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Originalausgabe
dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,
Tumblingerstraße 21, 80337 München
© 2017. Redaktionelle Verantwortung: Verlag C.H. BECK oHG
eBook Datagroup int. SRL, 300665 Timişoara, România
Umschlaggestaltung: Design Concept Krön, Puchheim
unter Verwendung eines Fotos von Gettylmages
eBook
ISBN 978-3-406-70372-0
Dieser Titel ist auch als Printausgabe beim
Verlag und im Buchhandel erhältlich.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort: Partnerkrisen und das Recht
1. Kapitel Das Getrenntleben von Ehegatten
2. Kapitel Die Scheidung
3. Kapitel Ehewohnung und Haushaltsgegenstände
4. Kapitel Trennung, Scheidung und die Kinder
5. Kapitel Unterhalt bei Trennung und Scheidung
6. Kapitel Zugewinnausgleich: Der Kampf ums „Eingemachte“
7. Kapitel Meine Rente – Deine Rente: der Versorgungsausgleich
8. Kapitel Sonstige Fragen der Vermögensauseinandersetzung
9. Kapitel Ehescheidung und Namen
10. Kapitel Rechtsfragen um die nichteheliche Lebensgemeinschaft
Anhang
Sachverzeichnis
Inhaltsübersicht
Vorwort: Partnerkrisen und das Recht
1. Kapitel Das Getrenntleben von Ehegatten
1. Bedeutung
2. Wann liegt „Getrenntleben“ vor?
3. Einverständliche und gerichtliche Regelung
4. Getrenntleben in derselben Wohnung
5. Versöhnungsversuche
6. Wirkungen des Getrenntlebens
2. Kapitel Die Scheidung
1. Scheidung – kein schmerzloser Schnitt!
2. Der Gang zum Familiengericht
3. Wann kann geschieden werden?
4. Einverständlich scheiden – ein Gewinn?
5. Die schnelle Scheidung
6. Widerstand gegen die Scheidung – zwecklos?
3. Kapitel Ehewohnung und Haushaltsgegenstände
1. Wohnung und Ehe
a) Mietwohnungen
b) Eigentumswohnungen
XII 2. Der Streit um die Wohnung bei Getrenntleben
3. Was bedeutet die gerichtliche Zuweisung der Wohnung bei Getrenntleben?
4. Verfügungen über die Ehewohnung
5. Vereinbarungen über die Ehewohnung
6. Gewaltschutz
7. Wohnung und Ehescheidung
8. Die Verteilung der Haushaltsgegenstände
4. Kapitel Trennung, Scheidung und die Kinder
1. Die Kinder – Opfer der Interessen der Erwachsenen?
2. Die gemeinsame Elternsorge in der intakten Familie
3. Die Lage bei Trennung und Scheidung im Überblick
4. Die Fortführung der gemeinsamen Sorge nach Trennung und Scheidung
5. Alleinige Sorge mit Zustimmung des anderen Elternteils
6. Der Streit um das alleinige Sorgerecht
7. Zum Sorgerechtsverfahren
8. Der Umgang zwischen Kind und Eltern
9. Das Recht auf Auskunft
10. Umgangsrechte weiterer Personen
11. Besonderheiten bei nichtehelichen Kindern
XIII 5. Kapitel Unterhalt bei Trennung und Scheidung
1. Überblick
2. Familienunterhalt
3. Trennungsunterhalt
a) Die Bedeutung der Trennung für den Unterhalt der Ehegatten
b) Bedürftigkeit
c) Die Höhe des Unterhalts
d) Leistungsfähigkeit
e) Sonderausgabenabzug beim Ehegattenunterhalt
f) Krankenversicherung und Altersvorsorge
g) Ausschluss und Beschränkung des Unterhalts
h) Ende des Anspruchs
i) Auskunftsanspruch
j) Rückständiger Unterhalt
4. Nachehelicher Ehegattenunterhalt
a) Überblick
b) Unterhalt wegen Betreuung von gemeinsamen Kindern nach § 1570 BGB
c) Unterhalt wegen Alters nach § 1571 BGB
d) Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen
e) Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit
f) Aufstockungsunterhalt
g) Ausbildungsunterhalt
h) Billigkeitsunterhalt
i) Bedarf und Bedürftigkeit
j) Krankenversicherung und Altersvorsorge
k) Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten
l) Befristung und Herabsetzung des Unterhalts
m) Ausschluss des Unterhalts
n) Rangverhältnisse
o) Ende des nachehelichen Unterhaltsanspruchs
p) Auskunftsanspruch
q) Abfindung, rückständiger Unterhalt und Unterhaltsverzicht
XIV 5. Kindesunterhalt
a) Grundsätze
b) Mehrbedarf und Sonderbedarf
c) Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten
d) Rückständiger Unterhalt, Verzug
e) Verwirkung des Kindesunterhaltsanspruchs
f) Rangfolge zwischen mehreren Kindern und unterhaltsberechtigtem Ehegatten
g) Unterhaltsverzicht und Freistellungsvereinbarung zwischen den Eltern
h) Vertretung minderjähriger Kinder nach Trennung der Eltern
i) Vereinfachte Titulierung eines Kindesunterhaltsanspruchs
j) Unterhaltsvorschussleistungen
6. Zusatzinformationen
a) Darlegungs- und Beweislast
b) Verletzung von Unterhaltspflichten
c) Finanzielle Hilfen bei der Rechtsverfolgung
d) Familiengerichtliches Verfahren
e) Sicherung des Unterhalts durch vorläufigen Rechtsschutz
f) Änderung von Unterhaltsansprüchen
g) Unterhaltsfälle mit Auslandsberührung
7. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
a) Überblick
b) Unterhaltsansprüche der Mutter des Kindes gegen den Vater
c) Unterhaltsansprüche des Vaters gegenüber der Mutter
6. Kapitel Zugewinnausgleich: Der Kampf ums „Eingemachte“
1. Überblick: Worum geht es?
2. Die vertraglichen Wahlgüterstände
3. Die richterliche Kontrolle der Eheverträge
XV 4. Der gefesselte Ehegatte – geschäftliche Beschränkungen in der Zugewinngemeinschaft
5. Der Zugewinnausgleich im Todesfall
6. Zugewinnausgleich bei der Scheidung
a) Der Ausgleichsanspruch
b) Die Feststellung der Zugewinne
c) Die Berücksichtigung der Geldentwertung
d) Das Herausrechnen von Erbschaften und Schenkungen
e) Unfaire Vermögensminderungen zwischen den Stichtagen
f) Die Anrechnung von Zuwendungen unter den Ehegatten
g) Die Höhenbegrenzung des Ausgleichsanspruchs
h) Die Möglichkeit der Stundung des Ausgleichsanspruchs
i) Korrektur des Zugewinnausgleichs bei grober Unbilligkeit
j) Beweislast und Auskunft
k) Was sind Vermögensgegenstände wert?
