Alexander von Humboldt

DARMSTÄDTER AUSGABE

Sieben Bände

Herausgegeben von
Hanno Beck

BAND III

Alexander
von Humboldt

CUBA-WERK

Herausgegeben und
kommentiert von Hanno Beck

in Verbindung mit Wolf-Dieter Grün, Sabine Melzer-Grün,
Detlef Haberland, Paulgünther Kautenburger †, Eva Michels-Schwarz,
Uwe Schwarz und Fabienne Orazie Vallino

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Forschungsunternehmen der Humboldt-Gesellschaft, Nr. 40
Mit Förderung der Academia Cosmologica Nova

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-534-19691-3

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:
eBook (PDF): 978-3-534-73931-8
eBook (epub): 978-3-534-73932-5

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Inhalt

A. Textteil

Zehntes Buch. Achtundzwanzigstes Kapitel der ›Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents‹ [Cuba-Werk]

[Allgemeines. Havanna]

[Beobachtungen in der Umgebung Havannas]

Ausdehnung

[Physische und geognostische Konstitution]

[Hydrographische Skizze]

Das Klima Havannas

[Positionen der Häfen]

[Einteilungen des Landes]

Bevölkerung

Landwirtschaft

Zucker

Kaffee

Tabak

Wachs

Handelsverkehr

[Über das Sklavenwesen]

Zusätze

 I. Astronomische Geographie der Insel Cuba

II. Statistische Tabellen der Insel Cuba für die Jahre 1825 und 1829

Flächeninhalt

Bevölkerung

Landwirtschaft

Handel und Finanzen

B. Kommentar

Zu dieser Ausgabe des Cuba-Werkes. Erläuterungen zu den Texten

1. Allgemeines zum Cuba-Werk

2. Ausgaben des Cuba-Werkes

3. Prüfung der Ausgaben des Cuba-Werkes

a) Die Erstausgabe des Cuba-Werkes – Teil der ›Relation Historique‹

b) Das Cuba-Werk in der Oktavausgabe der ›Relation Historique‹ 1826 bis 1831

c) Die zweibändige französische Separatausgabe des Cuba-Werkes 1826

d) Die einzige vollständige deutsche Übersetzung des Cuba-Werkes 1829 bis 1832

e) Kurzer Vergleich der verschiedenen Ausgaben des Cuba-Werkes

f) Zur Eigenart der einzigen vollständigen deutschen Übertragung des Cuba-Werkes

g) Zum Text des Cuba-Werkes in diesem Band der Studienausgabe

4. Das Cuba-Werk im Überblick

5. Zur Wirkungsgeschichte des Cuba-Werkes

Dank des Herausgebers

A
Textteil

Reise

in die

Aequinoctial-Gegenden

des

neuen Continents

in den Jahren 1799, 1800, 1801, 1802, 1803 und 1804.

VerfaßtI

von

Alexander von Humboldt

und

A. Bonpland.

Sechster Theil.

*

Stuttgart und Tübingen,
in der J. G. Cotta’schen Buchhandlung.
1829.

Reise

in die

Aequinoctial-Gegenden

des

neuen Continents

in den Jahren 1799, 1800, 1801, 1802, 1803 und 1804.

*

Sechster Theil.

Erste Hälfte.

 

 

 

    I Alleiniger Autor war A. v. Humboldt. Die Angabe der Übersetzerin Therese Heyne-Forster-Huber (1764–1829) oder des Verlages ist falsch; s. hierzu den Kommentar S. 243.

Zehntes Buch

Achtundzwanzigstes Kapitel der ›Reise in die Aequinoctial-Gegenden
des neuen Continents‹

[Cuba-Werk]

Politischer Versuch über die Insel Cuba – Havanna – Hügel von Guanabacoa in ihren geognostischen Verhältnissen – Talebene von Güines – Batabanó und Hafen La Trinidad – ›Gärten des Königs und der Königin‹

[Allgemeines. Havanna]

Die politische Bedeutung der Insel Cuba gründet sich nicht bloß auf die Ausdehnung ihrer Oberfläche, welche zweimal größer als jene von Haiti ist, auf die wunderbare Fruchtbarkeit ihres Bodens, ihre Anstalten, die Seemacht und auf die Beschaffenheit ihrer Bevölkerung, die zu drei Fünfteln aus Freien besteht, sondern sie wächst auch noch wegen der Vorteile der geographischen Lage Havannas. Der nördliche Teil des Antillenmeeres, unter dem Namen des Golfes von Mexico bekannt, bildet ein kreisförmiges Becken von mehr denn 1100 km im Durchmesser, ein Mittelmeer1 mit zwei Ausgängen, dessen Küste von der Spitze Floridas bis zum Kap Catoche in Yucatán heute ausschließlich den Vereinigten Staaten von Mexico und Nordamerika angehört. Die Insel Cuba oder vielmehr ihre Küste zwischen dem Kap San Antonio und der Stadt Matanzas am Ausgang des Canal Viejo [Alter Kanal] schließt den Mexicanischen Meerbusen im Südosten und läßt der als GolfstromI bekannten Meeresströmung keinen anderen Ausgang als nach Süden hin eine Meerenge zwischen den Vorgebirgen San Antonio und Catoche, nach Norden aber den Bahamakanal zwischen Bahía Honda und den Niederungen Floridas. Nahe an dem nördlichen Ausgang, da, wo sich sozusagen mehrere große Handels- und Völkerstraßen kreuzen, liegt der schöne Hafen von Havanna, den zugleich die Natur und zahlreiche künstliche Bollwerke befestigt haben. Die Flotten, welche aus diesem Hafen auslaufen und zum Teil aus dem Zedern- und Mahagoniholz der Insel Cuba erbaut sind, vermögen am Eingang des Mexicanischen Mittelmeeres zu fechten und die gegenüberliegenden Küsten zu bedrohen, so wie die Geschwader, welche Cádiz verlassen, den Ozean an den Säulen des Herkules [Gibraltar] beherrschen können. Unter dem Meridian Havannas haben der Mexicanische Meerbusen [Golf von Mexico], der Canal Viejo und der Bahamakanal ihre Verbindung. Die entgegengesetzte Richtung der Strömungen und die namentlich zu Winteranfang sehr heftigen Bewegungen der Atmosphäre verleihen diesen Gegenden an der äußersten Grenze der Äquinoktialzone einen eigentümlichen Charakter.

Die Insel Cuba ist nicht bloß die größte der Antillen (ihre Oberfläche ist beiläufig die des eigentlichen England ohne das Fürstentum Wales), sie bietet auch durch ihre schmale und langgestreckte Gestalt eine solche Küstenentwicklung, daß sie zugleich den Inseln Haiti und Jamaica, der südlichsten Provinz der Vereinigten Staaten (Florida) und der südlichsten des mexicanischen Staatenbundes (Yucatán) benachbart ist. Dieser Umstand verdient die ernsteste Aufmerksamkeit, denn Länder, welche durch eine Schiffahrt von zehn- bis zwölftägiger Dauer verbunden sind (Jamaica, Haiti, Cuba), und die südlichen Teile der Vereinigten Staaten (von Louisiana bis Virginien) enthalten nahezu 2.800.000 Afrikaner. Seitdem Santo Domingo [Haiti], Florida und Neuspanien [Mexico] vom Mutterland getrennt worden sind, hat die Insel Cuba nur mehr Kultus, Sprache und Sitten mit den Nachbarländern gemein, welche jahrhundertelang den nämlichen Gesetzen unterworfen gewesen sind.

