Anbau, Sorten, Geschichte
Verlag C.H.Beck
Wie gewinnt man grünen und weißen Tee? Was zeichnet einen Spitzentee aus? Wie kommt der Tee von China bis in meine Tasse? Und wie wurde aus einem Luxusgetränk ein Genussmittel für jedermann? Peter Rohrsen erklärt in diesem Band kenntnisreich und anschaulich alles, was man als Teetrinker wissen will: von den Eigenschaften der Teepflanze über die wichtigsten Teesorten bis zum weltweiten Teehandel und dem Nutzen des Teetrinkens für die Gesundheit. Er skizziert die globale Geschichte des Tees, erzählt von den Teekulturen der verschiedenen Länder und gibt am Ende auch Tipps für die optimale Zubereitung von Tee.
Dr. Peter Rohrsen ist einer der ersten IHK-Tee-Sommeliers in Deutschland. Er hat viele Jahre englische Kulturgeschichte an der Universität Göttingen gelehrt und bei der Carl Duisberg Gesellschaft den Bereich Asien geleitet.
Vorwort
I. Kamelienzauber: Die Teepflanze und ihre Verbreitung
1. Camellia sinensis
2. Biologischer Anbau
3. Der Teegürtel
II. Vom Blatt zum Getränk: Die Erzeugung des Tees
1. Zwei Blätter und eine Knospe: Die Tee-Ernte
2. Weiß, grün, schwarz – und tausend Schattierungen: Die Verarbeitung des Tees
Weißer Tee
Grüner Tee
Schwarzer Tee
Oolong-Tee
Gelber Tee
Pu Erh
3. Der lange Weg zur Tasse: Logistik für den Tee
III. Unerschöpfliche Vielfalt: Anbaugebiete und Teesorten
1. China
Grüntees
Weiße Tees
Oolong-Tees
Schwarztees
Aromatisierte Tees
Geformte Tees
Teeblumen
2. Japan
3. Indien
Assam
Darjeeling
Sikkim, Terai, Dooars
Nilgiri
4. Sri Lanka
5. Indonesien
6. Afrika
IV. Über Länder und Meere: Zur Geschichte des Teehandels
1. Der Seeweg
2. Der Landweg
V. Blätter und Beutel: Der internationale Teemarkt heute
1. Weltweite Tendenzen
2. Teehandel in Deutschland
3. Teetrinker in der Nationenwertung
4. Qualitätskontrollen
VI. Klostermedizin – Luxuselixier – Alltagsdroge: Tee und Gesundheit
1. Die Inhaltsstoffe des Tees
2. Koffein
3. Mineralstoffe
4. Sekundäre Pflanzenstoffe
VII. Palast und Tempel, Teehaus und Wohnung: Teekulturen der Welt
1. China
2. Japan
3. Korea
4. Russland
5. Türkei
6. Indien
7. Marokko
8. Großbritannien
9. Ostfriesland – und das übrige Deutschland
VIII. Praktische Tipps für die Zubereitung
1. Tee
2. Wasser
3. Temperatur
4. Teemenge und Ziehzeit
5. Geschirr, Zutaten, Zubehör
Empfehlungen zum Weiterlesen
Bildnachweis
Tee ist nach Wasser das beliebteste Getränk der Welt. In Europa und Nordamerika steht er jedoch nicht an erster Stelle, schon gar nicht in Deutschland. Abgesehen von Tee-Oasen wie den Britischen Inseln oder Ostfriesland trinken Europäer vor allem Kaffee, Fruchtsäfte, Mineralwasser, Milch, unterschiedlich gefärbtes und aromatisiertes Zuckerwasser, Bier, Wein und höherprozentige Alkoholika.
Wein ist darunter das Getränk, das dem asiatischen Tee am nächsten kommt: Wo Tee und Wein seit Jahrhunderten angebaut werden, prägen sie den Alltag der Menschen, die Gewerbe- und Handelsstrukturen und das Gesicht der Landschaften. Anbau und Verarbeitung erfordern bei diesen empfindlichen Agrarprodukten täglich harte Arbeit, Können, Geduld und Wissen, das durch Erfahrung und wissenschaftliche Forschung ständig erweitert wird. Beim Tee wie beim Wein gibt es ausgeprägte regionale Eigenarten in der Erzeugung und immense Qualitäts- und Preisunterschiede zwischen Spitzenprodukten und industrieller Massenware. Beide bieten damit auch weite Spielwiesen für den individuellen Geschmack – den wir gut brauchen können in unserer Zivilisation von Fast Food, Coffee to go und Fernseh-Promi-Kochshows.