7. Vereinbarungen
8. Vorzeitiger Ausgleich
7. Kapitel Meine Rente – Deine Rente: der Versorgungsausgleich
1. Der Grundgedanke
2. Welche Anrechte unterliegen dem Versorgungsausgleich?
3. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs
4. Härteklausel
5. Vereinbarungen
8. Kapitel Sonstige Fragen der Vermögensauseinandersetzung
1. Geschenkt ist geschenkt – oder?
2. Gemeinsame Wertschöpfung in einer „Innengesellschaft“
XVI 3. Gemeinsames Eigentum
4. Zu den Schulden
5. Zuwendungen von Schwiegereltern
9. Kapitel Ehescheidung und Namen
1. Gleichberechtigung auch im Namensrecht
2. Die Bestimmung eines gemeinsamen Ehenamens
3. Der persönliche Namenszusatz
4. Kein Zwang zum gemeinsamen Ehenamen
5. Der Einfluss der Scheidung auf den Namen
10. Kapitel Rechtsfragen um die nichteheliche Lebensgemeinschaft
1. Was ist eine nichteheliche Lebensgemeinschaft?
2. Die rechtliche Lage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft
3. Die Trennung
4. Unterhalt, Kranken- und Altersvorsorge
5. Kinder in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft
6. Hausrat und Neuanschaffungen
7. „Gemeinsame“ Immobilien
8. Mitarbeit im Geschäft des anderen
9. „Gemeinsame“ Konten und Schulden
10. Vollmachtserteilung
11. Erbrecht
XVII Anhang
Düsseldorfer Tabelle (Stand 1.1.2017)
A. Kindesunterhalt
B. Ehegattenunterhalt
C. Mangelfälle
D. Verwandtenunterhalt und Unterhalt nach § 1615 l BGB
E. Übergangsregelung
Anhang: Tabelle Zahlbeträge
Sachverzeichnis
Scheiden tut weh. Geschiedenwerden meist auch. Scheidung und Trennung von Ehen und die Auflösung von sonstigen Lebensgemeinschaften bilden einschneidende Wendepunkte im Leben der Partner und ihrer Kinder: Oft bedeuten sie den Ausstieg aus der bisherigen Lebensform. Solche Einschnitte sind zumeist mit heftigen Emotionen verbunden, die die betroffenen Personen seelisch stark beanspruchen und oft in eine Lebenskrise stürzen. Das gilt vor allem für den Partner, der gegen seinen Willen aus der bisherigen Lebensgemeinschaft gestoßen wird.
Bei diesen schmerzlichen Vorgängen wird am Anfang die rechtliche Seite der Partnerkrisen leicht unterschätzt. Dabei hängt eine zufriedenstellende Bewältigung der Probleme davon ab, dass die Rechtsverhältnisse in einer fairen Weise mit einem für alle Beteiligten annehmbaren Ergebnis geklärt werden. Denn Trennung und Scheidung zerreißen die bestehenden Bande ja nicht völlig. Besonders zwischen geschiedenen Ehegatten bleiben rechtliche Verbindungen oft lebenslang. Das liegt auf der Hand, wenn die Partner gemeinsame Kinder haben. Aber auch sonst löst die Scheidung die rechtlichen Bezüge nicht einfach auf: Die Ehe besteht zwar nicht mehr, zeitigt aber langfristige Folgewirkungen. Möglicherweise muss ein Ehegatte dem anderen auch nach der Scheidung Unterhalt zahlen. Vielleicht wohnt ein Partner aufgrund gerichtlicher Entscheidung in der bisherigen Wohnung, die dem anderen gehört. Unter Umständen muss ein Geschiedener seine Altersversorgung ergänzen, weil er durch den Versorgungsausgleich einen Teil seiner Anrechte verloren hat, und so weiter.
Wenn die Rechtsprobleme, die bei Trennung und Scheidung entstehen, nicht von Beginn an zufriedenstellend gelöst sind, droht eine endlose Fortsetzung der bitteren Gefühle und bei jeder sich bietenden Gelegenheit das Wiederaufflackern des Streits. Die befreiende Wirkung, die die Scheidung einer unglücklich gewordenen Ehe VIhaben kann, tritt dann nicht ein: Der „unglücklichen Ehe“ folgt eine „unglückliche Scheidung“, die das Leben weiter belastet.
Die rechtzeitige Klärung der mit Scheidung und Trennung verbundenen Rechtsfragen ist für die Beteiligten also außerordentlich wichtig. Es geht nicht bloß um finanzielle Interessen, sondern auch um die psychische Basis des weiteren Lebens. Eheleute, deren Partnerkrise sich zuspitzt und die mit einer Trennung rechnen, sollten sich daher alsbald um die nötigen Informationen darüber bemühen, was Trennung oder Scheidung für sie rechtlich bedeuten. Das gilt schon für den Fall, dass ein Ehegatte die Trennung erwägt oder die Initiative des anderen dazu erwartet. Denn schon die Beendigung des Zusammenlebens ist vielfach eine Art „Vorscheidung“; die Fakten, die jetzt geschaffen werden, bestimmen oft auch die Rechtsverhältnisse nach der Scheidung.
Mangelndes Wissen über die Rechtslage kann vor allem dann verheerend wirken, wenn der eine Partner rechtlich informiert ist oder professionell beraten wird, während der andere ahnungslos in die ihm gestellten Fallen tappt. Wie oft kommt es vor, dass bei den Verhandlungen über Trennungs- und Scheidungsvereinbarungen der gutwillige, aber uninformierte Teil „über den Tisch gezogen“ wird!
Auch bei der Auflösung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft können sich wichtige Rechtsfragen stellen. Zwar bestehen für ehelos zusammenlebende Paare keine speziellen Rechtsvorschriften nach Art des Eherechts. Doch leben sie nicht in einem rechtlosen Raum. Das gilt insbesondere, wenn sie gemeinsame Kinder haben. Rechtliche Fragen können sich hier auch im Bereich des Vermögens ergeben.
