VERLAG C.H.BECK
Albrecht Schöne behandelt in diesem Buch Goethe als einen der großen Briefschreiber. Ein einführender Essay charakterisiert die europäische Briefkultur, auf deren Höhepunkt Goethes Briefwerk entsteht. Da wird einsichtig, wie mit den ungeheuren Gewinnen der digitalen Kulturrevolution auch große Verluste verbunden sind. Neun exemplarisch gehaltene Fallstudien befassen sich dann mit je einem Brief – sie beginnen mit dem ersten Schreiben des 14 jährigen und enden mit dem des 82 jährigen wenige Tage vor seinem Tod. Drei Exkurse gelten den Postverhältnissen dieser Zeit und ihren Auswirkungen auf Goethes Briefwechsel; untersuchen dann die Herstellungsweisen solcher zumeist diktierten, danach durchkorrigierten Texte; mustern schließlich anhand der Anredeformen (die nicht nur zwischen Du und Sie wechseln) Goethes gesamte Korrespondenz und bringen neue, auch lebensgeschichtlich überraschende Einsichten ans Licht.
Albrecht Schöne, geboren 1925, ist emeritierter Professor der Göttinger Universität. 1980–1985 als erster Deutscher Präsident des Internationalen Germanistenverbandes. Mitglied oder Ehrenmitglied in- und ausländischer Akademien. Vielfach ausgezeichnet. Träger des Ordens Pour le mérite für Wissenschaften und Künste. Veröffentlichungen zur Literatur vom Barockzeitalter bis zur Gegenwart. Letzter Schwerpunkt: Goethe.
»Die übersandten Blätter sind mir von unendlichem Werth«
VORBEMERKUNGEN
FALLSTUDIEN
I
»ein kleiner, eingewickelter, seltsamer Knabe«
An Ludwig Ysenburg von Buri, 23. Mai 1764
II
»Mein Brief hat eine hübsche Anlage zu einem Werckgen«
An Ernst Wolfgang Behrisch, 10. – 13. November 1767
III
»aus der kompendiosen Reise apotheck des dienstfertigen Samariters«
An Johann Friedrich Krafft, 11. Dezember 1778
IV
»ein unangenehmes verhasstes und schaamvolles Geschäfft«
An den Herzog Carl August, 9. auf 10. Februar 1779
V
»die gemeinsten Klatschereyen«
An Johann Friedrich Cotta, 24. Dezember 1806
VI
»vor deines Kaysers Throne, Oder vor der Vielgeliebten«
An Michael Franz Graf von Althann, 23. Januar 1811
VII
»Regenbogen auf schwarzgrauem Grunde«
An Karl Friedrich Zelter, 10. Juli 1828
VIII
»die Gemeinschaft der Heiligen, zu der wir uns bekennen«
An Moritz Seebeck, 3. Januar 1832
IX
»Geheimnisse des Lebens«
An Wilhelm von Humboldt, 17. März 1832
EXKURSE
I
»Tore und Straßen nach allen Enden der Welt«
Weimarer Postverhältnisse
II
»auf das Papier sprechen«
Diktierte Briefe
III
»Verzeih dass ich die Kleinigkeit zu etwas mache«
Anredepronomina
Nachweise
Literatur- und Abkürzungsverzeichnis
Bedankungen
»Wenn die Philosophie ihr Grau in Grau mahlt, dann ist eine Gestalt des Lebens alt geworden, und Grau in Grau läßt sie sich nicht verjüngen, sondern nur erkennen; die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.«
Hegel[1]
»Briefe gehören unter die wichtigsten Denkmäler, die der einzelne Mensch hinterlassen kann«, statuierte Goethe 1805 in der Vorrede zu seiner Ausgabe von Briefen Winckelmanns aus den Jahren 1752–1767 an dessen Schulfreund und Hausgenossen Berendis, den späteren Sekretär der Weimarer Herzogin Anna Amalia.[2]
Das hat Adorno 1962 apodiktisch annulliert, als er in seinem Nachwort zu einer Neuauflage von Walter Benjamins Ausgabe deutscher Briefe aus den Jahren 1783–1883 »über den Brief als Form« konstatierte: »Sie ist veraltet; wer ihrer noch mächtig ist, verfügt über archaische Fähigkeiten; eigentlich lassen sich keine Briefe mehr schreiben. Benjamins Buch setzt ihnen das Denkmal. Die noch entstehen, haben etwas Falsches, weil sie durch den Gestus unmittelbarer Mitteilung Naivetät bereits erschleichen. Benjamins Buch lockt nicht zur Nachahmung der Texte, die es darbietet, sondern lehrt die Distanz von ihnen. Ihre Unwiederbringlichkeit wird zur Kritik des Weltlaufs, der, indem er das Beschränkende der Humanität tilgte, ohne diese zu verwirklichen, gegen Humanität sich kehrte.«[3]
Daß seither zum Briefschreiben »archaische Fähigkeiten« erforderlich seien, wird man bezweifeln dürfen. Auch Adornos Begründung der These, daß sich Briefe »eigentlich« gar nicht mehr schreiben ließen, verdient wohl kritische Überlegungen. Ohne Zweifel aber markiert sein Diktum eine epochale kulturgeschichtliche Zäsur. Die im 17. Jahrhundert einsetzende gemeineuropäische Briefkultur, der Goethes Eingangssatz galt und für die er gelten mag, auf deren Höhepunkt auch sein eigenes Briefwerk entstand, ist mit dem 20. Jahrhundert an ihr Ende gelangt. Mit einer »einbrechenden Dämmerung«, wie Hegel sie bedachte, sind Briefe als eine »Gestalt des Lebens alt geworden«. Abgedrängt von der handlichen Technik neuer, stürmisch raumgreifender Kommunikationsmedien, zieht sich der private, gar der handgeschriebene Brief zusehends in elitäre Nischen zurück. Zweifellos eröffnet diese digitale Kulturrevolution ungeahnt neue zwischenmenschliche Verständigungsmöglichkeiten, deren ›virtuelle‹ Texte nicht mehr angewiesen sind auf mühsam beschriebenes Papier. Zwangsläufig aber wird ein solcher Gewinn durch Verluste erkauft, die in ihrer Reichweite und Folgenschwere gleichermaßen unabsehbar erscheinen. Nicht um kulturkritische Klagen anzuheben, sondern zur Verdeutlichung dieser »einbrechenden Dämmerung« gehe ich auf solche Verluste hier etwas näher ein.
