Verlag C.H.Beck
Bei der Schlacht im Teutoburger Wald, die auch als «Varusschlacht» in die Geschichte eingegangen ist, wurden im Jahre 9 n. Chr. drei römische Legionen in einem germanischen Hinterhalt vernichtet. In den drei Jahrzehnten vor dieser Niederlage hatten die Römer Militäranlagen am Rhein errichtet, ins rechtsrheinische Germanien ausgegriffen und auch dort Stützpunkte angelegt. Die Anzeichen – wie etwa die Gründung ziviler Siedlungen – mehrten sich, daß aus Germanien bald eine Provinz werden sollte. Doch auch nach der für Rom katastrophal verlaufenen Varusschlacht engagierte sich das Imperium militärisch weiterhin im Gebiet rechts des Rheins; diese Bemühungen hielten noch bis zum Abzug ihres Feldherrn Germanicus an, der erst im Jahre 16 n. Chr. und nur auf Befehl des Kaisers Tiberius von seinen Versuchen abließ, die Germanen zu unterwerfen.
Günther Moosbauer bietet in seinem Buch einen sehr gut lesbaren Überblick über den für jeden historisch Interessierten spannenden Verlauf der römischen Okkupationsversuche und erläutert insbesondere, welche archäologischen Spuren diese Vorgänge hinterlassen haben. Ein Schwerpunkt der Darstellung liegt auf dem Schlachtfeld in Kalkriese, das der Autor im Kontext der Varusschlacht verortet. Zentrale Kapitel sind ferner den Protagonisten der Auseinandersetzungen gewidmet – dem römischen Heer sowie den germanischen Stämmen.
Günther Moosbauer ist ein vielfach ausgewiesener Spezialist auf dem Forschungsfeld der Varusschlacht. Er war als Professor für Archäologie der Römischen Provinzen an der Universität Osnabrück wissenschaftlich-archäologischer Verantwortlicher für das Projekt «Archäologische Erforschungder Zeugnisse spätaugusteischer Militäroperationenim Engpaß von Kalkriese bei Bramsche, Lkr. Osnabrück». Heute leitet er das Gäubodenmuseum in Straubing.
1. Vorwort
2. Die römische Rheinarmee: Legionäre und Auxiliare
3. Die Germanen
4. Der Beginn der Auseinandersetzungen zwischen Römern und Germanen
5. Erste gesicherte Militäranlagen am Rhein
6. Der Alpenfeldzug
7. Das rechtsrheinische Germanien: Erste Offensiven und erste Militäranlagen
8. Verstärkte römische Präsenz in Germanien
9. Ein aufgegebenes Unternehmen
10. Erste Schritte auf dem Weg zur römischen Provinz
11. Die Varusschlacht
12. Die Ausgrabungen von Kalkriese
13. Reaktionen auf die Varusniederlage und die Zeit der Feldzüge des Germanicus
14. Römische Funde in Germanien
15. Ausblick
16. Zur Rezeption der Varusschlacht
Anhang
Erstaunliche archäologische Befunde und Funde im rechtsrheinischen Germanien haben in den letzten Jahrzehnten aufhorchen lassen. Besonders in Hessen konnten neue Militäranlagen der augusteisch-tiberischen Zeit (die Jahrzehnte um Christi Geburt) und mit Waldgirmes eine große Stadt mitten im Barbaricum nachgewiesen werden; aber auch in Baden-Württemberg, Bayern und der Slowakei lassen neue Entdeckungen die Okkupationszeit – die Epoche, in der die Römer Teile Germaniens besetzten und dauerhaft unter ihre Kontrolle zu bringen suchten – in einem anderen Licht erscheinen. In Nordrhein-Westfalen fanden in teils bereits lange bekannten Militäranlagen weiterführende Grabungen statt und an der Porta Westfalica stieß man auf überraschende Hinweise auf ein mögliches Militärlager, wie allerdings vorerst nur Pressemeldungen zu entnehmen ist: Daniel Bérenger danke ich für erste Informationen zu diesem