ALI TAMASEB
ÜBERRASCHENDE DATEN UND FAKTEN ÜBER MILLIARDEN-DOLLAR-START-UPS
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1. Auflage 2022
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© der Originalausgabe 2021 by Ali Tamaseb
Die englische Originalausgabe erschien 2021 bei Public Affairs, einem Imprint von Perseus Books, LLC, einer Abteilung der Hachette Book Group, Inc. unter dem Titel Super Founders.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Bärbel Knill
Redaktion: Britta Fietzke
Umschlaggestaltung: Marc Fischer
Umschlagabbildung: GarryKillian/Shutterstock
Satz: ZeroSoft, Timisoara
eBook: ePUBoo.com
ISBN Print 978-3-86881-881-9
ISBN E-Book (PDF) 978-3-96267-408-3
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96267-409-0
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Einleitung
Teil 1: Die Gründer
1. Mythen über die Herkunft der Gründer
2. Mythen über den Bildungsgrad der Gründer
3. Mythen über die Berufserfahrung der Gründer
4. Super Founder
Teil 2: Das Unternehmen
5. Die Entstehungsgeschichte
6. Neuausrichtungen
7. Was und wo?
8. Das Produkt
9. Der Markt
10. Markt-Timing
11. Der Wettbewerb
12. Die Verteidigungsfähigkeit
Teil 3: Fundraising
13. Wagniskapital versus Bootstrapping
14. Bullen- versus Bärenmarkt
15. Kapitaleffizienz
16. Business Angels und Accelerator-Programme
17. Wagniskapital-Investoren
18. Fundraising
Was wir uns merken sollten
Stimmen zum Buch
Danksagung
Über den Autor
Anmerkungen
»Es gibt nur Muster. Muster von Mustern. Muster, die andere Muster beeinflussen. Muster, die sich hinter Mustern verbergen. Muster in Mustern.
Wenn man genau hinsieht, besteht die Geschichte nur aus Wiederholungen ihrer selbst.
Was wir Chaos nennen, sind bloß Muster, die wir noch nicht erkannt haben.
Was wir Zufall nennen, sind bloß Muster, die wir nicht enträtseln können. Was wir nicht begreifen können, nennen wir Unsinn. Was wir nicht verstehen können, nennen wir Geschwafel.«
CHUCK PALAHNIUK, FLUG 20391
Als ich vor vielen Jahren mein erstes Unternehmen gründete, stammte meine Vorstellung von einem erfolgreichen Startup größtenteils aus gesehenen Filmen, gelesenen Artikeln und den allgegenwärtigen, beliebten Mythen über berühmte Unternehmen. Die Geschichte von Facebook ließ mich glauben, dass die meisten erfolgreichen Unternehmensgründer damit noch auf dem College anfangen, so wie Mark Zuckerberg. Die Geschichte von Apple ließ mich glauben, dass man zwei Unternehmensgründer brauchte, ein Technikgenie und einen Business-Visionär, um supererfolgreich zu werden (wenig später erfuhr ich, dass es bei Apple zu Beginn sogar einen dritten Co-Founder gegeben hatte).
Milliarden-Dollar-Start-ups – oder »Unicorns« (»Einhörner«), ein Begriff, den der Wagniskapital-Investor Aileen Lee geprägt hat – sind, wie der Name schon sagt, relativ selten. Sie machen weniger als 0,1 Prozent aller Start-ups aus.
Jahre später wurde mir dann als Wagniskapital-Investor bewusst, was für ein kleiner und schräger Haufen es in die Medien schaffte und somit meine Wahrnehmung geprägt hatte. Als Wagniskapital-Investor prüfe, bewerte und beobachte ich jedes Jahr Hunderte Start-ups, und ich habe manche von diesen Unternehmen auf Ergebnisse in Milliardenhöhe anwachsen sehen, aber ich konnte noch immer nicht sagen, was wirklich so anders war zwischen jenen mit dem großen Erfolg und jenen ohne, und vielleicht konnte das auch niemand sonst sagen, zumindest nicht aufgrund handfester Daten, sondern allerhöchstens aus einem Bauchgefühl heraus. Also beschloss ich, mich auf den Weg zu machen, um eine Antwort auf eine Frage zu finden, die mich jahrelang geplagt hat: Wie sehen Milliarden-Dollar-Start-ups am Anfang wirklich aus? Unterscheiden sie sich ab dem ersten Tag von allen anderen? Und wenn ja, inwiefern?
Ich wühlte mich ab 2017 durch Internetarchive, las Hunderte Interviews, sah Tausende von LinkedIn- und Crunchbase-Profilen durch und betrachtete jede auffindbare öffentliche oder private Datenquelle. Vier Jahre lang verbrachte ich Tausende Stunden mit der Sammlung dieser Daten, wobei ich 30 000 Einzeldaten händisch zusammenstellte, mehr als 65 Faktoren pro Start-up. Ich sammelte Informationen über alles – von den frühen Wettbewerbern eines Unternehmens bis hin zu den Faktoren für seine Verteidigungsfähigkeit; vom Alter der Gründer bis hin zu ihrem Bildungsgrad; von der Qualität der Investoren eines Unternehmens bis hin zum Timing ihrer Finanzierungsrunden – und noch viel, viel mehr. Keine Studie sagt etwas aus ohne Vergleichsgruppe, also sammelte ich die gleichen Daten auch von einer ähnlich großen Gruppe willkürlich ausgesuchter Unternehmen, die zeitgleich gegründet worden waren, aber keine Milliarden-Dollar-Bewertung erreicht hatten.
Beim Sammeln dieser Daten hörte ich von anderen Investoren und Unternehmensgründern immer wieder dieselben Gemeinplätze über Erfolg: Dass die meisten Milliarden-Dollar-Unternehmen von Studienabbrechern aus den Ivy-League-Universitäten gegründet würden. Dass sie ein namhaftes Accelerator-Programm durchlaufen haben müssten. Dass die Gründer die Lösung für ein persönliches Problem gefunden haben müssten, oder dass ihre Idee die erste auf dem Markt und noch ohne Wettbewerb gewesen sein müsste. Eine Handvoll der Milliarden-Dollar-Start-ups erfüllen diese Stereotype tatsächlich, aber die meisten eben nicht. Meine Datensammlung zeigte, dass die Gründer der Milliarden-Dollar-Unternehmen ihre Abschlüsse an der Universität eher gemacht hatten, als das Studium abzubrechen, und viele hatten völlig technikfremde Co-Founder. Weniger als 15 Prozent hatten je ein Accelerator-Programm durchlaufen, viele hatten keine Lösung für ein persönliches Problem gefunden und nur sehr wenige waren die Ersten am Markt.