Was sich schon mit den auf der alten Schreibmaschine getippten Briefen verflüchtigte, was ebenso bei den vom Computer ausgedruckten und vollends bei den nur vom Bildschirm der neuen Geräte abgelesenen Email-Texten verlorengeht, ist die ›Aura‹ des eigenhändig Geschriebenen. Solche Blätter, konnte Goethe noch erklären, »sind mir von unendlichem Werth; denn da mir die sinnliche Anschauung durchaus unentbehrlich ist, so werden mir vorzügliche Menschen durch ihre Handschrift auf eine magische Weise vergegenwärtigt.« Am 10. Mai 1812 schrieb er das (mit einem ausdrücklichen Hinweis darauf, daß seine »Denkart im Alter eine historische Wendung« nehme) an Friedrich Heinrich Jacobi, dem er für solche »handschriftlichen Schätze« dankte.
Einer Mode folgend, die sich von Frankreich und England aus um die Mitte des 18. Jahrhunderts auch in Deutschland verbreitete und um die Wende zum 19. Jahrhundert mächtigen Aufschwung nahm, war 1804 unter Goethes Oberaufsicht auch in der Weimarer Bibliothek eine Autographensammlung angelegt worden. 1805 dann hatte der Verwalter des Gleim-Nachlasses in Halberstadt ihm selber eine Reihe meist an Gleim gerichteter Briefe geschenkt, die den Grundstock für seine eigene »gegenwärtige und künftige Sammlung« bildeten.[4] Schon im Jahr darauf stellte er ein erstes »Verzeichniß eigenhändiger Briefe merkwürdiger Männer« zusammen.[5] 1811 ließ er ein Register seines Handschriftenbestandes drucken, das er dann, um gefällige Ergänzungen bittend, eigenen Briefen an Freunde und Bekannte beilegte – so daß er 1812 über seine bereits »gegen die tausend Nummern enthaltende Sammlung« schreiben konnte: »Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu«.[6] Sie kamen meist als Geschenke, aber auch durch Kauf oder Tausch mit anderen Sammlern in seinen Besitz. Briefe oder ausgeschnittene briefliche Schlußformeln und Unterschriften bildeten den weit überwiegenden Teil dieses Bestandes.[7] Einen »Zauberkreis, abgeschiedene oder entfernte Geister heranzuziehen« nannte er das,[8] betrachtete und besprach solche Handschriften mit Besuchern, machte sich graphologische und charakterologische, historische und philosophierende Gedanken darüber.
Auf die handfeste Materialität dieser Artefakte war gegründet, was Goethes Werther an Lotte mitteilen läßt: »Um eins bitte ich Sie: Keinen Sand mehr auf die Zettelchen die Sie mir schreiben. Heute führte ich es schnell nach der Lippe und die Zähne knisterten mir«[9] (man hat sich zu denken, daß sie ihre Tintenschrift mit der üblichen Streusandbüchse ablöschte). Umgekehrt, auf den eigenen Brief bezogen, schrieb Goethe selber 1775 an Augusta zu Stolberg: »wie wohl [ist mir’s] bey dem Gedancken, Sie wird dies Blat in der Hand halten! S i e! D i e s B l a t! das ich berühre das iezt hier auf dieser Stäte noch weis ist.«[10] Nur setzte die Wahrnehmung einer Aura der eigenhändig zu Papier gebrachten Briefe voraus, daß man auch das dort in Worten Mitgeteilte verstand. Selbst für heutige Studenten der Germanistik und für die amtierenden Deutschlehrer (beiderlei Geschlechts) ist es aber keineswegs mehr selbstverständlich, daß sie die ›deutschen‹ Handschriften Goethes, Schillers, Hölderlins vom Blatt zu lesen vermögen. Weit gravierender noch wirkt dieser Kulturbruch im familiären Bereich sich aus: Briefe von Groß- und Urgroßeltern in der damals gängigen Schreibschrift können ihre Enkel oder Urenkel heute kaum noch entziffern. Dieses Band zwischen den Generationen ist ein für allemal abgerissen.[11]
Die Aussicht, daß sich dergleichen mit Hilfe gemeinsam verwendeter ›lateinischer‹ Buchstaben wenigstens in Zukunft von neuem ausbilden könnte, erscheint für den Regelfall nicht sonderlich groß. Im gegenwärtigen Grundschulunterricht wird manchenorts anstelle der zusammenhängenden Schreibweise nur noch eine aus isolierten Einzelbuchstaben bestehende Blockschrift eingeübt, die den jungen Smartphone-Benutzern doch genügen sollte, aber jedenfalls ihr eigenhändiges Schreibvermögen verkümmern ließe und dementsprechend wohl auch ihre Lesefähigkeit einschränken würde.