Florida bildet das letzte Glied jener langen Kette von Freistaaten, deren nördlichstes Ende das Becken des Sankt-Lorenz-Stromes berührt und welche sich aus der Region der Palmen nach jener der strengsten Winter ausdehnt. Der Bewohner Neuenglands betrachtet die Vermehrung der schwarzen Bevölkerung, das Übergewicht der Sklavenstaaten und die Vorliebe für die Kultur der Kolonialgewächse als eine öffentliche Gefahr. Seine Wünsche gehen dahin, daß die Meerenge von Florida, die gegenwärtige Grenze des großen amerikanischen Staatenbundes, nur im Interesse eines freien, auf die Gleichheit der Rechte gegründeten Handels überschritten werde. –Wenn er einerseits Ereignisse befürchtet, welche Havanna unter die Herrschaft einer stärkeren europäischen Macht als Spanien bringen könnten, so wünscht er andererseits nicht weniger, daß die politischen Bande, wodurch einst Louisiana, Pensacola [ca. 200 km östlich von New Orleans] und San Agustín de la Florida mit der Insel Cuba verbunden waren, für immer zerrissen bleiben.2

Eine außerordentliche Unfruchtbarkeit des Bodens, die Spärlichkeit der Einwohner und des Anbaues haben in allen Zeiten der Nachbarschaft Floridas nur geringe Wichtigkeit für den Handel Havannas verliehen. Anders verhält es sich mit den Küsten Mexicos, welche, im Halbkreis verlängert von den sehr besuchten Häfen Tampico, Veracruz und Alvarado bis zum Kap Catoche, durch die Halbinsel von Yucatán fast die Westspitze der Insel Cuba berühren. Der Handel zwischen Havanna und dem Hafen von Campeche ist sehr lebhaft; er wächst trotz der in Neumexico eingeführten Ordnung der Dinge, weil der gleichfalls unerlaubte Handel mit einer entfernteren Küste, jener von Caracas oder Colombia3, nur eine kleine Anzahl Fahrzeuge beschäftigt. In so schwierigen Zeiten bezieht man die Versorgung des für die Nahrung der SklavenII notwendigen eingesalzenen Fleisches (Tasajo) mit weniger Gefahr aus Buenos Aires und den Ebenen von Merida als aus jenen von Cumaná, Barcelona und Caracas. Man weiß, daß Jahrhunderte hindurch die Insel Cuba und der Archipel der Philippinen aus den Kassen Neuspaniens die Mittel für die innere Verwaltung, für die Unterhaltung der Befestigungen, der Zeughäuser und Werften (situados de atención maritima) geschöpft haben. Havanna war, wie ich es in einem anderen WerkIII auseinandersetzte, der Kriegshafen Neuspaniens und hat bis 1808 aus dem mexicanischen Staatsschatz alljährlich mehr als 1.800.000 Piaster erhalten. Selbst in Madrid hatte man sich seit langem daran gewöhnt, die Insel Cuba und den Archipel der Philippinen als zu Mexico gehörige Gebiete zu betrachten, welche auf sehr ungleiche Entfernungen östlich und westlich von Veracruz und Acapulco liegen, aber an die mexicanische Hauptstadt, damals selbst eine europäische Kolonie, durch alle Bande des Handels, gegenseitiger Hilfeleistung und alter Neigungen gebunden waren. Die Vermehrung des inneren Reichtums hat so ziemlich die Geldunterstützungen überflüssig gemacht, welche die Insel Cuba aus dem mexicanischen Staatsschatz zu schöpfen gewohnt war. Von allen Besitzungen Spaniens ist diese Insel die, welche am meisten gediehen ist. Seit den Unruhen auf Santo Domingo [Haiti]4 hat der Hafen von Havanna sich zu den ersten Plätzen der Welt erhoben. Ein glückliches Zusammentreffen politischer Umstände, die Mäßigung der Kronbeamten, das Benehmen der Bewohner, welche geistreich, vorsichtig und sehr um ihre Interessen besorgt sind, haben Havanna den ununterbrochenen Genuß freien Austausches mit fremden Nationen bewahrt. Das Einkommen aus Zöllen ist so außerordentlich gewachsen, daß die Insel Cuba nicht nur ihren eigenen Bedürfnissen genügen kann, sondern daß sie während des Kampfes zwischen dem Mutterland und den spanischen Kolonien des Kontinentes beträchtliche Summen den Trümmern des Heeres, welches in Venezuela gefochten, der Besatzung des Schlosses von San Juan de Ulua sowie kostspielige und meist unnütze Rüstungen zur See liefern konnte.

Zweimal habe ich auf der Insel verweilt. Einmal 3 Monate [19.12.1800–15.3.1801], das andere Mal 1½ Monate [19.3.–29.4.1804] lang. Ich hatte das Glück, das Vertrauen der Personen zu genießen, welche wegen ihrer Talente und ihrer Stellung in der Verwaltung, als Grundbesitzer oder Kaufleute in der Lage waren, mir Aufklärung über die Vermehrung des öffentlichen Wohlstandes zu geben. Die besondere Gönnerschaft, womit mich der Minister Spaniens beehrte, ließ dieses Vertrauen gerechtfertigt erscheinen. Ich wage auch, mir zu schmeicheln, es durch das Maßvolle meiner Prinzipien, durch ein vorsichtiges Benehmen und die Natur meiner friedlichen Arbeit verdient zu haben. Seit 30 Jahren hatte die spanische Regierung in Havanna selbst die Veröffentlichung der wertvollsten statistischen Urkunden über den Stand des Handels, des Kolonialbodenbaues und der Finanzen nicht gehindert. Ich habe diese Urkunden durchforscht, und die Beziehungen, welche ich seit meiner Rückkehr nach Europa mit Amerika bewahrte, haben mich in den Stand gesetzt, die an Ort und Stelle gesammelten Materialien zu ergänzen. Ich habe mit Herrn Bonpland nur die Umgebungen Havannas, das schöne Tal von Güines und die Küste zwischen Batabanó und dem Hafen von Trinidad durchstreift. Nach einer kurzen Beschreibung der Ortsbeschaffenheit und der eigentümlichen Gestaltungen eines von jenem der übrigen Antillen so abweichenden Klimas werde ich die allgemeine Bildung der Insel, ihre nach der genauesten Aufnahme der Küsten berechnete Oberfläche, die Gegenstände des Handels und den Stand des öffentlichen Einkommens untersuchen.

