya, Indien

 

|9|Einführung

Die Lehre des Buddha findet in westlichen Ländern zunehmend Zuspruch, doch einer Prägung von Ländern und Kulturen durch den Buddhismus begegnen wir nur in Südasien, Südostasien und Ostasien. Hier waren und/oder sind Kulturen seit vielen Jahrhunderten vom Buddhismus beeinflusst und geprägt. In diesen Gebieten finden wir auch heute reges buddhistisches Leben.

Wer sich deshalb für die charismatische Gestalt des Buddha und den Buddhismus interessiert, tut gut daran, auf diese Länder zu schauen. Heute ist es möglich, alle vom Buddhismus geprägten Gebiete zu bereisen, und viele Europäer haben bereits einen Einblick in vom Buddhismus geprägte Länder gewonnen – sei es Indien oder Japan, sei es China oder Thailand, sei es Indonesien oder Myanmar. Doch nur wenige haben die Möglichkeit, die vielen buddhistischen Regionen intensiv zu bereisen – ich bin dankbar, dass mir diese Möglichkeit auf über fünfzig Reisen dorthin gegeben wurde.

Aus dem Reichtum der Erfahrungen, die ich in Asien gesammelt habe, ist dieser Band entstanden. Er hat eine ganz spezielle Zielrichtung, anderes dagegen kann er nicht leisten. So will dieses Buch

keine Beschreibung des Lebens von Siddhartha Gautama geben, den man den »Buddha« (den »Erleuchteten«) nennt. Dazu gibt es vielfältige Literatur (vgl. etwa Hermann-Josef Frisch, Der Buddha. Die Geschichte des Erwachten, Ostfildern 2011).

keine Darstellung der komplexen buddhistischen Lehre in den drei unterschiedlichen Hauptrichtungen (s.u.) sein – dies würde den Rahmen dieses Bandes sprengen, zudem gibt es hierzu reichlich Literatur in deutscher Sprache (vgl. etwa Hans Wolfgang Schumann, Handbuch Buddhismus. Die zentralen Lehren, München 2000).

keine spirituellen Impulse oder Anregungen zur buddhistisch geprägten Meditation geben. Auch hier sind die in schriftlicher Form niedergelegten Anregungen zahlreich, doch kann man zur Meditation nur unter unmittelbarer Anleitung und kaum durch eine Schrift gelangen (Informationen dazu u.a. über die Deutsche Buddhistische Union [DBU, www.buddhismus-deutschland.de]).

|10|Dieser Band möchte vielmehr

eine Topografie des Buddhismus erschließen, einen Einblick geben in buddhistisch geprägte Länder – dies angesichts der Fülle buddhistischer Orte in Asien nur hinsichtlich der wichtigsten, die den Geist des frühen und/oder des heutigen Buddhismus atmen.

teilhaben lassen an der regionalen Vielfalt des Buddhismus durch markante Bilder und informativen und verständlichen Text.

im Sinne einer toleranten Offenheit auf bescheidene Weise zum Dialog beitragen zwischen westlichem und östlichem Denken, zwischen Religionen und Kulturen.

Der Buddhismus kennt – nur bedingt den christlichen oder muslimischen Konfessionen ähnlich – eine Vielzahl von Schulen, die unterschiedliche Akzente in ihrer Lehre und im religiösen Leben setzen. Drei große Richtungen des Buddhismus sind zu nennen:

Der ursprüngliche Buddhismus findet sich heute im Wesentlichen im Theravada-Buddhismus (= »Lehre der Älteren«, ungenau auch Hinayana = »Kleiner Wagen«). Hier wird der Buddha als Wegweiser verstanden, seine Lehrreden als Orientierung (Vier edle Wahrheiten, Achtfacher Pfad). Zu finden ist der Theravada vor allem in Sri Lanka, Myanmar, Thailand, Laos und Kambodscha.

