Takuma Melber
PEARL HARBOR
Japans Angriff und
der Kriegseintritt der USA
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C.H.Beck
Hawaii, 7. Dezember 1941, kurz vor 8 Uhr morgens: Japanische Torpedobomber der ersten Angriffswelle stürzen sich auf die amerikanische Pazifikflotte in Pearl Harbor. Zum zweiten Mal in 30 Jahren wird ein Krieg zum Weltkrieg. Der Angriff auf Pearl Harbor kostete über 2400 amerikanische Soldaten das Leben, zahlreiche Schiffe und Flugzeuge wurden beschädigt. Einen Tag später erklärte der amerikanische Kongress Japan den Krieg. Am 11. Dezember antwortete Deutschland mit der Kriegserklärung an die USA. Anschaulich und lebendig schildert Takuma Melber Vorgeschichte, Verlauf und Folgen des japanischen Überfalls, um den sich zahlreiche Verschwörungstheorien ranken, und lässt die dramatischen Ereignisse in Nahaufnahmen der historischen Akteure wieder lebendig werden. Anders als die meisten westlichen Autoren bezieht er dabei auch die Perspektive der japanischen Angreifer mit ein.
Takuma Melber promovierte zur japanischen Besatzungspolitik in Südostasien. Er ist Träger des Wilhelm-Deist-Preises für Militärgeschichte und war Fachberater für eine ZDF-Dokumentation zum Pazifikkrieg.
Prolog
I. Die Vorgeschichte
1. Der Weg nach «Pearl Harbor»
2. Die Krise verschärft sich
3. Japans Vorschläge zur Konfliktlösung
4. Die Hull-Note
II. Der japanische Kriegsplan
1. Admiral Yamamoto und die «Operation Hawaii»
2. Der Plan für den Angriff
3. Die Kidō Butai sticht in See
4. Japanische Spione auf Hawaii
5. Das erste Aufeinandertreffen
III. Der Angiff
1. Der Start der ersten Angriffswelle
2. «Tora Tora Tora»
3. Die Battleship Row im Kreuzfeuer
4. Die zweite Angriffswelle
5. Egusas Sturzkampfbomber
IV. Die Folgen
1. Die Bilanz des Angriffs
2. Der Kriegseintritt der USA
3. Kriegsgefangener Nummer 1
4. Die japanischstämmigen Opfer von Pearl Harbor
5. Hätte «Pearl Harbor» verhindert werden können?
6. Verschwörungstheorien
7. «Operation K»
Epilog
Anmerkungen
Prolog
I. Die Vorgeschichte
II. Der japanische Kriegsplan
III. Der Angiff
IV. Die Folgen
Epilog
Weiterführende Literatur in Auswahl
Bildnachweis
Personenregister
Vera, meinen Eltern Wilhelm und Yoshiko und meinen Geschwistern Satoko und Makito
7. Dezember 1941, eine Stunde vor Sonnenaufgang, mitten in den Weiten des Pazifischen Ozeans: Der japanische Flugzeugträger Kaga war in Position gegangen, nachdem er über Tage hinweg gegen den starken Wellengang und das schlechte Wetter des Nordpazifik angekämpft hatte. Die knatternden und röhrenden Motorengeräusche vermischten sich mit dem Rauschen der rauhen See. Ein Jagdflugzeug des Typs Mitsubishi A6M2, das später unter dem Namen «Zero» bekannt werden sollte, raste mit rotierendem Propeller über die Rollbahn. Als Nächstes würde die Maschine von Akamatsu Yūji an der Reihe sein.[1] Akamatsu war Beobachter in einem Torpedobomber und im Wesentlichen für die Navigation zuständig – die Verantwortung für einen glückenden Start lag darum bei seinem Piloten. Mit einem Knopfdruck setzte dieser gewohnt routiniert die Propellermotoren in Gang und brachte die Maschine langsam in Startposition. Akamatsus Flugzeug des Typs Nakajima B5N hatte eine schwere, zerstörerische Last geladen: einen 800 kg schweren Torpedo. Bei einem missglückten Startversuch hätte er die dreiköpfige Besatzung noch auf dem Flugzeugträger ins Jenseits befördern können. Gedanken an seinen Tod blendete Akamatsu stets aus, wenn das Flugzeug abhob und in die gewünschte Flughöhe gebracht wurde. Doch wie in den Manöverübungen zuvor ging auch dieses Mal beim Start alles gut und Akamatsus Maschine reihte sich wie geplant in die Flugformation seiner Kameraden ein. «Sie muss wie ein kleiner Bienenschwarm wirken», dachte Akamatsu über die aus 183 Jagdflugzeugen und Bombern bestehende japanische Armada der Lüfte. Sie bildete die erste Angriffswelle auf die in Pearl Harbor, dem «Perlenhafen» von Hawaii, vor Anker liegende US-Pazifikflotte. Der Kommandierende hatte zunächst Funkstille angeordnet, sodass Akamatsu nur vom Brummen der Motoren umgeben war, viele tausend Meter über dem Pazifischen Ozean. Der Bomberbeobachter spürte eine tiefe innere Ruhe, die sich mit äußerster Konzentration und einem Gefühl von Erhabenheit verband. Er verstand nicht viel vom diplomatischen und politischen Tagesgeschehen, doch das musste er auch nicht. Schließlich war er ein Angehöriger des Militärs. Seinem soldatischen Selbstverständnis nach fühlte er sich nur an die Weisungen seiner Vorgesetzten gebunden und diese würden schon wissen, was im nationalen Interesse Japans lag. Eines hatte allerdings auch er verstanden: Durch das auf Initiative der USA verhängte Ölembargo gegen Japan war der Erfolg der japanischen Expansionspläne auf dem chinesischen Festland in großer Gefahr.