Der Anblick Havannas am Eingang des Hafens ist einer der reizendsten und malerischsten, dessen man sich an der Küste des äquinoktialen Amerika nördlich des Äquators erfreuen kann. Dieser von den Reisenden aller Völker gefeierte Platz besitzt nicht die Üppigkeit des Pflanzenwuchses, welcher die Ufer des Flusses von Guayaquil [Río Guyas] schmückt, noch die wilde Majestät der felsigen Gestade von Rio de Janeiro, zweier Häfen der südlichen Halbkugel. Aber die Anmut, welche unter unseren Himmelsstrichen die Bilder der bebauten Natur verschönert, mischt sich hier mit der Majestät der Pflanzenformen und der organischen Kraft, welche die heiße Zone kennzeichnet. In der Menge so zarter Eindrücke vergißt der Europäer die Gefahr, welche ihn im Herzen der volkreichen Städte der Antillen bedroht. Er strebt, die verschiedenen Elemente einer weiten Landschaft zu erfassen, die festen Schlösser, welche die Felsen im Osten des Hafens krönen, dieses innere Becken, umgeben von Dörfern und Meierhöfen, diese zu gewaltiger Höhe aufragenden Palmen, diese unter einem Mastenwald und dem Segelwerk der Schiffe halbversteckte Stadt zu betrachten.

Bei der Einfahrt in den Hafen von Havanna kommt man zwischen der Festung Morro [Felskuppe] (Castillo de los Santos Reyes) und dem kleinen Festungswerk von San Salvador de la Punta hindurch. Die Öffnung hat bloß 330 bis 390 m Breite und behält diese an 2,7 km bei. Aus dieser Einfahrt gelangt man, nachdem man im Norden das schöne Schloß von San Carlos de la Cabaña und Casa Bianca liegen gelassen, in ein kleeblattförmiges Becken, dessen große von SSW. nach NNO. gerichtete Achse rund zehn km Länge hat. Dieses Becken besitzt drei Buchten, jene von Regla, von Guanabacoa und Atarés, welche letztere einige Süßwasserquellen besitzt. Die mauerumgebene Stadt Havanna bildet ein Vorgebirge, das im Süden das Zeughaus, im Norden das Schanzwerk de la Punta begrenzt. Jenseits der Überbleibsel einiger untergegangener Schiffe und der Niederung von La Luz trifft man nicht mehr 8 bis 10, aber noch 5 bis 6 Ellen Wasser. Die Schlösser von Santo Domingo, von Atarés und San Carlos del Príncipe verteidigen die Stadt gegen Westen; von der inneren Mauer sind sie auf der Landseite, das eine 1300, das andere 2300 m entfernt. Der dazwischen liegende Raum ist von den Vorstädten (arrabales oder barrios extra muros), von Horcón, Jesús María, Guadalupe und Señor de la Salud ausgefüllt, welche von Jahr zu Jahr den Exerzierplatz (Campo de Marte) immer mehr einengen. Die großen Gebäude Havannas, die Kathedrale, die Casa del Gobierno, das Haus des Marinebefehlshabers, das Arsenal, der Correo oder die Postanstalt, die Tabakfaktorei, sind weniger durch ihre Schönheit als die Festigkeit ihres Baues bemerkenswert. Die Mehrzahl der Straßen ist eng und noch nicht gepflastert, da die Steine aus Veracruz kommen und ihr Bezug außerordentlich kostspielig ist. So hatte man kurz vor meiner Reise den seltsamen Gedanken, sie durch Aneinanderlegen großer Baumstämme zu ersetzen, wie man es in Deutschland und Rußland tut, wo man Dämme durch sumpfige Stellen baut. Der Plan wurde bald verlassen, und die jüngst angekommenen Reisenden sahen mit Erstaunen die schönsten Stämme von Caoba [Mahagoni] im Schlamm Havannas eingesunken. Zur Zeit meines Aufenthaltes boten wenige Städte des spanischen Amerikas wegen des Mangels einer guten Polizei einen häßlicheren Anblick. Man watete im Schmutz bis zu den Knien, die Menge der Fuhrwerke oder Volantes, welche das kennzeichnende Gespann in Havanna sind, die mit Zuckerkisten beladenen Karren, die den Fußgänger drängenden und stoßenden Lastträger machten diesem seine Lage ebenso ärgerlich wie demütigend. Der Geruch des Tasajo oder des schlecht gedörrten Fleisches verpestete oft die Häuser und die gewundenen Straßen. Man versichert, daß die Polizei diesen Übelständen abgeholfen und in letzter Zeit sehr fühlbare Verbesserungen in der Reinlichkeit der Straßen getroffen hat. Die Häuser sind gelüfteter, und die Calle de los Mercadores bietet einen schönen Anblick. Hier, wie in unseren ältesten Städten Europas, kann ein schlecht angelegter Straßenplan nur langsam verbessert werden.

Es gibt zwei Spaziergänge, der eine (La Alameda) zwischen dem Paulspital und dem Theater, dessen Inneres im Jahr 1803 mit sehr viel Geschmack von einem italienischen Künstler, Herrn Peruani, ausgeschmückt worden ist; der andere zwischen dem Schloß de la Punta und der Puerta de la Muralla. Der letztere, auch Paseo extra muros genannt, erfreut sich einer erfrischenden Kühle und ist nach Sonnenuntergang von Fuhrwerken sehr besucht. Er wurde durch den Marques de la Torre begonnen, unter allen Gouverneuren der Inseln derjenige, welcher den ersten und glücklichsten Anstoß zur Verbesserung der Polizei und der Gemeindeverwaltung gegeben hat. Don Luis de las Casas, dessen Name den Einwohnern Havannas gleichfalls teuer geblieben ist, und Graf de Santa Clara haben diese Pflanzungen vergrößert. In der Nähe des Exerzierplatzes befindet sich der Botanische Garten, der wohl würdig ist, die Aufmerksamkeit der Regierung zu fesseln, und ein anderer Gegenstand, dessen Anblick zugleich betrübt und empört: die Hütten, vor welchen die unglücklichen Sklaven zum Verkauf ausgestellt sind. In diesem Spaziergarten extra muros hat man seit meiner Rückkehr nach Europa ein Marmorbildnis König Karl III. aufgestellt. Dieser Platz war zuerst für ein Denkmal des Christoph Columbus bestimmt, dessen Asche man nach der Abtretung des spanischen Anteils von Santo Domingo nach der Insel Cuba gebracht hat. Da die Asche des Hernán Cortés im nämlichen Jahr in Mexico aus einer Kirche in die andere überführt wurde, so sah man zu gleicher Zeit zu Ende des 18. Jahrhunderts die zwei größten Männer5, welche die Eroberung Amerikas verherrlichten, von neuem bestatten.