Der Mahayana-Buddhismus (= »Großer Wagen«) bekennt sich zu vielen Buddhas, dazu zu Bodhisattvas (Mitleidswesen, die dem Menschen helfen). Nicht mehr allein aus eigener Kraft, sondern durch die Hilfe von quasi-göttlichen Wesen (Vertrauensbuddhismus) erfolgt die Erlösung aus dem Leidenskreislauf. Diese Form findet sich in frühen buddhistischen Kulturen (Indien wie Indonesien) und heute in China, Vietnam, Korea und Japan. In diesen Ländern ist auch der Meditationsbuddhismus (als Chan/Zen) beheimatet.

Die dritte Form des Buddhismus, der Vajrayana (Vajra = »Donnerkeil, Blitzebündel«, ein esoterisches Ritualgerät) steht in Beziehung zum tantrischen Hinduismus Indiens, aber auch zu vorbuddhistischen schamanistischen Religionsformen (etwa Bön) und hat den Mahayana als Grundlage. Er findet sich vor allem im Großraum Tibet, in Ladhak und Zanskar, in Nepal und Bhutan.

Dieses Buch gliedert sich in Großregionen entsprechend der drei buddhistischen Richtungen und zeigt darin, nach einzelnen Ländern geordnet, wichtige buddhistische Orte auf. Dies sind zuerst die |11|Stellen, an denen der Buddha gewirkt hat, vor allem vier: Lumbini (Geburt), Bodh Gaya (Erleuchtung), Sarnath (erste Lehrrede) und Kushinagara (Eingang ins Paranirvana). Diese Orte liegen heute im Staat Indien bzw. unmittelbar an der Grenze auf nepalesischer Seite. Neben den historischen Orten des Wirkens des Buddha gibt es Stätten, denen der Legende nach der Buddha einen Besuch abgestattet haben soll (etwa Kelaniya in Sri Lanka) oder wo Reliquien des Buddha verehrt werden (etwa die Shwedagon-Pagode in Yangoon, Myanmar).

Auch in den Ländern des Mahayana und Vajrayana finden sich Orte von höchster spiritueller Bedeutung. Das mögen Orte an der Seidenstraße sein, über die der Buddhismus von Indien aus durch das Karakorum nach China und Ostasien gekommen ist, oder Orte, wo einflussreiche buddhistische Lehrer gewirkt haben (etwa das Kloster Tigernest in Bhutan). Das können aber auch Orte sein, die sich heute durch ihre herausragende Architektur oder künstlerische Ausstattung hervorheben (etwa Sanchi in Indien) oder die früher buddhistische Klöster waren (etwa die Höhlen von Ellora und Ajanta in Indien). Ebenso werden Tempel in den Großstädten aufgeführt (etwa der Jadebuddhatempel in Shanghai, China) oder abgelegene Klosteranlagen (etwa das Kloster [»sa«] Sinheung im Nationalpark Seoraksan, Korea). Das können heute nur noch archäologisch bedeutsame Bildungsstätten des Buddhismus sein (etwa die Universitäten in Nalanda, Indien, und Taxila, Pakistan) oder ein nagelneuer Tempel (etwa der Nanshansi [Südbergtempel] auf der Insel Hainan, China). Waldtempel (Aranyik) im thailändischen Kamphaeng Phet gehören ebenso dazu wie der beschauliche Zen-Tempel Ryoanji im japanischen Kyoto. Die religiöse Topografie des Buddhismus ist überaus vielgestaltig.

Lassen Sie sich also ein auf eine Reise in buddhistisch geprägte Länder, erkunden Sie die Welt des Buddhismus.

Hermann-Josef Frisch

|12|Aus dem Leben des Buddha

Die »Welt des Buddhismus« beginnt bei der Gestalt des Buddha, bei seinem Wirken im Norden Indiens, dessen wichtigste Orte heute archäologisch erfasst und von buddhistischen Pilgern besucht werden. Der Wirkungskreis des Buddha ist regional eng begrenzt. Erst nach dem Tod des Buddha breitete sich seine Lehre, durch Wandermönche verkündet, in weiten Teilen Nordindiens aus, gelangte nach Sri Lanka und von dort nach Südostasien. Erst um die Zeitenwende kam der Buddhismus über die Seidenstraße nach China und noch später nach Korea und Japan.