Auch sind beide seit Jahrtausenden mit dem Kult verbunden. Der griechische Mythos sieht den Wein als Gabe des Gottes Dionysos. In der Symbolik des Christentums spielt er bis heute eine zentrale Rolle. Die Entdeckung des Tees führt eine chinesische Legende auf den sagenumwobenen Kaiser Shen Nung zurück, der 2737 v. Chr. zufällig die belebende Wirkung eines Blattes von einem Teestrauch bemerkt haben soll, das in seine Tasse mit heißem Wasser geweht war. Als Getränk des Kaiserhauses und der buddhistischen Klöster genoss der Tee höchstes Ansehen im alten China, später auch in Japan, Korea und Südostasien.
Dass Tee und Wein Kultstatus genießen, ist kein Wunder: Sie sprechen die Geruchs- und Geschmackssinne intensiv an, und ihre Drogen Koffein und Alkohol verändern Wahrnehmung, Empfinden und Verhalten in nicht restlos erklärbarer, aber als angenehm empfundener Weise. Doch während Dionysos der Gott des Rausches ist, bewirkt der Tee einen stillen Zauber. Ihm werden seit alters heilende Kräfte nachgesagt. Und da der Hokuspokus oft nicht weit ist, wo von Zauber die Rede ist, umziehen den Tee seit seinen Anfängen viele Märchen und Legenden über wundersame Wirkungen. Andererseits sind eben diese Wirkungen heute Gegenstand systematischer Forschung von Ernährungsphysiologen und Medizinern.
Das vorliegende Buch weiß sich dem aufklärerischen Anspruch der Reihe C.H.Beck Wissen verpflichtet. Es soll im vorgegebenen Rahmen zusammenfassen, was zum Thema Tee wissenswert ist, was wir nach heutigem Kenntnisstand wissen, vermuten oder hoffen. Sein Gegenstand ist der Tee im eigentlichen Sinn, also das Getränk aus den koffeinhaltigen Blättern des Teestrauchs (botanisch: camellia sinensis L. O. Kuntze). Kräuter- und Früchteaufgüsse aus Pfefferminze, Hagebutte, Heilpflanzen oder unterschiedlichsten Mischungen bezeichnet der allgemeine Sprachgebrauch zwar auch als «Tee». Sie werden aber professionell als teeähnliche Erzeugnisse definiert im Gegensatz zum koffeinhaltigen Tee, der auf dem Weltmarkt als schwarzer, grüner oder weißer Tee gehandelt wird.
Vorgestellt wird auf den folgenden Seiten zunächst die Teepflanze in ihren Hauptvarianten und ihre Verbreitung. Die Erzeugung des Produkts ist grob chronologisch gegliedert in Ernte, Verarbeitung, Klassifizierung, Verpackung und Transport. Wichtigste Anbaugebiete und Teesorten werden anschließend dargestellt. Es folgt ein knapper Überblick über die Geschichte des Teehandels. Im Kapitel zum weltweiten Markt und Handel heute werden auch Qualitätskontrolle und Produktverantwortung beschrieben. Gesundheitliche Aspekte des Teekonsums und ein Überblick über Teekulturen weltweit lenken den Blick stärker auf den Teetrinker. Einige praktische Tipps zur Zubereitung und zum Weiterlesen bilden den Schluss des Buches. Wenn der Leser am Ende ein bisschen mehr Verständnis, Respekt und Neugier für dieses faszinierende Getränk aufbringt, hat das kleine Buch sein Ziel erreicht. Mit John Lennon möchte ich ganz einfach sagen: «Give tea a chance!»