Eines der majestätischen Gewächse aus der Familie der Palmen, die Palma real, verleiht der Landschaft der Umgebung Havannas einen eigentümlichen Charakter. Es ist die Oreodoxa regia unserer Beschreibung der amerikanischen PalmenIV. Ihr schlanker Schaft, der gegen die Mitte etwas anschwillt, erhebt sich zu 20 bis 24 m Höhe; der obere Teil, glänzend von zartem Grün und durch die sich annähernden und erweiternden Blattstiele neugeformt, bildet einen Kontrast mit dem weißlichen, geritzten Übrigen. Es sind gleichsam zwei Säulen, welche übereinandersteigen. Die Palma real der Insel Cuba besitzt gestreifte Blätter, welche gerade nach aufwärts ragen und nur erst gegen die Spitze hin gekrümmt sind. Die Haltung dieses Gewächses erinnerte uns an die Vadgiaipalme, welche in den Wasserfällen des Orinoco die Felsen bedeckt und sich in langen Spitzen über einem Schaumnebel wiegt. Hier wie überall, wo die Bevölkerung sich verdichtet, nimmt der Pflanzenwuchs ab. In der Umgebung Havannas, in dem Amphitheater von Regla verschwinden diese Palmen, welche mein Entzücken bildeten, von Jahr zu Jahr. Die sumpfigen Stellen, welche ich mit Bambusaceen bedeckt sah, werden ausgetrocknet und urbar gemacht. Die Gesittung schreitet vor, und man versichert, daß heute der vom Pflanzenwuchs mehr entblößte Boden kaum noch einige Spuren seiner wilden Üppigkeit zeigt. Von La Punta bis San Lázaro, von La Cabaña bis Regla und von Regla nach Atarés ist alles mit Häusern bedeckt. Jene, welche die Bai umgeben, sind von leichter und eleganter Bauart. Man entwirft deren Plan und bestellt sie in den Vereinigten Staaten, wie man irgendein Möbel bestellt. Während das Gelbe Fieber in Havanna herrscht, zieht man sich in diese Landhäuser und auf die Hügel zwischen Regla und Guanabacoa zurück, wo man eine reinere Luft genießt. In der Kühle der Nächte, wenn die Boote die Bai durchqueren und hinter dem phosphoreszierenden Wasser lange Lichtstreifen lassen, bilden diese ländlichen Wohnsitze den Bewohnern, welche das Getöse einer volkreichen Stadt fliehen, liebliche, friedliche Zufluchtsorte. Um die Zustände des Bodenbaues gut beurteilen zu können, sollten die Reisenden die kleinen Chacaras [Länder] von Mais und anderen Nährpflanzen, die Ananasstreifen in den Feldern von La Cruz de Piedra und dem Garten des Bischofs (Quinta del Obispo) besichtigen, welcher in der letzten Zeit ein wahrhaft entzückender Ort geworden ist.

Die eigentliche Stadt Havanna ist von Mauern umgeben, bloß 1750 m lang und 970 m breit; dennoch sind mehr denn 44.000 Köpfe, worunter 26.000 Neger und Mulatten, auf einem so engen Raum eingeschlossen. Eine nahezu ebenso starke Bevölkerung hat sich in die beiden großen Vorstädte von Jesus Maria und La Salud geflüchtet. Letztere verdient nicht ganz den schönen Namen, welchen sie trägt. Die Temperatur der Luft ist dort allerdings weniger hoch als in der Stadt, aber die Straßen könnten breiter und besser angelegt sein. Die spanischen Ingenieure liegen seit 30 Jahren mit den Bewohnern der Vorstädte oder Arrabales im Kampf. Sie beweisen der Regierung, daß die Häuser den Befestigungen zu nahe liegen und der Feind sich ungestraft dort einnisten könnte. Man hat nicht den Mut, die Vorstädte niederzureißen und eine Bevölkerung von 28.000 Einwohnern zu verjagen, die allein in La Salud vereinigt sind. Seit der großen Feuersbrunst von 1802 wurde letzteres Viertel bedeutend vergrößert; man erbaute erst Hütten, und nach und nach wurden aus diesen Hütten Häuser. Die Bewohner der Arrabales haben dem König mehrere Entwürfe unterbreitet, nach welchen man sie in die Befestigungslinie Havannas einbeziehen und ihr Besitztum legalisieren könnte, welches bisher nur auf einer stillschweigenden Zustimmung beruht. Man möchte vom Puerto de Chaves beim Matadero bis San Lázaro einen tiefen Graben ziehen und aus Havanna eine Insel machen. Die Entfernung beträgt an 2340 m, und jetzt schon mündet die Bucht zwischen dem Zeughaus und dem Schloß von Atarés in einen natürlichen, von Mangle- [Rhizophora mangle L.] und Coccolobabäumen [Gonzalea spicata DC.] gesäumten Kanal. Auf diese Art hätte die Stadt gegen Westen nach der Landseite hin eine dreifache Reihe von Befestigungen; zuerst: außen und auf Erhöhungen liegend die Werke von Atarés und del Príncipe; dann den beabsichtigten Kanal und endlich den Wall und den alten bedeckten Weg des Grafen von Santa Clara, welcher 700.000 Piaster gekostet hat. Die Befestigungen Havannas gegen Westen hin sind von höchster Wichtigkeit. Solange man Herr der eigentlichen Stadt und des südlichen Teils der Bucht bleibt, sind der Morro und La Cabaña, deren einer 800, die andere 2000 Mann Besatzung erheischt, uneinnehmbar, weil man Lebensmittel aus Havanna dahin bringen und die Besatzung verstärken kann, sollte sie beträchtliche Verluste erleiden. Sehr unterrichtete französische Ingenieure haben mir versichert, daß der Feind zuerst die Stadt nehmen müsse, um La Cabaña zu bombardieren, welches eine schöne Festung ist, in welcher jedoch die in Kasematten eingeschlossene Besatzung nicht lange dem verderblichen Klima Widerstand leisten würde. Die Engländer haben [1762] den Morro eingenommen, ohne Herren von Havanna zu werden; damals bestanden aber La Cabaña und das Fort Nr. 4, welche den Morro beherrschen, noch nicht. Im Süden und Westen sind die Kastelle von Atarés und del Príncipe sowie die Batterie von Santa Clara die wichtigsten Verteidigungswerke.

Amtliche Bevölkerungszählung (padrón) Havannas (der eigentlich so genannten Stadt), nach Verschiedenheit der Farben, des Alters und Geschlechts 1810

Amtliche Bevölkerungszählung der Vorstadt (= arrabal) von La Salud 1810

Amtliche Bevölkerungszählung der Vorstadt (Arrabal) von Jesús María 1810

Amtliche Bevölkerungszählung der Vorstadt Horcón 1810

Amtliche Bevölkerungszählung der Vorstadt Cerro 1810

Amtliche Bevölkerungszählung der Vorstadt San Lázaro 1810

Amtliche Bevölkerungszählung der Vorstadt Jesús del Monte 1810

Amtliche Bevölkerungszählung von Regla 1810

Gesamtzählung der Bevölkerung von Havanna (die Stadt mit den Vorstädten von La Salud oder Guadalupe, Jesus Maria, Horcón, Cerro, San Lázaro, Jesús del Monte und Regla) 1810
I. Nach Farben, Alter und Geschlecht

II. Nach den Vorstädten

Rekapitulation

Es sind in diesen Zählungen unter dem Namen pardos (farbige Leute) alle diejenigen Menschen verzeichnet worden, welche nicht morenos [eigentlich Dunkelbraune], d.h. von reiner Neger-Abkunft sind. Die Landtruppen, die Matrosen und Soldaten der königlichen Marine, die Mönche, die Ordensleute und die nicht angesiedelten Ausländer (transeúntes) finden sich nicht in der Zählung von 1810 berücksichtigt, deren Ergebnisse in mehreren sonst achtbaren und kürzlich erschienenen Werken des Jahres 1817 aufgenommen und nachgewiesen worden sind. Die Garnison von Havanna beträgt gewöhnlich 6000 Mann, und die Zahl der Ausländer steigt auf beiläufig 20.000, so daß die Gesamtbevölkerung Havannas mit den sieben Vorstädten gegenwärtig (im Jahr 1825) unzweifelhaft über 130.000 beträgt. Die nachfolgende Übersicht zeigt den Zuwachs der Bevölkerung Havannas und der Vorstädte seit der 1791 auf Befehl des General-Kapitäns Don Luis de las Casas veranstalteten Zählung bis 1810.