Der Wirkungskreis des Buddha ist das sogenannte Mittlere Land, meist nördlich, nur ein wenig südlich des großen Stromes Ganges, des heiligen Flusses der Hindus, im Bereich der Großstädte Varanasi (Benares, Kashi) und Patna (Pataliputra). Seine Heimatstadt Kapilavastu und sein Geburtsort Lumbini liegen heute unmittelbar hinter der nepalesischen Grenze, alle anderen Orte aus dem Leben des Buddha finden sich in den indischen Bundesstaaten Uttar Pradesh und Bihar: Bodh Gaya (Uruvilva), Sarnath (Rishipatana), Shravasti, Rajagriha, Vaishali, Kushinagara.

Dies war das Gebiet der beiden Königreiche Kosala im Nordwesten mit Shravasti als Hauptstadt und Magadha südöstlich des Ganges mit Rajagriha (später Pataliputra) als Hauptstadt. Diese Königreiche gliederten sich zur Zeit des Buddha in kleine, halbunabhängige Fürstentümer, die vom Adel der Kshatriyas, der zweithöchsten Hindu-Kaste, beherrscht wurden. Siddhartha Gautama war der Sohn eines solchen Fürsten, der von Kapilavastu aus über ein kleines Gebiet mit vielleicht 5000 bis 10.000 Untertanen herrschte. Der Buddha ist also kein Königssohn, sondern stammt aus dem niederen Adel.

Die indischen Bundesstaaten Bihar und Uttar Pradesh sind arme, aber menschenreiche Regionen in Indien. Die Wirtschaft ist von Landwirtschaft in einfacher Produktionsweise geprägt. Seit der Zeit des Buddha hat sich in den Dörfern nicht viel verändert, nur Fernsehantennen sind hinzugekommen. Das Leben ist rückständig, die Alphabetisierungs- und Bildungsquote gegenüber anderen indischen Bundesstaaten gering. Wenn man Bihar bereist, kann man sich gut vorstellen, wie hier das Leben zur Zeit des Buddha aussah.

|13|Eines allerdings hat sich grundlegend geändert: Im Jahrtausend vor der Zeitenwende (der Buddha lebte etwa im 6. oder 5. Jahrhundert v. Chr.) war die Landschaft im Mittleren Land von großen Wäldern geprägt. Zwischen den bewohnten Orten mussten der Buddha und seine Mönche große Strecken durch Waldgebiete zurücklegen, die aufgrund von wilden Tieren und Räubern gefährlich waren. Heute ist bedingt durch den Bevölkerungsdruck der Wald aus dem Mittleren Land fast ganz verschwunden. Überall liegen Dörfer mit kleinteiligen Feldern, die ihre Besitzer kaum ernähren können.

Im Gebiet des Mittleren Landes (ca. 600 x 300 km) wanderte der Buddha und mit und nach ihm seine Mönche. Das Gebiet ist westlich vom Kosambi bei Allahabad am Zusammenfluss von Ganges und Yamuna begrenzt, im Norden von den Vorbergen des Himalaya im Gebiet von Kapilavastu und Lumbini, im Osten von der Stadt Campa am Ganges, im Süden vom Ort der Erleuchtung Bodh Gaya. Neun Monate im Jahr zogen die Mönche missionierend durch das Mittlere Land und wandten sich dabei vor allem an die Bildungsschicht in den kleinen Städten. In dieser Schicht waren junge Männer am ehesten in der Lage, Mönche zu werden – für die Bauern in den Dörfern war dies kaum möglich. Die drei Monsunmonate machten eine Wanderung unmöglich – in dieser Zeit hielten sich die Mönche in gestifteten Hütten auf (etwa im Jetavana-Kloster in Sravasti).