Ich darf das Vorwort nicht beenden, ohne mich bei einigen Personen zu bedanken, von denen ich gern gelernt habe, seit ich während des Studiums im schottischen St. Andrews dem Tee – bis heute ohne jede Reue – verfallen bin; er hat mich weiter begleitet, als ich anschließend fünfzehn Jahre lang an der Göttinger Universität englische Kulturgeschichte (in der Neuzeit ohne Tee undenkbar) studiert und gelehrt und dann bei der alten Carl Duisberg Gesellschaft den Regionalbereich Asien geleitet habe. Auch stellvertretend für viele andere nenne ich den zu früh verstorbenen Albert Gschwendner sowie Thomas Holz und Dr. Thomas Henn, die mit dem Angebot einer IHK-Qualifikation zum Tee-Sommelier Pionierarbeit geleistet haben; Prof. Peter Stehle vom Institut für Ernährungsphysiologie der Universität Bonn, der Licht in das Halbdunkel aus Dichtung und Wahrheit um die Wirkungen des Tees gebracht hat; Prof. Günter Faltin, Thomas Räuchle und Dr. Kathrin Gassert in Berlin und Potsdam; meine Schwägerin Gyeonghae Petersen in Hamburg, die zu Recht und mit bezaubernden Beweisen darauf besteht, dass die alte Kultur ihrer koreanischen Heimat der chinesischen durchaus das Teewasser reichen kann; und nicht zuletzt meine Frau Barbara Petersen, deren langjähriges Wirken in Sri Lanka das kleine Tangalle zu unserem zweiten Zuhause gemacht hat. Auf Seiten der Teeproduzenten danke ich Freunden wie Merrill, Dilhan und Malik Fernando in Colombo, Andrew Taylor in Hatton sowie Ashok Lohia und Ajay Kichlu in Darjeeling und Kolkata. Von allen habe ich gelernt, und vieles davon wird sich in diesem Buch wiederfinden – Verantwortung und Fehler bleiben jedoch meine eigenen.
Wer inmitten von Teegärten den Blick schweifen lässt über den immer sattgrünen Teppich aus hüfthohen, ordentlich aufgereihten Büschen, der die Hügel überzieht, sieht ein Kulturprodukt, welches das Ergebnis ständiger Bearbeitung durch Menschenhand über lange Zeiträume hinweg ist. Die kinderarmdicken Wurzeln, die sich an den Schnittkanten der Wirtschaftswege festkrallen, verraten, dass sie von Natur aus viel höhere Gewächse im Boden verankern sollen. Werden überalterte Teebüsche gerodet, sieht man unter ihnen gewaltige, bis zu fünf Meter lange Pfahlwurzeln, die mühsam aus dem Boden gegraben werden müssen.
Botanisch gehört die Teepflanze zur Gattung der Kamelien in der Familie der Teestrauchgewächse (theaceae). Ihr wissenschaftlicher Name camellia sinensis verrät diese Zugehörigkeit ebenso wie ihre historische Hauptverbreitung in China. Sie ist eng verwandt mit der bekannteren Kamelie (camellia japonica), die Gärtner in aller Welt zu immer neuen Blütenträumen züchten. Die zartweißen oder rosa angehauchten Blüten des Teestrauchs sind demgegenüber klein und unspektakulär – das primäre Interesse gilt den Blättern. Die Urpflanze des Tees ist wohl in den Bergregionen zwischen Indien, China, Thailand, Vietnam und Myanmar beheimatet. Es ist anzunehmen, dass bei den dort lebenden Bergvölkern die Wirkung der koffeinhaltigen Blätter bekannt war. Die systematische Kultivierung des Teestrauchs als Wirtschaftspflanze geht aber zweifellos auf die Tradition im kaiserlichen China zurück.
Man unterscheidet zwei Varianten der Teepflanze nach ihren historischen Hauptverbreitungsgebieten: den China-Strauch (camellia sinensis var. sinensis) und den Assam-Strauch (camellia sinensis var. assamica). Der China-Teestrauch ist kleiner und feingliedriger, erreicht aber in freier Natur stattliche Höhen von vier bis sechs Metern. Seine Blätter sind zarter, von feinerem Aroma und weniger tanninhaltig als die der Assam-Variante. Er wächst langsam, verträgt niedrige Temperaturen, gelegentlich auch eine milde Frostnacht und ist deshalb für den Anbau in Höhenlagen zwischen 1500 und 3000 Metern besonders geeignet. Die Assam-Teepflanze dagegen ist in ihrem Ursprung ein tropischer Regenwaldbaum, der bis zu fünfzehn Meter hoch werden kann. Sie wächst ohne größere saisonale Schwankungen das ganze Jahr über, am besten bei Temperaturen um 30°C und hoher Luftfeuchtigkeit. Ihre Blätter sind breiter, länger, ertragreicher und von kräftigerem Aroma als die des China-Strauches.