Ganz abgesehen noch vom Umgang mit handgeschriebenen Texten, hat der elektronische ›Briefwechsel‹ zweifellos erhebliche Folgen für die überliefernde Verfügbarkeit digitaler Schreiben. »Gott segne Kupfer, Druck und jedes andere vervielfältigende Mittel, so dass das Gute, was einmal da war, nicht wieder zu Grunde gehen kann«, schrieb Goethe angesichts verbrannter Notenschriften an seinen Freund Knebel.[12] Ausdrucken lassen sich auch die zunächst nur virtuellen Texte, aber in der Regel geschieht das gewiß nicht mehr. So mühelos und rasch, wie sie zustande kamen, werden sie auch wieder gelöscht, selten doch erneut gelesen und länger bedacht. Jedenfalls ist ihre dauerhafte Speicherung auf unseren ›Festplatten‹ keineswegs verbürgt. Vielmehr setzt die mit zunehmender, produktivitätssteigernder Bequemlichkeit des Schreibens immer schon verbundene abnehmende Beständigkeit der Schriftträger von Steinplatten, zu Holzscheiben, zu Tontafeln, zur gegerbten Tierhaut des Pergaments und schließlich zum Papier auf diese Weise sich fort. Ein so unermeßlich reiches Quellenreservoir, wie es der mentalitäts- und alltagsgeschichtlichen Forschung mit den ungedruckt überkommenen privaten Briefwechseln der letzten drei oder vier Jahrhunderte verfügbar ist, wird für künftige Zeiten kaum mehr existieren. Auf den Einzelnen bezogen, scheint Canettis Notiz aus dem Jahr 1951 prognostischen Ernst anzunehmen: »Ein Mensch, der nie einen Brief bekommen hat.«[13]
Goethe hat wohl annähernd 24.000 Briefe bekommen.[14] Etwa 20.000 mag er selber geschrieben haben[15] – an mehr als 1700 verschiedene Adressaten.[16] Das war für seine Zeit nicht ungewöhnlich. In nur halb so viel Schreibjahren hat etwa auch Lichtenberg, bei weit geringerer Überlieferungszahl, vermutlich 10.000 Briefe verfaßt. An tatsächlich überlieferten Schreiben enthalten die Schiller-Nationalausgabe aus 34 Jahren gut 2200, Jean Pauls Sämtliche Werke aus 45 Jahren mehr als 5000. Von Alexander v. Humboldt könnten, wie bei Goethe in etwa 70 Jahren, hochgerechnet gar 50.000 Briefe ausgegangen sein.[17] Wohl handelt es sich dabei um Vertreter der schreibenden Zunft, aber ihre Briefe bilden die Spitze eines gewaltigen Eisbergs. Bereits für die Mitte des 19. Jahrhunderts stellte Heinrich v. Stephan, der spätere deutsche Generalpostmeister, fest: »In Großbritannien kommen im [Jahres-]Durchschnitt auf den Kopf der Bevölkerung 14 Briefe, in Frankreich, in Preußen und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika 7, in Oesterreich 1⅓, in Rußland 0,3.«[18]
Gutenbergs seit der Mitte des 15. Jahrhunderts wirksame Erfindung eines raschen und billigen Buchdrucks mit Hilfe bleigegossener beweglicher Einzelbuchstaben hatte im frühen 16. Jahrhundert die Verbreitung der volkssprachlichen Lutherbibel und einer Fülle reformatorischer Flugschriften ermöglicht und die allgemeine Lesefähigkeit dadurch auf revolutionäre Weise befördert. Noch waren im 17. und frühen 18. Jahrhundert außer dem längst schon schriftkundigen geistlichen Stand, den Gelehrten und den Hofbeamten vor allem Angehörige des Adels und des gehobenen städtischen Bürgertums schreib- und lesefähig, Mittel- und Unterschichten nur sehr eingeschränkt. Dann aber führte, wiederum besonders in den protestantischen Regionen, eine neuerliche Frömmigkeitsbewegung auch im Handwerkerstand und in der bäuerlichen Bevölkerung nicht nur zu eigenem geistlichem Buchbesitz, sondern auch zu einer als heilsnotwendig verstandenen Mitteilung eigener geistlicher Erfahrungen.[19] Die Erweckungsschreiben und Seelsorgebriefe der Gründungsväter des Pietismus fanden weite Verbreitung, und über die Standesgrenzen hinweg teilten auch die Gleichgesinnten selber in zahllosen offenherzig vertrauten Briefen Offenbarungserlebnisse und göttliche Fügungen mit, suchten sich weit über ihren jeweiligen Kirchsprengel hinaus damit wechselseitig zu ermahnen, zu bestätigen: zu ›erbauen‹.[20] Nach der Durchsetzung einer allgemeinen Schulpflicht erstreckte sich die Alphabetisierung Europas gegen Ende des 18. Jahrhunderts grob geschätzt bereits auf zwei Drittel der Männer und zunehmend auch auf Frauen.[21] 1821 vergewisserte Goethe seinen Verleger »der großen Leselust, die durch alle Stände geht und in den untersten nicht weniger lebhaft als in den obersten haus’t«.[22]
Die vergleichsweise gebildeten Frauen des Landadels und wohlhabenden Bürgertums, die sich um Portokosten nicht kümmern mußten und über Mußestunden verfügten, beschäftigten sich mit privatem Briefschreiben eher ausgiebiger noch als ihre Männer.[23] Goethe hatte schon bei seinem Leipziger Lehrmeister Gellert gelernt, »daß die Frauenzimmer oft natürlichere Briefe schreiben, als die Mannspersonen. Die Empfindungen der Frauenzimmer sind zarter und lebhafter, als die unsrigen.«[24] 1780 bat er die Gräfin zu Stolberg, »Grüsen Sie die Brüder, schreiben mir wieder einmal von sich, und knüpfen Sie wenn Sie mögen den alten Faden wieder an, es ist ia dies [auch] sonst ein weiblich Geschäfft.«[25] Weniger liebenswürdig hat er zwei Jahre zuvor in seinem ›Lila‹-Spiel den Baron Steinthal gar sagen lassen: »Da gibts solche politische alte Weiber, die weitläufige Korrespondenzen haben, und die immer etwas neues brauchen, woher es auch komme, daß das Porto doch nicht ganz vergeblich ausgegeben wird.«[26]
Abgesehen aber von bloßer Freude an plauderndem Briefgeschwätz, das eher ein »weiblich Geschäfft« sein mochte, und neben einem allgemeinen Neuigkeitsverlangen, das vom Zeitungswesen zunächst nur unzureichend gestillt wurde, war das Briefschreiben durch die Ausstrahlungen der pietistischen Frömmigkeitsbewegung in den säkularen Empfindsamkeitskult derart angeregt worden, daß Goethe aus dem Jahr 1772 berichten konnte: Im »vertrauten Briefwechsel« herrsche »eine so allgemeine Offenherzigkeit unter den Menschen, daß man mit keinem Einzelnen sprechen, oder an ihn schreiben konnte, ohne es zugleich als an mehrere gerichtet zu betrachten. Man spähte sein eigen Herz aus und das Herz der andern« – so »griff dieser sittliche und literarische Verkehr bald weiter um sich.«[27] In der Tat erschien es durchaus zulässig und war es weithin üblich geworden, jedenfalls ›ostensible‹ Briefe (wie sie Goethe häufig mit dieser Bezeichnung freigegeben hat) auch anderen Interessenten als dem eigentlichen Adressaten vorzulesen oder sie in Abschriften zu verbreiten. Was sich, durch solche Gewohnheiten noch befördert, im 18. Jahrhundert mit dem raumgreifenden Briefverkehr ausbildete, läßt sich zutreffender nicht charakterisieren als mit der modischen Metapher eines ›Netzwerks‹. In seiner Dichte und Reichweite hat das mit der Zeit eine außerordentliche politische Bedeutung gewonnen.
