63Anhang 2: Liste wichtiger Links

Das Robert Koch-Institut (RKI), als zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention, erfasst kontinuierlich die aktuelle Lage Coronavirus-SARS-CoV-2, bewertet alle Informationen und schätzt das Risiko für die Bevölkerung in Deutschland ein.

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html

Stets aktualisierte Fragen und Antworten des RKI zu Corona: unter https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste.html

Unter folgendem Link sind die Informationen der Weltgesundheitsorganisation (WHO – nur in Englisch) zu finden:

https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019

Gefährdete Berufe: Das größte Risiko besteht bei allen Berufen, die mit infizierten Personen in Kontakt kommen, d. h. insbesondere im Gesundheitswesen in Arztpraxen und Krankenhäusern sowie im gesamten Transportbereich. Darüber hinaus besteht auch in Laboren, die Verdachtsproben auf Erreger zur Untersuchung erhalten, ein erhöhtes Infektionsrisiko; Quelle bei der Bundesanstalt für Arbeit und Arbeitsmedizin (BAuA):

https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/Biostoffe/FAQ/FAQ_node.html)

Beschlüsse und Empfehlungen des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe:

www.baua.de/abas

FAQ von der BAuA zu Corona:

https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/Biostoffe/FAQ/FAQ_node.html

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): https://www.infektionsschutz.de/coronavirus/

Aktuelle Informationen des Auswärtigen Amts sind zu finden unter:

https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/reise-und-sicherheitshinweise/reisewarnungen und

https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/covid-19/2296762

Achtung: Informationen zur regionalen oder lokalen Ebene geben die Landes- und kommunalen Gesundheitsbehörden.

Die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe hat Empfehlungen für Beschäftigte in der Gastronomie veröffentlicht:

https://www.bgn.de/das-coronavirus-fragen-und-antworten/

Die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) aktualisiert laufend ihre Empfehlung zum Umgang mit dem Coronavirus:

https://www.bghw.de/presse/pressemitteilungen/aktuelle-pressemitteilungen/das-coronavirus-tipps-fuer-handel-und-warenlogistik

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV): Branchenregel zur Zeitarbeit https://publikationen.dguv.de/regelwerk/regelwerk-nach-fachbereich/verwaltung/zeitarbeit/3097/branche-zeitarbeit-anforderungen-an-einsatzbetriebe-und-zeitarbeitsunternehmen

Berufsgenossenschaft der BG Bau und aktuelle Informationen zu Corona für die Bauwirtschaft: https://www.bgbau.de/themen/sicherheit-und-gesundheit/coronavirus/

Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat ein Handbuch zur Pandemieplanung (2. Auflage) veröffentlicht: https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/BBK/DE/Downloads/GesBevS/Handbuch-Betriebl_Pandemieplanung_2_Auflage.html

Zum Inhalt:

Der Leitfaden für Betriebe und Beschäftigte

Im Zuge der Corona-Pandemie haben einige versucht, die Probleme zu verdrängen und zu verharmlosen, bei anderen haben sich Angst und Verunsicherung breit gemacht. Die Broschüre will helfen, kühlen Kopf zu bewahren und planmäßig vorzugehen. Welche Alternativen stehen vorbeugend, aber auch abwehrend und gefährdungsbeschränkend zu Gebote?

Informativ und verlässlich gibt der Ratgeber Antwort auf alle wesentlichen Fragen rund um Corona und dem daraus resultierenden erforderlichen Arbeits- und Gesundheitsschutz.

Die Broschüre

Die Neuauflage

Impressum

 

www.beck.de

 

Herausgeber und Verfasser dieser Broschüre:

 

Dr. Eberhard Kiesche
AoB-Arbeitnehmerorientierte Beratung,
Bremen

 

Prof. Dr. Wolfhard Kohte
Forschungsdirektor des Zentrums für
Sozialforschung Halle, vorm. Professor an der
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

 

 

 

 