Wir fügen die Zunahme der Bevölkerung in der Hälfte dieses Zeitraums, von 1800 bis 1810, hinzu, jedoch einzig nur für den barrio extra muros [außerhalb der Mauern liegende Vorstadt] von Guadalupe (siehe Tabelle S. 19).

Wir ersehen hieraus, daß die Bevölkerung innerhalb der zwanzig Jahre von 1791 bis 1810 sich mehr als verdoppelt hat; in eben diesem Zeitraum ist die Bevölkerung von New York, der volkreichsten Stadt in den Vereinigten Staaten, von 33.200 auf 96.400 angestiegen: Gegenwärtig beträgt dieselbe 140.000; sie ist somit um etwas größer als die Havannas, und sie kommt der Bevölkerung von Lyon beinahe gleich. Die Stadt Mexico, welche im Jahr 1820 170.000 Einwohner zählte, scheint mir unter den Städten des Neuen Kontinents den ersten Rang zu behalten. Für die freien Staaten dieses Weltteils mag es als ein Glück zu betrachten sein, daß Amerika nicht mehr als sechs Städte zählt, die eine Bevölkerung von 100.000 Seelen erreichen, die Städte Mexico, New York, Philadelphia, Havanna, Rio de Janeiro und Bahía. In Rio de Janeiro finden sich auf 135.000 Einwohner 105.000 schwarze; in Havanna machen die Weißen ⅕ der Gesamtbevölkerung aus. In dieser letzteren Stadt wird das gleiche Übergewicht der weiblichen Bevölkerung angetroffen, das man in den Hauptstädten der Vereinigten Staaten und Mexicos wahrnimmt.V

Die große Anhäufung von nicht akklimatisierten Fremden in einer engen und volkreichen Stadt muß ohne Zweifel die Sterblichkeit vermehren; inzwischen sind die Wirkungen des Gelben Fiebers auf die Bilanz zwischen Geburten und Todesfällen doch lange so bedeutend nicht, wie man gewöhnlich glaubt. Wenn die Zahl der importierten Neger nicht sehr groß ist, und wenn ein tätiger Handelsverkehr nicht gleichzeitig viele nicht akklimatisierte Seeleute aus Europa oder aus den Vereinigten Staaten herbeiführt, so gleichen sich Geburten und Todesfälle beinahe völlig aus. Hier folgen die Angaben von fünf Jahren für die Stadt Havanna mit den Vorstädten (barrios extramurales):

Diese Angaben, welche um der sehr ungleichen Menge der Ausländer willen große Schwankungen bieten, zeigen im Durchschnitt, wenn die Gesamtbevölkerung Havannas mit den Vorstädten zu 130.000 berechnet wird,VI das Verhältnis der Geburten zur Bevölkerung wie 1:33,5 und das Verhältnis der Todesfälle zur Bevölkerung wie 1:33,2. Aus den sehr genauen und jüngsten Arbeiten über die Bevölkerung von Frankreich ergeben sich dieselben Verhältnisse für Frankreich wie 31⅔: 1 und 39⅔: 1; für Paris, von 1819 bis 1823, wie 1:28 und 1:31,6. Die Umstände, wodurch diese numerischen Elemente in großen Städten modifiziert werden, sind dermaßen kompliziert und wechselnd, daß es unmöglich ist, aus den Geburten und Sterbefällen die Einwohnerzahl zu berechnen. 1806, als die Bevölkerung von Mexico-Stadt wenig über 150.000 betrug, waren die Zahlen der Sterbefälle und Geburten dieser Stadt diejenigen von 5166 und 6155, während dieselben in Havanna auf 130.000 Einwohner im Durchschnitt 3900 und 3880 betragen. In der letzteren Stadt befinden sich zwei Hospitäler, in denen die Zahl der Kranken sehr groß ist, das allgemeine Hospital (Caridad oder de San Felipe y Santiago) und das Militär-Hospital (San Ambrosio).VII

Im allgemeinen Hospital sind im Durchschnitt über 24 % verstorben; im Militär-Hospital kaum 4 %. Es wäre unbillig, diese ungeheure Verschiedenheit auf Rechnung des Heilverfahrens setzen zu wollen, welches die Mönche von San Juan de Dios, von denen das erstere dieser Krankenhäuser besorgt wird, befolgen. Ins Militär-Hospital von San Ambrosio kommen allerdings mehrere vom Vomito oder Gelben Fieber befallene Kranke, die weit größere Zahl jedoch besteht aus solchen, die an leichten und selbst auch an bedeutenden Krankheiten leiden. Ins allgemeine Hospital hingegen werden Greise aufgenommen, Unheilbare und Neger, die nur wenige Monate noch zu leben haben und deren Versorgung die Pflanzer, ihre Gebieter (los amos), sich entledigen wollen. Im ganzen darf angenommen werden, daß durch verbesserte Polizeianstalten auch der Gesundheitszustand Havannas verbessert worden ist, allein das Ergebnis dieser Verbesserungen mag nur bei den Eingeborenen vorteilhaft spürbar geworden sein. Ausländer, die aus nördlichen Ländern von Europa und Amerika kommen, werden vom allgemeinen Einfluß des Klimas nachteilig betroffen, und es würde dies selbst dann der Fall sein, wenn hinsichtlich der Reinlichkeit der Straßen überall nichts mehr zu wünschen übrig bliebe. Der Einfluß des Küstenlandes ist von solcher Art, daß selbst auch Bewohner der Insel, die fern von den Küsten im Inneren des Landes wohnen, vom Vomito befallen werden, sobald sie in Havanna eintreffen. Die Märkte der Stadt sind gut versehen. Aus einer 1819 sorgfältig angestellten Berechnung über den Wert der alltäglich von 2000 Lasttieren auf die Märkte von Havanna gebrachten Lebensbedürfnisse aller Art ergab sich, daß der Verbrauch an Fleisch, Mais, Maniok, Hülsenfrüchten, Branntwein, Milch, Eiern, Käse und Rauchtabak jährlich auf 4.480.000 Piaster ansteigt.