Das Mittlere Land – seit der Zeit Buddhas hat sich wenig verändert

|14|Kapilavastu – die Heimat

Als Heimatort des Siddhartha Gautama, in dem er bis zu seinem 28. Lebensjahr lebte und zu dem er später als Mönch wiederholt zurückkehrte, wird in den buddhistischen Schriften der Name Kapilavastu angegeben. Allerdings werden mit diesem Namen von indischen und nepalesischen Archäologen zwei unterschiedliche Orte jeweils auf dem Gebiet ihres Landes verbunden. Aus indischer Sicht liegt die Heimat des Buddha in der Nähe des modernen Dorfes Piprahva, ca. 15 km von der nepalesischen Grenze entfernt. Aus nepalesischer Sicht – und dies erscheint aufgrund der Befunde wahrscheinlicher – ist Kapilavastu neben dem heutigen Ort Tilaukarot anzusiedeln. Beide Orte werden auch mit Kapilavastu I (Tilaukarot) und Kapilavastu II (Piprahva) bezeichnet.

Für Tilaukarot sprechen frühe buddhistische Schriften. Hierin wird nämlich darauf verwiesen, dass der Heimatort des Buddha zwischen den Flüssen Bhagirathi (heute Banganga) und Rohini (heute Rowai) liegt. Dies trifft auf den nepalesischen Ort, nicht aber auf den indischen zu. Die unterschiedlichen Sichten werden wie folgt erklärt: Der ursprüngliche Ort ist das nepalesische Kapilavastu. Dieser Ort wurde aber drei Jahre vor dem Tod des Buddha vom Kosala-König Virudakha zerstört. Die Bewohner flüchteten und erbauten |15|ca. 15 km südwestlich einen neuen Ort Kapilavastu (bei Piprahva). Dorthin wurde nach dem Tod des Buddha auch ein Teil seiner Asche gebracht. So finden sich in Kapilavastu II Ziegelsteinfundamente, die auf einen Fürstenpalast, auf buddhistische Klosteranlagen und einen Stupa hindeuten. Vielleicht war dies der Stupa mit der Asche des Buddha, um den herum sich später Mönche in Klöstern ansiedelten.

Das Osttor in Kapilavastu – durch dieses Tor schritt der Buddha, als er Asket wurde

Kapilavastu I grenzt heute nicht mehr an den Fluss Bhagirathi, dessen Flussbett sich nach Westen verlagert hat. Um den Ort ist ein 2–3 m hoher Erdwall nachweisbar, der im Osten wie im Westen von einer aus Ziegelsteinen gemauerten Toranlage durchbrochen wird. Vom Osttor nimmt man an, dass Siddhartha Gautama nach seinem Entschluss, Asket zu werden, durch dieses Tor nach Osten in die »Hauslosigkeit« geschritten ist. Der Wall umschließt ein trapezförmiges Gebiet von ca. 400 x 400 m. Die Ortschaft liegt ca. 4 m erhöht über dem alten Flussbett und der umliegenden Landschaft.

Innerhalb des Ortes ist ein Steinfundament nachweisbar, das auf ein größeres Gebäude (einen Fürsten»palast«) hinweisen kann. Die einfachen Gebäude der Bauern waren aus Holz und anderen im Tropenklima leicht vergänglichen Materialien und haben die Zeiten nicht überdauert. Aber auch die Gebäudefundamente des Fürstenhauses sind nicht größer als die eines heutigen Einfamilienhauses. Doch hob sich dieses Gebäude durch Bauweise und Größe von den anderen Gebäuden des Ortes ab. Von den in den Buddhalegenden beschriebenen Palästen kann indes keine Rede sein.