ISBN 978 3 406 76085 3
ISBN ePDF 978 3 406 76086 0
ISBN epub 978 3 406 76087 7

© 2020 Verlag C.H.Beck oHG
Wilhelmstraße 9, 80801 München

Satz: Fotosatz Buck, Zweikirchener Str. 7, 84036 Kumhausen
Druck: Holzmann Druck GmbH & Co. KG, Gewerbestraße 2, 86825 Bad Wörishofen
Umschlaggestaltung: Ralph Zimmermann - Bureau Parapluie
Titelmotiv: © MSSA - depositphotos.com (modifiziert)

eBook Datagroup int. SRL, 300665 Timisoara, România

Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier
(hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff)

Arbeits- und
Gesundheitsschutz
in Zeiten von
Corona

Der Leitfaden für Betriebe
und Beschäftigte

 

von

Dr. Eberhard Kiesche
Prof. Dr. Wolfhard Kohte

 

2. Auflage

 

 

 

 

 

4Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel. Die Pandemie

1. Begriff

2. Historische Erfahrungen und Lehren

3. Aufklärung und Information

4. Ziele für konkretes Handeln

2. Kapitel. Das neuartige Coronavirus Covid-19

1. Übertragungswege

2. Krankheitsverlauf und demografische Einflüsse

3. Symptome

3. Kapitel. Die neue „amtliche“ Richtschnur: SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard und SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel

1. Vorbemerkung

2. Der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard im Wortlaut

3. Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel im Wortlaut

4. Erläuterungen

4. Kapitel. Was hat Covid-19 mit der Biostoffverordnung zu tun?

1. Biostoffverordnung

2. Gefährdungsbeurteilung

3. Betriebsanweisung

5. Kapitel. Anforderungen an Hygiene und Schutzmaßnahmen

1. Infektionsgefährdungen

2. Alle Branchen betroffen

3. Grundsätze der Hygiene

4. Schwangere und Stillende

5. Jugendliche

6. Chronisch kranke und behinderte Menschen

6. Kapitel. Checkliste zur Gefährdungsbeurteilung bei der Covid-19-Bekämpfung

57. Kapitel. Im Pandemiefall: Was wäre, wenn…

1. … das Infektionsschutzgesetz greift?

2. … man selbst (möglicherweise) erkrankt oder besonders gefährdet ist?

3. … Angehörige erkrankt sind?

4. … der Arbeitgeber bestimmte Dinge verlangt bzw. fragt?

5. … eine „abstrakte“ Gefährdung vorliegt

6. … die Arbeit wegen Corona ausfällt?

7. … es um die Vorbeugung (Prävention) geht?

8. Kapitel. Pandemieplanung als präventiver und kooperativer Arbeits- und Gesundheitsschutz

1. Arbeitsschutz als wichtige Aufgabe

2. Mitbestimmen nach § 87 BetrVG

3. Keine einseitigen, vorläufigen Anordnungen

4. Mitbestimmen im Arbeitsschutz speziell bei der Gefährdungsbeurteilung

5. Erlass von Hygienevorschriften als mitbestimmungspflichtige Arbeitsanweisungen

6. Dienstreisen einschränken

7. Einschränkung betrieblicher Sozialeinrichtungen

8. Arbeitszeiten ändern, verlängern oder verkürzen

9. Home-Office- bzw. Telearbeitsarbeitsplätze

10. Personelle Einzelmaßnahmen

11. Pandemie-Maßnahmen, die in einer Vereinbarung nicht geregelt werden können

12. Fazit

10. Kapitel. Eckpunkte betrieblicher Vereinbarungen in und nach der Pandemie

1. Zur Situation der Mitbestimmung während der aktuellen Corona-Pandemie

2. Eckpunkte eines Handlungsrahmens

Anhang 1: Kleines Glossar zu Corona

Anhang 2: Liste wichtiger Links

3Vorwort

In den letzten Monaten hat uns die Corona-Pandemie intensiv erfasst. Einige haben versucht, die Probleme zu verdrängen und zu verharmlosen, bei anderen haben sich Angst und Verunsicherung breit gemacht. Im Netz sind vielfältige und widersprüchliche Aussagen zu finden, in den sozialen Medien nehmen auch Fake News einen großen Raum ein. Wir wollen helfen, kühlen Kopf zu bewahren und planmäßig vorzugehen. Welche Alternativen stehen vorbeugend, aber auch abwehrend und gefährdungsbeschränkend zu Gebote? Wir gehen davon aus, dass sich dem Phänomen der Angst am besten mit Aufklärung, Expertise, Unterweisung und konkreten arbeitsplatzbezogenen Regelungen begegnen lässt.