Ich fragte mich, wie viele Unternehmen wohl keine Finanzierung bekämen, weil sie keinem der bekannten Muster entsprachen. Und wie viele potenziell erfolgreiche Unternehmensgründer gründen vor allem deshalb nie ein Unternehmen? Diese Fragen brachten mich dazu, dass ich über die reine Datensammlung hinausging, die Geschichten der – nicht nur berühmten – Gründer dieser Milliarden-Dollar-Unternehmen aus erster Hand sammelte und dieses Buch schrieb.
In der von mir betrachteten Zeitspanne, zwischen 2005 und 2018, wurden über 200 Milliarden-Dollar-Unternehmen gegründet, aber von vielen davon haben Sie vielleicht noch nie gehört. Neben den Ubers, Airbnbs und Zooms in diesem Buch gibt es auch Milliarden-Dollar-Start-ups wie Nevro, ein Hersteller medizinischer Geräte, die mithilfe elektrischer Nervenstimulation chronische Schmerzen lindern, eine Alternative zu Medikamenten. Oder Tanium, ein Unternehmen, das Software für Endpunktmanagement und Sicherheit entwickelt. Es gibt auch viele Beispiele für Milliarden-Dollar-Start-ups außerhalb des typischen Tech-Bereichs, etwa Peak, ein Entwickler beliebter Handyspiele mit Sitz in Istanbul.
Die Daten untermauern meine Argumentation, und die Interviews mit Gründern und Investoren, die am Ende der meisten Kapitel erscheinen, ergänzen das Ganze mit ihren lebendigen Details. Im Kapitel über Berufserfahrung lesen Sie, wie zwei Gründer den Markt für Krebsbehandlungstechnologie ohne jede Branchenerfahrung auf den Kopf stellten. Im Kapitel über Neuausrichtungen lesen Sie, wie YouTube aus einem solchen entstand. Im Kapitel über Bootstrapping lesen Sie, wie sich Git-Hub in den ersten vier Jahren finanzierte, bis es für 7,5 Milliarden Dollar gekauft wurde. Und im Kapitel über Fundraising lesen Sie, dass auch Unternehmen wie Peloton und Airbnb in ihrer Anfangsphase Finanzierungsprobleme hatten. Sie werden sehen: Manche meiner Untersuchungen zeigen, dass bestimmte Faktoren überhaupt nicht wichtig sind (hören Sie also mit der Grübelei und den Zweifeln auf!), aber Sie werden auch manche Faktoren erkennen, die den Erfolg eines Gründers oder einer Idee wahrscheinlicher machen. Vielleicht inspiriert Sie das auch mal zum Umdenken. Ich werde Ihnen Antworten auf folgende Fragen geben:
Wie viele Start-ups hatten zahlreiche Wettbewerber zur Zeit ihrer Gründung?
Wie viele Jahre allgemeiner Berufserfahrung hatten die Gründer, bevor sie ihr Unternehmen starteten? War es in derselben Branche?
Hatten die meisten Gründer schon einmal ein Unternehmen gegründet? Wenn ja, war dieser erste Versuch erfolgreich?
Wie lange dauerte es vom Unternehmensstart bis zum ersten Investment? Kam es von einem Markennamen-Investor oder nicht?
Zusätzlich zu den Daten bieten die Interviews die Möglichkeit, die Geschichten detailreicher und auf direktem Weg von einigen dieser Gründer zu hören. Manche sind eine genaue Zusammenfassung der Daten, manche strafen die Daten Lügen. Letztere sind überaus wichtig, denn sie zeigen, dass man manchmal auch entgegen der Datenlage Erfolg haben kann. Wir werden von Max Levchin, dem Co-Founder von PayPal und Affirm, den Unterschied zwischen Marktschaffung und Expansion erfahren; von Tony Fadell, dem Gründer von Nest und Erfinder des iPods, werden wir etwas über Produktdifferenzierung erfahren; von Michelle Zatlyn, Co-Founderin von Cloudflare, etwas darüber, wie man während einer Rezession ein Unternehmen gründet; und von Eric Yuan, dem Gründer von Zoom, etwas über Wettbewerb. Wir werden mit Peter Thiel sprechen, Investor in Unternehmen wie Facebook, SpaceX oder Spotify, mit Alfred Lin von Sequoia Capital, Investor in Unternehmen wie Airbnb oder DoorDash, und mit Keith Rabois von Founders Fund, Investor in Unternehmen wie YouTube oder LinkedIn. Dabei erfahren wir, wonach sie bei einem Pitch Ausschau halten und wie sich Start-ups am besten auf das Fundraising vorbereiten sollten. Ich habe mich mit jedem dieser Experten zusammengesetzt und ihnen Fragen über ihren Hintergrund gestellt, über den Aufbau ihres Start-ups oder ihre Investment-Story, über ihre Unternehmensführung und vieles mehr.
Meine Datensammlung schließt jedes Start-up mit ein, das irgendwann die Milliarden-Dollar-Bewertung bekommen hat, sei es durch einen Börsengang (Initial Public Offering, IPO), durch den Verkauf des Unternehmens oder private Finanzierungsrunden. Meine Studie ist also breiter angelegt als nur private Investorenbewertungen, auf die man sich – Einhörner betreffend – normalerweise bezieht. Manche könnten sagen, der Wert eines Einhorns existiere schließlich nur auf dem Papier, und tatsächlich werden viele überbewertet, um später ihren Status zu verlieren. Dennoch sind die meisten Milliarden-Dollar-Start-ups bahnbrechende Phänomene. Denn normalerweise scheitert das durchschnittliche Start-up und stirbt, während das durchschnittliche Milliarden-Dollar-Start-up Hunderte Menschen beschäftigt und Produkte für Tausende Kunden herstellt. Die Bewertung ist nicht die ideale Kennzahl, um »Erfolg« per se zu definieren, aber wenn Daten über Erträge, Profit oder die gesellschaftliche Auswirkung nicht zu beschaffen sind, ist sie eine gute, wenn auch willkürliche Größe für die eigene Orientierung.
Meine Hoffnung ist, dass die Erkenntnisse aus diesem Buch Ihnen nicht nur die Augen öffnen, sondern auch nützlich und praktikabel für Ihren eigenen Weg als Unternehmer sein werden. Manche Unternehmensgründer versuchen vielleicht, bestimmten Storys nachzueifern, Teams auf bestimmte Weise aufzubauen oder ihre Start-ups so zu gestalten, dass sie die Stereotype erfüllen. Wir dagegen werden hier Daten nutzen, um herauszufinden, was wirklich zählt. Sie werden erfahren, dass diejenigen, die sich für den Aufbau und die Leitung von Projekten oder für Nebengeschäfte begeisterten, eine viel höhere Chance hatten, ein Milliarden-Dollar-Unternehmen zu erschaffen, und dass zwar die durchschnittliche Berufserfahrung zehn Jahre beträgt, dass viele aber zuvor gar nichts über die Branche wussten, die sie dann auf den Kopf stellten – und viele hätten sich niemals einen solchen Erfolg vorstellen können. Wir werden erfahren, dass es wichtig ist, äußerst differenzierte Produkte herzustellen, nicht aber, der Erste am Markt zu sein.