[Beobachtungen in der Umgebung Havannas]

Wir verwandten die Monate Dezember [1800], Januar und Februar [1801] auf Beobachtungen in der Umgebung Havannas und in den schönen Ebenen von Güines. In der Familie des Hrn. Cuesta, der damals mit Hrn. Santa Maria eines der größten Handelshäuser von Amerika bildete, und im Haus des Grafen O’Reilly fanden wir die edelste Gastfreundschaft. Beim ersteren wohnten wir und brachten unsere Sammlungen und Instrumente in dem geräumigen Wohnhaus des Grafen O’Reilly unter, dessen Terrassen vorzüglich auch den astronomischen Beobachtungen zugute kamen. Die Länge Havannas war damals zu mehr als ⅕ Grad ungewiß.VIII Hr. Espinosa, der gelehrte Direktor des Depósito Hidrográfico in Madrid, war in einem Verzeichnis von Positionen, das er mir zur Zeit meiner Abreise aus Madrid übergab, bei 5 St. [auch im folgenden Text = Stunden] 38′ 11″ stehengeblieben; Hr. de Churruca gab den Morro zu 5 St. 39′ 1″ an. In Havanna hatte ich das Vergnügen, einen der tüchtigsten Offiziere der spanischen Marine, den Schiffskapitän Don Dionisio Galeano, anzutreffen, welcher die Küsten der Magellan-Straße aufgenommen hatte. Wir beobachteten zusammen eine Reihe von Verdunkelungen der Jupiter-Trabanten, deren Durchschnitts-Ergebnis 5 St. 38′ 50″ war. Hr. Oltmanns berechnete 1805 aus allen von mir mitgebrachten Beobachtungen für den Morro die Länge von 5 St. 38′ 52,5″ = 84° 43′ 7,5″ westlich vom Pariser Meridian. Diese Länge ist durch 15 Sternverdunkelungen bestätigt worden, die in den Jahren 1809 bis 1811 beobachtet und durch Hrn. FerrerVIIIa berechnet worden sind. Dieser treffliche Beobachter gibt als endliches Ergebnis an: 5 St. 38′ 50,9″. Die magnetische Inklination fand ich mit der Bussole von Borda (Dezember 1800) zu 53° 22′ der alten Sexagesimal-Einteilung; 22 Jahre später betrug diese Inklination zufolge der sehr genauen Beobachtungen von Kapitän Sabine, die auf seiner denkwürdigen Reise nach den Küsten von Afrika, Amerika und Spitzbergen gemacht wurden, nur noch 51° 55′; sie hat sich somit um 1° 27′ vermindert. Weiter östlich, jedoch gleichfalls auf der nördlichen Halbkugel, in Paris,IX hatte die Verminderung in 19 Jahren (von 1798 bis 1817) 1° 11′ betragen. Meine Inklinations-Nadel hatte, im magnetischen Meridian zu Paris (Oktober 1796), in zehn Minuten 245 Oszillationen gezeigt; ich hatte die Abnahme der Zahl der Oszillationen verhältnismäßig wahrgenommen, so wie ich mich dem Äquator näherte. In San Carlos del Río Negro (nördl. Br. 1° 53′ 42″) betrug diese ZahlX nur noch 216. Damals schon ahnte ich die Abnahme der magnetischen Kräfte vom Pol zum Äquator.6 Um so betroffener war ich, als öfters wiederholte Beobachtungen mir für Havanna 246 Oszillationen zeigten, woraus sich ergab, daß die Intensität der Kräfte in der westlichen Halbkugel bei 23° 8′ der Breite größer war als in Paris bei 48° 50′. Ich habe schon anderswo dargetan, daß die isodynamischen durchaus nicht zusammentreffen können mit den Linien gleicher magnetischer Inklination, und Kapitän SabineXI hat neuerlich durch Beobachtungen, die vermutlich genauer als die meinen sind, die schnelle Zunahme dieser Stärke im äquinoktialen Amerika bestätigt. Dieser tüchtige Naturforscher gibt die Intensität der Stärke in Havanna und in London nach dem Verhältnis an von 1,72:1,62 (wobei 1 die Stärke unter dem magnetischen Äquator nahe bei der Insel São Tome im Golf von Guinea genannt wird). Die Position des nördlichen magnetischen Pols (Br. 60°, 82° 20′ westlicher Länge) ist so, daß die Polardistanz Havannas kleiner ist als die Polardistanzen von London und von Paris. Ich habe (am 4. Januar 1801) die magnetische Deklination in Havanna zu 6° 22′ 15″ östlich gefunden). Harris gab dieselbe für 1732 zu 4° 40′ an. Wie könnte man zugeben, daß sie in Jamaica keine Änderung erleiden sollte, wenn sie auf der Insel Cuba so viele Variationen erlitten hat?

Ausdehnung

Die eigentliche Gestaltung der Insel Cuba ist lange Zeit unbekannt geblieben, weil über zwei Drittel ihrer Länge von Untiefen und Klippen umgeben sind und die Schiffahrt nur außerhalb dieser Gefahren stattfindet. Insbesondere ist die Breite zwischen Havanna und dem Hafen von Batabanó überschätzt worden, und nur erst von da an, als aus dem Depósito Hidrográfico de Madrid, der schönsten unter allen europäischen Anstalten dieser Art, die Arbeiten des Fregatten-Kapitäns Don José del Río und des Schiffsleutnants Don Ventura de Barcaiztegui bekanntgemacht worden sind, wurde es möglich, mit einiger Genauigkeit das Areal der Insel Cuba zu berechnen. Die Gestaltungen der Insel de Pinos und der südlichen Küsten zwischen Puerto Casilda und Cabo Cruz (hinter den Cayos de las doce leguas) haben auf unseren Karten ein ganz anderes Aussehen gewonnen. Hr. v. Lindenau hatte,XII nach den vom Depósito bis 1807 publizierten Arbeiten, die Grundfläche der Insel Cuba ohne die benachbarten Inselchen zu 2255 geographischen Quadratmeilen (fünfzehn auf den Grad) berechnet, mit den umliegenden kleinen Inseln zu 2318 geographischen Quadratmeilen. Das letztere Ergebnis kommt 4102 Quadratseemeilen (zu zwanzig auf den Grad) gleich. Hr. Ferrer ist, nach etwas abweichenden Unterlagen, bei 3848 Quadratseemeilen stehengeblieben.XIII Um in diesem Werk die nach dem wirklichen Stand unserer astronomischen Kenntnisse exaktesten Resultate vorlegen zu können, habe ich den Hrn. Bauzá, welcher mich mit seiner Freundschaft beehrt und der seinen Namen durch große und gründliche Arbeiten berühmt gemacht hat, ersucht, eine Berechnung des Areals nach der Küste der Insel Cuba in vier Blättern, die er bald beendigt haben wird, anzustellen. Dieser gelehrte Geograph hat meiner Bitte entsprochen; er hat (im Juni 1825) die Grundfläche der Insel Cuba, ohne die Insel de Pinos, auf 3520 Quadratseemeilen, mit dieser letzteren Insel auf 3615 berechnet. Aus dieser zweimal wiederholten Berechnung geht hervor, daß die Insel Cuba um 1/7 kleiner ist, als man bisher geglaubt hatte, daß sie um 24/100 größer ist als Haiti oder Santo Domingo, daß ihre Grundfläche der von Portugal und, bis auf ⅛, derjenigen von England ohne Wales gleichkommt, daß, wenn der ganze Antillen-Archipel ein der Hälfte von Spanien gleichkommendes Areal darstellte, die Insel Cuba für sich allein beinahe den übrigen Großen und Kleinen Antillen-Inseln in der Grundfläche gleichkommt. Ihre größte Länge, vom Kap San Antonio bis Punta Maisí (in einer Richtung von WSW-ONO und hernach von WNW-ONO), beträgt 227 Meilen;XIV die größte Breite (in der Richtung N-S) von der Punta Maternillo zur Ausmündung des Magdalena, nahe beim Pico Turquino, beträgt 37 Meilen. Die mittlere Breite der Insel, auf ⅘ ihrer Länge, zwischen Havanna und Puerto Principe, beträgt 15 Meilen. In dem am besten kultivierten Teil, zwischen Havanna (Br. vom Mittelpunkt der Stadt 23° 8′ 35″) und Batabanó (Br. 22° 43′ 24″) hat die Landenge nicht mehr als 8⅕ Seemeilen. Wir werden bald sehen, daß diese Nähe der nördlichen und südlichen Küsten den Hafen von Batabanó im Hinblick auf Handel und militärische Verteidigung überaus wichtig macht. Unter allen großen Inseln des Erdballs ist durch Gestaltung und Areal (zu 4170 Quadratmeilen) Java der Insel Cuba am ähnlichsten. Letzteres besitzt einen Küstenumfang von 520 Meilen, wovon 280 dem südlichen Küstenland zwischen dem Kap San Antonio und Punta Maisí angehören.