Um zeitgeschichtliche Ereignisse und politische Fragen geht es häufig in Goethes Briefen. Mehr noch gilt das für seine Gespräche unter vier Augen, für seine späteren autobiographischen Schriften dann, auf eher verschlüsselte Weise lebenslang ebenso für seine Dichtwerke. Zur Belebung auch des allgemeinen Briefverkehrs seiner Zeit durch die ›große‹ Geschichte hat er einen bemerkenswerten Bericht hinterlassen, der sich auf das Jahr 1792 bezieht. Als er damals genötigt war, Weimars Herzog beim Einmarsch der preußischen Truppen ins revolutionäre Frankreich zu begleiten, mußte seine Reisekutsche im letzten Ort vor der Grenze auf neue Postpferde warten. »Ich saß vor dem Fenster des Posthauses«, erzählte er 30 Jahre später, »unfern von der Stelle wo das Kästchen stand, in dessen Einschnitt man die unfrankierten Briefe zu werfen pflegt. Einen ähnlichen Zudrang hab’ ich nie gesehn; zu hunderten wurden sie in die Ritze gesenkt« – von den zuvor aus Frankreich geflüchteten oder vertriebenen Anhängern und Nutznießern des absolutistischen Regimes nämlich, die auf Heimkehr hoffend dort Station machten. »Vor langer Weile, und aus Lust Geheimnisse zu entwickeln oder zu supplieren, dacht’ ich mir was in dieser Briefmenge wohl enthalten sein möchte? Da glaubt’ ich denn eine Liebende zu spüren, die mit Leidenschaft und Schmerz die Qual des Entbehrens in solcher Trennung heftigst ausdrückte; einen Freund der von dem Freunde in der äußersten Not einiges Geld verlangte; ausgetriebene Frauen, mit Kindern und Dienstanhang, deren Kasse bis auf wenige Geldstücke zusammengeschmolzen war; feurige Anhänger der [emigrierten französischen] Prinzen, die das Beste hoffend sich einander Lust und Mut zusprachen; andere die schon das Unheil in der Ferne witterten und sich über den bevorstehenden Verlust ihrer Güter jammervoll beschwerten – und ich denke nicht ungeschickt geraten zu haben.«[28]
Mit seinen handfesten inhaltlichen Auswirkungen aufs Briefschreiben war das ein ungewöhnlicher Fall. Bei einem der späteren weltpolitischen Ereignisse hat Goethe eher dessen atmosphärische Bedeutung bedacht und seine Auswirkungen auf die allgemeine Gestimmtheit der Briefschreiber vermerkt. Als am 22. April 1815 Napoleon von Elba her noch einmal nach Paris zurückgekehrt war,[29] während der restaurierende Wiener Kongreß schon die Neuordnung des europäischen Staatensystems festlegte, schrieb er an Knebel, durchaus nicht nur in eigener Sache: »Freylich ist die Einwirkung jeder großen politischen Atmosphären-Veränderung an jedem, selbst dem stillsten häuslichen Barometer zu spüren, und eine völlig veränderte Weltansicht waltet in jedem Gemüthe. Man weiß wahrlich nicht, woran man besser thut, ob sich über die Zustände aufzuklären, oder sich darüber zu verdüstern.«
Aufs große Ganze gesehen hatte der private briefliche Informations- und Meinungsaustausch über akute politische Vorgänge, zu Goethes eigener Zeit ohnehin durch staatliche Überwachung behindert,[30] gewiß keinen nennenswerten Einfluß auf die Zunahme des Briefverkehrs. Dessen eigentliche ›politische‹ Bedeutung folgte auch gar nicht den Vorsätzen des je einzelnen Briefschreibers, sondern ergab sich aus der absichtslosen Bewegung des Kollektivs. Mit dem im 18. und 19. Jahrhundert zunehmend dichteren kommunikativen Netzwerk des privat-persönlichen ›bürgerlichen‹ Briefwesens hat sich die schreib- und lesefähig werdende Bevölkerung über weite räumliche Distanzen hin zusammengeschlossen. Nicht zuletzt auf diese Weise ist das Bürgertum geschichtsmächtig geworden.