Manche von den Unternehmen, die ich in diesem Buch erwähne, werden irgendwann ihren Status als Einhorn verlieren. Die von mir ausgewählten Unternehmen sind keine Beispiele für Generationen währende Imperien, die den Lauf der Zeit überdauern sollen, sondern sie sind Beispiele für Start-ups, die schon früh durchschlagenden Erfolg hatten, die Ideen und Vorstellungen ihrer Kunden trafen und mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet wurden.
Dieses Buch soll nicht vorhersagen, wer das nächste wahnsinnig erfolgreiche Start-up aufbauen wird und wer nicht. Es ist stattdessen ein datengestützter Blick auf die Muster, aus denen diese Milliarden-Dollar-Unternehmen und ihre Geschichten gestrickt sind – Geschichten, die zur Wiederholung neigen. Meine Hoffnung ist, dass man aus den Daten Wissen generieren kann und aus den Interviews Inspiration. Mein Ziel ist es, die verschiedenen Hintergründe der Gründer zu beleuchten, ihre Wege nachzuzeichnen – sowohl Niederlagen als auch Erfolge – und falsche Vorstellungen oder ungerechte Vorurteile auszuräumen, die aufstrebenden Gründern wie Investoren gleichermaßen schaden. Am Ende könnte es sein, dass Sie näher dran sind, ein Super Founder zu sein, als Sie glauben.
Eine letzte Anmerkung noch vorweg: Während meiner Recherchen für dieses Buch konnte ich nicht umhin, den Mangel an Diversität innerhalb der Gründungsteams zu bemerken. Der Inspiration durch Ben Horowitz folgend werde ich einen Teil der Einnahmen aus diesem Buch an Non-Profit-Organisationen und wohltätige Einrichtungen spenden, die zur Erhöhung der gesellschaftlichen Durchlässigkeit und Diversität beitragen.
Das Ziel dieses Buches ist es, Vorurteile und falsche Vorstellungen zu reduzieren, statt noch mehr davon in die Welt zu setzen. Deshalb schicke ich hier eine Anmerkung zu den Methoden und Statistiken voraus, die das Grundgerüst dieses Buches bilden.
Sie werden hier eine Menge Zahlen und Prozentangaben lesen, und manchmal wäre es leicht, aus den Daten ohne korrekten Kontext die falschen Schlüsse zu ziehen. Wenn zum Beispiel 10 Prozent der Gründer von Milliarden-Dollar-Unternehmen mit Vornamen John heißen, bedeutet das nicht, dass es für einen selbst, wenn man John heißt, die Chancen erhöht, ein Milliarden-Dollar-Unternehmen zu gründen. Es könnte noch andere einflussnehmende Faktoren geben. Es könnte sein, dass Menschen mit dem Namen John aus Familien mit besserem sozioökonomischen Hintergrund kommen, und dass Menschen mit wohlhabenderen Eltern eher die Mittel zur Unternehmensgründung haben, anstatt sich einen Job zu suchen. Oder es könnte sein, dass Wagniskapital (Venture-Capital; VC)-Investoren aufgrund eines Vorurteils eher zur Investition in Johns neigen.
Um die Daten besser interpretieren zu können, müssen wir erst einmal die Grundlagen verstehen. Der Idealfall wäre es, alle Menschen, die jemals ein Start-up gegründet haben, zu betrachten und die Anzahl der Johns zu zählen. Doch das wäre unmöglich, weil auf der Welt Hunderttausende Start-ups gegründet wurden. Was das hypothetische Vorurteil der VC-Investoren betrifft, so müsste man herausfinden, wie viele Unternehmen mit einem Gründer namens John ein VC-Investment erhalten haben. Wenn nur ein Prozent aller Unternehmen mit einem VC-Investment von einem John gegründet wurden, aber 10 Prozent der Milliarden-Dollar-Start-ups einen John als Gründer haben, dann ist der Name John vielleicht ein Zaubermittel und wir sollten tatsächlich alle unseren Vornamen ändern!
In diesem Buch werden die Daten von Milliarden-Dollar-Unternehmen mit Daten einer Vergleichsgruppe von Start-ups abgeglichen, die keine Einhörner wurden. Zwischen 2005 und Ende 2018 – der Zeitspanne meiner Datensammlung – wurden ca. 20 000 Start-ups gegründet, die jeweils eine Finanzierung mit mindestens drei Millionen Dollar erhielten. In Zukunft wird es vielleicht möglich sein, Daten über diese Unternehmen mithilfe von KI und natürlicher Sprachverarbeitung automatisiert zu sammeln. Hier aber musste das größtenteils noch von Hand geschehen – zum Beispiel die Wettbewerber oder Verteidigungsfähigkeit zu bestimmen. Die meisten Daten über sämtliche Start-ups in meiner Studie habe ich per Hand eingegeben, was eine Kombination aus Bewertung und umfassender Recherche bedeutet, sodass es unmöglich gewesen wäre, Daten von allen 20 000 zu sammeln.
Was Statistiker in einem solchen Fall normalerweise tun, nennt sich Sampling oder Stichprobe. Ich habe nach dem Zufallsprinzip 200 Unternehmen aus der Vergleichsgruppe ausgewählt und genau dieselben Daten gesammelt wie bei den Milliarden-Dollar-Unternehmen. Die Daten dieser Gruppe zufällig zusammengestellter Unternehmen – ich nenne sie im gesamten Buch die »Zufallsgruppe« – sollen darstellen, wie ein typisches Startup aussieht, sodass wir sie als Ausgangsbasis für einen Vergleich mit der Milliarden-Dollar-Gruppe verwenden können. Statistische Versuche haben gezeigt, dass 200 Beispiele ausreichen und repräsentativ für eine größere Gruppe stehen können.