Bei Berechnung des Areals hat Don Felipe Bauzá die Länge von Kap San Antonio zu 87° 17′ 22″, den Morro (Havanna) zu 84° 42′ 20″, Batabanó zu 84° 46′ 23″ und die Punta Maisí (Puerto Rico mit Don José Sanchez Cerquero unter 68° 28′ 29″ gebracht) zu 76° 26′ 28″ angenommen. Die zwei ersten dieser Längenangaben sind bei 3″ oder 4″ Zeit meinen Beobachtungen gleichkommend (Obs. astr., Tom. I, S. 9 und in diesem Band der Studienausgabe S. 22ff., RH III, 360). Die geodätischen Operationen von Don Francisco Le Maur, einem geschickten Ingenieur, der neuerlich Befehlshaber des Schlosses San Juan d’Ulua gewesen ist, haben mir, dazu von Havanna (dem Haus des Grafen O’Reilly) ausgehend, für Batabanó 84° 45′ 56″ gegeben. Herr Ferrer nimmt für das Kap Maisí 76° 30′ 25″ an, obgleich auch er darauf beharrte, Puerto Rico unter 68° 28′ 3″ zu plazieren. (Con. des temps, 1817, S. 323.) Ich will hier nicht bei dieser Länge von Puerto Rico verweilen, die schon so lebhafte Erörterungen ausgelöst hat und für welche drei korrespondierende Beobachtungen der Verfinsterung des Aldebaran (21. Okt. 1793) Herrn Oltmanns 68° 35′ 43,5″ und die sämtlichen Beobachtungen von Verfinsterungen, Distanzen und Zeit-Transport 68° 33′ 30″ (Obs. astr., Tom. II, S. 125 u. 139) ergeben haben. Alte, etwas schwankende Berechnungen gaben der Insel Cuba entweder 6764 leguas planas o legales españolas (von 5000 varas oder von 26⅓ auf den Grad), die gleich sind 906.458 caballerías (von 432 Geviert-Varas oder 35 englischen acres) nach dem Patriota Amer., 1812, Tom. II, S. 292, und den Docum. sobre el tráfico de Negros, 1814, S. 136, oder 52.000 englischen Quadratmeilen (zu 640 acres oder 1/11,97 See-Geviertmeilen), nach Melish, Geogr., S. 444, und Morse, New-System of Mod. Geogr., S. 238. Um das Verhältnis der Territorialmacht der Insel Cuba zu dem übrigen Archipel der Antillen noch augenfälliger zu machen, mag die vorstehende Übersicht dienen.

[Physische und geognostische Konstitution]

Die Insel Cuba zeigt auf mehr als ⅘ ihrer Ausdehnung nur tiefe Niederungen. Der Boden ist mit Sekundär- und Tertiär-Formationen7 bedeckt, durch die einige Granit-, Gneis-, Syenit- und Euphotid8-Formationen zutage treten. Noch hat man indes über die geognostische Gestaltung des Landes ebensowenig genauere Angaben wie über relatives Alter und Natur ihrer Formationen. Man weiß nur, daß die höchste Berggruppe sich am südöstlichen Ende der Insel emporhebt, zwischen Cabo Cruz, Punta Maisí und Holguín. Dieser bergige Teil, welcher La Sierra oder las Montanas del Cobre [= Sierra Maestra] heißt und nordwestlich von der Stadt Santiago de Cuba gelegen ist, scheint über 1200 ToisenXV absoluter Höhe zu haben. Dieser Voraussetzung zufolge würden die Gipfel der Sierra höher sein als sowohl die Blauen Berge von Jamaica und die Pics von La Seile und La Hotte auf der Insel Santo Domingo [Haiti]. Die Sierra de TarquinoXVI, 50 Meilen westlich der Stadt Cuba, gehört mit den Kupferbergen zur nämlichen Gruppe. Von OSO nach WNW wird die Insel von einer Hügelkette durchzogen, die sich zwischen den Meridianen von Ciudad de Puerto Principe und von Villa Clara der südlichen Küste nähert, während westlicher, gegen Alvarez und Matanzas, in den Sierras de Gavilán, Camarioca und von Marucas sie ihre Richtung gegen die Nordküsten nimmt. Auf dem Weg von der Mündung des Río Guarabo nach Villa de la Trinidad habe ich nordwestlich die Lomas von San JuanXVII gesehen, welche Nadeln oder Hörner von mehr als 300 Toisen Höhe bildenXVIII und deren Abdachungen eine ziemlich regelmäßige südliche Richtung haben. Es stellt sich diese Kalkfelsen-Gruppe gleichfalls imponierend dar, wenn man nahe beim Cayo de Piedras vor Anker liegt. Die Küsten von Jagua und von Batabanó sind sehr niedrig, und ich glaube überhaupt nicht, daß westlich des Meridians von Matanzas, mit Ausnahme vom Pan de Guajaibón, sich irgendein Hügel von mehr denn 200 Toisen Höhe befindet. Im Inneren der Insel hebt das sich sanft wellenförmig wie in England darstellende Erdreich sich nur 40 bis 60 Toisen über die Meeresfläche.XIX Die von Ferne sichtbarsten und bei den Seefahrern am meisten in Ansehen stehenden Gegenstände sind der Pan de MatanzasXX, ein abgestumpfter Kegel, der die Form eines kleinen Monumentes hat; die Arcos de Canasí, welche sich zwischen Puerto Escondido und Jaruco als kleine Abschnitte eines Kreises darstellen, die Mesa de Mariel, die Tetas de ManaguaXXI und der Pan de GuajaibónXXII. Aus diesem abfallenden Niveau der Kalkformationen der Insel Cuba nach Norden und nach Westen weist man den unterseeischen Zusammenhang eben dieser Felsen mit den gleich niedrigen Formationen der Bahama-Inseln, Floridas und Yucatáns nach.