»Der Aufbruch der bürgerlichen Welt vollzog sich im Schutz der absolutistischen Ordnung von innen her«, erklärte Koselleck 1959. Soweit ein Mensch »als Untertan seiner politischen Gehorsamspflicht genügt[e], ist der Souverän an seinem Privatleben desinteressiert« gewesen, aber es bildete eben dieser »aus dem Staat ausgegrenzte moralische Innenraum, der dem Menschen als ›Menschen‹ vorbehalten blieb, einen Unruheherd, der dem absolutistischen System in ursprünglicher Weise eigentümlich war.« So habe das »politische Geheimnis der Aufklärung« gerade darin bestanden, »daß alle ihre Begriffe, der indirekten Gewaltnahme analog, nur unsichtbar politisch waren. In der politischen Anonymität der Vernunft, der Moral, der Natur usw. lag ihre politische Eigenart und Wirksamkeit. Unpolitisch zu sein ist ihr Politicum.« Aber: Dieser »Privatraum weitet[e] sich eigenmächtig zur Öffentlichkeit aus«.[31]
Kosellecks Untersuchungen konzentrierten sich auf England und vor allem auf Frankreich, und dem anwachsenden Briefverkehr der Untertanen schenkte er dabei keine Beachtung. Gleichermaßen dialektisch operierend, hat 1962 Habermas für seinen ›Strukturwandel der Öffentlichkeit‹ diese Überlegungen aufgenommen und sie ausdrücklich auch auf die Briefwechsel (und Briefromane) des 18. Jahrhunderts bezogen: »Briefe schreibend entfaltet sich das Individuum in seiner Subjektivität.« Wie auf andere Weise, mit Hilfe anderer sozialer Einrichtungen, habe sich also auch in den privaten Korrespondenzen »die Subjektivität kleinfamilial-intimer Herkunft mit sich über sich selbst verständigt.« Diese am Ende öffentlich-politisch wirksame, nurmehr »indirekte Gewaltnahme der zum Publikum versammelten Privatleute«, so wiederholte Habermas, verstand »sich aber nicht selbst als politisch«.[32]
Kosellecks Zusammenfassung lautete: »Der Aufbruch der bürgerlichen Intelligenz erfolgt aus dem privaten Innenraum, auf den der Staat seine Untertanen beschränkt hatte. Jeder Schritt nach außen ist ein Schritt ans Licht, ein Akt der Aufklärung. Die Aufklärung nimmt ihren Siegeszug im gleichen Maße als sie den privaten Innenraum zur Öffentlichkeit ausweitet. Ohne sich ihres privaten Charakters zu begeben, wird die Öffentlichkeit zum Forum der Gesellschaft, die den gesamten Staat durchsetzt. Schließlich wird die Gesellschaft anpochen an den Türen der politischen Machthaber, um auch hier Öffentlichkeit zu fordern und Einlaß zu erheischen.«[33] Das zielte also auf die Herausbildung republikanisch-demokratischer Verfassungen. Als einer von unzähligen Briefschreibern und -lesern seiner Zeit war daran auch Goethe beteiligt – weder wissentlich, versteht sich, noch gar willentlich. Auf den hier gemeinten »privaten Innenraum« beschränkt, verfolgte er mit seinen Korrespondenzen ganz andere Absichten.
Für Anlässe und Absichten des Briefschreibens hat er eine Reihe allgemein gehaltener Komposita verwendet, die zugleich inhaltliche Bestimmungen geben und die dafür eingesetzten rhetorischen und stilistischen Mittel kenntlich machen: »Abschiedsbrief«, »Brandbrief«, »Dankbrief« oder »Danksagungsbrief«, »Einladungsbrief«, »Empfehlungsbrief«, »Erinnerungsbrief«, »Geburtstagsbrief«, »Glückwunschbrief«, »Gratulationsbrief«, »Klagebrief«, »Kondolenzbrief«, »Mahnbrief«, »Neujahrsbrief« oder »Trauerbrief«.[34] Neben solchen Gelegenheitsbezeichnungen ist bei ihm von einem »Freundesbrief« oder »Liebesbrief« die Rede. Begriffsbestimmend wird dabei das Verhältnis zum Adressaten, was wohl eine entsprechende Tonlage erwarten läßt, aber, sofern es nicht um bloße Freundschaftsbezeugungen und Liebeserklärungen geht, wenig über den eigentlichen Inhalt solcher Schreiben besagt. Grundsätzlich verfügt der Privatbrief doch über die Lizenz eines freien Themenwechsels, und er nutzt sie durchaus auch innerhalb ein und desselben Schreibens. »Erlaube mir diese wunderbar hin- und herspringende Manier«, schreibt Goethe in einem Brief an Zelter über eben diesen Brief, »es gibt sonst kein Gespräch und keine Unterhaltung; ich erlaube Dir desgl. ohne viel Besinnen. – Es gilt [hier] am Ende doch nur Vorwärts!«[35] Das gerade unterscheidet den privaten Brief – der Möglichkeit nach – von allen anderen literarischen Gattungen. Einzig das ›Tagebuch‹ macht eine Ausnahme. Dessen Aufzeichnungen ließen sich in Goethes Fall nicht selten auch als wörtliche Passagen eines Briefes denken. Umgekehrt schreibt er an Augusta zu Stolberg, er habe »heut einen guten Nachmittag, der selten ist – mit Grosen, das noch seltner ist – Ich konnte zwey Fürstinnen in Einem Zimmer lieb u. werth haben.« Und dann heißt es darüber: »Will dir so ein tagbuch schreiben, ist das beste. Thu mir’s auch so. ich hasse die Briefe und die Erörterungen, und die Meynungen.«[36]
Über den Wert oder Unwert der Briefe, die sich nun mehr und mehr bei ihm ansammelten, hat Goethe sich wiederholt geäußert, vor allem im Zusammenhang der Autodafés, mit denen er diese Bestände nachhaltig dezimierte. Da ging es um die Erinnerungslast oder die Erinnerungshilfe bislang aufbewahrter Korrespondenz für ihn selber, zunehmend mit dem Alter aber auch um Informationen und Vorstellungen, welche die Nachwelt aus dem brieflichen Nachlaß über seine eigene Person erhalten – oder besser nicht gewinnen sollte.