Der Ort selber ist innerhalb des Walls geprägt von zwei heute ausgetrockneten Wasserbecken, die mit Monsunregenwasser bzw. über Schöpfräder mit Wasser aus dem Fluss gefüllt wurden. Das Gebiet um Kapilavastu ist eben und sehr fruchtbar. Bei ausreichend Wasserversorgung sind hier zwei Reisernten pro Jahr möglich. Aber auch andere Getreidearten und vielerlei Gemüse wachsen hier. Die Anbaufläche dürfte für die damals geringe Bevölkerungszahl (innerhalb Kapilavastus vielleicht 150–200 Familien mit ca. 1000 Personen, dazu außerhalb verschiedene Gehöfte, Gesamteinwohnerzahl des Fürstentums der Gautamas unter 10.000 Personen) bestens ausgereicht haben. Siddhartha Gautama wuchs nicht wie in den vielen Legenden zu seinem Leben dargestellt im Luxus eines Königssohnes, wohl aber im Wohlstand einer Adelsfamilie des Mittleren Landes auf.

|16|Lumbini – die Geburt

Kapilavastu ist der Heimatort des Buddha, der Ort, in dem er groß wurde, seine Ausbildung als Kshatriya (Kriegeradel) erhielt, seine Frau Yashodara heiratete und in dem sein Sohn Rahula zur Welt kam. Von Kapilavastu aus ging Siddhartha Gautama, der Buddha, in die Hauslosigkeit und wurde Asket.

Doch Kapilavastu ist nicht der Geburtsort des Buddha, dies ist Lumbini. Dort befand sich zur Zeit des Buddha ein Waldgebiet mit hohen Salabäumen. Wie bei adligen Frauen üblich, wollte Maya, die Mutter des Buddha, ihr Kind nicht im heimischen Fürstenhaus ihres Mannes Shuddhodana Gautama zur Welt bringen, sondern in der vertrauten Umgebung ihres eigenen Elternhauses im Ort Devadaha, 25 km östlich von Kapilavastu. Hochschwanger begab sie sich auf die Reise zu ihren Eltern, doch die Geburt erfolgte früher. So mussten Maya und ihre Dienerinnen im Salawald Halt machen, die Geburt unter diesen Bedingungen schwächte Maya erheblich. Sie verstarb acht Tage nach ihrer Rückkehr nach Kapilavastu. Die zweite Ehefrau des Fürsten Shuddhodana, Prajapati, wurde Stiefmutter des Kindes.

Der Ort Lumbini hat erst unter dem zum Buddhismus konvertierten Maurya-Kaiser Ashoka (Regierungszeit 268–232 v. Chr.) an Bedeutung gewonnen, weil dieser nach seiner Bekehrung den Ort der Geburt des Buddha aufsuchte. Er ließ dort eine seiner steinernen Ediktsäulen errichten, um darauf den Grundzug buddhistischer Lehre zu verkünden. Solche Ashoka-Säulen sind über ganz Indien verstreut. In Sarnath, dem Ort der ersten Lehrrede des Buddha, findet sich auf der dortigen Säule ein Hinweis auf Lumbini: »Zwanzig Jahre nach seiner Krönung besuchte König Piyadasi (= Ashoka) diesen Ort und zeigte seine Verehrung, weil hier der Buddha, der Weise aus dem Geschlecht von Shakya, geboren worden war. Er ließ eine Säule errichten, weil der Buddha hier geboren wurde.« Die Ashoka-Säulen waren entweder von vier Löwen gekrönt (heute im Wappen Indiens enthalten) oder von einem Rad, das auf das »Rad der Lehre« (Dharmachakra) als buddhistisches Symbol hinweist.

In Lumbini ist die Ashoka-Säule heute der wichtigste archäologische Befund. Nach der Ashokazeit ist der Ort von Pilgern besucht worden, dann aber in Vergessenheit geraten und erst Ende des 19. |17|Jahrhunderts wieder entdeckt worden. Heute kommen viele Pilger nach Lumbini, weil dies einer der Hauptorte buddhistischer Frömmigkeit ist (neben Bodh Gaya, Sarnath und Kushinagara). Vor der Säule gibt es einen Teich mit einer gemauerten Einfassung. An dieser Stelle soll Maya ihr Kind zum ersten Mal gebadet haben. An die Mutter des Buddha erinnert ein im 20. Jahrhundert gebauter Maya-Tempel mit einem alten Steinrelief, das die Szene der Geburt wiedergibt: Maya hält sich an einem Salabaum fest, während das Kind aus ihrer Hüfte heraustritt – eine außergewöhnliche Geburt für einen außergewöhnlichen Menschen. Neben diesen Gebäuden gibt es Fundamente weiterer Bauten und einen Stupa.

