Holger Dietrich
Der archäologische Führer
Herausgegeben von
Holger Sonnabend und Christian Winkle
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
© 2013 Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt/Mainz
ISBN: 978-3-8053-4603-0
Gestaltung: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau
Umschlaggestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt am Main
Druck: Beltz Druckpartner GmbH Co. KG, Hemsbach
Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:
eBook (PDF): 978-3-8053-4689-4
eBook (epub): 978-3-8053-4690-0
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Vorwort
Einleitung
Die Germanen in den antiken Quellen
Die mediterran geprägte Antike und die Völker im Norden Europas – Ein schwieriges Verhältnis?
„… und man begann mit der Anlage von Städten“: Romanisierung und Romanisation
Kaiser Tiberius und die Feldzüge der augusteischen Zeit
Der Militärstützpunkt Haltern
Die Varusniederlage und ihre Folgen
Köln – Die Kolonie am Altar der Agrippina
Die Stadtmauer
Forum und Kultbauten
Amphitheater, Theater und Zirkus
Das Praetorium
Wohnbebauung
Am Rhein: Hafen, Insel und Brücke
Mainz – Legionslager und Hauptstadt
Die Mainzer Zivilsiedlungen
Domitian und die Provinzwerdung der beiden Germanien
Das 2. Jahrhundert n. Chr. in Mainz
Mainz im 3. Jahrhundert n. Chr.
Der Drusus- oder Eichelstein
Das Theater
Die Große Jupitersäule
Die Römersteine
Das Heiligtum für Isis und Magna Mater in der Römerpassage
Der Dativius Victor Bogen
Das Legionslager und das spätantike Stadttor auf dem Kästrich
Die Schiffe
An der Grenze – Der Limes im Ostalbkreis
Caracallas Feldzug
Das Reiterkastell in Aalen
Freilichtmuseum Rainau-Buch, Schwabsberg
Mauer und Turm im Gewann Mahdholz
Das Kastell Rainau-Buch
Das Bad und der Kastellvicus
Das Limestor bei Dalkingen
Erholung für den Kaiser
Trier – Konstantins spätantike Kaiserresidenz
Zur Geschichte der Stadt an der Mosel
Kultbezirke: Äskulaptempel, Tempelbezirk Altbachtal, Tempel am Herrenbrünnchen
Trier als Kaiserresidenz
Die Porta Nigra
Die Bauten unter dem Dom und der Liebfrauenkirche
Die Palastaula (die sogenannte Basilika)
Die Kaiserthermen
Das Amphitheater
Die Thermen am Viehmarkt
Die Barbarathermen
Die Römerbrücke(n)
Die Speicheranlagen bei St. Irminen
Abwehrkämpfe: Julian und Germanien in der Spätantike
Schlussbetrachtung
Zeittafel
Literatur
Glossar
Abbildungsnachweis
Verschiedenen Personen möchte ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen. Hier ist zunächst Christian Winkle zu nennen, der den Kontakt zum Verlag hergestellt hat und mir ein treuer Berater in inhaltlichen Fragen war. Ein besonderer Dank gilt Constanze Holler vom Verlag Philipp von Zabern, bei der ich mich insbesondere für die geduldige Betreuung herzlich bedanken möchte.