Wie schon im Frühjahr 1770 vor seinem Aufbruch aus Frankfurt zum Jura-Studium in Straßburg[37] hat Goethe im Sommer 1779 vor dem Antritt seiner zweiten Schweizreise Manuskripte vernichtet. Wieder handelte es sich da auch um frühe Briefe an ihn, und diesmal wurde das Autodafé auch begründet: »Zu Hause aufgeräumt meine Papiere durchgesehen und alle alten Schaalen verbrannt. Andre Zeiten andre Sorgen. Stiller Rückblick aufs Leben auf die Verworrenheit, Betriebsamkeit Wissbegierde der Jugend, wie sie überall herumschweift um etwas befriedigendes zu finden […], wie in zeitverderbender Empfindung und Schatten Leidenschafft gar viel Tage verthan, wie wenig mir davon zu Nuz kommen und da die Hälfte nun des Lebens vorüber ist, wie nun kein Weeg zurückgelegt sondern vielmehr ich nur dastehe wie einer der sich aus dem Wasser rettet und den die Sonne anfängt wohlthätig abzutrocknen.«[38] Wie in dieser Lebenskrise hat er solche Korrespondenzen noch in seinen letzten Jahren als bedrückende Erinnerungen bezeichnet, die der nach vorn blickende junge Mensch abschütteln mußte, um sich »aus dem Wasser« zu retten. Noch 1828 bedachte er eigene Schreiben an den Jugendfreund Horn auf ebendiese Weise: »Eigentlich waren es uralte, redlich aufgehobene Briefe, deren Anblick nicht erfreulich seyn konnte; hier lagen mir eigenhändige Blätter vor Augen, welche nur allzudeutlich ausdrückten, in welchen sittlich kümmerlichen Beschränktheiten man die schönsten Jugendjahre verlebt hatte. Die Briefe von Leipzig waren durchaus ohne Trost; ich habe sie alle dem Feuer überliefert; zwey von Straßburg heb ich auf, in denen man endlich ein freyeres Umherblicken und Aufathmen des jungen Menschen gewahr wird.«[39] Nur war er da ein alter Mann, blickte zurück, hatte sich über lang Vergangenes längst hinweggetröstet und hätte sich durch die bloße Beseitigung überkommener Lebenszeugnisse ohnehin nicht von solchen Erinnerungen befreien können. Daß er da eher schon an künftige Leser dachte, wird zunehmend deutlich.
Beim Aufbruch zu seiner dritten Reise in die Schweiz hatte er am 9. Juli 1797 im Tagebuch notiert: »Briefe verbrannt. Schöne grüne Farbe der Flamme wenn das Papier nahe am Drathgitter brennt.« In der ästhetischen Freude, der er sich bei diesem neuerlichen Autodafé überließ, bezeugt sich die Erleichterung, die er dabei empfand. Viel später, wohl 1823, hat er für seine autobiographischen ›Tag- und Jahreshefte‹ darüber geschrieben: »Vor meiner Abreise verbrenn ich alle an mich gesendeten Briefe seit 1772, aus entschiedener Abneigung gegen Publication des stillen Gangs freundschaftlicher Mittheilung.«[40] Da dachte er also an Veröffentlichungen aus seinem Nachlaß, an fremde Einsichtnahme in sein Archiv jedenfalls, und räumte beiseite, was man von ihm und über ihn nicht erfahren sollte. Auch sein früher Briefwechsel mit Christiane Vulpius/Goethe war davon wohl betroffen, vielleicht sogar die Briefe der Charlotte von Stein.[41] Solche Spurenverwischungen hielt er zu dieser Zeit aus mancherlei Gründen für ratsam. 1797 oder wenig früher hat er Briefe an seinen Schützling Krafft aus dem Verkehr gezogen;[42] 1799 ließ er sich mit gleicher Absicht Briefe an seinen Amtskollegen Voigt zurückgeben, mit dem zusammen er (als Kurator der Universität Jena) zuständig war für Fichtes Entlassung aus dem Lehramt.[43]
Frühere Gedanken aufnehmend, abgeklärter jetzt, in Maximen denkend, hat er dann 1830 (wohl wieder auf das Autodafé von 1797 bezogen) über das »Verbrennen aller seiner gesammelten Briefe bis 1786« dem Kanzler v. Müller erklärt, es »lerne ja doch niemand viel aus alten Briefen, man werde nicht klüger durch antecedents [: vorangegangene Lebensumstände]. Was gut in den Briefen gewesen, habe seine Wirkung schon auf den Empfänger und durch ihn auf die Welt schon vollendet; das übrige falle eben ab wie taube Nüsse und welke Blätter. Alles käme darauf an, ob Briefe [: daß sie, zu ihrer Zeit] aufregend, produktiv, belebend seien.«[44]
Rettung »aus dem Wasser« zum Trocknen in der Sonne, abgeworfene »alte Schaalen«, spurenverwischende »Abneigung gegen Publication«, abfallende »taube Nüsse und welke Blätter« – vieldeutig liest sich Goethes letzter Briefvernichtungskommentar wenige Monate vor dem Tod mit seiner Wendung ins Redensartliche: »Correspondenz zu verbrennen angefangen. ›Frühere Fehler hindern spätere nicht.‹«[45]
Alles hier Zusammengestellte zeigt aber nur eine Seite der Medaille. »Briefe gehören unter die wichtigsten Denkmäler, die der einzelne Mensch hinterlassen kann«, hatte Goethe 1805 in seiner Winckelmann-Ausgabe statuiert. Also: »Halte künftighin meine Briefe hübsch in Ordnung und lass sie lieber heften wie ich mit den Deinigen auch thun werde, denn die Zeit vergeht und das wenige was uns übrig bleibt, wollen wir durch Ordnung, Bestimmtheit und Gewissheit in sich selbst vermehren«, ermahnte er Lavater schon am 6. März 1780 und folgte selber diesem Vorsatz, sich Rechenschaft zu geben über die vergangene Lebenszeit, schrieb am 21. November 1782 an Knebel: »Alle Briefe an mich seit 72, und viele Papiere iener Zeiten, lagen bey mir in Päcken ziemlich ordentlich gebunden, ich sondre sie ab und lasse sie heften. Welch ein Anblick! mir wirds doch manchmal heis dabey. Aber ich lasse nicht ab, ich will diese zehn Jahre vor mir liegen sehen wie ein langes durchwandertes Thal von Hügel gesehn wird.