Grundlegend ist es für uns daher, die sachkundig dokumentierten epidemiologischen Kenntnisse zu Covid-19 zum Ausgangspunkt zu nehmen. Sie zeigen, dass es um reale und schwerwiegende gesundheitliche Gefährdungen geht, so dass Maßnahmen des Arbeitsschutzes geboten sind. Dazu werden von uns die Grundlagen des Arbeitsschutzrechts und vor allem die Systematik der Biostoffverordnung (BioStoffV) und weitere ergänzende Vorschriften des Arbeits- und Sozialrechts erläutert, die durch handliche Checklisten konkretisiert werden. Damit soll auch die Beratung mit Betriebsärztlichen Diensten und Sicherheitsfachkräften gefördert und die Diskussion im Arbeitsschutzausschuss angeregt werden.

Die offenen Fragen erfassen aber auch die gesamte betriebliche Organisation. Wie kann ein achtsamer Umgang untereinander sowie mit gesundheitlich beeinträchtigten oder besonders schutzbedürftigen Beschäftigten aussehen? Was ist mit organisatorischen Konsequenzen von der Verlagerung von Arbeiten ins Home-Office, der Berücksichtigung der Pflichtenkollision zwischen Arbeitspflicht und der Sorge für Kinder und pflegebedürftige Angehörigen bis zur Einführung von Kurzarbeit? Dies kann nicht mit einfachen Machtworten organisiert werden. Vorhandene Kollektivvereinbarungen sind heranzuziehen und auszulegen. Neue Betriebs- und Dienstvereinbarungen sind erforderlich. Die vor einigen Jahren begonnenen Ansätze betrieblicher Pandemieplanung sind überwiegend stecken geblieben; es gilt sie wieder aufzunehmen, so dass auch nach einem Rückgang der Pandemie für die Zukunft eine planmäßige Vorsorge zu entwickeln ist.

Die Ereignisse der letzten Monate haben gezeigt, dass sich ständig neue Fragen stellen. Seit diesem Zeitpunkt hat sich für Betriebe aller Branchen – ebenso auch für Verwaltungen sowie Einrichtungen des Bildungs- und Gesundheitswesens – die Notwendigkeit gezeigt, eine systematische Arbeitsschutzpolitik zu realisieren, weil nur unter Wahrung dieser Grundsätze ein verantwortliches Hochfahren der verschiedenen Betriebe und Einrichtungen sowie eine Lockerung der bisherigen Maßnahmen möglich und vertretbar sind. Das hat viele Beteiligte vor große Herausforderungen gestellt, weil sie sich mit solchen arbeitsschutzbezogenen Fragen bisher kaum befasst haben. Im April hat das BMAS im Gemeinsamen Ministerialblatt den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard (GMBl. 2020, S. 303) und im August die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel (GMBl. 2020, S. 484) veröffentlicht. Hiermit wird die Transparenz der zu treffenden Maßnahmen gefördert. Wir haben uns daher entschieden, in einer zweiten Auflage Standard und Regel zu dokumentieren und knapp zu kommentieren (Kap. 3). Wesentliche Änderungen des sonstigen Textes waren nicht erforderlich, weil unser Text vom März weitgehend mit dem BMAS-Standard, der Regel und den aktuellen Erfahrungen kompatibel ist. Wir sind daher weiter zuversichtlich, dass unser Text trotz aller Turbulenzen auch weiter eine hinreichend lange Halbwertszeit hat.

Bremen und Halle, im August 2020

 

3439.png Dr. Eberhard Kiesche

 

3439.png Prof. Dr. Wolfhard Kohte

 

71. Kapitel. Die Pandemie

1. Begriff

Eine Infektionskrankheit bricht örtlich, aber bald danach länderübergreifend aus. Sie dehnt sich durch globale Reisetätigkeiten weltweit aus, ist in der Regel zeitlich begrenzt und betrifft weltweit eine große Anzahl von Menschen. Eine Pandemie kann eine globale Gesundheitskrise auslösen. Das ist gerade jetzt an Covid-19 deutlich zu sehen. SARS-CoV-2 ist ein behülltes Virus und gehört zur Familie Coronaviridae, Gattung Betacoronavirus, zu der für den Menschen zwar auch einige ungefährliche Viren, aber auch die gefährlichen SARS-Viren gehören. SARS-CoV-2 ist der Auslöser der Coronavirus-Krankheit-2019 (kurz: Covid-19).