Das vorliegende Buch möchte Basisinformationen zu den wichtigsten Rechtsfragen bei Trennung und Scheidung bieten. Wir wenden uns nicht an Fachleute, sondern an juristische Laien, die möglicherweise von solchen Problemen betroffen sind oder in deren Familie oder Bekanntenkreis derartige Fragen auftauchen. Viele Beispiele sollen die Darstellung anschaulich machen, wichtige Tipps werden im Druck besonders hervorgehoben. Auch haben wir uns bemüht, das „Juristendeutsch“ so weit wie möglich zu vermeiden, damit das Buch auch zur Unterhaltung gelesen werden kann. Im Krisenfall ersetzt das Buch natürlich nicht die fachliche Beratung VIIdurch Anwalt oder Notar. Den Leserinnen und Lesern soll gerade begreiflich gemacht werden, in welchen Situationen professionelle Hilfe unerlässlich ist – oft geht es darum, rechtzeitig zu handeln.
In der Neuauflage unseres Buches sind die gesetzlichen Änderungen berücksichtigt, die sich seit der Vorauflage vor allem beim Kindesunterhalt ergeben haben, und selbstverständlich auch die neuesten Entwicklungen in der Rechtsprechung. Die für das Unterhaltsrecht wichtige Düsseldorfer Tabelle findet sich in der aktuellen Fassung vom 1.1.2017 im Anhang abgedruckt.
Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern eine unterhaltsame Lektüre und den erhofften Nutzen.
Bayreuth/Regensburg im Januar 2017 |
Monika Görtz-Leible |
Bevor es zu einer Scheidung kommt, haben sich die Eheleute meist schon faktisch getrennt. Gewöhnlich zieht einer der Partner, der es nicht mehr aushält, aus der ehelichen Wohnung aus und lebt bei Verwandten oder Bekannten oder mietet für sich ein Appartement. Das Gesetz nennt den Zustand der faktischen Trennung „Getrenntleben“. Das Getrenntleben ist das typische Vorstadium der Scheidung. Manchmal ziehen es die Partner gestörter Ehen aus gesellschaftlichen oder religiösen Gründen vor, von der Scheidung abzusehen, und machen das „Getrenntleben“ zu einem Dauerzustand.
Obwohl es sich um ein bloß tatsächliches Geschehen handelt, kommt dem Getrenntleben erhebliche rechtliche Bedeutung zu, über die man sich von vornherein Gedanken machen sollte.
Diese Fragen werden wir im Zusammenhang mit den einzelnen Trennungs- und Scheidungsfolgen näher behandeln. Wichtig ist, dass man von vornherein daran denkt. Denn oft bestimmen die Verhältnisse, die sich während des Getrenntlebens ergeben, auch die Scheidungsfolgen: Es werden Fakten geschaffen, die später schwer aus der Welt zu bringen sind.
BEISPIEL zu Scheidungsfolgen: Das Ehepaar Rühmann hat zwei Kinder von 11 und 8 Jahren. Der Mann zieht nach einem Streit aus der ehelichen Wohnung aus und wohnt bei seinen Eltern, in deren Haus genügend Platz ist. Die Kinder bleiben bei der Mutter und werden von ihr versorgt. Nach zwei Jahren wird Scheidungsantrag gestellt. Im Scheidungsverfahren beansprucht der Mann die Ehewohnung . Er möchte auch, dass die Kinder statt bei ihrer Mutter bei ihm leben.
Der Mann hat schon deshalb juristisch schlechte Karten, weil die Lebensverhältnisse sich in bestimmter Weise verfestigt haben. Es müssten schon schwerwiegende Gründe vorliegen, die jetzt einen Wechsel in der Kindesbetreuung rechtfertigen könnten. Auch ein Wohnungswechsel wird der Frau kaum zugemutet werden, schon wegen der Kinder, die nicht aus ihrem sozialen Bezugsfeld gerissen werden sollen.
Weiteres BEISPIEL zu Scheidungsfolgen: Frau Schmolke war vor ihrer Eheschließung mit Herrn Schmolke als Grundschullehrerin tätig, nach der Heirat hat sie die Berufstätigkeit aufgegeben. Nach 20 Ehejahren erfolgt die Trennung. Frau Schmolke nimmt nun eine Tätigkeit als Verkäuferin 3in einer Boutique auf. Diese Tatsache kann für ihren Unterhaltsanspruch bei einer späteren Scheidung von Bedeutung sein. Wenn Frau Schmolke in ihrem erlernten Beruf als Lehrerin keinen Arbeitsplatz findet, so wird es um die Frage gehen, ob ihr auch eine Tätigkeit als Verkäuferin zugemutet werden kann. Dabei kommt es unter anderem auf die Ausbildung, die Fähigkeiten und eine früher ausgeübte Tätigkeit an, auch die ehelichen Lebensverhältnisse können eine Rolle spielen (§ 1574 Abs. 2 BGB). Dass Frau Schmolke schon während der Getrenntlebenszeit eine Tätigkeit als Verkäuferin aufgenommen hat, kann nun als Argument dafür dienen, ihr diese Tätigkeit auch nach der Scheidung zuzumuten. Denn auch die Zeit des Getrenntlebens gehört noch zur Ehe und den „ehelichen Lebensverhältnissen“!
Gerade weil das „Getrenntleben“ weitreichende Rechtsfolgen zeitigt, müssen seine Voraussetzungen klar bestimmt sein. Das Gesetz sagt: „Die Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt“ (§ 1567 Abs. 1 S. 1 BGB). Schon die verwickelte Ausdrucksweise des Gesetzes deutet darauf hin, dass die Sache manchmal nicht einfach ist.
BEISPIEL zu Getrenntleben: Frau Eiermann erkrankt schwer und muss für längere Zeit stationär behandelt werden. Herr Eiermann lebt in dieser Zeit allein in der Ehewohnung. Einmal in der Woche besucht er seine Frau im Krankenhaus und bringt ihr das Nötige. Mit der Zeit werden die Besuche etwas seltener.
Es liegt kein „Getrenntleben“ vor. Solange noch Herr Eiermann die Wohnung als das gemeinsame Heim für sich und seine Frau behandelt, kann man noch nicht einmal von einer „Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft“ sprechen. Zudem ist der Trennungszustand von keinem der Ehegatten gewollt, sondern Folge der unerwünschten 4Krankheit. Gleiches gilt für sonstige Ereignisse, die ein Ehepaar ungewollt auseinander reißen, wie Krieg, Gefangenschaft oder die Verbüßung einer Freiheitsstrafe.