Wenn ich die Milliarden-Dollar-Gruppe mit der Zufallsgruppe verglich, verwendete ich statistische Tests mit einem Konfidenzintervall von 95 Prozent. Da ich zwei Gruppen auf zahlreiche verschiedene Faktoren hin verglich (Alter des Gründers, Förderungssumme, Bildungsgrad etc.), war ich anfällig für das sogenannte »multiple Testproblem«: Wenn ich beide Gruppen auf viele verschiedene Faktoren hin verglich, könnte ich am Ende durch pures Glück einen sie unterscheidenden Faktor finden. Ich habe dieses Problem der falschen Entdeckung verhindert, indem ich die Benjamini-Hochberg-Methode anwandte, die sicherstellt, dass nur die wichtigsten Unterschiede (solche, die nicht durch Zufall auftreten können) zwischen den beiden Gruppen berücksichtigt würden.2
Bei aller Anstrengung des statistisch korrekten Vorgehens möchte ich betonen, dass dies hier jedoch keine wissenschaftliche Studie ist. Ich könnte nicht für jeden einzelnen Faktor den Nachweis erbringen, also bleiben weiterhin Fallstricke. In einer Studie wie dieser taucht eine gewisse Voreingenommenheit immer auch in den Daten selbst auf – zum Beispiel durch Nichtüberleben (gescheiterte Unternehmen tauchen in keiner Liste auf), nicht berücksichtigte Variablen (externe Kennzahlen, die wir nicht untersucht haben, die sich aber eventuell ausgewirkt hätten), Voreingenommenheit des Betrachters (manche der Daten beruhen auf meiner eigenen Einschätzung, die einer unbewussten Voreingenommenheit unterliegen könnte), unvollständige Daten (für manche Unternehmen, wenn auch nicht viele, konnte ich einige Daten nicht finden) und falsche Daten (manchmal wird die Geschichte von den Unternehmen neu geschrieben, beispielsweise geben sie eine Führungskraft, die erst später zum Unternehmen stieß, als einen Gründer an). Wir sollten auch berücksichtigen, welche Rolle Glück, eine privilegierte Position und die Zugriffsmöglichkeiten beim Erfolg vieler dieser Gründer spielten.
Unter den oben genannten Voraussetzungen habe ich unzählige Stunden damit verbracht, eine Datensammlung zu erstellen und zu analysieren, die vielleicht eine der größten ist, die jemals über Start-ups und deren Erfolgsgründe erhoben wurde. Ich habe mit zahlreichen Fachmenschen zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass die Methoden fundiert und die Ergebnisse tragfähig sind. Ich hoffe, dass die Ergebnisse aus diesem Buch dazu beitragen, unseren Wirtschaftszweig voranzubringen.
Wenn Sie einen Wagniskapital-Investor fragen, worauf er bei der Bewertung von Unternehmen achtet, wird er als Erstes die Stärke von »Teams« oder »Gründern« nennen. Und zu Recht. Im frühen Unternehmensstadium gibt es nicht viel mehr auszuwerten als die dahinterstehenden Menschen. Großartige Ideen werden nur von großartigen Teams umgesetzt – und die Jagd nach den Besten der Besten hat viele Investoren dazu gebracht, sich auf die Archetypen großer Gründer zu verlassen. Wenn wir verstehen wollen, wie sich Milliarden-Dollar-Unternehmen von anderen unterscheiden, müssen wir zuerst die Menschen verstehen, die sie aufgebaut haben. Deshalb beginnen wir mit einer Analyse der Gründer.
Im Jahr 2005 befand sich Aaron Levie erst im zweiten Studienjahr an der University of Southern California – zu jung für legalen Alkoholkonsum –, als er auf die Idee für sein Milliarden-Dollar-Start-up kam. Er hatte selbst gesehen und erlebt, wie schwierig es für Professoren und Studenten war, große Dateien weiterzuleiten oder zu speichern. Selbst die Studiomanager bei Paramount Pictures, wo er ein Praktikum gemacht hatte, hatten dasselbe Problem und verwendeten oft Speichersticks zur Dateienweitergabe. Es war umständlich und ineffizient. Levie, der kurz zuvor bei einem Schulprojekt über Cloudspeicher mitgearbeitet hatte, kam so auf die Idee für Box: eine Möglichkeit zur Anmietung eines Cloud-Speicherplatzes, um von überall Zugriff auf die Datei zu haben. Er baute gemeinsam mit ein paar Highschool-Freunden einen Prototyp. Bald darauf stieg die Nachfrage so explosionsartig an, dass Levie, der bis dahin versucht hatte, seine 16-Stunden-Tage mit einem vollgepackten College-Stundenplan zu vereinbaren, das Studium abbrach und CEO von Box wurde. Er war 19 Jahre alt.
Es gibt einen unverwüstlichen Mythos, dass die meisten Milliarden-Dollar-Start-ups genau so beginnen: mit jungen Menschen und ihrer Freiheit, große Risiken einzugehen. Levie ist nicht der Einzige – die Legende vom technischen Wunderkind hat sich in die allgemeine Vorstellung eingebrannt. Mark Zuckerberg ist dafür berühmt, dass er Facebook in seinem Wohnheimzimmer in Harvard programmierte. Melanie Perkins war 22, als sie die Idee von Canva herausbrachte, einer Grafikdesign-Plattform, die mit Milliarden von Dollar bewertet wurde. Ritesh Agarwal war 19, als er Oyo Rooms startete, eine weltweite Hotelkette, die mit mehreren Milliarden Dollar bewertet wurde. Die Brüder Patrick und John Collison, die gemeinsam Stripe gründeten, waren jeweils vor ihrem 30. Geburtstag Milliardäre.
Es gibt tatsächlich viele Gründer von erfolgreichen Milliarden-Dollar-Start-ups, die ihr Unternehmen mit Anfang zwanzig ins Leben riefen – doch für die meisten Gründer von Milliarden-Dollar-Start-ups ist das nicht der Fall. Über die Älteren unter ihnen hören wir nur weniger in den Medien, wie über Guy Haddleton, der Anaplan gründete, ein Unternehmen für cloudbasierte Unternehmenssoftware. Haddleton brach das College für den Militärdienst ab und arbeitete sich bis zum Rang eines Captains der New Zealand Special Forces hoch. Dann, im Jahr 1998, war Haddleton als Führungskraft in einem Unternehmen tätig, wo er eine Software entwickelte, mit der man die Unternehmensaktivitäten besser planen, nachverfolgen, analysieren und vorhersagen konnte. Er machte aus dieser Idee sein erstes Unternehmen, Adaytum, das zehn Jahre später für 160 Millionen Dollar aufgekauft wurde. Ein paar Jahre nach dieser Akquisition, als Haddleton 50 war, fand er eine Methode zu dessen Produktverbesserung – mit cloudbasierter Software. Er startete also ein weiteres Unternehmen, Anaplan, das Services für Unternehmensplanungssoftware an große Unternehmen verkauft und wurde bei seinem Börsengang am New York Stock Exchange mit drei Milliarden Dollar gelistet.