„So lange schon wird Germanien besiegt“ – mit mehr Ironie könnte man die Zeitspanne von 210 Jahren, auf die das Zitat anspielt und in denen sich die römischen Misserfolge im Kampf gegen das rätselhafte Volk aus dem Norden wie an einer Perlenkette aneinanderreihen lassen, kaum umschreiben. Der Ausspruch stammt von keinem Geringeren als Tacitus, dem römischen Geschichtsschreiber, der ohne „Zorn und Eifer“ die Vergangenheit behandeln wollte. In seiner 98 n. Chr. herausgegebenen Schrift Germania blickt er auf die wechsel- und für die Römer oftmals schmerzvollen Erfahrungen mit den Germanen zurück und kommt zu dem niederschmetternden Ergebnis, dass trotz aller in Rom gefeierten Triumphe, Münzdarstellungen von gefangenen Germanen und Siegesbeinamen der Kaiser und Feldherren von einer Unterwerfung der Stämme in den waldreichen Weiten Germaniens keine Rede sein konnte. Seit jeher aber stellen diese Beziehungen einen faszinierenden Forschungsgegenstand dar, und die Archäologie liefert nicht zuletzt dank neuer Methoden und modifizierter Fragestellungen stetig neues Material, das unseren Blick auf die Zeit immer wieder aufs Neue schärft und liebgewonnene Thesen infrage stellen lässt.
Ziel des vorliegenden Bändchens ist es nicht, den in großer Zahl existierenden Darstellungen zur Geschichte Roms und Germaniens eine neue hinzuzufügen. Dies ist allein aus Platzgründen schon nicht möglich und würde auch der Intention der Reihe entgegenlaufen, in der dieses Büchlein erschienen ist.
Gleichwohl möchte das Buch den Blick auf einige ausgewählte Aspekte der Beziehungen Roms zu Germanien lenken. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen einige ausgewählte Beispiele für die Aufenthalte römischer Kaiser in Germanien, sei es in ihrer Funktion als Herrscher oder in einem früheren Karrierestadium als Truppenkommandeur oder Statthalter. Zunächst soll dabei der geographische Raum umrissen werden: Es geht tatsächlich um die Region der römischen Provinzen Belgica, Nieder- und Obergermanien, soweit sich deren Gebiet auf dem Boden des heutigen Deutschland befand, wobei im Kapitel Caracalla und Limes auch ein Ausflug in die römische Nachbarprovinz Raetien eingefügt wird.
Römische Kaiser in Germanien – das Herz kommunaler Marketingstrategen schlägt sogleich höher, wenn sich berechtigte Gründe für die Annahme ergeben, dass ein Kaiser der betreffenden Gemeinde vor rund 1.800 Jahren einen Besuch abstattete. Zu deren Enttäuschung muss allerdings gesagt werden, dass es im Einzelfall nicht immer leicht möglich ist, einen tatsächlichen Aufenthalt des höchsten Repräsentanten des römischen Reiches in unseren Gefilden sicher nachzuweisen. Oftmals kann über einen Aufenthalt oder die Durchreise nur spekuliert werden. In vielen Fällen ist man auf Hypothesen angewiesen, denen durchaus begründete Indizien zugrunde liegen mögen.
Es liegt nahe, bei möglichen Aufenthaltsorten des höchsten Repräsentanten des Reiches zunächst an die Hauptstädte der Provinzen zu denken. Daher stehen die Städte Köln, Mainz und Trier im Mittelpunkt des Buches. Exemplarisch soll aber auch auf den Feldzug Caracallas eingegangen werden, der ihn und seine Truppen an den Limes im Ostalbkreis führte. Vor diesem Hintergrund werden die jeweiligen archäologischen Befunde und Denkmäler der betreffenden Orte kurz dargestellt.
Zunächst soll dabei, nach einigen Gedanken über die mitunter schwierigen Beziehungen zwischen Rom und dem Norden, das Augenmerk auf die Zeit der römischen Okkupation unter Augustus und seinem Nachfolger Tiberius, der lange Zeitabschnitte seiner militärischen Karriere in Germanien verbrachte, gerichtet werden. Daraufhin konzentriert sich die Darstellung auf die Städte Köln, Mainz und Trier, in denen sich immer wieder die Reichsgeschichte in der regionalen Historie spiegelte. Ein Ausflug an den Limes im heutigen Baden-Württemberg versucht den Feldzug Kaiser Caracallas auf römischem Gebiet nachzuzeichnen. Abschließend werden exemplarisch einige Maßnahmen spätantiker Kaiser gegen die immer bedrohlicher erscheinenden Plünderungszüge germanischer Stämme geschildert.