Voraussetzung für eine Pandemie ist, dass Krankheitserreger, z. B. der Virus SARS-CoV-2, leicht von Mensch zu Mensch übertragen werden und die Bevölkerung noch keine speziellen Abwehrkräfte gegen den neuen Erreger entwickelt hat. Die Erreger verbreiten sich im Falle einer Pandemie rasch über alle Kontinente hinweg. Beispiele für Pandemien sind SARS (dies ist eine Abkürzung für: severe acute respiratory syndrome) in 2002–2003 mit weltweit ca. 1000 und die Schweinegrippe in 2009/2010 mit mehr als 18000 Todesopfern. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf hat Covid-19 im März 2020 aufgrund der Infektionen die ganze Welt zur Pandemiezone erklärt und damit die bisher unterschätzte gesundheitspolitische Bedeutung der Globalisierung eindringlich hervorgehoben.

2. Historische Erfahrungen und Lehren

Was ist aus der Geschichte der Pandemien zu lernen? Unregelmäßig, im Abstand von einigen Jahrzehnten, treten große Ausbrüche von Erkrankungen – Pandemien – auf, die ungewöhnlich viele Krankheits- und Todesfälle mit sich bringen. Im 20. Jahrhundert war es die „Spanische Grippe“, an der 1918/1919 vermutlich 20 bis 50 Millionen Menschen – bereits geschwächt durch den Weltkrieg – starben. Kleinere Pandemien, wie die „Asiatische Grippe“ 1957/1958 oder die „Hongkong-Grippe“ 1968/1969, waren zwar weniger ausgeprägt, forderten aber immer noch ca. 1,5 bzw. 1 Million Tote während der akuten Phase.

Die „Neue Influenza A/H1N1-Schweinegrippe“ in 2009 war hingegen eine medizinisch vergleichsweise milde verlaufende Pandemie. Der Erreger hat in den meisten Fällen der Infektionen nur leichte Erkrankungen hervorgerufen, aber durch seine weite Verbreitung immer noch zahlreiche Leben gekostet. Die Zahl der Todesopfer durch diese Pandemie wird von der WHO auf ca. 18.000 geschätzt.

Wenn man die Statistik vergangener Pandemien näher analysiert, stellt sich die Frage, ob Pandemien schicksalhaft sind oder ob die Beteiligten aus dieser Geschichte lernen können. Die viele Opfer fordernde Spanische Grippe war 1918 durch das letzte Kriegsjahr nachhaltig überlagert worden. Die militärischen Akteure hatten auf allen Seiten versucht, Informationen 8über Umfang und Spezifika der Pandemie zunächst von der Öffentlichkeit fernzuhalten. Eine grundlegende fachliche Untersuchung war für die medizinische Wissenschaft sehr schwierig, so dass lange Zeit offen blieb, wie der Erreger dieser Grippe bestimmt werden konnte. Um 1920 dominierte dazu noch der „bakteriologische Denkstil“; die gravierende Bedeutung von Viren war noch nicht erkannt.