Betrachtet man die Gesamtheit der Milliarden-Dollar-Unternehmen, so ist die Altersspanne ziemlich breit angelegt: Manche Gründer waren erst 18, andere bereits 68, als sie mit ihren Unternehmen an den Start gingen. Der Altersmedian eines Gründers eines Milliarden-Dollar-Start-ups ist 34 – was bedeutet, dass die Hälfte der Gründer dieser Start-ups dieses Alter hatten oder älter waren, als sie anfingen. Die Verteilung des Alters ist mehr oder weniger dieselbe in der Zufallsgruppe der Start-ups, was bedeutet, dass das Alter eines Gründers – ob jünger oder älter – mit dem Erfolg ihres Unternehmens nicht stark korreliert. Mit anderen Worten, das Alter ist unwichtig. Die Daten zeigten zwar einen leichten Vorteil für jüngere Gründer, aber dieser war statistisch nicht groß. Allerdings zeigte sich, dass die Unternehmen, die von der jüngeren Gruppe gegründet wurden (34 oder jünger), im Durchschnitt einen höheren Wert erreichten.
Die Altersspanne der Gründer-CEOs von Milliarden-Dollar-Unternehmen ist breit, die Hälfte sind bei der Gründung über 34. Das Alter des Gründers – ob jünger oder älter – steht in keiner starken Korrelation mit dem Erfolg.
Im Schnitt hatten die Gründer, die 34 Jahre oder älter waren, bereits eine Vergangenheit als Unternehmer. Zwei Drittel davon hatten zuvor schon einmal ein Unternehmen gegründet, wie Haddleton. Das letzte Drittel, die zum ersten Mal ein Unternehmen starteten, hatten schon jahrelange einschlägige Erfahrung als Führungskräfte in großen Unternehmen gesammelt und waren das Managen großer Teams oder Produkte gewohnt. Eric Yuan, Gründer des Unternehmens für Videokommunikation, Zoom, startete das Unternehmen im Alter von 41; zu dem Zeitpunkt war er Senior Vice President bei Cisco und führte ein Team von tausend Personen an. Eric Baldeschwieler war 46, als er Hortonworks gründete, ein Multimilliarden-Dollar-Big-Data-Start-up rund um die Open-Source-Software Hadoop. Er hatte das Hadoop-Team bei Yahoo aufgebaut und gemanagt, bevor er sich damit dann abkoppelte. Todd McKinnon war 37 und leitete ein hundertköpfiges Ingenieurteam bei Salesforce, als er das Identity-Management-Unternehmen Okta gründete.
Die Altersspanne ist noch breiter bei den Gründungs-CxOs, so bezeichne ich die Person an zweiter Stelle im Unternehmen. Sehr oft wird diese Rolle vom Chief Technology Officer (CTO) eingenommen, doch es kann auch ein Chief Scientific Officer, Chief Medical Officer oder, in den eher traditionellen Sektoren, ein Chief Operating Officer sein. Unter den Milliarden-Dollar-Start-ups wiesen die Gründer-CxOs eine deutlich weiter gefasste Altersspanne auf – irgendwo zwischen 16 und 76 Jahren zum Gründungszeitpunkt.
Unternehmensgründer im Gesundheitswesen oder in der Biotechnologie fangen später damit an – im Durchschnitt waren sie zum Startzeitpunkt 42 –, doch es gibt auch eine breite Altersspanne bei den Unternehmens- und Consumer-Technology-Unternehmen, was die Logik aushebelt, dass nur Millennials diese Märkte erobern könnten. Marc Lore war 42, als er die E-Commerce-Webseite Jet.com gründete, und 45, als Walmart sie für 3,3 Milliarden Dollar akquirierte. David Duffield war 64, als er Workday startete, ein Unternehmen, das Software für Human Capital Management entwickelt. Es gibt also keinen erkennbaren Vorteil irgendeines Alters.
Gründer von Milliarden-Dollar-Start-ups im Gesundheitswesen oder der Biotechnologie waren im Durchschnitt älter, und Gründer jeden Alters waren erfolgreich im Bereich Konsumgüter und Wirtschaftsunternehmen.
Ein weiterer Mythos besagt, dass Gründer scheiterten, wenn sie keinen Partner an ihrer Seite hätten. Es gibt so viele erfolgreiche Duos – Larry Page und Sergey Brin von Google, Steve Jobs und Steve Wozniak von Apple, Bill Hewlett und David Packard von HP –, dass man sich nur schwer vorstellen kann, dass jemand ein Unternehmen ohne einen Co-Founder gründen könnte.
Den meisten angehenden Unternehmern wird auch tatsächlich geraten, dies nicht zu tun. Dieser Standardratschlag für Startup-Gründer ist allen schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass manche Inkubatoren und Accelerator-Programme Gründern von einer Sologründung abraten und sie stattdessen im Rahmen ihres Programms zu Co-Founder-»Datingrunden« auffordern. Der Volksglaube ist es wohl, dass Co-Founder einander ein offenes Ohr für erste Ideen gewähren und sich die beängstigend große Arbeitsbelastung teilen. Einen Partner zu haben, zeige außerdem, dass zumindest noch eine weitere Person an das Unternehmen glaube. Manche Wagniskapital-Investoren werden von Sologründern abgeschreckt, weil sie das Fehlen eines Co-Founders als Anzeichen für einen Vertrauensmangel sehen. Diese Mythen können angehende Gründer dazu bringen, sich mit jemandem zusammenzutun, der vielleicht gar nicht zu ihnen passt, nur um nicht als Sologründer pitchen zu müssen.
In Wahrheit wurde jedes fünfte Milliarden-Dollar-Unternehmen von einer Einzelperson gegründet. Das ist immer noch weniger häufig als zwei Gründer (36 Prozent) oder Unternehmen mit drei Gründern (28 Prozent), kommt aber öfter vor, als Sie vielleicht glauben. Es gibt auch Fälle, in denen Milliarden-Dollar-Unternehmen von mehr als drei Personen gegründet wurden: 12 Prozent dieser hatten vier Gründer; ein sehr kleiner Prozentsatz hatte fünf oder mehr. Diese Zahlen ähneln denen der Zufallsgruppe, was für keine dieser Situationen auf einen besonderen Vor- oder Nachteil schließen lässt, inklusive dem Sologründer-Szenario. Es ist also wieder kein relevanter Faktor. Eine Studie Jason Greenbergs und Ethan Mollicks über Crowdfunding-Projekte auf Kickstarter zeigte sogar einen leichten Vorteil für Sologründer3: Projekte, die von diesen gestartet worden waren, hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit, als Unternehmen erfolgreich zu sein und hatten höhere Einnahmen durch Vorbestellungen.
Jedes fünfte Milliarden-Dollar-Start-up wurde von einem Sologründer gegründet. Ob es mehr oder weniger Gründungsmitglieder sind, hat weder Vor- noch Nachteile.