Fundplatz. Auch im südlichen Landkreis Göttingen in Niedersachsen konnten neue römische Militäranlagen erforscht werden; die Forschungen am spektakulären römisch-germanischen Kampfplatz in der Kalkrieser-Niewedder Senke im Osnabrücker Land, der mit der Varusschlacht in Verbindung gebracht wird, führten zu einer erneuten intensiv und auch medial geführten Diskussion um deren Lokalisierung. Die Varusschlacht jährt sich 2009 zum zweitausendsten Mal. Dieses Erinnerungsdatum bietet Grund genug, all die neuen Entdeckungen in einer Überblicksdarstellung zusammenzufassen, um die römische Politik von der Ankunft der Römer am Rhein bis zur Abberufung des Feldherrn Germanicus 16 n. Chr. lebendig werden zu lassen. Da bereits eine ganze Reihe von nicht zuletzt historisch ausgerichteten Publikationen zu diesem Thema erschienen ist bzw. im Jahr 2009 noch erscheinen wird, soll in diesem Band bewußt ein Schwerpunkt auf die Archäologie der Okkupationszeit gelegt werden. Hilfreich war die Möglichkeit, auf die teils rasch publizierten Grabungs- und Forschungsergebnisse von Kollegen wie Armin Becker, Klaus Grote, Johann-Sebastian Kühlborn, Martin Pietsch, Gabriele Rasbach, Werner Zanier und Wolfgang Ebel-Zepezauer zurückgreifen zu können. Die historischen Probleme, die sich im Kontext der römischen Germanienpolitik stellen, wurden mir in zahlreichen äußerst kritisch geführten Diskussionen mit Rainer Wiegels während der letzten Jahre bewußt. Mein ganz besonderer Dank gilt meinen Kollegen in Kalkriese und an der Universität Osnabrück Joachim Harnecker, Susanne Wilbers-Rost und Achim Rost, die mich bei Fragen und Korrekturen immer wieder hilfreich unterstützten. Nicht zuletzt danke ich Stefan von der Lahr, dem Lektor des Verlages C.H.Beck, der dieses Buchprojekt angeregt und sein Entstehen begleitet hat.
Zur Zeit von Kaiser Augustus umfaßte das römische Heer 28 Legionen: Sie waren die Kernverbände der römischen Militärmacht. Ihre Angehörigen rekrutierten sich allein aus römischen Bürgern, deren Dienstzeiten, Besoldung und Entlassungsbedingungen seit augusteischer Zeit rechtlich geregelt waren. Der Dienst im Heer bot gute Verdienstmöglichkeiten und die Chance auf sozialen Aufstieg. Deshalb finden sich in den Legionen häufig Bewohner solcher Gebiete, die noch nicht vor allzu langer Zeit das römische Bürgerrecht verliehen bekommen hatten. In den germanischen Heeren lassen sich etwa neben Bürgern aus Oberitalien auch solche aus Gallien und Hispanien aufgrund ihrer Grabinschriften identifizieren.
Die Rheinarmee, über die Varus verfügen konnte, bestand aus fünf Legionen. Nach der Niederlage des Varus stockte Tiberius dieses Heer auf acht Legionen auf und teilte das Oberkommando der Rheinarmee in zwei gleichgestellte Befehlsgewalten über jeweils ein Vierlegionenheer. Der Legat des niedergermanischen Heeresbezirkes (exercitus Germanicus inferior) residierte zuerst in Vetera/Xanten, später in Colonia Claudia Ara Agrippinensium/Köln. Der Legat des obergermanischen Heeresbezirkes (exercitus Germanicus superior) hatte seinen Sitz in Mogontiacum/Mainz. Mit Aulus Caecina (Niedergermanien) und C. Silius (Obergermanien) kennen wir die ersten Legaten dieser beiden Heeresbezirke. In Köln-Alteburg war ferner seit der Zeit des Kaisers Tiberius eine römische Rheinflotte stationiert, deren Lager mittels umfangreicher Grabungen archäologisch erforscht werden konnte.