Die Ashoka-Säule in Lumbini zusammen mit tibetischen Gebetsfahnen

Lumbini ist trotz oder gerade wegen seiner Abgeschiedenheit ein spirituell anregender Ort, zu dem zwar Pilgergruppen kommen, der aber ohne den Rummel anderer Pilgerorte (etwa in Varanasi oder Bodh Gaya) auskommt. Der Besuch dieses Ortes lohnt, weil hier das Leben des Buddha und damit in gewisser Weise auch der Buddhismus entstand. Lumbini hat für Buddhisten den gleichen Stellenwert wie Betlehem für Christen und Mathura für Krishna-Anhänger.

Die Lebenszeit des Buddha wird unterschiedlich angegeben: Die traditionelle Rechnung westlicher Forscher nennt 563–483 v. Chr. Die thailändische Zeitrechnung geht von 623–543 aus. Da es im alten Indien keine historisch gesicherten Listen der Könige gab und ihre Regierungszeit teilweise unsicher ist, ist auch eine Spätdatierung möglich: 460–380 v. Chr.

|18|Bodh Gaya – die Erleuchtung

Zwei tibetische Mönche am Erleuchtungsplatz des Buddha, Mahabodhi-Tempel, Bodh Gaya Zusammen mit Lumbini (Geburt), Sarnath (erste Predigt) und Kushinagara (Eingang ins Paranirvana) gehört Bodh Gaya zu den vier heiligen Orten des Buddhismus, die an die vier wichtigsten Ereignisse aus dem Leben des Buddha erinnern. Bodh Gaya ragt unter diesen vier Orten dadurch heraus, dass Siddhartha Gautama nach sieben Jahren Askese hier zur Erleuchtung gefunden hat. Hier gelangte er in nächtlicher Meditation zur Erkenntnis der vier edlen Wahrheiten und des achtfachen Pfades:

Alles Leben ist Leiden.

Alles Leid entsteht durch die Begierde.

Das Leid kann nur durch das Sich-Lösen von der Begierde aufgelöst werden.

Die Aufhebung des Leids geschieht durch den achtfachen Pfad – durch rechte Ansicht/Anschauung, rechten Entschluss/Gesinnung (Gruppe der Erkenntnis); rechtes Reden, rechtes Handeln/Verhalten, rechtes Leben/Lebensunterhalt (Gruppe der Sittlichkeit); rechtes Streben/Anstrengung, rechte Achtsamkeit, rechtes Sich-Versenken/Meditation.

Zwei tibetische Mönche am Erleuchtungsplatz des Buddha, Mahabodhi-Tempel, Bodh Gaya

Die Erkenntnis des Buddha an diesem Ort ist der Beginn der buddhistischen Lehre. Diese allerdings wurde zum ersten Mal in Sarnath |19|weitergegeben, wohin der Buddha nach wochenlanger Meditation in Bodh Gaya aufbrach.

In Bodh Gaya wird heute vorrangig der Ort verehrt, wo der Buddha unter einem Baum meditierte – dies ist der Erleuchtungsort unter dem Bodhi-Baum (auch Bo-Baum, bodhi = Erleuchtung). Dieser Baum ist eine Feigenbaumart (Ficus religiosa), die durch ihre herzförmigen Blätter leicht zu erkennen ist. In vielen buddhistischen Tempeln in Asien findet sich dieser heilige Baum der Buddhisten. In Bodh Gaya ist es nicht mehr der ursprüngliche Baum der Buddhazeit, sondern ein Ableger eines Ablegers des Originalbaumes, der im 3. Jahrhundert v. Chr. nach Anuradhapura in Sri Lanka gebracht wurde. Ein reich geschmückter Thron markiert heute unter dem Baum den Ort der Erleuchtung.