Es hat einige klare Vorteile, ein Unternehmen im Alleingang zu starten. Konflikte zwischen den Gründern – ob es zwei Persönlichkeiten sind, die aufeinanderprallen, ein Machtkampf oder keine gemeinsame Vision – ist einer der Hauptgründe für das Scheitern von Start-ups. Wenn man die Daten betrachtet, entdeckt man noch einen weiteren Grund, aus dem manche Sologründer besser fahren als andere: Die Sologründer von Milliarden-Dollar-Unternehmen hatten eine deutlich bessere Vorgeschichte als jene mit einem zweiten Gründer. Ein größerer Anteil von ihnen hatte bereits zuvor einmal ein Unternehmen gegründet, herausgefunden, wie man es skalierte, und es dann, in vielen Fällen, für eine ansehnliche Summe verkauft. Menschen, die bereits große Gewinne in ihrem Lebenslauf verzeichnen können, scheint die Gründung eines weiteren Unternehmens im Alleingang um einiges leichter zu fallen als anderen, die nicht über solche Qualifikationen verfügen und daher vielleicht auf Mitgründer angewiesen sind, um eine Unternehmensvision zu entwerfen, die ersten Angestellten anzuheuern oder Verbindungen zu Investoren zu knüpfen. Bilden Sie also ruhig ein Team mit einem oder mehreren weiteren Co-Foundern, wenn es dem Unternehmen hilft, aber tun Sie es nicht, weil Sie meinen, Sie müssten das tun.
Als Langley Steinert 2006 CarGurus gründete, hatte er bereits eine ziemlich gute Vorgeschichte als Unternehmer. Er hatte die letzten paar Jahre damit verbracht, TripAdvisor zu betreiben, die Webseite für Reiseempfehlungen, die er 2000 mitgegründet hatte und die später mit über einer Milliarde Dollar bewertet wurde. CarGurus hatte einen ganz ähnlichen Webseitenaufbau: Zuerst funktionierte sie wie ein Community-Forum, in dem Besucher Berichte und Fragen über örtliche Autohändler und Autozubehörgeschäfte posten konnten. Steinert beschloss, das Projekt allein zu starten.
CarGurus wuchs in der Folge zum größten Online-Marktplatz für Neu- und Gebrauchtwagen in den Vereinigten Staaten an und lief auch in ganz Kanada, Großbritannien und Europa. Doch zu Beginn nahm er Anleihen aus dem Drehbuch für TripAdvisor: Genau wie die Reisewebseite nutzte CarGurus Algorithmen und Community-Input, um Nutzern die richtigen Informationen zuzuspielen. Später nutzte es dann Datenanalysen, um Kaufinteressenten bei der Suche nach dem richtigen Wagen zu helfen. Möglicherweise brauchte Steinert keinen Co-Founder, weil er dank jahrelanger Erfahrungen bei TripAdvisor bereits wusste, wie er bei seinem Unternehmen Wachstum erzielen konnte. Dessen Erfolg machte es auch leichter für CarGurus, Mitarbeiter und Finanzierungen zu bekommen, was eventuell wiederum Steiner als Sologründer geholfen hat. CarGurus hatte 2017 einen Börsengang, der dem Unternehmen einen Wert von 1,5 Milliarden Dollar brachte.
Ähnliche Muster kann man auch außerhalb der Vereinigten Staaten finden. Das Unternehmen ByteDance, eines der – während dieses Buch geschrieben wird – weltweit höchstbewerteten Start-ups in Privatbesitz, das berühmte chinesische Unternehmen hinter der Video-App TikTok und die Plattform für Nachrichtenund Informationsinhalte Toutiao, wurde von einem Sologründer gestartet: Zhang Yiming.
Ric Fulop hatte nicht einen Co-Founder, als er Desktop Metal gründete – er hatte gleich sechs. Desktop Metal war ein Pionier im Bereich der additiven Fertigung. Seine 3-D-Drucker drucken Objekte aus Metallpulver, ein nützlicher Prozess zur Herstellung von Prototypen oder zum Testen von Metallteilen vor der Großproduktion. Fulops Co-Founder brachten einen Expertisemix ins Projekt ein: Einer von ihnen, Ely Sachs, hatte das Binder-Jetting erfunden, die Technologie, auf der Desktop Metal aufgebaut ist.
Fulop war auch schon ein erfahrener Unternehmer, als er Gründungs-CEO des Unternehmens wurde. Er hatte bereits einige Start-ups in verschiedenen Branchen gegründet, von Software bis Halbleiter. Kurz vor Desktop Metal hatte er das führende Zulieferunternehmen für Lithium-Ionen-Akkus gegründet, was ihn mit einigen Materialwissenschaftlern des MIT zusammenbrachte. In der Zusammenarbeit entstand der Kern des intellektuellen Eigentums von Desktop Metal. Sie brachte auch einige der Mitgründer ins Spiel, wie CTO Jonah Myerberg.
Wenn Ihnen schon sieben Co-Founder wie eine Menge erscheinen, werfen Sie einmal einen Blick auf Alibaba, das chinesische Start-up, das zum Megaunternehmen wurde und das technisch gesehen 18 Co-Founder hat. Jack Ma, der Gründungs-CEO, ist der bekannteste von ihnen, aber er brachte das Unternehmen gemeinsam mit 17 anderen an den Start – eine Kombination aus Kollegen, Freunden, Studenten und Unternehmern, die Expertise in Banking, Journalismus und anderem mit sich brachte. Die breit angelegte Diversität der Mitgründer sowie deren Loyalität zum Projekt ist eine der Stärken hinter dem nachhaltigen Erfolg von Alibaba. Viele der Co-Founder haben noch immer Führungspositionen innerhalb des Unternehmens.4
Vielleicht noch wichtiger als die Anzahl der Co-Founder eines Start-ups ist, wie gut sie sich verstehen und wie sie zusammenarbeiten. Ein weiteres interessantes Detail, das ich entdeckt habe, ist, dass bei mindestens 45 Prozent dieser Milliarden-Dollar-Unternehmen die Mitgründer entweder auf dieselbe Schule gegangen waren oder irgendwann im selben Unternehmen gearbeitet hatten. Die Gründer von Datadog, Oliver Pomel und Alexis Lecoq, haben beide an der École Centrale Paris studiert; von dort gingen sie zu IBM und wurden bei drei Start-ups zu Kollegen. In ihrem letzten Unternehmen war Pomel VP of Technology und Lecoq Director of Operations. Sie erkannten, dass das operative Team und das Entwicklungsteam enger zusammenarbeiten mussten, also überlegten sie sich, einen Service für operative Teams anzubieten, sodass diese Server und Datensammlungen im Blick behalten konnten. Die beiden hatten also bereits eine längere Phase der Zusammenarbeit hinter sich, bevor sie sich allein abkoppelten und 2010 mit Datadog starteten. Neun Jahre später bewertete ein IPO das Unternehmen mit mehr als zehn Milliarden Dollar. Die Gründer von Flipkart, der indischen E-Commerce-Webseite, die 2018 von Walmart akquiriert wurde, hatten ganz ähnlich zusammen am Indian Institute of Technology Delhi studiert und etwa ein Jahr lang für Amazon gearbeitet, bevor sie sich abkoppelten und gemeinsam ein Unternehmen gründeten.