Anfang des 15. Jahrhunderts stieß im Kloster Hersfeld in der Nähe von Fulda ein Mönch auf ein Kompendium vergessener antiker Schriften. Darunter befand sich die berühmte Schrift Über den Ursprung und die geographische Lage der Germanen, oft kurz nur Germania genannt, die der römische Schriftsteller Tacitus um 98 n. Chr. verfasst hatte. Darin gab er den Wissensstand seiner Zeit über die Völkerschaften nördlich der Alpen wieder. Allerdings beruhten seine Erkenntnisse teilweise auf Erfahrungen, die schon einige Jahre zurücklagen. Bei der Lektüre sollte man sich die Motive vor Augen halten, die den antiken Schriftsteller dazu bewogen, die Schrift abzufassen. Es ging ihm nicht um eine wissenschaftlich exakte und systematische Darstellung der Germanen als ein für die Römer fremdes Volk. Vielmehr scheint durch das Werk die Absicht durch, seinen römischen Zeitgenossen einen Spiegel vorzuhalten und sie über den Umweg der primitiv erscheinenden Germanen an ihre eigene heroische Frühzeit zu erinnern und gleichzeitig an eine Rückkehr zu alten römischen Tugenden zu mahnen.
An einer Stelle berichtet er über die Vorstellung, auch Odysseus habe in Germanien Station gemacht, eine Vorstellung, die offenbar verbreitet war, an die er aber selbst nicht so recht glauben mochte:
„Manche glauben aber, auch Odysseus sei auf seiner berühmten, langen und sagenhaften Irrfahrt in diesen Teil des Ozeans verschlagen worden und habe Germaniens Länder besucht; Asciburgium, das, am Ufer des Rheins gelegen, auch heute noch bewohnt ist, sei von ihm gegründet und benannt worden. Ja, sogar ein Altar, der von Odysseus geweiht worden sei, wobei er auch den Namen seines Vaters Laertes hinzugesetzt habe, sei an ebendem Ort vor langer Zeit gefunden worden, und einige Denkmäler und Grabhügel, die Inschriften in griechischen Buchstaben trügen, gebe es heute noch im Grenzgebiet zwischen Germanien und Rätien. Diese Erzählungen beabsichtige ich weder durch Begründungen zu bestätigen noch zu widerlegen; ein jeder mag seiner Überzeugung folgen und sie für falsch oder wahr halten. “
(Tacitus, Germania 3, 3–4, Übers. Alfons Städele)
Der hier erwähnte Ort Asciburgium ist möglicherweise mit dem heutigen Asberg in der Nähe der Mündung der Ruhr in den Rhein identisch. Die Passage spiegelt den niederrheinischen Trojamythos wider, der besagt, dass die geflohenen Trojaner auch in der Gegend von Xanten gelandet sein sollen. Selbstverständlich entbehrt dieser Mythos jeder historischen Grundlage, doch ist er andererseits ein Anzeichen dafür, dass man sich der Bedeutung einer möglichst alten und ehrwürdigen Herkunft für die eigene Identität durchaus bewusst war und daraus die Abstammung von Troja konstruierte.
Da weder Kelten noch Germanen eine der mediterranen Antike vergleichbare Schriftkultur entwickelt hatten, sind wir aufgrund fehlender Selbstzeugnisse auf die Berichte antiker Autoren angewiesen. Die aus der Fremdsicht gewonnenen Kenntnisse bedürfen allerdings einer kritischen Betrachtung und sorgfältigen Abgleichung mit den aus der Archäologie gewonnenen Selbstzeugnissen.