Der Mahabodhi-(Erleuchtungs-)Tempel, Bodh Gaya

Vor dem Bodhi-Baum ragt der 55 m hohe Mahabodhi-Tempel auf, der Tempel der großen Erleuchtung. Seine ältesten Teile gehen auf das erste nachchristliche Jahrhundert zurück (Sunga-Dynastie), der Turm selber auf die Gupta-Zeit Indiens (ca. 5.–6. Jahrhundert). Doch mit dem Rückgang des Buddhismus in Indien zerfiel der Tempel zusehends, erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde er von Buddhisten aus Sri Lanka restauriert. In der Cella im Inneren gibt es eine goldene Statue des Buddha.

Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts hat Bodh Gaya als buddhistischer Pilgerort an Bedeutung gewonnen. Mönche aus Sri Lanka, Thailand, Japan, Taiwan, Korea, Bhutan und Tibet haben im Umkreis des Mahabodhi eigene Tempel und Klöster in ihren ländertypischen Stilen errichtet. In diesen Klöstern gibt es auch Herbergen für die vielen buddhistischen Pilger, die nach Bodh Gaya kommen.

|20|Sarnath – die erste Predigt

Nach seiner Erleuchtung in Bodh Gaya wanderte der Buddha ca. 150 km durch das Mittlere Land und kam über Varanasi zum Ort Sarnath. In der großen hinduistischen Pilgerstadt Varanasi (Benares, Kashi) hielt sich der Buddha bei seinen Wanderungen jeweils nur kurz auf, weil er den Opferbetrieb der Brahmanen und die auf Äußerlichkeiten gerichtete Frömmigkeit ablehnte.

Etwa 12 km nördlich von Varanasi aber lag der Rishipatana (in Pali: Isipatana), der Wald der Weisen, heute Sarnath. In der Stille des Waldes traf der Buddha auf fünf Asketen, die er bereits aus seiner früheren Asketenzeit kannte. Ihnen trug er seine vier edlen Wahrheiten und den achtfachen Pfad vor – und diese erkannten die buddhistische Lehre an und nahmen ihre »Zuflucht« beim Buddha und seiner Lehre. Diese fünf Asketen sind der Beginn des buddhistischen Mönchsordens, der zusammen mit Laienanhängern die buddhistische Gemeinschaft (Sangha) ausmacht. Nun gab es bei einer Bekehrung zum Buddhismus die Zufluchtsformel:

Thai-Mönch in Sarnath

Zum Erwachten (Buddha) gehe ich als meiner Zuflucht.

Zur Lehre (Dharma) gehe ich als meiner Zuflucht.

Zur Gemeinde (Sangha) gehe ich als meiner Zuflucht.

Sarnath wird als Ort der ersten Predigt oder Lehrrede des Buddha angesehen und entsprechend von buddhistischen Pilgern besucht. Es gibt auch einen neuen Tempel, der dem in Bodh Gaya nachgebildet ist; doch anders als dort ist Sarnath ein ruhiger Ort geblieben.

Unter den archäologischen Stätten dieses heiligen Ortes der |21|Buddhisten fällt der etwa 33 m hohe kreisrunde Damekh-Stupa auf. Seine Ursprünge stammen aus der Zeit des zum Buddhismus konvertierten Kaisers Ashoka (3. Jahrhundert v. Chr.), der dort über Reliquien des Buddha einen kleinen Ziegelstupa errichtete. Dieser wurde mehrfach erhöht, bis sich in der Gupta-Zeit (5.–6. Jahrhundert) seine heutige Form ergab. Sein Name ist entsprechend einer Inschrift von »Dharmacakra« abgeleitet, dem »Rad der buddhistischen Lehre«, das sich an dieser Stelle zu drehen begonnen hat – der Buddhismus als Religion hat an diesem Ort seinen Ursprung.