Co-Founder tun sich leichter, wenn die Verantwortungsbereiche klar aufgeteilt sind, wenn es von Anfang an eine eindeutige Entscheidung gibt, wer der CEO ist, und wenn sie gut miteinander kommunizieren können. »Einer der größten Gründe für Streit unter den Gründern ist, dass es viele Überlappungen bei den Rollen oder Entscheidungsbereichen gibt, oder dass alle denken, sie seien verantwortlich oder sollten die letzten Entscheidungen treffen«, erzählte mir Elad Gil, ein erfolgreicher Start-up-Gründer und Business Angel. Co-Founder beginnen vielleicht in einträchtiger Freundschaft, aber wenn eine harte Entscheidung getroffen werden muss, um die Richtung des Unternehmens festzulegen, ist es essenziell, dass feststeht, wer von ihnen der Entscheidungsträger ist. »Allgemein glaube ich, dass die größten Unternehmen solche sind, wo zumindest einer der Gründer der dominantere ist«, sagte Gil. »Und zwar, weil man eine einzelne Vision braucht, um bestimmte Risiken einzugehen und einen bestimmten Weg einzuschlagen, um als Unternehmen erfolgreich zu sein.«
Denken Sie daran, dass »Mitgründer« keine operative Rolle ist, dass die Tatsache, wie viele Sie davon haben, keinen Einfluss auf Ihren Erfolg hat. Ich habe schon erlebt, dass manche Gründer anderen Gründungsmitgliedern den Titel des Co-Founders verweigerten, weil sie fälschlicherweise annahmen, dass die meisten erfolgreichen Unternehmen genau zwei Mitgründer hätten. Gehen Sie es also ruhig allein an, wenn Sie die nötigen Fähigkeiten besitzen, oder vergeben Sie den Titel Co-Founder an manche oder alle Mitglieder des Anfangsteams, wenn Sie so für gute Mitarbeiter attraktiver werden, aber sorgen Sie gleichzeitig dafür, dass das Management und die Entscheidungsfindung schlank bleiben.
Gründungs-CEOs wie Langley Steinert von CarGurus und Guy Haddleton von Anaplan brachten einen wirtschaftlichen Hintergrund in ihre Unternehmen ein, keinen technischen. Andere Unternehmen, wie Google, wurden von Gründern mit technischen Fähigkeiten auf den Weg gebracht. Gründer mit technischen Kenntnissen sind im Allgemeinen Ingenieure oder Programmierer, die programmieren, Webseiten erstellen, Apps bauen oder auf andere Weise das Produkt des Unternehmens herstellen können. In meiner Arbeit definiere ich den »technischen Gründer« als eine Person mit genügend technischen Fähigkeiten, um das ursprüngliche Produkt selbst herzustellen – dadurch erweitere ich die übliche Definition des technischen Gründers über das reine Programmieren hinaus – wie ein Chemiker oder ein Biologe in einem Pharmazie-Start-up, oder ein Maschinenbauingenieur in einem Unternehmen für Flugzeugbau. Ich konnte so vom Berufsweg und Bildungshintergrund eines Gründers her Rückschlüsse auf dessen technische Fähigkeiten ziehen. Wenn jemand zum Beispiel immer im Marketing oder in der Unternehmensentwicklung gearbeitet hat, ist er wahrscheinlich ein nichttechnischer Gründer, aber wenn er in der Konstruktion oder im Technikbereich tätig war oder einen wichtigen technischen Bereich erforschte, stufe ich ihn als technischen Gründer ein. Dennoch müssen wir dabei berücksichtigen, dass wir eventuell manche technisch Veranlagten übersehen, besonders jene, die sich selbst das Codieren beigebracht haben, aber vor dem Start-up niemals in einem technischen Beruf gearbeitet haben, oder jene, für die das Start-up ihr erster Job war.
Ob es besser ist, einen technischen oder einen nichttechnischen CEO zu haben, ist eine prominente Debatte in der Startup-Welt. Manche halten die technische Expertise für einen Unternehmensleiter für unabdingbar, andere halten Geschäftssinn für wichtiger und glauben, dass ein Ingenieur kein Unternehmen leiten könne. Gemäß den Daten sind jedoch beide Ansätze gleichermaßen wertvoll.
Die Gründungs-CEOs der Milliarden-Dollar-Start-ups teilen sich hier genau in der Mitte: 50,5 Prozent hatten einen wirtschaftlichen Hintergrund, 49,5 Prozent einen technischen. Bei der Position nach dem CEO war es wahrscheinlicher, dass diese Person ein Techniker war. Über 70 Prozent der CxOs von Milliarden-Dollar-Start-ups waren Techniker und hatten typischerweise die Rolle des Chief Technology Officer oder, im Gesundheitswesen, des Chief Scientific Officer, inne. In der Zufallsgruppe der Start-ups waren 40 Prozent der CEOs Techniker und 60 Prozent Nichttechniker. Das deutet darauf hin, dass es bei Milliarden-Dollar-Unternehmen etwas wahrscheinlicher war, dass sie einen technischen Gründungs-CEO hatten.
Und dennoch wurden eine Menge Milliarden-Dollar-Unternehmen von nichttechnischen CEOs gegründet. Ein Beispiel dafür ist Melanie Perkins, die die Software für das Grafikdesign-Programm Canva schuf, ohne zu wissen, wie man programmiert. Perkins hatte gesehen, dass sich viele Menschen mit professionellen Programmen wie InDesign oder Photoshop herumquälten, um Flyer, Poster oder Präsentationen selbst zu gestalten. Mit Canva wollte sie einfach zu bedienende Tools und Vorlagen mit gleich hoher Design-Qualität anbieten. Sie und ihr Mitgründer Cliff Obrecht hatten diese Vision. Als sie merkten, dass sie die Software entwickeln mussten, holten sie sich Cameron Adams, einen Ex-Googler, als technischen Mitgründer ins Boot.