Tatsächlich entwickelte sich die Vorstellung von den Völkern nördlich der Alpen in kleinen Schritten. Die griechischen Autoren Herodot oder Hekataios von Milet aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. sprachen von Kelten, die im Westen Europas lebten, und grenzten diese von den Skythen im Osten ab. Generell machten sich die Griechen von den Nordvölkern ein umso fantasiereicheres Bild, je weiter diese von bekannten Ländern entfernt lebten. Pferdefüßige Hippopoden, Sumpfvogeleier verzehrende Oenonen oder etwa die Panuatier, die als Kleidung lediglich ihre großen Ohren benutzten sind signifikante Beispiele für die ausgeprägte Vorstellungskraft griechischer Schriftsteller, gleichzeitig aber auch für den Grad der Unwissenheit über die Lebensumstände der betroffenen Menschen. Reste dieser fantastischen Vorstellungen hielten sich bis in spätere Zeit, wenn beispielsweise ein Caesar von elchähnlichen Tieren berichtet, die angeblich aufgrund fehlender Kniegelenke im Stehen an Bäume gelehnt schliefen. Dadurch wurden sie für die Jäger zu einer leichten Beute, wenn diese nämlich die betreffenden Bäume vorher ansägten, die Tiere somit zu Fall brachten und die wehrlosen Kreaturen dann leicht töten konnten.
Der Seefahrer Pytheas von Marseille fuhr um 320 v. Chr. an den Küsten Spaniens und Frankreichs entlang nach Norden, umrundete England und gelangte wohl bis vor Jütland. Er hat, das geht aus seinen fragmentarisch erhaltenen Schriften hervor, wahrscheinlich erstmals Germanen beschrieben, jedenfalls erwähnt er die Guionen und Teutonen. In den aus dem Beginn des 1. Jahrhunderts v. Chr. stammenden Schriften des Universalgelehrten Poseidonios von Apameia in Syrien ist die Verwendung des Begriffs Germanen erstmalig sicher belegt. Er beschreibt die Germanen als Menschen, die
„zum Frühstück Fleischstücke (essen), welche gliedweise gebraten sind; dazu trinken sie Milch und ungemischten Wein. “
(Poseidonios, Fragmente der griech. Historiker 87F22,
Übers. nach Reinhard Wolters)
Mit dem Hinweis auf die barbarische Sitte, Wein pur zu trinken und Milch sowie Fleisch zum Frühstück zu sich zu nehmen, bewegt sich Poseidonios ganz auf der Linie anderer antiker Schriftsteller. Man vergleiche damit nur die homerische Erzählung über den einäugigen Zyklopen Polyphem, der so lange ungemischten Wein trank, bis er im Rausch einschlief und dann von Odysseus geblendet wurde. Bei den von Poseidonios beschriebenen Germanen dürfte es sich um Gruppen gehandelt haben, die im niederrheinischen Flachland lebten.
In seinen Kommentaren über den Gallischen Krieg liefert Caesar etliche detaillierte Informationen zu keltischen und germanischen Stämmen. Auf Gaius Julius Caesar ist auch die Vorstellung vom Rhein als Grenze zwischen Kelten und Germanen zurückzuführen. In langen und wechselvollen Kämpfen war es dem römischen Feldherrn gelungen, ganz Gallien unter römische Herrschaft zu bringen. Ende 51 v. Chr. standen 10 Legionen und etliche Hilfstruppen in den drei gallischen Provinzen, zusammen an die 50.000 Mann. Zweimal, 55 und 53 v. Chr., überschritt Caesar den Rhein und demonstrierte damit die Macht und das Potenzial römischer Militärtechnik. An welchem Ort dieser Brückenschlag, der sicherlich abschreckende Wirkung auf die jenseitig des Flusses lebenden Menschen hatte, stattfand, lässt sich nicht exakt bestimmen; favorisiert wird eine Stelle im Neuwieder Becken südlich von Bonn, in Reichweite der rechts des Rheins siedelnden Ubier.