Diese idealtypische Unterscheidung zweier Varianten ist allerdings für die heutige Praxis meist nur noch eine akademische: Die Nutzpflanzen werden überwiegend als Hybride aus beiden Varianten gezüchtet, wobei auf die geografischen, klimatischen und marktpolitischen Bedingungen der jeweiligen Anbauregion Rücksicht genommen wird. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungswissen gehen in der Forschungs- und Entwicklungsarbeit der «Tee-Universitäten» Hand in Hand. So werden schnellwüchsige, ertragreiche sowie wetter- und schädlingsresistente Hybridpflanzen gezüchtet, die auch noch möglichst aromatisch und fein im Geschmack sein sollen. Als Faustregel kann gelten, dass für höhere Erträge und ein kräftigeres Aroma bei Schwarztees ein höherer Anteil an Assam-Pflanzen-Erbgut angestrebt wird. Für Grüntees wird wegen des feineren Aromas die China-Pflanze bevorzugt. Die Züchtung und die Veränderung des Erbgutes sind bei Hybriden nur möglich durch Bestäubung und Samenanpflanzung – ein zeit- und arbeitsintensives Verfahren, das in der Regel nur noch in Entwicklungsabteilungen unter Laborbedingungen angewandt wird. Die massenhafte Vermehrung der dort gezogenen Mutterpflanzen erfolgt vegetativ durch Stecklinge (clones), die in den Teebaumschulen (nurseries) acht bis zehn Monate lang herangezogen und dann zur Auspflanzung an die Teegärten abgegeben werden.
Gesetzt werden die Teepflänzchen je nach Gelände im Abstand von bis zu einem Meter, unterbrochen von einigen Schattenbäumen; pro Hektar sind es zwischen 12.000 und 18.000 Pflanzen. Nach etwa drei Jahren werden sie erstmals kräftig auf 40 bis 60 Zentimeter Höhe zurückgeschnitten (pruning), später alle vier bis fünf Jahre. Dieser regelmäßige Beschnitt auf «Pflücktischhöhe» verhindert nicht nur das Verholzen und ein natürliches Höhenwachstum, damit die Pflückerinnen bzw. die Pflückmaschinen die Pflanzen leichter erreichen können. Er regt auch die Bildung ständig neuer, zartgrüner Triebe an – die eigentlichen Objekte der Begierde bei der Ernte.
Teepflanzen können in freier Natur mehrere hundert Jahre alt werden. Sie sind dann allerdings verholzt und produzieren kaum noch frische Blätter. Die Nutzung setzt in der kommerziellen Teeproduktion mit der ersten Pflückung nach zwei bis drei Jahren ein, wobei die Erträge sich noch um bescheidene 130 Kilogramm pro Hektar bewegen. Ab dem vierten Jahr steigen sie dann – je nach Lage – auf 1000 bis 2000 Kilo. Nach vier bis fünf Jahrzehnten lässt die Ergiebigkeit oft so erheblich nach, dass die Pflanzen ersetzt werden müssen. Überalterte Bestände sind ein Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsproblem in vielen traditionellen Teeregionen.
Um die Pflanzen gesund und die Erträge wirtschaftlich zu halten, sind – wie in jeder Monokultur – regelmäßiges Pflücken und Düngen, Unkrautkontrolle, Schutz vor Schädlingen und Krankheiten wie zum Beispiel Pilzbefall notwendig. Wie weit dabei in den heutigen Teegärten noch chemische Dünge- und Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen, liegt im Ermessen der Eigner und Manager. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nahm auch in den Tee-Erzeugerländern der Einsatz agrochemischer Mittel zunächst drastisch zu. Die Erträge wuchsen demgegenüber jedoch nur mäßig an. Dabei sehen wir heute die Negativfolgen einer ungebremsten Verwendung von chemischen Mitteln kritischer: Böden, Grundwasser, Atmosphäre und Pflanzen werden dauerhaft belastet, und über die Nahrungskette werden Rückstände weitergegeben. Auch die Gesundheit der Arbeitskräfte in den Teegärten wird gefährdet.