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Umso auffallender ist die Asiatische Grippe im Jahr 1957/58, die im kollektiven Gedächtnis in Deutschland weitgehend verdrängt ist. Aktuell wird auf die damalige Zurückhaltung der Medien hingewiesen (FAZ 22.4.2020: Nur keine Panik!). In der sehr informativen Dissertation von David Rengeling „Vom geduldigen Ausharren zur allumfassenden Prävention – Grippe-Pandemien im Spiegel der Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit“ aus dem Jahr 2017 wird beschrieben. dass die politische und mediale Aufmerksamkeit damals sehr gering war und noch durch die katastrophalen gesundheitlichen Folgen des wenige Jahre zuvor beendeten Weltkriegs überlagert war. Auch in der Forschung wurden von den bekannten Forschungsorganisationen nur außerordentlich geringe Mittel zur näheren Untersuchung zur Verfügung gestellt. Zehn Jahre später wurde die Hongkong-Grippe in der Öffentlichkeit etwas aufmerksamer diskutiert, in der medizinischen Wissenschaft begann eine erste relevante Förderung, um die Ursachen dieser Grippe näher zu erfassen. Letztlich war diese Epidemie aber immer noch überlagert durch die damals dominierenden Infektionskrankheiten, vor allem die Tuberkulose. Im Gesundheitsbericht der Bundesregierung 1970 wurde nur kurz vermerkt, dass 1968 einmalig die Grippesterblichkeit sich der bis dahin dominierenden Tuberkulosesterblichkeit weitgehend genähert hatte (BT-Drs.VI/1667, S. 43), während noch 1957/58 die Tuberkulose die maßgebliche Infektionskrankheit war.

Intensive Fortschritte wurden erst in der Zeit nach 1990 erreicht. Zum einen wurden jetzt die maßgeblichen Viren und ihre Spielarten in einer international kommunizierenden Forschung erkannt. In einer intensiven „Virologisch-archäologischen“ Forschung wurde 2005 das Virus der Spanischen Grippe identifiziert und auch von der Asiatischen sowie der Hongkong Grippe unterschieden. Zeitgleich erfolgten zügige Fortschritte im Zusammenhang mit der SARS-CoV-1 Pandemie, die 2002/2003 in einer globalen wissenschaftlichen Anstrengung untersucht und politisch zügig eingedämmt wurde. Hier wurde der von den Influenza-Viren genetisch deutlich abweichende Corona-Virus entdeckt.

Inzwischen war auch ins Blickfeld geraten, dass eine beachtliche Zahl von Beschäftigten des medizinischen Personals infiziert worden war, so dass sich diese Erkenntnisse als aktuelle Fragen des Arbeitsschutzes stellten. Der nach 2000 gebildete Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) widmete sich in einer umfassenden Sitzung vom 27.5.2006 dieser Aufgabe und stufte die hochpathologischen und gefährlichen Influenza Viren der spanischen, asiatischen und Hongkong Grippe in die Risikogruppe 3 ein. Ebenso war das SARS Corona Virus dieser Risikogruppe zugeordnet worden, während in bewusster Unterscheidung die allgemeinen Influenza Viren nur als Risikogruppe 2 eingestuft wurden. Diese Erkenntnisse sind inzwischen fester Bestandteile der Technischen Regel TRBA 462, die im Gemeinsamen Ministerialblatt ab 2012 veröffentlicht und regelmäßig aktualisiert wurde.

Diese globalen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft wurden parallel aufgenommen auf der Ebene der Europäischen Union. Die Richtlinie 2019/1833/EU aus dem Herbst 2019 übernahm diese Einstufungen und hielt wiederum im Anhang III an der deutliche Unterscheidung zwischen den Coronaviren einerseits und den diversen Influenzaviren andererseits fest. Damit war ein allgemeiner Wissensstand normiert, so dass der Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe einerseits und die europäische Institutionen sofort im Februar 2020 die neuen SARS-CoV-2 Viren der schwerwiegenden Risikogrippe 3 zuordnen konnten (aktualisiert am 26.5.2020). So hatte sich in einem schwierigen internationalen und nationalen Lernprozess die Geschichte der Pandemien zu einem „Immungedächtnis“ entwickelt, das weltweit wesentliche Informationen zur Verfügung stellte, die im Krisenfall kurzfristig reaktiviert werden können.

3. Aufklärung und Information

Eine Pandemie, aktuell die unkontrollierte Ausbreitung von Covid-19 (Coronavirus SARS-CoV-2), verbreitet in der ganzen Welt Angst und Verunsicherung. Die Infektion kann nach aktueller Kenntnis sowohl völlig symptomlos verlaufen als auch zum Tode führen. Die Erkenntnis führt zu einer extremen Belastung der Bevölkerung, wie akut in Deutschland zu beobachten ist, besonders dann, wenn im Fernsehen in den Nachrichten Transporter mit den Todesopfern in den verschiedenen Ländern gezeigt werden.