Es mag im ersten Moment intuitiv wirken, dass ein Unternehmen, um die besten Chancen auf Erfolg zu haben, je einen technischen und einen betriebswirtschaftlichen Gründer haben sollte. Schließlich brauchte Jobs, der Unternehmensvisionär, einen Wozniak, um die Computer zu bauen. Doch die Daten zeigen etwas anderes: Wenn ein Gründer kein Techniker war, bestand eine höhere Chance, dass der zweite Gründer ebenfalls keiner war. Das kommt vielleicht daher, dass Techniker-Gründer mit anderen Technikern befreundet sind, studieren oder zusammenarbeiten, und mit diesen dann auch ein Unternehmen gründen. Betriebswirtschaftler-Gründer tun dasselbe mit ihren Freunden aus dem Wirtschaftsbereich. Jedenfalls scheinen sowohl Techniker als auch Nichttechniker als Gründer in etwa gleich oft Milliarden-Dollar-Ergebnisse zu erzielen.
CEOs und CXOs von Milliarden-Dollar-Start-ups waren mit höherer Wahrscheinlichkeit Techniker im Vergleich zur Zufallsgruppe, dennoch waren immerhin die Hälfte der Gründer von Milliarden-Dollar-Start-ups keine Techniker.
Manche Start-ups schaffen es auch mit zwei gleichen Gründern, zwei Technikern oder zwei Nichttechnikern. Lyft, das sich vor seiner Umstrukturierung Zimride nannte, wurde von zwei nichttechnischen Gründern gestartet. Logan Green, der CEO, begann mit dem Unternehmen, kurz nachdem er seinen Bachelor-Abschluss in Betriebswirtschaft an der University of California, Santa Barbara, gemacht hatte. Sein Co-Founder, John Zimmer, hatte einen Abschluss in Hotelmanagement von der Cornell. Beide sahen schon früh das Potenzial für Mitfahrgelegenheiten. Green hatte zwar programmieren gelernt und war in der Lage, die ersten Prototypen zu bauen, aber sie mussten dann doch sowohl erfahrene als auch Nachwuchsingenieure mit ins Boot holen, um die komplizierten Backend-Systeme zu entwickeln, die für Mitfahrdienste erforderlich sind.
Andererseits wurde Coinbase, eine der ersten Plattformen zum Wechseln von Kryptowährungen, von zwei Techniker-Gründern gestartet. Brian Armstrong und Fred Ehrsam hatten beide einen Bachelor in Computer- und Wirtschaftswissenschaften gemacht; Armstrong machte weiter bis zum Master in Computerwissenschaften. Bevor sie Coinbase gründeten, hatte Armstrong als Software-Ingenieur bei Airbnb gearbeitet und Ehrsam als Trader bei Goldman Sachs. Ihre vertieften Kenntnisse sowohl in Technologie als auch den Finanzmärkten verliehen ihnen die nötigen Fähigkeiten, um Coinbase aufzubauen, das bei seinem Börsengang mit acht Milliarden Dollar bewertet wurde. Und weil Armstrong zuvor ein Onlineunternehmen für Nachhilfe gegründet hatte, bei dem er der CEO gewesen war, hatte er die entscheidende Führungserfahrung, um auch das operative Geschäft von Coinbase zu leiten.
Co-Founder können nützlich sein, aber Wagniskapital-Investoren scheuen sich davor, in Unternehmer zu investieren, deren Co-Founder Familienmitglieder oder Ehepartner sind. Es erscheint einfach zu riskant. Die Unternehmensführung sei schon hart genug, auch ohne dass man sich mit persönlichen Gefühlen oder familiären Problemen herumschlagen müsse. Dieses Vorurteil ist so stark, dass manche Wagniskapital-Unternehmen Start-ups, deren Gründer einer Familie angehören, automatisch übergehen, ohne sich den Pitch anzusehen. Suchen Sie einmal im Internet danach und Sie werden viele Einträge finden, in denen Gründer genau diese Frage stellen.
Viele Gründer sind besorgt, wie die Investoren reagieren könnten, wenn sie mit ihren Co-Foundern verwandt sind.
Die Datenmenge über Gründer aus einer Familie ist gering, deshalb treffe ich keine statistische Aussage darüber, ob dieses Vorurteil stimmt oder nicht. Mehrere Beispiele zeigen jedoch, dass diese Hypothese nicht ganz korrekt ist. Auch wenn die meisten Milliarden-Dollar-Unternehmen nicht von Paaren oder Familienmitgliedern gegründet wurden, gibt es doch ein paar bemerkenswerte Ausnahmen. Das bekannteste Beispiel aus jüngerer Zeit ist Stripe, der Online-Bezahldienst der Brüder John und Patrick Collison. SolarCity, das Unternehmen für Solarenergie-Services, wurde ebenfalls von zwei Brüdern gegründet: Lyndon und Peter Rive. Tanium, ein Einhorn für Cybersicherheit, wurde von einem Vater-Sohn-Gespann gegründet. Diane Greene und Mendel Rosenblum, die Gründer von VMware, waren seit Jahren verheiratet, als sie ihr Unternehmen für Cloud-Computing starteten. Das Unternehmenssoftware-Unternehmen Anaplan wurde ebenfalls von einem Ehepaar gegründet: Guy und Susie Haddleton. Houzz und Eventbrite wurden beide von Paaren gegründet, die von ihrem Eheleben inspiriert worden waren: Adi Tatarko und Alon Cohen launchten Houzz als Hilfe bei den eigenen Renovierungsplänen, und Julia und Kevin Hartz hatten die Idee zu Eventbrite während der Planung ihrer eigenen Hochzeit. Da das Vorurteil gegenüber verwandten oder verheirateten Co-Foundern tatsächlich besteht, sollten Gründer, die sich in dieser Situation befinden, damit gegenüber Investoren ganz offen und transparent auftreten und ein klares Protokoll vorlegen, wie mit Konflikten oder zukünftigen Unternehmensproblemen umgegangen werden wird.
Es besteht zwar keine Korrelation zwischen dem Alter eines Gründers und der Wahrscheinlichkeit, dass er ein Milliarden-Dollar-Unternehmen gründet, aber das Alter spielt dennoch eine Rolle für den Werdegang eines Unternehmers. So wie bei Henrique Dubugras und Pedro Franceschi, die jeweils 21 und 20 Jahre alt waren, als sie Brex ins Leben riefen, ein Finanzdienstleistungsunternehmen, das anderen Unternehmen Geschäftskreditkarten und Cash-Management-Konten anbietet. Sie gehören in meiner Datensammlung zu den jüngsten Gründern von Start-ups, die mit über einer Milliarde Dollar bewertet wurden. Ich habe mich mit Henrique im Büro des Unternehmens in San Francisco getroffen, um mir seine Geschichte anzuhören. Hier erklärt er nun in seinen eigenen Worten, inwiefern sein Lebensalter seinen unternehmerischen Weg beeinflusst hat.