Die Sollstärke einer Legion betrug zwischen 5000 und 6000 Soldaten. Sie war untergliedert in zehn cohortes (Kohorten) und vier turmae (Reitereinheiten). Die Reiterei, vier turmae von jeweils 30 Mann, übernahm vor allem Kurier- und Überwachungsdienste. Die Kohorten umfaßten jeweils rund 500 Mann schwere Infanterie. In der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. wurde die 1. Kohorte zur Doppelkohorte mit ca. 1000 Soldaten vergrößert. Eine Kohorte bestand aus sechs Centurien, von denen jeweils zwei zu einem Manipel zusammengefaßt waren. Eine centuria umfaßte wiederum zehn Zeltgemeinschaften (contubernia) aus je acht Fußsoldaten. Insgesamt betrug die Sollstärke der Centurie also etwa 80 Mann. Die Soldaten einer Zeltgemeinschaft verfügten über ein Lederzelt, eine Handmühle und ein Maultier zum Tragen des Gepäcks. Für dieses Maultier war ein mulio zuständig, der nicht zur kämpfenden Truppe gehörte. Befehligt wurde eine Centurie vom centurio, dessen Stellvertreter der optio war. Der centurio verfügte über ein eigenes Tragetier, vielleicht ein Reitpferd, ein eigenes Zelt, einen Burschen und vermutlich einen Sekretär (librarius). Zu jedem Manipel gehörten darüber hinaus ein signifer (Feldzeichenträger), ein cornicen (Hornbläser) und ein tubicen (Trompeter). Über die einfachen Soldaten hinaus umfaßte eine centuria also auch die Dienstgrade und nicht kämpfendes Personal. Man muß für eine centuria deshalb mit rund 20 weiteren zugehörigen Personen rechnen. Hinzu kommen nach Junkelmann etwa 13 Tragetiere und vielleicht ein Reittier. Eine centuria führte vermutlich auch ein leichtes Torsionsgeschütz mit sich; da aus Kalkriese größere Geschoßspitzen vorliegen, möchte man ein solches auch schon für augusteische Zeit annehmen. Der aus zwei Centurien bestehende Manipel wurde vom ranghöheren der beiden Centurionen kommandiert. Den Oberbefehl über die Legion hatte ein aus dem Senatorenstand stammender legatus legionis inne, dessen Stellvertreter ein ebenfalls senatorischer Militärtribun (tribunus laticlavius) und ein Lagerpräfekt (praefectus castrorum) aus dem Ritterstand waren. Den Stab einer Legion bildeten fünf Militärtribunen aus dem Ritterstand (tribuni augusticlavii); sie konnten vexillationes (Abteilungen) einer Legion leiten. Die Legionsführung verfügte zusätzlich über rund 200 Chargen, das heißt Unteroffiziere und Soldaten, die etwa mit Verwaltungs-, Polizei-, Bau-, handwerklichen, technischen und medizinischen Aufgaben beschäftigt waren. Für den umfangreichen Troß der Legionsführung war darüber hinaus eine große Anzahl von Maultiertreibern und weiteren Personals notwendig.
Die römischen Legionssoldaten waren mit der kurzärmeligen, bis zu den Knien reichenden Tunika und dem sagum (Militärmantel), einem an einer Seite mit Fransen besetzten, großen, rechteckigen Wolltuch, bekleidet. Die Auxiliarsoldaten, insbesondere die Reiter, trugen dagegen häufig Kniehosen; ihre Tunika war aus diesem Grund dann wesentlich kürzer geschnitten. Als Schuhwerk dienten spezielle Sandalen, die caligae. Die dicken, aus mehreren Lederlagen bestehenden Sohlen dieser Sandalen waren mit einer Vielzahl von Eisennägeln (ca. 80 bis 90 pro Sandale) beschlagen. Die oberste Sohle war zugleich das aus einem einzigen Stück geschnittene Oberleder mit einer Vielzahl von Laschen, mit Hilfe derer die Sandalen mit einem langen Riemen zusammengeschnürt werden konnten. Bei Kälte umwickelte man die nackten Unterschenkel mit tibialia, einer Art Gamaschen. Über der Tunika trugen die Soldaten ein Kettenhemd (lorica hamata), einen Schuppenpanzer (lorica squamata) oder einen Schienenpanzer (lorica segmentata). Sogenannte Muskelpanzer aus Bronze blieben den höheren Offizieren vorbehalten. Der Schienenpanzer, der insbesondere von Legionären verwendet wurde, bestand aus einem System von raffiniert ineinander geschobenen eisernen Platten und Schienen, die durch eingenietete Riemen und Scharniere beweglich miteinander verbunden wurden. Auf der Vorderseite konnte der Schienenpanzer zum Anlegen auseinandergeklappt werden; zum Verschließen waren an beiden vorderen Hälften Ösen aufgenietet, die durch Riemchen miteinander verbunden wurden. Die Schulterklappen wurden beim Anlegen mittels Scharnieren nach hinten gelegt; aufgenietete Riemen und Schnallen dienten zur Befestigung. Nicht auf die Legionstruppen zu begrenzen sind die Schuppenpanzer, die aus schmalrechteckigen, seitlich gelochten Eisen- oder Bronzeschuppen bestanden, welche auf einer Stoffoder Lederunterlage mit Draht befestigt waren. Die Schuppen überlappten sich vertikal und horizontal, wodurch eine wirkungsvolle Panzerung entstand. Ebenfalls von allen Truppenteilen getragen wurde das bis kurz oberhalb der Knie reichende, aus einem Geflecht von Eisenringen bestehende Kettenhemd, das man sich wie einen Pullover überstreifen konnte. Der Halsausschnitt war daher relativ weit; zum besseren Schutz der deshalb freiliegenden Partien war am Rücken ein mit Leder unterfüttertes U-förmiges Stück Kettenpanzer befestigt, dessen Enden über die Schultern gelegt werden konnten. In einigen Fällen reichten die Schulterstücke sogar bis über die Oberarme. Die Enden der Schulterstücke wurden auf der Brust mittels zweier Haken zusammengehalten. Dazu trugen die Soldaten ein oder zwei mit Bronzeplättchen beschlagene Ledergürtel (cingula), die mit einer Schließe geschlossen werden konnten. An den beiden über Kreuz getragenen cingula befanden sich das Schwert meist auf der rechten und der Dolch auf der linken Seite. Zur Aufhängung der Dolchscheide besaßen die frühen Militärgürtel Knopfschließen. Trug man nur ein cingulum mit dem Dolch, war das Schwert an einem Schulterriemen befestigt. Für Kalkriese sind bereits Beschläge von Lederstreifen belegt, die vom Gürtel herabhingen und wohl am ehesten dem eigenen Prestige dienten. Der Helm bestand aus einer eisernen, wegen des Tragekomforts unterfütterten Kalotte, an der die Wangenklappen an Scharnieren beweglich angebracht waren. In augusteischer Zeit treten vor allem drei Helmtypen auf: Der Typ Hagenau, ein aus Bronze gefertigter Infanteriehelm, steht ganz in italo-etruskischer Tradition. An der halbkugeligen Helmkalotte war vorne eine Stirnleiste angebracht und hinten ein Nackenschutz waagrecht angesetzt. Auf dem Scheitel diente ein aufgesetzter Knauf zur Befestigung des Helmbusches. Helme vom Typ Hagenau wurden zumeist von Legionären verwendet. Eiserne Helme vom Typ Weisenau trugen dagegen wohl anfangs Auxiliare; bald darauf wurden sie dann in den Legionen übernommen. Bei diesem Helmtyp befanden sich auf der Stirnseite der Kalotte stilisierte Augenbrauen, die Ohröffnungen waren weit ausgeschnitten und der Nackenschutz war schräg nach unten angesetzt. Auf dem Scheitel der Kalotte befand sich eine Tülle zur Aufnahme des Helmbuschträgers. Als dritter Helmtyp begegnet im augusteischen Heer der Gesichtshelm. Es handelte sich dabei zu dieser Zeit um teils mit Silberblech überzogene eiserne Masken, die durch Scharniere mit den Helmkalotten verbunden waren. Gesichtshelme kamen bei der Reiterei und bei Feldzeichenträgern zum Einsatz. Zu den Schutzwaffen zählen ferner die Schilde; in augusteischer Zeit waren dies bei den Legionen insbesondere stumpfovale, im