Daher ist Aufklärung und Information notwendig sowie Augenmaß und rationales Handeln auf allen Ebenen der Gesundheitspolitik, auch im Arbeitsschutz, in Zeiten von Corona erforderlich. Zudem sollte für die Zeit, wenn die jetzige Pandemie mit Covid-19 hoffentlich irgendwann den Höhepunkt erreicht hat 9und diese akute Pandemiebekämpfung nicht mehr vordringlich sein wird, unbedingt eine strategische Pandemieplanung in Staat und Wirtschaft für die Zukunft durchgeführt werden.

Es lassen sich stets im Vorfeld aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit Pandemie keine konkreten Aussagen über das jeweilige Ausmaß einer Pandemie machen. Wie viele Menschen werden davon betroffen sein? Wie schwer werden die Erkrankungen sein? Wie viele Todesfälle gibt es? Hält das Gesundheitssystem der Anzahl der infizierten Menschen statt? Mit den Lehren aus den vorangegangenen Pandemien wie z. B. der Schweinegrippe, lassen sich jedoch zumindest einige Auswirkungen einer zukünftigen Pandemie mit Coronaviren abschätzen und entsprechend jetzt kurzfristige Pandemiepläne in der staatlichen Verwaltung und in Unternehmen aufstellen.

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Weltweit müssen sich Staaten, Regierungen, Kommunen, Krankenhäuser und Unternehmen rechtzeitig wie jetzt beim Coronavirus auf ein Ereignis vorbereiten, dessen genauen Eintrittszeitpunkt und Ausmaß sie nicht kennen. Dies gilt zwar in der Regel für jede Notfall- und Katastrophenplanung. Insofern ist die Pandemieplanung hiervon nur ein Sonderfall. Eine weltweite Pandemie unterscheidet sich jedoch von anderen Schadensfällen. Diese sind meistens lokal oder regional begrenzt und beginnen plötzlich. Beispiele hierfür sind Erdbeben, Orkane, Überschwemmungen, Großbrände und Großunfälle. Eine Pandemie hingegen ist ein räumlich und zeitlich nicht begrenztes Ereignis, das sich weltweit entwickelt. Konkrete Vorhersagen über Ausbreitungsrichtung, Geschwindigkeit und Dauer sind von daher nur schwer möglich.

Die wirksamste Waffe gegen Influenza ist die Schutzimpfung. Gegen das „Pandemie“-Coronavirus steht aber weltweit ein wirksamer Impfstoff bislang nicht zur Verfügung. Dieser muss erst entwickelt und in ausreichender Menge für die ganze Welt produziert werden. Das wird wahrscheinlich noch eine gewisse Zeit dauern, wie Virologen aussagen, die die Bundesregierung in Berlin beraten. Zu Beginn einer Pandemie müssen sich Länder daher im Gesundheitsschutz mit den „klassischen“ Möglichkeiten der Hygiene und des Infektionsschutzes begnügen. Diese sind im Fall eines luftübertragenen Krankheitserregers die Verhinderung der Aufnahme von Viren über die Atemwege (Atemschutz), die Kontaktvermeidung zu möglicherweise infizierten Personen, die Beseitigung von Kontaminationen (Desinfektion), eine systematische Reinigung und Entsorgung kontaminierten Materials.

4. Ziele für konkretes Handeln

Die vorhandenen Möglichkeiten der Prävention und die Pandemiebekämpfung sind also nur beschränkt wirksam. Umso wichtiger sind Aufklärung und transparente Information über konkrete Handlungsmöglichkeiten auf allen Ebenen:

In diese großen Ziele ordnet sich unser Text ein, denn nicht alle Betriebe können und sollen stillgelegt werden. In den Einrichtungen des Gesundheitswesens, im Einzelhandel, aber auch in der Versorgungswirtschaft von der Energieversorgung bis zur Pharmaindustrie, müssen Menschen arbeiten, deren Gesundheit durch konkrete Maßnahmen des Arbeitsschutzes soweit wie möglich gesichert werden muss. Daher ist die Pandemie auch die Stunde des Arbeitsschutzes.