Doch auch gewollte Trennungen sind nicht immer „Getrenntleben“ im gesetzlichen Sinn.
Weiteres BEISPIEL zu Getrenntleben: Herr Müller ist Monteur bei einem Unternehmen, das industrielle Fertigungsanlagen herstellt. Er wird von seinem Arbeitgeber für zwei Jahre nach Kuweit geschickt, um dort am Aufbau großer Anlagen mitzuarbeiten. Während dieser Zeit bleibt Frau Müller in Deutschland in der ehelichen Wohnung zurück. Nach Ende der zwei Jahre will Herr Müller wieder nach Hause und zu seiner Frau zurückkehren.
Selbst wenn Herr Müller während der zwei Jahre nicht zu Besuch nach Hause kommt und selten telefoniert oder schreibt, liegt kein Getrenntleben vor. Zwar kann man zweifeln, ob es sich bei so langer Abwesenheit noch um eine „häusliche Gemeinschaft“ handelt. Möglicherweise ist die zeitweilige Trennung auch gewollt, z. B. wenn Herr Müller sich freiwillig nach Kuweit gemeldet hat, weil dort mehr verdient werden kann. Es fehlt aber das dritte Element des Getrenntlebens, nämlich die Ablehnung der ehelichen Lebensgemeinschaft – Herr Müller will ja wieder zurückkommen und Frau Müller ihn auch wieder aufnehmen.
Von Getrenntleben kann also nur die Rede sein, wenn die Aufhebung der häuslichen Lebensgemeinschaft mindestens von einem Ehegatten gewollt ist und auf einer Ablehnung des ehelichen Zusammenlebens beruht. Freilich können auch ungewollte oder eheneutrale Trennungen sich zum Getrenntleben entwickeln. Schreibt im obigen Fall Herr Müller seiner Frau, er werde nicht mehr nach Hause zurückkehren, weil er sich in eine andere Frau verliebt habe, so beginnt damit das Getrenntleben – ebenso wenn Frau Müller ihren Mann wissen lässt, er solle bleiben, wo er ist, sie werde ihn nicht mehr in die Wohnung lassen.
Gewöhnlich entsteht das „Getrenntleben“ dadurch, dass ein Partner aus der Wohnung auszieht und der andere darin verbleibt. Die Ehegatten können es einfach dabei belassen. Dann kann angenommen werden, dass sie – wenigstens vorläufig – mit dieser Lösung einverstanden sind. Sie können auch ausdrücklich vereinbaren, wer die bisher gemeinsame Wohnung benutzt und wer sich ein anderes Zuhause suchen muss.
In Zeiten, in denen preiswerter Wohnraum knapp ist, entsteht freilich häufig Streit darüber, wer in der Wohnung bleiben darf und wer gehen muss. Es kann z. B. sein, dass die Frau zunächst auszieht, weil sie sich von ihrem Mann bedroht fühlt, gleichwohl aber erreichen will, dass der Mann die Wohnung verlässt und sie selbst wieder einziehen kann. Oder ein Ehegatte, der die Trennung wünscht, möchte von vornherein erreichen, dass der andere die Wohnung räumen muss. Einigt man sich darüber nicht, so kann es zu einer gerichtlichen Entscheidung darüber kommen, wie das Getrenntleben durchzuführen ist (§ 1361b BGB sowie Maßnahmen aufgrund des Gewaltschutzgesetzes). Die Voraussetzungen eines solchen Vorgehens werden wir in dem Kapitel „Der Kampf um die Ehewohnung“ näher schildern (S. 31). Es ist wichtig, zu wissen, dass die Nutzung der Ehewohnung gerichtlich geregelt werden kann: Bevor man aus der Wohnung „flieht“, in der man eigentlich bleiben möchte, sollten die Chancen einer anderweitigen gerichtlichen Regelung geprüft werden. Das gilt vor allem für Frauen, die misshandelt wurden, namentlich wenn sie vermeiden wollen, dass die Kinder aus ihrer bisherigen Umgebung gerissen werden.
Nicht anzuraten sind eigenmächtige Maßnahmen, etwa das Austauschen der Türschlösser während der Abwesenheit des Partners, um so dessen Zutritt zu unterbinden. Der so „Ausgewiesene“ wird die Gerichte anrufen und hat prinzipiell das Recht auf Mitbesitz und Mitbenutzung der Wohnung. Generell gilt: Wer sich ins Unrecht setzt, verschlechtert für die weitere Auseinandersetzung seine Karten. 6Um sich einer unerträglichen Situation möglichst rasch zu entziehen, bleibt oft nur der freiwillige Auszug aus der Ehewohnung. Für diesen Fall gilt eine überraschende Regel, die unbedingt beachtet werden sollte. Wenn ein Ehegatte aus der bisherigen Ehewohnung freiwillig ausgezogen ist, so muss er dem anderen Ehegatten gegenüber binnen sechs Monaten nach seinem Auszug seine „ernstliche“ Rückkehrabsicht bekunden. Tut er das nicht, so wird unwiderleglich vermutet, dass er dem anderen das alleinige Nutzungsrecht an der Wohnung überlassen hat (§ 1361b Abs. 4 BGB).
BEISPIEL zur Rückkehrabsicht: Herr Sterzl hält es bei seiner Frau nicht mehr aus. Nach einem Streit packt er das Nötigste und zieht zu seinen Eltern. Er möchte allerdings in die Ehewohnung zurückkehren, freilich erst dann, wenn seine Frau ausgezogen ist. Um die Chancen aufrechtzuerhalten, im Laufe der Trennung die Wohnung zu bekommen, muss Herr Sterzl seiner Frau binnen sechs Monaten nach seinem Auszug erklären (am besten per Einschreiben mit Rückschein), dass er in die Wohnung zurückzukehren beabsichtige. Verstreicht diese Frist ohne eine solche Erklärung, dann wird es so angesehen, als habe er das Nutzungsrecht an der Wohnung freiwillig seiner Frau überlassen.
Vieles an dieser missglückten Regelung ist unklar. Wichtig ist jedoch für die Rechtsberatung, die Vorschrift nicht zu übersehen: Wenn die 6 Monate ohne eine solche Erklärung verstrichen sind, gibt es jedenfalls während des Getrenntlebens keinen Anspruch mehr darauf, die Wohnung oder einen Teil davon zur alleinigen Nutzung zugewiesen zu bekommen, was immer den Auszug veranlasst hat. Bedenklich ist, dass die Vorschrift auch für den Fall gewaltsamer Übergriffe keine Ausnahme vorsieht.