Querschnitt gewölbte Typen, die aus mit Leder überzogenem Holz hergestellt waren. In der Mitte besaß der Schild einen halbkugeligen Schildbuckel mit der Fessel, dem Griff, darunter, die Ränder waren mit metallenen Beschlägen verstärkt. Die Schilde der Auxiliarsoldaten waren ähnlich konstruiert, aber etwas kleiner und weniger gewölbt. Die Hauptangriffswaffe des römischen Legionärs war der gladius, ein kurzes und breitklingiges Schwert, das in augusteischer Zeit geschwungene Schneiden besaß (Typ Mainz). Auch die Infanterieeinheiten unter den Hilfstruppen führten den gladius; im Gegensatz dazu trugen die unter den Einheimischen rekrutierten Angehörigen der berittenen Auxilien wohl Langschwerter. Ausschließlich von der Infanterie wurde der pugio (Dolch) geführt. Fast genauso wichtig wie der gladius war für den Legionär das pilum, ein Speer. Beim Pilum saß eine pyramidale Spitze auf einem langen eisernen Stiel mit auslaufender Zunge oder Tülle, die mit dem hölzernen Schaft vernietet war. Die Stoßlanze (hasta) und der Wurfspeer, die beide aus einer blattförmigen Spitze, einer Tülle, einem hölzernen Schaft und einem Schuh zusammengesetzt waren, dürften dagegen wieder eher von den Auxiliareinheiten verwendet worden sein. Die Lanze war insbesondere die Waffe der Reiterei. In den römischen Einheiten waren zudem zu Fuß und zu Pferd Bogenschützen zugegen, die einen aus Holz, Knochen, Horn und Sehnen zusammengesetzten Reflexbogen verwendeten. Häufig läßt sich die Anwesenheit von Bogenschützen nur noch über Pfeilspitzen feststellen, da die Bögen selbst aus vergänglichen Materialien konstruiert waren. Torsionsgeschütze, das heißt durch die Verdrehung von Seilen maschinell gespannte Bögen, dienten zum Verschießen von Geschützpfeilen, deren Bolzen noch häufig im Fundmaterial auftreten; auch Spannbuchsen solcher Geschütze können manchmal noch nachgewiesen werden.
Abb. 1: Mit einem Schienenpanzer ausgerüsteter römischer Legionär
Abb. 2: Mit einem Kettenhemd ausgerüsteter römischer Legionär
Hilfstruppen wurden in großem Umfang in den eroberten Gebieten rekrutiert. Die Kampfkraft und die spezifischen Fähigkeiten der erst seit kurzer Zeit unterworfenen Bewohner wurden so in den Dienst der römischen Armee gestellt. Ihr Einsatz war unter wirtschaftlichen Aspekten günstiger als die teuren Legionen, da sie als Auxiliare weniger Sold empfingen; darüber hinaus wurden die römischen Bürger entlastet. Im augusteischen Heer dürften geringfügig mehr Legionssoldaten zur Verfügung gestanden haben als Auxiliarsoldaten. Unter Tiberius hielt sich die Stärke beider Gruppen wohl etwa die Waage. Zu Beginn, d.h. ab caesarischer Zeit, traten geschlossene, zumeist leicht bewaffnete Auxiliarverbände unter eigener, einheimischer Führung auf. Bis in claudische Zeit erfolgte ein fließender Übergang zu standardisierten Truppengrößen, Rängen und Dienstzeiten. Im augusteischen Gallien und Germanien dürften die Auxilien vielfach aus gallischen und germanischen Stämmen rekrutiert gewesen und als Kavallerie eingesetzt worden sein.
Der Begriff Germania erscheint bei den griechischen und lateinischen Autoren für das Gebiet rechts des Rheins. Besonders Caesar prägte dieses Bild, da er neben Kelten und Skythen mit den Germanen ein drittes Ethnos im Norden Europas einführte. Caesars Abgrenzung von Germanen gegen Kelten war allerdings keine ethnische, sondern eine bloß geographische mit dem Rhein als Grenze. Die Bewohner der rechtsrheinischen Gebiete fühlten sich wahrscheinlich nicht als «Germanen», sondern als Angehörige ihrer Stammesgemeinschaft, also als Chatten, Marser, Brukterer, Cherusker usw.