Seit den 1970er Jahren hat sich in der Einstellung der Verbraucher zur landwirtschaftlichen Produktion viel verändert, vor allem in Mitteleuropa, und immer mehr Händler und Produzenten im Teemarkt reagieren auf die steigende Nachfrage nach Bio-Produkten. Dabei dauert die Umstellung vom konventionellen auf den biologischen Teeanbau etwa vier bis fünf Jahre und ist – wegen der Ernteausfälle und der zumindest anfangs geringeren Erträge – eine wirtschaftliche Kraftanstrengung, die viele Veränderungen und Risiken mit sich bringt. Die Teegärten müssen den organischen Dünger selbst erzeugen, und zwar aus Unkraut, Laub und pflanzlichen Abfällen der Teefabrik sowie aus Dung aus der eigenen Viehhaltung. Diese Ingredienzen werden kompostiert und zusammen mit eigens gezüchteten Würmern zur Auflockerung des Bodens ausgesetzt. Die Teeproduzenten unternehmen diese Anstrengung nur, wenn mittel- und langfristig bessere Absatzchancen bestehen. Abnahmegarantien von wichtigen Importeuren spielen dabei eine Schlüsselrolle. Einige deutsche Unternehmen haben sich dabei besonders verdient gemacht. Es ist ermutigend, dass der Trend zum Bio-Tee seit drei Jahrzehnten anhält, auch wenn sein gegenwärtiger Marktanteil von 4,6 Prozent (2011) noch steigerungsfähig sein sollte.
Kommerziell wird Tee in den tropischen Breiten Asiens und Afrikas, teilweise auch Lateinamerikas angebaut. Der Teegürtel zieht sich um den Globus zwischen dem 43. Grad nördlicher und dem 30. Grad südlicher Breite. Die für den Welthandel erforderliche Qualität setzt neben der tropischen Lage noch weitere Klimafaktoren voraus: Jahresdurchschnittstemperaturen zwischen 18°C und 30°C ohne stärkere Fröste, regenreiche Nächte und eine entsprechend hohe Luftfeuchtigkeit, dabei mindestens fünf Stunden intensive Sonneneinstrahlung täglich. Höhenlagen ab 700 Metern über N.N., optimal zwischen 1800 und 2500 Metern, bieten dafür die geeigneten Voraussetzungen. Wie beim Wein ist der Einfallswinkel in steilen Hanglagen besonders günstig für Wachstum und Aroma. Steilhänge halten auch Staunässe, die die Teepflanze nicht verträgt, von den Pfahlwurzeln fern. Tee wächst zwar auf vielen Untergründen, bevorzugt aber saure, tiefgründige und gut durchlüftete Böden.
Schon diese Kurzcharakteristik verdeutlicht, weshalb manche Anbaugebiete prädestiniert sind für die Erzeugung von Spitzentees, die dann oft – wie berühmte Terroirs beim Wein – deren Namen als Qualitätsmarken tragen. Allerdings sind Pflanze, Klima und Anbaugebiet nicht allein maßgebend für die Qualität des Tees. Ebenso wichtig sind die Ernte und die Verarbeitung der Teeblätter.
Die Erntezeiten in den Haupterzeugerländern variieren stark. In China gilt die Faustregel: Je südlicher das Anbaugebiet, desto früher die Ernte. Den Beginn machen Hainan und benachbarte Regionen im Süden zwischen März und Mai; dann folgen Yunnan, Jiangxi, Sichuan zwischen April und August sowie Anhui, Henan und weitere nördliche Gebiete von Juni bis September. In Japan wird dreimal pro Jahr und größtenteils maschinell geerntet. Die erste Ernte im April und Mai gilt als die beste; die zweite schließt sich im Juni und Juli an; die dritte im August kommt an die Qualitäten der ersten beiden nicht heran. In Indien und Sri Lanka sind die Erntezeiten abhängig vom Monsun und der Höhenlage des Anbaugebietes.