Der Krieg, der dort seit mehreren Jahren geführt wurde, war mittlerweile ins Stocken geraten. Anders als im Russisch-Japanischen Krieg von 1904/05, aus dem das Japanische Kaiserreich zwar als militärischer Sieger, jedoch als politischer Verlierer hervorgegangen war, wollten sich Tōkyōs politische und militärische Entscheidungsträger jetzt nichts mehr von den Westmächten diktieren lassen. Natürlich gab es unter diesen nicht nur auf Krieg drängende «Falken», sondern auch «Tauben», deren Friedensbemühungen bis zu dieser Stunde anhielten. Noch während Akamatsu sich im Anflug auf den US-Flottenstützpunkt befand, weilten japanische Diplomaten in Washington. Doch waren diese überhaupt in die Kriegspläne eingeweiht? Oder sollte «Pearl Harbor» Japans Vertreter in Washington genauso überraschen wie deren amerikanische Kollegen?
Akamatsus Flugzeug hatte inzwischen die Wolkendecke durchbrochen. Bald schon konnte er in der Ferne einen Punkt erkennen, auf den der Pilot die Maschine zusteuerte – Hawaii. Nun war sie also gekommen, die Stunde, die Japan Ruhm und Ehre einbringen sollte. Noch immer tönten in seinen Ohren die Worte des Flottenführers, der bei der Befehlsverkündung an seine Untergebenen folgende Botschaft des Oberkommandierenden, Admiral Yamamoto Isoroku, weitergegeben hatte: Der Angriff auf den US-Stützpunkt im Pazifik würde über Überleben oder Untergang der ganzen japanischen Nation entscheiden. Wenn dieser Plan, der im Wesentlichen auf völliger Überraschung basierte, scheiterte, wäre der Krieg noch vor seinem eigentlichen Ausbruch verloren.
Akamatsu Yūji und die Männer der ersten japanischen Angriffswelle waren sich der Tragweite ihres militärischen Auftrags bewusst: Der Überraschungscoup musste von Erfolg gekrönt sein, und das um jeden Preis. Während sie den Küstenstreifen der hawaiianischen Hauptinsel Oahu überflog, formierte sich die Bomberstaffel und steuerte auf direktem Weg auf ihr Angriffsziel zu, den Hafen von Pearl City und die dort ankernde US-Pazifikflotte. Nur wenige Augenblicke, nachdem die japanischen Marineflieger aus der Ferne den Hauptstützpunkt der US-Navy im Pazifik erblickt hatten, bekam Akamatsu das Signal, dass ihm und seiner Besatzung ein im Hafen vor Anker liegendes Schlachtschiff der Tennessee-Klasse als Angriffsobjekt zugewiesen sei. Es handelte sich dabei um die 1921 in Dienst gestellte USS California. Ehe Akamatsu sich versah, setzte der Pilot seiner Maschine bereits zum Sinkflug auf das geradezu majestätisch anmutende feindliche Schlachtschiff an. Als der stählerne Koloss in seinem Visier erschien, bediente Akamatsu dank des monatelangen Trainings routiniert und genau im richtigen Augenblick den Mechanismus, um den todbringenden Torpedo auszuklinken. Gleich danach geriet seine Maschine in heftiges Abwehrfeuer. Akamatsu schien es, als ob sich die gesamte Verteidigung der vom Angriff vollkommen überraschten US-Flotte auf ihn und sein Flugzeug konzentrierte. Während der Pilot verzweifelt die Maschine hochzog, um dem feindlichen Kugelhagel zu entkommen, hörte Akamatsu einen lauten Knall, und eine Druckwelle durchzog seinen Körper – oder kam ihm das nur so vor?! Als der Pilot schließlich das Flugzeug aus dem Gefahrenbereich gebracht hatte, blickte Akamatsu aus sicherer Höhe auf das von ihnen attackierte Ziel zurück. Erste Rauchschwaden stiegen über der USS California auf und er war sich ziemlich sicher: Ihr Torpedo hatte sein Ziel nicht verfehlt, sondern die Bordwand des Schiffes durchschlagen. Akamatsu und seine Kameraden hatten ihre Mission erfüllt. Noch im Flugzeug überkam sie eine Welle der Euphorie, der sie durch einen spontanen, aber siegesgewissen Jubelschrei Ausdruck verliehen. Ein dreifaches «Tennō Heika Banzai!» – «Lang lebe der japanische Kaiser!» – erfüllte die Flugkabine. Voller Stolz setzte die Crew um Akamatsu Kurs, um auf den Flugzeugträger Kaga zurückzukehren. Mit ihrem Angriff auf Pearl Harbor am Morgen des 7. Dezember 1941 hatten Japans Marineflieger die USA in einen Schockzustand versetzt und zugleich ihr eigenes Land in einen Weltkrieg mit schwerwiegenden Folgen gestürzt. Das militärische Ringen zwischen dem fernöstlichen Kaiserreich und den Vereinigten Staaten von Amerika um die Vorherrschaft im asiatisch-pazifischen Raum war eröffnet und sollte erst mit der Kapitulation der japanischen Streitkräfte im Sommer 1945 enden.