« Von eben diesen Briefen »seit 1772« hat er später zwar angegeben, er habe sie »alle« verbrannt,[46] hatte das aber wohl bald bereut. In den ›Wahlverwandtschaften‹ (Aus Ottiliens Tagebuche) heißt es 1809: »Briefe hebt man auf, um sie nie wieder zu lesen; man zerstört sie zuletzt einmal aus Diskretion, und so verschwindet der schönste unmittelbarste Lebenshauch unwiederbringlich für uns und andre. Ich nehme mir vor, dieses Versäumnis wieder gut zu machen.«[47] Das galt für ihn selber. 1819 an Rochlitz: »Leider verbrannte ich 1797 eine zwanzigjährige geheftete Sammlung aller eingegangener Briefe, die ich mir bei meinen biographischen Arbeiten sehnlichst zurückwünschte«.[48] Immer mehr dem Vorübergegangenen zugewandt und produktiv mit den überkommenen Zeugnissen der eigenen Lebensgeschichte befaßt, hat er 1826 in den Schriften ›Über Kunst und Altertum‹ verallgemeinernd vermerkt: »Das Vorzüglichste was wir durch Mittheilung älterer Briefe gewinnen ist: uns in einen früheren, vorübergegangenen, nicht wiederkehrenden Zustand unmittelbar versetzt zu sehen. Hier ist nicht Relation noch Erzählung, nicht schon durchgedachter und durchgemeinter Vortrag; wir gewinnen eine klare Anschauung jener Gegenwart, wir lassen auf uns einwirken wie von Person zu Person.«[49] Einen seiner Briefe an Charlotte von Stein, »ein uralt Blättchen, das ich nicht verbrennen konnte, als ich alle Papiere, auf Neapel und Sicilien bezüglich, dem Feuer widmete«, schenkte er 1818 dem Freunde Zelter und schrieb ihm dazu: Es »giebt einen Dämmerschein rückwärts und vorwärts. Ich gönne es dir! Bewahre es fromm.«[50] Die letzte seiner Äußerungen zum Aufbewahren alter Briefe schließlich ging erst wenige Wochen vor seinem Tod an Marianne von Willemer. Damit sie wieder zu ihr zurückgelangten, habe er »gewisse Blätter« zusammenpacken lassen, die »auf die schönsten Tage« seines Lebens hindeuteten: »Dergleichen Blätter geben uns das frohe Gefühl daß wir gelebt haben; dieß sind die schönsten Documente auf denen man ruhen darf.« Angeheftet die Verse
Vor die Augen meiner Lieben,
Zu den Fingern, die’s geschrieben, –
Einst, mit heißestem Verlangen
So erwartet, wie empfangen –
Zu der Brust, der sie entquollen,
Diese Blätter wandern sollen;
Immer liebevoll bereit,
Zeugen allerschönster Zeit.[51]
Um die Eigenart solcher im »privaten Innenraum« gewechselten Briefe zu bestimmen und sie von anderen literarischen Gattungen zu unterscheiden, hat man von jeher eine ganze Reihe von Merkmalen angeführt.[52] Zu Goethes Zeit definierte 1775 Krünitz’ ›Encyclopädie‹ den Brief als
»eine kurze, wohlgesetzte, von allerhand Sachen handelnde Rede, die man einander unter einem Siegel schriftlich zuschicket, wenn man sonst nicht mit einander mündlich sprechen kann oder will.«[53]
In anderer Terminologie und mit näheren Ausführungen bestimmen diese Gesichtspunkte bis heute die brieftheoretische und kommunikationsbezogene Diskussion.[54] Aber je genauer man die einzelnen Aspekte bedenkt, desto weniger tauglich erscheinen sie für eine von anderen ›Textsorten‹ randscharf unterscheidende, exklusive Gattungsbestimmung. Unerläßlich für den Brief ist selbstverständlich das Merkmal »schriftlich«. Hingegen gibt seine »kurze, wohlgesetzte« Verfassung kein Alleinstellungsmerkmal ab. Die deutsche Bezeichnung als ›Brief‹ kommt vom lateinischen ›brevis‹ her, nur läßt sich sein Umfang keineswegs gattungsbestimmend auf ein bestimmtes Maximum festlegen, und »wohlgesetzt«, also durchdacht, zweckdienlich, angemessen, dem Zeitgeschmack entsprechend schicklich formuliert[55] können auch andere literarische Texte sein. Daß Briefe nicht nur ganz allgemein »von allerhand Sachen« handeln, sondern ebenso jeder einzelne Brief die von Goethe beobachtete »hin- und herspringende Manier« erlaubt, ist zwar entschieden gattungscharakteristisch, bezeichnet aber keineswegs eine notwendige Eigenschaft.
Die weitere Angabe, man verschicke Briefe »unter einem Siegel«, entspricht dem zu Goethes Zeit üblichen Verfahren; das bis heute geltende Postgeheimnis kommt damit ins Spiel.[56] Da private briefliche Mitteilungen, sofern sie von der Post befördert werden, jedenfalls in verschlossenem Zustand abgehen, erfordert das eine Angabe, wer denn berechtigt sei, sie zu öffnen. Sie gehen also grundsätzlich an namentlich bestimmte Adressaten. Und Krünitz’ knappe Feststellung, daß sie auf diese Weise »zugeschikket« würden, weist auf den grundlegenden Tatbestand, daß sie dabei zwischen dem Absender und ihrem Empfänger eine räumliche Entfernung überbrücken müssen. Sie kann gewiß so geringfügig sein, daß statt des umständlichen Schreibens eine mündliche Verständigung entschieden bequemer und rascher erfolgen könnte. Aber wenn der Urheber Gründe sieht, dennoch den schriftlichen Weg zu wählen,[57] stellt sein Schreiben selber die Distanz her, der alle Briefe sich verdanken – und die sie auf ihre Weise wiederum aufzuheben suchen.