BEISPIEL zur Rückkehrabsicht: Frau Meier ist von ihrem Mann schwer misshandelt worden und flieht in ein Frauenhaus. Sie möchte in die Ehewohnung zurück, jedoch erst, wenn ihr Mann ausgezogen ist und wenn rechtlich einigermaßen sichergestellt ist, dass ihr keine Gewalt mehr droht (dazu unten S. 31 ff.). Zunächst bleibt sie vor ihrem Mann versteckt, weil sie von schweren Angstzuständen betroffen ist. Auch diese Frau müsste binnen sechs Monaten nach ihrem Auszug ihrem Mann erklären, dass sie in die Wohnung zurück will, wenn sie ihre Chance, die 7Wohnung allein zu erhalten nicht verlieren will. Das ist untragbar. Man könnte hier der Anwendung der genannten Vorschrift entgegenhalten, dass der Auszug der Frau aus der Ehewohnung nicht freiwillig war.
Was aber muss derjenige, der auszieht, dem in der Wohnung verbleibenden Teil erklären, um seine Rechte an der Wohnung nicht zu verlieren? Das Gesetz spricht von „ernstlicher Rückkehrabsicht“, die geäußert werden muss. Gemeint ist damit nicht die „Rückkehr“ zum Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, sondern nur die Rückkehr in die Wohnung . Auch derjenige wahrt also die Frist, der binnen der sechs Monate den anderen auffordert, die Wohnung zu verlassen, weil er selbst die Wohnung haben möchte. Ferner wahrt auch derjenige die Frist, der rechtzeitig erklärt, einen Teil der Ehewohnung getrennt vom anderen bewohnen zu wollen. Die Absicht, in die Wohnung zurückzukehren, sollte eindeutig erklärt werden (nicht also nur: „Ich werde vielleicht wieder einziehen“ etc.). Nicht nötig ist die Angabe eines konkreten Einzugstermins.
Wichtig: Einholung juristischen Rats
Die Fälle zeigen, dass schon bei dem Schritt zum Getrenntleben juristischer Rat eingeholt werden sollte. Das Getrenntleben ist zwar ein bloß faktischer Zustand, in dem das Fortbestehen der Ehe noch in der Schwebe ist. Es hat aber bereits gravierende rechtliche Auswirkungen, die auch für Scheidung und Scheidungsfolgen bedeutsam sein können.
Häufig fehlt den trennungswilligen Ehegatten das Geld, um sich zwei Wohnungen leisten zu können. Deshalb ist nach dem Gesetz ein „Getrenntleben“ auch „innerhalb der ehelichen Wohnung“ möglich (§ 1567 Abs. 1 S. 2 BGB). Es geschieht dies in der Weise, dass die Räumlichkeiten unter den Eheleuten aufgeteilt werden, etwa in der Form, dass die Frau das Wohn- und Schlafzimmer bewohnt, während der Mann auf sein Arbeitszimmer beschränkt wird, 8das mit einer Schlafcouch ausgestattet ist. Dass Gemeinschaftsräume wie Küche und Bad von beiden benutzt werden, steht dem Getrenntleben nicht im Wege. Auch dass die Ehegatten sich gelegentlich begegnen oder sogar zur gleichen Zeit in der Küche ihr Frühstück einnehmen, hindert das Getrenntleben nicht, wenn es sich „als bloß räumliches Nebeneinander ohne persönliche Beziehung darstellt“.
Bei dem zwangsläufigen Zusammentreffen der Trennungswilligen in der Wohnung ist natürlich oft zweifelhaft, ob man wirklich von Getrenntleben sprechen kann. Getrenntleben scheidet jedenfalls aus, wenn noch ein gemeinsamer Haushalt geführt wird, wenn insbesondere die Frau den Mann noch mitversorgt oder wenn noch aus einer gemeinsamen Haushaltskasse gewirtschaftet wird. Kann sich ein Partner wegen einer Krankheit nicht selbst versorgen, so kann ihm der andere im notwendigen Umfang helfen, ohne das „Getrenntleben“ in Frage zu stellen; doch dürfen über die nötigen Hilfsmaßnahmen hinaus keine wesentlichen Beziehungen aufrechterhalten oder wiederhergestellt werden.
BEISPIEL zum Getrenntleben in derselben Wohnung: Frau Meißner und ihr Mann wollen getrennt leben und teilen die Wohnung unter sich auf. Herr Meißner kommt mit der Situation psychisch nicht zurecht und verfällt dem Alkohol. Er kümmert sich nicht mehr um seine Angelegenheiten, räumt sein Zimmer nicht mehr auf, lässt dort Bierflaschen und Essensreste liegen und droht zu „vermüllen“. Um zu vermeiden, dass sich die Verwahrlosung des Zimmers auf die übrige Wohnung auswirkt, räumt Frau Meißner das Zimmer ihres Mannes auf. In solchem Fall ist trotz der Versorgungsleistungen der Frau die Fortdauer des Getrenntlebens zu bejahen.
Schwierig wird das Getrenntleben in derselben Wohnung, wenn gemeinsame Kinder da sind, die sowohl mit der Mutter als auch mit dem Vater weiterhin Beziehungen pflegen wollen. Hier gilt: Kontakte der Eltern mit ihren Kindern, mit denen sie ihrer Elternverantwortung entsprechen wollen, hindern das Getrenntleben nicht, sofern bei den Begegnungen nicht doch noch eine eheliche Beziehung zum Ausdruck kommt. Die Abgrenzungen sind hier im Einzelfall schwierig.
9BEISPIEL zum Getrenntleben in derselben Wohnung mit Kindern: Frau Semmelweis und ihr Mann leben mit zwei Kindern (6 und 8 Jahre) in der ehelichen Wohnung getrennt. Die Kinder leben in den Räumen der Mutter. Sonntags nimmt die Familie noch gemeinsam das Mittagessen ein. Das geschieht, um zu vermeiden, dass die Kinder zu abrupt mit der Trennung konfrontiert werden; die Kinder sollen schonend auf die beabsichtigte Scheidung vorbereitet werden. Das OLG Köln (FamRZ 1986, 388) hat in einem ähnlichen Fall das Getrenntleben bejaht.