Hier scheint bereits ein Grundprinzip römischer Politik gegenüber den Germanen durch: Vorrang hatte die Sicherung der eroberten gallischen Gebiete, das Ausgreifen auf Gebiete rechts des Rheins diente vorwiegend der Abschreckung und dem Fernhalten germanischer Horden. Vor diesem Hintergrund wird auch die von Caesar vorgenommene Einteilung der Menschen in Gallier, die vorwiegend links des Rheins anzutreffen seien, und Germanen, die überwiegend auf der anderen Rheinseite lebten, nachvollziehbar. Nur Gallier gehörten zu den römischen Provinzen, von einer Eroberung Germaniens war abzusehen.
Aus archäologischer und kulturhistorischer Sicht wirft Caesars Unterscheidung, die immerhin bis in die Neuzeit Gültigkeit für sich beanspruchen konnte, zahlreiche Probleme auf. Es ist erwiesen, dass auch rechts des Rheins keltische Gruppen lebten, während Germanen durchaus auch links des Flusses anzutreffen waren. So muss man eher von einem Nord-Süd-Gefälle als einer West-Ost-Unterscheidung ausgehen. Waren am Ober- und Mittelrhein Kelten beiderseits des Rheins zuhause (keltische Funde aus der Latènezeit sind bis ins heutige Böhmen nachgewiesen), so waren am Niederrhein durchaus germanische Gruppen links und rechts des Stroms anzutreffen. Die Treverer beispielsweise werden von Caesar als Gallier mit germanischer Herkunft bezeichnet. Hinzu kommt, dass allein auf der Basis von Funden eine gesicherte Zuordnung der Menschen, die diese hinterlassen hatten, zu ethnischen Gruppen nur schwer möglich ist.
Es bleibt festzuhalten: Caesar traf eine Unterscheidung zwischen Galliern und Germanen, die einerseits auf politischen Gründen basierte. Er musste seinen Zeitgenossen in Rom auf plausible Art und Weise erklären, warum er sich bei seinen Eroberungszügen auf linksrheinisches Gebiet konzentrierte und keinerlei Ambitionen auf der anderen Seite hegte. Andererseits war ihm durchaus bewusst, dass er in Gallien Menschen antraf, die eine differenziertere Sozialstruktur aufwiesen, die hierarchisch stärker gegliedert waren, die arbeitsteilig wirtschafteten und die in Siedlungen lebten, die den römischen Vorstellungen von Städten nahekamen. Insgesamt entsprach ihr Lebensstil im weitesten Sinne römischen Vorstellungen und bewegte sich in Kategorien, die der römischen Denkweise und Vorstellungswelt entsprachen. Die von Caesar als Germanen bezeichneten Völker und Stämme bewegten sich dagegen auf einer primitiveren Stufe, weshalb sich der Umgang mit ihnen ungleich schwieriger gestaltete und eine Eroberung deshalb nicht in Betracht gezogen wurde. Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Welchen Sinn hätte es für Rom haben sollen, Völker zu unterwerfen, deren Lebensweise völlig der römischen widersprach und die deshalb selbst bei einem römischen Sieg nur schwer zu beherrschen gewesen wären? Die Unterscheidung zwischen Galliern und Germanen beruht folglich auf der von Caesar beschriebenen unterschiedlichen gesellschaftlichen Organisationsstruktur, nicht auf ethnischen Gesichtspunkten.
Wertvolle Informationen finden sich in dem umfangreichen geografischen Werk des griechischen Schriftstellers und weitgereisten Geschichtsschreibers Strabon (um 63 v. Chr. bis 23 n. Chr.). Insbesondere zur Romanisierung Galliens sowie der einsetzenden Etablierung einer neuen Kultur in den von Rom besetzten Gebieten ist Strabon eine bedeutende Quelle. Ebenso muss hier Velleius Paterculus genannt werden, der als römischer Reiterpräfekt, später als Legionslegat selbst in Germanien gewesen ist und ein Geschichtswerk verfasst hat, das in der Tendenz als sehr tiberiusfreundlich charakterisiert werden kann. Das Attribut Hofberichterstatter mag für ihn durchaus seine Richtigkeit besitzen.