Vom Wald der Weisen ist heute nichts mehr zu sehen, wohl aber finden sich viele Fundamente, die auf den ehemaligen Haupttempel und auf später um ihn errichtete buddhistische Klöster zurückgehen. Archäologen haben vier Hauptklöster (Kloster I–IV) untersucht, aber es kommen weitere Grundmauern anderer Gebäude hinzu, vor allem die des ehemaligen Haupttempels. Auch lassen sich die Fundamente eines weiteren Stupas ausmachen, des Dharmarajika-Stupa, der ebenfalls aus der Ashoka-Zeit stammt und die buddhistische Lehre (Dharma) als Raja, König, benennt. Erhalten hat sich in Sarnath wie in Lumbini eine Ashoka-Säule, anders als in Lumbini sogar mit dem ursprünglichen Löwenkapitell: Vier Löwen, in die vier Himmelsrichtungen ausgerichtet, sitzen über einem 24-speichigen Rad – Symbol des »Löwenrufes« des Buddha, der von diesem Ort erschallte. Dieses Kapitell ist heute im Museum zu Sarnath zu finden.

Archäologische Stätte Sarnath: Im Vordergrund sind die Fundamente des Haupttempels zu sehen, dahinter der Dhamekh-Stupa und in der Ferne ein neuer Tempel

|22|Rajagriha – Predigten auf dem Geiergipfel

Nach der Erleuchtung in Bodh Gaya und der ersten Lehrrede in Sarnath wanderte der Buddha mit seiner ständig wachsenden Mönchsgemeinde insgesamt 45 Jahre durch das Mittlere Land. Nur in der Regenzeit blieb man in festen Hütten und später auch in gestifteten und aus Stein erbauten Klöstern, weil eine Wanderung auf den verschlammten Wegen in den drei Monsunmonaten unmöglich war. Dabei hatte der Buddha einige Lieblingsorte, zu denen er immer wieder zurückkehrte – Rajagriha gehörte dazu.

Er hatte in Rajagriha nämlich den Magadha-König Bimbisara zum Buddhismus bekehrt und stand ihm in der Folge beratend zur Seite. Der König zeigte sich erkenntlich und stiftete dem Buddha vor dem nördlichen Stadttor einen kleinen Bambuswald, der Kalandakanivapa, Eichhörnchen-Futterplatz, genannt wurde. Hier verbrachten der Buddha und seine Mönche viel Zeit. Von dort aus gingen sie morgens mit ihren Bettelschalen in die damals reiche und belebte Stadt, um schweigend Nahrung zu sammeln.

Einen anderen Platz innerhalb der Stadtmauern liebte der Buddha besonders: Vom Geiergipfel konnte man auf die im Talkessel liegende Stadt und auf die Rajagriha weit umgebenden Berge blicken. Sie waren von einer Festungsmauer gekrönt, von der heute noch Teile |23|vorhanden sind und die wegen ihrer großen Steine Zyklopenmauer genannt wird. In der Mitte der Stadt lag der Königspalast Bimbisaras, Fundamentreste künden heute von seiner Ausdehnung. Vor der Stadt liegen heiße Quellen, in denen bereits der Buddha im Alter Linderung seiner Rückenschmerzen suchte.

Der Geiergipfel in Rajagriha – Ort der Lehrrede des Buddha

König Bimbisaras Schicksal endete tragisch: Sein brutaler Sohn Ajatashatru übernahm nach einem Putsch die Herrschaft und ließ seinen Vater im Gefängnis verhungern. Er verfolgte eine gnadenlose Machtpolitik und eroberte weite Gebiete des Mittleren Landes. Nachdem er die Hauptstadt seines Reiches nach Patna verlegte hatte, zerfiel die Stadt Rajagriha, sie ist heute nur noch spärlich bewohnt.