Wichtig: Schwierigkeit beim Getrenntleben in derselben Wohnung
Wollen Eheleute in der Ehewohnung getrennt leben, so sollten sie dies klar vereinbaren und dann konsequent durchhalten: Kein gemeinsamer Haushalt, kein Haushaltsgeld mehr für gemeinsame Zwecke, kein Geschlechtsverkehr, auch kein gemeinsames Fernsehen, Beschränkung der Kontakte auf das absolut notwendige Maß!
Viele Ehepartner, darunter gerade die gutwilligen und sensiblen, werden das freilich nicht lange aushalten. Das ist aber dann auch ein Zeichen dafür, dass vielleicht die Ehe noch nicht unheilbar zerstört ist.
Das Gesetz möchte verhindern, dass die zerstrittenen Ehegatten mögliche Versöhnungsversuche nur deshalb unterlassen, weil damit das Getrenntleben unterbrochen würde. Denn das hieße: Misslingt der Versöhnungsversuch, so finge das Trennungsjahr neu zu laufen an, die Ehegatten müssten also wieder ein ganzes Jahr mit der Scheidung warten (§ 1565 Abs. 2 BGB). Darum ist bestimmt: Ein Zusammenleben auf kürzere Zeit, das der Versöhnung der Ehegatten dienen soll, unterbricht oder hemmt die Getrenntlebensfristen nicht (§ 1567 Abs. 2 BGB).
10BEISPIEL zu Versöhnungsversuchen: Herr und Frau Abel haben sich getrennt, Herr Abel ist aus der ehelichen Wohnung am 1. April 2012 ausgezogen. Sie treffen sich gelegentlich in einem Restaurant zum Mittagessen, um ihre Situation zu besprechen. Dabei melden sich die ehelichen Gefühle wieder zurück. Das Ehepaar kommt überein, es noch einmal miteinander zu versuchen, Herr Abel zieht am 1. Dezember 2012 wieder in die eheliche Wohnung ein. Doch schon am 4. Dezember 2012 stellt das Paar fest, dass es nicht geht, Herr Abel zieht wieder aus.
Da nun feststeht, dass der kurzfristige Versöhnungsversuch gescheitert ist, unterbricht er das Getrenntleben nicht. Die vier „Versöhnungstage“ werden sogar in die Getrenntlebensfrist eingerechnet, d. h. für das Gesetz haben die Abels auch vom 1. bis 4. Dezember „getrennt gelebt“, so dass am 1. April 2013 das Trennungsjahr abgelaufen ist.
Voraussetzung ist allerdings, dass der Versöhnungsversuch nur „kürzere Zeit“ gedauert hat. Das kann bis zu wenigen Wochen gehen. Ab zwei oder drei Monaten handelt es sich in der Regel nicht mehr um eine „kürzere Zeit“. In solchem Fall wird die Getrenntlebensfrist durch das versöhnungsbedingte Zusammenleben unterbrochen. Bei erneuter Trennung beginnt die Frist neu zu laufen.
Das alles gilt auch, wenn die Ehegatten in derselben Wohnung getrennt leben. Auch hier kann es zu einem versöhnungsbedingten Zusammenleben „über kürzere Zeit“ kommen, das als Getrenntleben angesehen wird, wenn die Versöhnung alsbald scheitert.
Mit dem Getrenntleben ist die Ehe rechtlich gesehen noch nicht am Ende. Die Partner sollten sich darüber klar sein, dass sie bis zur Rechtskraft der Scheidung rechtlich noch aneinander gebunden sind. Sie können also durchaus noch gegen eheliche Pflichten verstoßen, z. B. gegen die gegenseitige Pflicht auf Beistand und Rücksicht. Nicht die häusliche Trennung ist die entscheidende Zäsur, sondern die Scheidung!
11Trotzdem entfaltet schon das Getrenntleben vielfältige Wirkungen: für die Ausübung der elterlichen Sorge (unten S. 68 ff.), in Bezug auf Wohnung und Hausrat (unten S. 31 ff.), für den Unterhalt (unten S. 106 ff.) und sogar im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung (unten S. 231, 233).
Auf einige weitere Punkte soll schon hier hingewiesen werden. So verlieren die Partner mit Eintritt des Getrenntlebens die Ausübung der „Schlüsselgewalt“ (§ 1357 BGB).
BEISPIEL zur Schlüsselgewalt: Was die „Schlüsselgewalt“ ist, sei an einem Beispiel erläutert: Frau Seidel kauft bei dem Händler Traugott eine neue Waschmaschine, weil die alte schadhaft ist und sich eine Reparatur nicht lohnt. Herr Seidel weiß davon nichts. Bei Abschluss des Kaufvertrags ist Herrn Traugott unbekannt, dass Frau Seidel verheiratet ist, von Herrn Seidel ist nicht die Rede. Trotzdem wird aus dem Kaufvertrag nicht nur Frau Seidel, sondern auch Herr Seidel berechtigt und verpflichtet. Hat also Frau Seidel den Kaufpreis noch nicht bezahlt, so kann der Händler auch Herrn Seidel in Anspruch nehmen.
Die Schlüsselgewalt bedeutet: Aus Geschäften eines Ehegatten, die den angemessenen Lebensbedarf der Familie decken sollen, wird kraft Gesetzes auch der andere mitberechtigt und mitverpflichtet. Dieser Effekt tritt ein, auch wenn der andere Ehegatte keine Kenntnis von dem Geschäft hat. Auch ist es gleichgültig, ob der Vertragspartner weiß, dass er es mit einer verheirateten Person zu tun hat, und ob er die ehelichen Verhältnisse kennt. Grundgedanke des Gesetzes ist: Wer in der ehelichen Konsumgemeinschaft Nutznießer von Leistungen wird, soll auch dafür einstehen!
Vom Getrenntleben an entfällt aber die Ausübung der Schlüsselgewalt (§ 1357 Abs. 3 BGB). Da kein gemeinsamer Haushalt mehr besteht, wäre sie auch nicht gerechtfertigt.
Weiteres BEISPIEL zur Schlüsselgewalt: Das Ehepaar Seidel trennt sich. Frau Seidel kauft nun für ihren Haushalt, in dem sie die Kinder versorgt, bei dem Händler Traugott einen Elektroherd. In diesem Fall ist Herr Seidel gegenüber dem Händler nicht mitverpflichtet, da der Kauf nach der Trennung getätigt wurde. Frau Seidel gegenüber kann 12Herr Seidel allerdings unterhaltsrechtlich verpflichtet sein, ihr den Herd zu finanzieren, doch erwächst daraus kein Recht des Händlers, von Herrn Seidel unmittelbar die Bezahlung zu verlangen.