Für das 1. Jahrhundert n. Chr. stellen die Bücher des Tacitus eine Quelle ersten Ranges dar. Nicht nur die oben bereits erwähnte Schrift Über den Ursprung und Geographie der Germanen, sondern auch seine Geschichtswerke, die Annalen und die Historien, sind für die Geschichte der Frühzeit des römischen Germanien von großer Bedeutung.
Zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr. gab der Historiker Cassius Dio seine Römische Geschichte heraus. Obwohl Teile davon nur fragmentarisch erhalten sind, stellt sein in der Tradition der senatorischen Geschichtsschreibung stehendes Werk eine bedeutende Quelle für die römische Kaiserzeit dar. Für die Zeit bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. sind auch die Schriften der Historia Augusta heranzuziehen, eine in der Forschung höchst umstrittene Sammlung von Kaiserbiografien, deren Angaben im Einzelnen oftmals zweifelhaft sind. Die Ereignisse im 4. Jahrhundert n. Chr. beschreibt ausführlich Ammianus Marcellinus, der im Stab eines Truppenkommandeurs namens Ursicinus auch die Gebiete am Rhein kennengelernt hat. Schwerpunkt seines Werkes sind die Abwehrkämpfe am Rhein gegen immer wieder plündernd nach Gallien einfallende Germanenhorden.
Aus der Spätantike stammt zudem ein bemerkenswertes Kartenwerk, die Tabula Peutingeriana. Auf mehreren Metern Breite bei nur knapp 40 cm Höhe ist die gesamte damals bekannte antike Welt abgebildet. Neben Straßenverbindungen sind auf ihr auch Gebirgszüge sowie die bedeutendsten Siedlungen namentlich verzeichnet.
Neben den genannten schriftlichen Quellen, die, wie erwähnt, allesamt aus der Fremdsicht von Galliern und Germanen berichten, existieren zahlreiche Sachquellen. Dazu zählen vor allem Tausende von Inschriften, die Auskunft über die Struktur der Siedlungen, die Präsenz von militärischen Einheiten, Verkehrswege, Religion und viele andere Lebensbereiche geben. Gerade Grab- oder Weihinschriften sind darüber hinaus eine hervorragende Quelle für sozialgeschichtliche Fragestellungen. Die besondere Bedeutung der meisten Inschriften liegt gerade darin, dass sie als unmittelbare Äußerung des jeweiligen Setzers verstanden werden können und Informationen nicht, so wie dies bei den schriftlichen Quellen der Fall ist, oft mehrmals gefiltert und modifiziert weitergeben. Allerdings gilt es bei den Inschriften zu beachten, dass es sich bei den Setzern gerade in unseren Gebieten in der Regel um Angehörige der lokalen Elite handelte. Die Setzung einer Inschrift dokumentierte für jeden sichtbar die Adaption römischer Lebensweise. Verallgemeinerungen über die Haltung der restlichen Bevölkerung sind daraus jedoch nur schwer abzuleiten.
Ein Sonderfall sind die unzähligen erhaltenen Münzen. Ihre Aussagekraft bezieht sich zunächst auf ökonomische Kriterien; betrachtet man jedoch die unterschiedlichen bildlichen Darstellungen und Legenden, so ergeben sich insbesondere bezüglich der kaiserlichen Propaganda vielfältige Interpretationsmöglichkeiten. Darüber hinaus sind sie ein wichtiges Indiz für die Datierung von archäologischen Fundzusammenhängen.
Durch die Entwicklung immer verfeinerter Methoden, genannt seien hier als Beispiel die Dendrochronologie oder neuerdings die Satellitenprospektion, konnten in den letzten Jahrzehnten archäologische Fundstellen und Fundzusammenhänge immer detaillierter beschrieben werden. Die historische Einordnung und Interpretation von Funden ist insbesondere bei relativer Quellenarmut oftmals der Schlüssel zum Verständnis antiker Lebensumstände.