Die Germania zwischen Rhein und Oder dürfte keinesfalls, wie häufig bei antiken Autoren zu finden, ein dünn besiedeltes, von Bergen und Urwäldern geprägtes Gebiet gewesen sein. Pomponius Mela schildert Germanien folgendermaßen (3,3,29): «Das Land selbst ist durch zahlreiche Flüsse unwegsam, wegen zahlreicher Gebirge rauh und wegen der Wälder und Sümpfe über weite Teile unzugänglich». Auch in Tacitus’ Werk Germania schlägt sich dieses Bild nieder (5,1): «Das Land ist zwar im einzelnen recht unterschiedlich, doch im ganzen gesehen teils durch seine Urwälder schaudererregend, teils durch seine Sümpfe widerlich». Eine ähnliche Vorstellung der landschaftlichen Gegebenheiten vermitteln die antiken Quellen zur Varusschlacht. Die naturwissenschaftlichen und archäologischen Untersuchungen zeigen indes ein anderes Bild. Steuer weist darauf hin, daß die Mittelgebirge von Wäldern bedeckt und große Bereiche der norddeutschen Tiefebene von Mooren durchzogen waren, daß aber dazwischen offene Landschaften mit einem dichten Netz von Siedlungen lagen. Diese Landschaften waren durch ein funktionierendes prähistorisches Wegenetz und die Wasserwege erschlossen. Man muß vor diesem Hintergrund von einer hohen Besiedlungsdichte ausgehen, welche die teils erfolgreichen Aktionen germanischer Gefolgschaften gegen Rom erklärt.
Der Versuch, die literarisch überlieferten Stämme auf archäologischem Weg zu lokalisieren, schlägt fehl. Scharf abgrenzbare Stammesgebiete sind wohl nicht anzunehmen, da diese Stämme eher in personenbezogenen Verbänden als territorial organisiert gewesen sein dürften. Die römischen Umsiedlungsmaßnahmen, etwa die der Ubier durch Agrippa oder einiger Sugambrer durch Tiberius im Jahr 8 v. Chr. ins Linksrheinische, bedingten weitere Verschiebungen. Politische Ereignisse, wie die römischen Feldzüge, dürften zu Wanderungen von Bevölkerungsgruppen und Heerhaufen geführt haben. Die Stämme konnten sich durch Aufnahme neuer Mitglieder um eine Kerngruppe herum erheblich vergrößern und damit auch ihre Kampfkraft wesentlich steigern. Solche Verbände entstanden vor allem dann, wenn starke principes Kriegertruppen zu militärischen Erfolgen führten. Allerdings zerfielen diese Verbände bei Mißerfolgen auch wieder sehr schnell.
Während die germanischen Stämme erstmals von den antiken Autoren benannt und deren Gebiete ungefähr umrissen werden, sind in der Archäologie nur regional verbreitete Kulturgruppen mit unterschiedlicher Trachtausstattung, Siedelweise oder Grabbrauch zu fassen. Kennzeichnend für die rhein-weser-germanische Kultur, die hauptsächliches Ziel der römischen Offensiven war und vom Rhein bis zu den elbgermanischen Siedlungsgebieten reichte, sind praktisch gleiche Keramikformen zwischen Rhein und Weser sowie einfache Brandgrubengräber; im Gegensatz zum elbgermanischen Gebiet fehlen die prunkvollen Fürstengräber. Im Norden fand die rhein-weser-germanische Kultur ihr natürliches Ende am Gürtel der großen Moorgebiete. Für das südliche Niedersachsen und Westfalen liegen für die zweite Hälfte des 1. Jh. v. Chr. Hinweise auf kleine elbgermanisch-suebische Bevölkerungsgruppen vor, die dort einsickerten. Im weiter südlich gelegenen Mittelgebirgsraum kommen stärker keltische Elemente zum Tragen. Eine starke elbgermanische Zuwanderung aus dem Osten ab den letzten Jahrzehnten vor der Zeitenwende läßt sich dort im archäologischen Fundgut fassen.