Unter die Schlüsselgewalt fallen von vornherein keine Geschäfte, durch die das Getrenntleben hergestellt werden soll.
Weiteres BEISPIEL zur Schlüsselgewalt: Frau Uckermann möchte sich von ihrem Mann trennen. Als dieser sich auf Dienstreise befindet, packt sie ihre Koffer und bestellt einen Spediteur, der ihre Habe zu dem von ihr angemieteten Appartement bringt.
Weder die Anmietung des Appartements noch die Bestellung des Spediteurs fallen unter die Schlüsselgewalt. Diese Geschäfte dienen nicht der familiären Bedarfsdeckung, sondern sollen gerade die Auflösung des gemeinsamen Haushalts ermöglichen. Herr Uckermann ist aus diesen Verträgen nicht verpflichtet.
Wichtig sind die steuerlichen Konsequenzen des Getrenntlebens. Ehegatten haben nach derzeitigem Steuerrecht im Rahmen der Einkommensteuer die Wahl zwischen gemeinsamer und getrennter Veranlagung. Die gemeinsame Veranlagung führt vielfach zu erheblich günstigeren Ergebnissen. Die Möglichkeit dazu entfällt für die Jahre, in denen die Ehegatten von Beginn bis Ende dauernd getrennt gelebt haben.
Schon an dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass mit dem Getrenntleben einschneidende Auskunftsansprüche zwischen den Ehegatten entstehen. Das gilt im Hinblick auf den Unterhalt, den ein Ehegatte nach der Trennung an den anderen möglicherweise zu leisten hat (unten S. 106 ff.): Jeder Ehegatte ist auf Verlangen verpflichtet, dem anderen über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung seines Unterhaltsanspruchs oder seiner Unterhaltsverpflichtung notwendig ist (unten S. 123). Zudem kann im Güterstand des Zugewinnausgleichs jeder Ehegatte vom anderen Auskunft über dessen Vermögen verlangen, das zum Zeitpunkt der Trennung bei ihm vorhanden ist (§ 1379 Abs. 2 BGB); den Sinn dieser Auskunftspflicht werden wir später erläutern (S. 228).
Die Ehescheidung löst das Eheband zwischen den Gatten auf: Sie sind wieder „frei“, können sich also jetzt anderweitig verheiraten, wenn sie dies trotz der gemachten Erfahrungen wollen.
Das heißt aber in den meisten Fällen nicht, dass sie nun nichts mehr miteinander zu tun haben. Die rechtliche Verbindung unter Geschiedenen bleibt manchmal noch über Jahrzehnte bestehen. Sind minderjährige Kinder vorhanden, so tragen beide geschiedenen Ehegatten weiterhin die elterliche Verantwortung und es entsteht nur die Frage, welche rechtliche Konstruktion dafür gewählt wird (siehe Kap. 4). Ferner kann es sein, dass ein Ehegatte auch nach der Scheidung für den Unterhalt des anderen aufkommen muss (Kap. 5). Und da die Höhe des Unterhalts nach Einkommen und Bedarf schwanken kann, ergeben sich periodische Kontakte (nicht immer freundlicher Natur!). Auch die Vermögensauseinandersetzung kann sich über den Scheidungszeitpunkt hinaus hinziehen. Derjenige, der im Versorgungsausgleich Rentenanwartschaften abgeben muss, merkt möglicherweise erst bei seinem Eintritt in den Ruhestand, was das für ihn wirklich bedeutet.
Die Ehescheidung führt also in vielen Fällen nicht zu einem abrupten Schnitt in den Beziehungen. Die Loslösung voneinander bildet oft einen nicht nur psychologisch, sondern auch rechtlich langwierigen 14Vorgang, der an die Verständigungsbereitschaft und an die Nerven der Beteiligten hohe Anforderungen stellt.
Die Ehescheidung geschieht nach deutschem Recht durch gerichtliche Entscheidung. Erst wenn ein Scheidungsurteil unanfechtbar („rechtskräftig“) geworden ist, ist das Band der Ehe aufgelöst (§ 1564 Abs. 1 BGB). Manche Scheidungswillige, die schon eine neue Heirat im Auge haben, werden auf eine Geduldsprobe gestellt, wenn sich das Scheidungsverfahren, z. B. durch Einlegung von Rechtsmitteln, hinzieht. Gleichwohl gilt es, die Rechtskraft des Scheidungsurteils abzuwarten.
Zuständig für Scheidungsverfahren ist das Familiengericht. Es ist dies eine Abteilung des Amtsgerichts, die mit einem Einzelrichter oder einer Einzelrichterin besetzt ist. Die Familiengerichte sind nicht nur für die Scheidung selbst, sondern darüber hinaus für weitere „Familiensachen“ zuständig, zu denen die wichtigsten Scheidungsfolgen gehören (elterliche Sorge , Unterhalt der Kinder und der geschiedenen Ehegatten, Wohnung und Haushaltsgegenstände , güterrechtliche Ansprüche , Versorgungsausgleich ). Dadurch ist es möglich, dass die Ehescheidung und die Scheidungsfolgen durch dasselbe Gericht geregelt werden können. Gegen eine Entscheidung des Familiengerichts kann in zweiter Instanz das Oberlandesgericht, unter besonderen Voraussetzungen in dritter Instanz der Bundesgerichtshof angerufen werden.
Das Verfahren der Familiengerichte ist zum 1. 9. 2009 durch das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (abgekürzt: FamFG ) reformiert worden. Das Gesetz hat die Zuständigkeit der Familiengerichte wesentlich erweitert. Für unseren Zusammenhang ist wichtig, dass die Familiengerichte nun für alle Ansprüche zwischen miteinander verheirateten oder ehemals verheirateten Personen zuständig sind, die im Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Eheaufhebung stehen (§ 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG). Das gilt auch für 15Ansprüche, die sich nicht aus familienrechtlichen Vorschriften, sondern aus dem allgemeinen bürgerlichen Recht ergeben, wie etwa für den Anspruch auf Rückgabe einer Schenkung (unten S. 243 ff.).
Das Familiengericht scheidet eine Ehe nicht von Amts wegen, vielmehr nur auf Antrag eines Ehegatten (§ 124 FamFG). Es können auch beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder es kann ein Ehegatte dem Antrag des anderen zustimmen (§ 134 FamFG); in diesen Fällen sprechen wir von einverständlicher Scheidung. Im Scheidungsverfahren herrscht Anwaltszwang (§ 114 Abs. 1, § 121 Nr. 1 FamFG). Wer sich scheiden lassen will, muss also einen Anwalt seines Vertrauens aufsuchen. Auch der andere Ehegatte muss einen Anwalt haben. Zwar ist es möglich, eine einverständliche Scheidung mit nur einem Anwalt durchzuführen (unten S. 23), doch ist dies die Ausnahme. In der Regel muss jede Partei durch einen Anwalt vertreten sein.