Die Berichte antiker Autoren über weit entfernt lebende Völker sind in der Regel geprägt von einer Mischung aus Bewunderung für deren natürliche Lebensweise, Vermutungen und der Fantasie entsprungenen Vorstellungen, wie die oben erwähnten Beispiele zeigen. Doch wie sahen die Kontakte tatsächlich aus? Selbstverständlich denkt man zunächst an die in den Quellen ausführlich und drastisch beschriebenen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Barbaren und Griechen oder Römern. Neben diesen immer wiederkehrenden Kämpfen werden allzu häufig die über lange Zeiträume überwiegend durch eine friedliche Koexistenz geprägten Beziehungen unterschlagen, welche das Mittelmeer mit den Völkern im Norden verband.
Triebfeder dieser Beziehungen waren meist wirtschaftliche Bedürfnisse. Aus dem Norden kamen Felle, Pelze oder Bernstein, ja sogar das in Rom so beliebte blonde Haar von Frauen in den Süden. Plinius attestiert den Galliern und Germanen den Gebrauch von Seife, woraus zu folgern ist, dass dies für die Römer ungewöhnlich war. Angesichts der ausgeprägten römischen Badekultur mag dies überraschend erscheinen. Ein wichtiges Handelsgut waren Sklaven, die aus den eroberten Gebieten nach Rom verschleppt wurden. Umgekehrt gelangten Gebrauchsgegenstände wie Töpfereiwaren aus mediterraner Produktion in den Norden. In der keltischen Siedlung auf der Heuneburg bei Sigmaringen in Baden-Württemberg konnte darüber hinaus auch die Kenntnis antiker Bauweisen nachgewiesen werden. Dort wurde eine Mauer errichtet, die nach antikem Vorbild gefertigt war. Zudem übernahmen die Kelten den Gebrauch von Münzen und prägten diese in Form der sogenannten Regenbogenschüsselchen selbst nach.
Ungeachtet der eben skizzierten, auf lange Sicht wirkenden Beziehungen wechselseitigen Austauschs zwischen dem mediterranen Süden und dem Norden Europas soll in der Folge dennoch kurz auf die bei antiken Autoren erwähnten Kämpfe eingegangen werden. Damit soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit diese Schilderungen sich auf die in den Köpfen der Römer vorhandenen Vorstellungen von den Völkern aus dem Norden auswirkten.
An erster Stelle leidvoller Kontakte ist hier die Einnahme der Stadt Rom durch die Kelten im Jahr 387 v. Chr. zu nennen. Nur die Zahlung von Tributen konnte die Eindringlinge dazu bringen, die Stadt wieder zu verlassen. Eine Folge der keltischen Wanderungsbewegungen dieser Zeit war die Niederlassung großer keltischer Gruppen in Norditalien, insbesondere der Po-Ebene.
Zur Zeit des Zweiten Punischen Krieges (218–201 v. Chr.) machte sich Hannibal mit einem Heer und einigen Kriegselefanten in einem waghalsigen Zug über die Alpen auf, um die Römer gewissermaßen durch die Hintertüre anzugreifen. Dabei fügte er den römischen Truppen am Trasimenischen See sowie bei Cannae verheerende Niederlagen zu, welche die aufstrebende Stadt am Tiber an den Rand der Niederlage brachten. Wie wir wissen, wendete sich das Blatt und die Karthager wurden ihrerseits vernichtend von den Römern geschlagen, der Zweite Punische Krieg endete mit dem Sieg Roms. Nun ist der karthagische Feldherr Hannibal mit Sicherheit weder Kelte noch Germane gewesen, aber immerhin stieß er aus dem Norden gegen Rom vor; das konnte ihm jedoch nur mit Unterstützung zahlreicher Völker gelingen, deren Gebiete er durchzog und die ihm insbesondere bei der Überquerung der Alpen den Weg wiesen.