Die große Unwissenheit, worin man sich hinsichtlich der Geognosie der Montañas del Cobre befindet, hat nichts Befremdliches, wenn man bedenkt, wie sehr und wie lange jede Geisteskultur und Kenntnis auf Havanna und die nächstgelegenen Bezirke beschränkt geblieben sind. Ein Reisender, der ein Schüler von Hrn. Proust und in chemischen und mineralogischen Kenntnissen wohl bewandert ist, Don Francisco Ramírez, sagte mir, der Westteil der Insel bestehe aus Granitgebirge, und er habe darin Gneis und Urschiefer erkannt. Aus diesen Granitformationen sind wahrscheinlich die Anschwemmungen von goldhaltigem Sand hergekommen, die in den ersten Zeiten nach der Besitznahme des Landes so eifrigXXIII, zum größten Unglück der Eingebornen, ausgebeutet wurden: Spuren davon kommen auch gegenwärtig noch vor in den Flüssen von Holguín und Escambray sowie überhaupt in den Umgebungen von Villa Clara, von Sancti Spíritus, von Puerto del Príncipe, von Bayamo und von La Bahía de Nipe. Vielleicht ist der Reichtum an Kupfer, dessen die conquistadores des 16. JahrhundertsXXIV zu einer Zeit gedenken, wo die Spanier auf die Naturerzeugnisse Amerikas aufmerksamer als in späteren Jahrhunderten waren, auf Rechnung der Formationen von Hornblende9-Schiefer, von Übergangstonschiefer mit Diorit10 vermengt und jener Euphotiden zu bringen, deren ich ähnliche in den Bergen von Guanabacoa getroffen habe.

Der mittlere und westliche Teil der Insel enthält zwei Formationen von dichtem Kalkstein, eine von Tonland und eine andere von Gips. Die erste dieser Formationen zeigt (ich sage nicht in ihrer Lagerung oder Schichtung, die mir unbekannt sind, hingegen in Aussehen und Komposition) einige Ähnlichkeit mit der Juraformation. Sie ist weiß oder hell ockergelb, von mattem, zuweilen muschelförmigem, zuweilen glattem Bruch; sie ist in ziemlich dünne Schichten geteilt, die einige zuweilen hohle Nester von Feuerstein-Silex11 enthalten (Rio Canimar, zwei Meilen östlich von Matanzas) und Versteinerungen von Pectiniten12, Carditen13, Terebratulen14 und Madreporen15XXV, mehr in eigenen Bänken oder Massen beisammen, als durch die Masse zerstreut. Ich habe keine Rogensteinschichten17 angetroffen, wohl aber poröse, beinahe blasige Schichten zwischen Potrero del Conde de Mopox und dem Hafen von Batabanó; dieselben sind den schwammigen Schichten ähnlich, welche der jurassische Kalkstein in Franken, nahe bei Donndorf, Pegnitz und Kirchenthumbach darbietet. Gelbliche durchlöcherte Schichten mit Aushöhlungen von drei bis vier Zoll Durchmesser wechseln mit vollkommen dichtenXXVI und an Versteinerungen ärmeren Schichten. Die Hügelkette, welche die Ebene von Güines nördlich einfaßt und mit den Lomas [Hügeln] de Camoa sowie mit den Tetas de Managua verbunden ist, gehört dieser letzteren Spielart an, welche von rötlich-weißer Farbe und, wie der jurassische Kalkstein von Pappenheim, beinahe lithographisch ist. Die dichten und die zerhöhlten Schichten enthalten Nester von ockerbraunem Eisen: Vielleicht ist jene rote Erde (tierra colorada), die von den Pflanzern (haciendados) von Kaffee gesucht wird, nur die Zersetzung einiger oberflächlicher Schichten oxidierten Eisens, das mit Silex und Ton oder mit einem über dem Kalkstein gelegenen rötlichen MergelsandsteinXXVII gemengt ist. Diese ganze Formation, welche ich, zum Unterschied von einer anderen, viel geringern, mit dem Namen des Kalksteins von Güines20 bezeichnen will, bildet in der Nähe von La Trinidad in den Lomas de San Juan schroff anstehende Pics, welche an die Kalksteinberge von Caripe in der Gegend von Cumaná erinnern.XXVIII Es enthält dieselbe auch ansehnliche Höhlen in der Nähe von Matanzas und von Jaruco. Mir ist nicht bekannt, daß dort jemals fossile Knochen gefunden worden wären. Diese mannigfachen Höhlen, worin sich die Regenwasser sammeln und kleine Bäche verschwinden, veranlassen zuweilen Einstürze.XXIX Ich halte dafür, es gehöre der Gips der Insel Cuba nicht dem Tertiär-, sondern dem Sekundär-Gebirge an: Derselbe wird ostwärts von Matanzas verschiedentlich ausgebeutet, in San Antonio de los Baños, wo er Schwefel enthält, und in den Cayos [Klippen = kleine Inseln] gegenüber von San Juan de los Remedios. Mit diesem (jurassischen?) Kalkstein von Güines, welcher abwechselnd porös und kompakt ist, darf eine andere Formation nicht verwechselt werden, die dermaßen neu ist, daß man glauben kann, ihre Bildung finde noch gegenwärtig statt. Ich spreche von jenen Kalkstein-Agglomeraten,21 welche ich in den Cayos oder Inselchen gesehen habe, welche zwischen Batabanó und der Bucht von Jagua die Küste einfassen, vorzüglich südwärts von der Ciénaga de Zapata, in Cayo Buenito, Cayo Flamenco und Cayo de Piedras. Die Sonde zeigt, daß es Felsen sind, die sich aus einem 20 bis 30 Klafter tiefen Grund steil emporheben. Die einen reichen an die Meeresfläche, andere übersteigen dieselbe um ¼ oder ⅓ Klafter. Eckige Bruchstücke von Madreporen und Cellularien22, zwei bis drei Kubikzoll groß, sind durch quarzige Sandkörner darin eingekittet. Alle Unebenheiten dieser Felsen sind mit aufgeschüttetem Land überdeckt, worin wir mittels der Lupe nur Detritus von Conchylien23 und Korallen wahrnehmen konnten. Diese Tertiär-Formation gehört ohne Zweifel zu denjenigen der Küsten von Cumaná, von Cartagena de las Indias und von der Grande TerreXXXXXXI2526XXXIIXXXIII28XXXIV