Wahl des Anwalts
Die Suche nach einem geeigneten Anwalt ist nicht immer leicht. Zwar sind die meisten Kanzleien in Familiensachen tätig, doch besteht bei vielen Leuten eine Scheu, mit einem fremden Menschen über ihre Privatsphäre zu reden. Die Auswahl wird dadurch erleichtert, dass es spezialisierte „Fachanwälte für Familienrecht“ gibt, die diese Bezeichnung aufgrund einer besonderen Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrung führen dürfen. Doch können auch andere Anwälte in Familiensachen tätig werden. Wichtig sind das persönliche Vertrauen zum Anwalt und dessen Engagement für die Sache. Es kann nützlich sein, im Bekanntenkreis Ausschau zu halten, wer in letzter Zeit in Familienangelegenheiten anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen musste, und nach den Erfahrungen zu fragen. Im Übrigen sollte man darauf achten, ob der Anwalt sich hinreichend Zeit nimmt, um sich die Situation schildern zu lassen und darüber zu sprechen. Auch dringe man auf klare Rechtsauskünfte! Redet der Anwalt unverständlich, so kann das an den Eigenheiten der Juristensprache, aber auch daran liegen, dass der Anwalt selbst kein klares Bild hat. Gehen Sie nicht mit vagen Vorstellungen aus der anwaltlichen Beratung, bestehen Sie auf einer für Sie verständlichen Rechtsauskunft!
16Eine Eigenart des deutschen Scheidungsverfahrens ist der so genannte Verbund von Scheidungsverfahren und Folgesachen : Über die Scheidung und wichtige Scheidungsfolgen kann gleichzeitig und zusammen verhandelt und entschieden werden. Damit will man verhindern, dass zuerst geschieden wird und die Ex-Partner erst nachfolgend in weiteren Prozessen klären müssen, was das eigentlich für sie bedeutet. Die Regelung des Versorgungsausgleichs muss der Richter im Regelfall sogar von sich aus („von Amts wegen“) in den Verbund nehmen (§ 137 Abs. 2 S. 2 FamFG). Bei den anderen Folgesachen kommt es darauf an, ob ein Ehegatte spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung im Scheidungsverfahren erster Instanz die betreffende Sache durch einen Antrag anhängig macht.
BEISPIEL zum Verbund: Nach dreijährigem Getrenntleben beantragt Frau Meisel beim zuständigen Familiengericht die Scheidung von ihrem Ehemann. Drei Wochen vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung, den das Gericht anberaumt hat, verlangt Frau Meisel außerdem von ihrem Mann 1200 Euro Unterhalt monatlich für die Zeit nach der Scheidung und stellt bei dem Gericht einen entsprechenden Antrag. Da dieser Antrag „rechtzeitig“ anhängig gemacht ist, gerät das Unterhaltsverfahren in den Verbund mit dem Scheidungsverfahren.
Auch das Verfahren über das Sorgerecht für gemeinsame Kinder oder den Umgang mit den Kindern kann in den Verbund mit der Scheidungssache geraten. Voraussetzung ist hier, dass ein Ehegatte vor Schluss der mündlichen Verhandlung im Scheidungsverfahren erster Instanz die Einbeziehung der Kindschaftssache in den Verbund beantragt. Das Gericht kann die Einbeziehung ablehnen, wenn es sie aus Gründen des Kindeswohls nicht für sachgerecht hält (§ 137 Abs. 3 FamFG).
Der Verbund bedeutet, dass über die Scheidungssache und die mit ihr verbundene Folgesache zusammen verhandelt und entschieden wird (§ 137 I FamFG). Der Verbund hat nicht nur erfreuliche Wirkungen. Er kann die Scheidung unangemessen lange hinauszögern. Denn die Scheidung wird nicht ausgesprochen, bevor nicht auch die im Verbund stehenden Scheidungsfolgen entscheidungsreif sind. 17Zum Beispiel kann erhebliche Zeit vergehen, bis das Gericht die Auskünfte eingeholt hat, die zur Entscheidung über den Versorgungsausgleich nötig sind. Für bestimmte Fälle sieht daher das Gesetz die Möglichkeit vor, eine Folgesache aus dem Verbund herauszulösen (§ 140 FamFG). Wenn ein Scheidungsverfahren ansteht, ist es wichtig, mit dem Anwalt rechtzeitig das taktische Vorgehen zu beraten; dazu gehört auch die Frage, ob für eine Scheidungsfolge der Verbund mit der Scheidungssache hergestellt werden soll oder nicht.
Das deutsche Scheidungsrecht beruht heute auf dem Zerrüttungsprinzip: Die Ehe wird geschieden, wenn sich das Gericht davon überzeugt hat, dass sie unheilbar zerrüttet ist. Das Gesetz spricht von Scheitern der Ehe (§ 1565 Abs. 1 S. 1 BGB). Dies setzt voraus, dass „die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen“ (§ 1565 Abs. 1 S. 2). Dabei ist das „Nichtbestehen der Lebensgemeinschaft“ nicht schon bei jedem „Getrenntleben“ gegeben, sondern setzt die Zerstörung des inneren Verhältnisses der Ehegatten, eben die unheilbare Zerrüttung , voraus.
Ob diese Zerrüttung von einem Teil durch Eheverfehlungen verschuldet ist, spielt grundsätzlich keine Rolle. Das bedeutet: Grundsätzlich kann auch derjenige Partner, der den anderen schwer gekränkt hat oder der untreu geworden ist, die Scheidung durchsetzen.
BEISPIEL zur unheilbaren Zerrüttung: Hans ist mit Grete seit 20 Jahren verheiratet. Er lernt im Ski-Urlaub die Designerin Sibylle kennen. Er möchte sich scheiden lassen und Sibylle heiraten, Frau Wiesner möchte aber an der Ehe festhalten, weil sie ihren Mann immer noch liebt.
Herr Wiesner kann das Scheidungsverfahren betreiben und die Scheidung durchsetzen, auch wenn die Ehe nur auf seiner Seite unheilbar zerrüttet ist.
18Es gibt also die einseitige Zerrüttung