Teepflücken ist Präzisionsarbeit, die überwiegend von flinken und geschickten Frauenhänden geleistet wird. Allein der Handpflückung vorbehalten ist das Herauspicken von «zwei Blattspitzen und einer Knospe» («two leaves and a bud») von den frischen Trieben – immer noch die goldene Regel für das beste Teearoma. Pro Tag bringt es eine Pflückerin – je nach Gelände, Jahreszeit und Teesorte – auf ca. 20 bis 30 Kilogramm, die ca. fünf bis sieben Kilo fertigen Schwarztee ergeben. Die Arbeit ist oft unterbezahlt und wegen abenteuerlich steiler Hänge, Schlangen, aggressiver Wildschweine und Kleingetiers sowie aufgrund des noch verbreiteten Einsatzes von Chemikalien nicht ungefährlich. Wer jemals gesehen hat, wie die Pflückerinnen diese Arbeit in der Erntesaison Tag für Tag und bei fast jedem Wetter verrichten, wird als Teetrinker Dankbarkeit und Respekt empfinden. Und auch bereit sein, durch sein Verbraucherverhalten dazu beizutragen, die Lebenssituation der Arbeiter in vielen Teegärten zu verbessern. Doch mehr dazu weiter unten (S. 57–59 u.ö.).
Nach dem Pflücken müssen die Blätter möglichst rasch in der Teefabrik verarbeitet werden, damit sie nicht unkontrolliert welken oder oxidieren. Sie werden zunächst von der jeweiligen Pflückerin gesammelt und dann zum Wiegen an einen Treffpunkt gebracht, wo die Pflückleistung und der Anspruch auf Bezahlung ermittelt werden. Saisonale und wetterbedingte Schwankungen, die beträchtlich sein können, werden dabei natürlich berücksichtigt: Nasse Teeblätter wiegen mehr als trockene, und von den winzigen Blättchen des begehrten «First Flush» trägt eine Pflückerin kaum mehr als fünf bis acht Kilo pro Tag zusammen, wo sie es sonst auf die drei- bis fünffache Menge bringt. Man kennt auf beiden Seiten die Erfahrungswerte und Spielregeln ebenso wie das manchmal lautstarke Palaver um die konkreten Tagesergebnisse. Am Ende fährt der Kleinlaster mit den frisch gepflückten Blättern zur Teefabrik, die nicht allzu weit entfernt vom Garten steht: Die Blätter müssen schließlich noch am selben Tag verarbeitet werden.
Zwei Blätter und eine Knospe
Pflückmaschinen werden in größerem Umfang in Japan und Kenia eingesetzt. Gegenüber der Handpflückung, die für hochwertige Tees üblich ist, haben sie gravierende Nachteile: Erfahrene Pflückerinnen erkennen mit einem Blick den richtigen Zeitpunkt, an dem Teespitzen pflückreif sind, greifen die zwei Blattspitzen und die eine Knospe mit traumhafter Sicherheit und können alte oder beschädigte Blätter aussortieren. Erntemaschinen vermögen all das nicht zu leisten. In steilem Gelände verbietet sich ihr Einsatz ohnehin.
Ein Irrtum, der in Europa eine lange Geschichte hat, muss im Zusammenhang mit den Teefarben vorab aufgeklärt werden: Es gibt keine weißen, grünen oder schwarzen Teepflanzen. Die bestechend schönen «Schwarzteepflanzen» in alten Botanikbüchern sind reine Fantasieprodukte. Alle Teearten kommen aus denselben grünen Blättern der Teepflanze. Die Farben ergeben sich allein aus der unterschiedlichen Verarbeitung der geernteten Blätter. Allerdings muss hier gleich hinzugefügt werden, dass spezifische Züchtungen der Teepflanze sich besonders gut für bestimmte Arten der Verarbeitung eignen.
Der von Kennern hoch geschätzte weiße Tee liefert dafür das anschaulichste Beispiel, weil man bei seiner Herstellung die Teeknospen und -blättchen quasi im Urzustand belässt und lediglich durch vorsichtige Trocknung haltbar macht. Stärker tanninhaltige Züchtungen mit Assam-Anteil sind dafür weniger geeignet, weil sie bitter schmecken. Das feine, leicht süßliche Aroma und die helle Farbe liefern spezielle Varianten des China-Strauches (Da Bai), die ursprünglich in der Provinz Fujian herangezüchtet wurden. Für die weiße Spitzensorte Bai Hao Yin Zhen («Weißhaar-Silbernadel») werden dort nach der winterlichen