Die den räumlichen Abstand überwindende briefliche »Wirkung in die Ferne«[58] ist notwendig verbunden mit einem zeitlichen Verzug. Während im direkten Gespräch das Gesprochene sogleich auch vernommen wird, werden Briefe allemal später empfangen und gelesen als geschrieben und abgesandt. Diese brieftypische Phasenverschiebung hat einen so weiten Spielraum, wie ihn die Grenzfälle einer ›Flaschenpost‹ mit unabsehbar langer Beförderungsdauer zu einem unbekannten Empfänger und etwa Goethes durch rasche Boten überbrachte Brief-Billette an die nachbarschaftliche wohnende Charlotte von Stein markieren. Dem trägt in aller Regel eine ausdrückliche oder doch vom Empfänger erschließbare Datierung Rechnung. Goethe an Krafft: »Ihren Brief vom 7 Dez [1778] erhalte heut Freytags d. 11 früh. Und zuerst zu Ihrer Beruhigung sie sollen…«.
Das Verhältnis zwischen Absender und Empfänger ist häufig bedacht worden. Schon die Gattungsbestimmung des Kirchenvaters Augustin besagte, daß es sich um einen Brief handle, wenn eingangs angegeben werde, wer da an wen schreibe (»habet quippe in capite, quis ad quem scribat«).[59] In späterer Zeit hieße das, es müssten am Anfang ein Adressat, am Ende der Absender benannt werden. Nur kommt ein Brief auch ohne Anrede und Unterschrift aus. Der informierte oder ermittelnde Empfänger selber wird beides ergänzen können, und selbst ein pseudonym verfaßtes oder anonym bleibendes Schreiben verstünde sich für ihn als Brief.
Auf den Absender bezogen: Auch wenn er seinen Text am Ende nicht mehr prüfend besieht und notfalls korrigierte (wie etwa Goethe seine diktierten Konzepte[60]), schon indem er das gerade zu Papier Gebrachte im Auge behält, um folgerichtig weiterzuschreiben, ist der Verfasser zugleich doch der erste Leser des eigenen Briefes. Und umgekehrt macht er dabei den Adressaten zum Mitverfasser seines Textes. So personbezogen, so bewußt und ausdrücklich, so folgenreich auch wie in keiner anderen literarischen Gattung wird dieser imaginierte Leser hier mitbedacht beim Schreiben.[61] Alles Geschriebene ist hier nicht allein an ihn gerichtet, sondern richtet sich auch nach ihm, ist nicht nur für ihn, sondern zugleich schon durch ihn bestimmt. Er führt dem Schreibenden die Feder. Auch das steht hinter Krünitz’ These vom »wohlgesetzten« Brief. Allemal berücksichtigt der den Informationsstand des Angeredeten, macht sich ihm inhaltlich verständlich, sucht sich in stilistischer und formaler Hinsicht für ihn akzeptabel zu halten. Auf seine Zuständigkeit rechnend, sein Interesse erwartend, seine Billigung oder Anteilnahme wünschend, entwirft er mit solchen Absichten ein Bild des Lesers, das der Realität keineswegs entsprechen muß. Er schreibt ihm eine Rolle vor, oder macht ihm jedenfalls ein Rollenangebot. Goethes Briefe an v. Buri und Behrisch geben Beispiele, an denen das im Folgenden näher untersucht und ins Grundsätzliche überführt wird.[62]
Schriftlich zugeschickt, so schließen Krünitz’ Gattungsbestimmungen, werden Briefe, »wenn man sonst nicht mit einander mündlich sprechen kann oder will.« Damit rückt das Verhältnis von Brief und Gespräch in den Blick, das schon von der Antike her die theoretische Diskussion bestimmt hat.[63]
Wohl meinte Goethe, über Winckelmanns Briefe nachdenkend: »Lebhaffte Personen stellen sich schon bei ihren Selbstgesprächen manchmal einen abwesenden Freund als gegenwärtig vor, dem sie ihre innersten Gesinnungen mitteilen, und so ist auch der Brief eine Art von S e l b s t gespräch. Denn oft wird ein Freund, an den man schreibt, mehr der Anlaß als der Gegenstand des Briefes. Was uns freut oder schmerzt, drückt oder beschäftigt, löst sich von dem Herzen los, und als dauernde Spuren eines Daseins, eines Zustandes sind solche Blätter für die Nachwelt immer wichtiger, je mehr dem Schreibenden nur der Augenblick vorschwebte, je weniger ihm eine Folgezeit in den Sinn kam. Die Winkelmannischen Briefe haben durchaus diesen wünschenswerten Charakter.«[64] Eines seiner eigenen späten Schreiben hat er dann selber als »den Monolog des wunderlich nachsinnenden Einsiedlers« bezeichnet.[65] Nur will und weiß der monologisierende Briefschreiber bei dieser »Art von Selbstgespräch« doch, daß einer ihn anhört. Wenn sich vom Herzen loslösen soll, was ihn »schmerzt, drückt oder beschäftigt«, nähert sich sein Schreiben dem nach Lossprechung, nach Absolution verlangenden ›Gespräch‹ einer Ohrenbeichte. Wie im Beichtstuhl ein unsichtbarer Geistlicher sollte nur dieser eine, verschwiegene Adressat das zuhörend lesen. »Lassen Sie um Gottes willen meine Briefe niemand sehen«, steht am 3. August 1775 unter einem von Goethes beichtenden Schreiben an Augusta zu Stolberg. Und als er im Jahr darauf seinem Lektor Schiller das letzte Buch von ›Wilhelm Meisters Lehrjahren‹ ankündigte, erklärte er dazu: »Lesen Sie das Manuscript erst mit freundschaftlichem Genuß und dann mit Prüfung und sprechen Sie mich los, wenn Sie können. […] Meine ganze Zuversicht ruht auf Ihren Forderungen und Ihrer Absolution.« Erörtert er später Schillers Einwände und die eigenen Fehler oder »menschlichen Verkehrtheiten«, so heißt es in diesem Brief (nicht ohne ironische Untertöne): »Nach dieser allgemeinen Beichte will ich gern zur besondern übergehn«.[66]
Schreibt hingegen Goethe aus Weimar an Sartorius in Göttingen von einer »nur zu großen Pause unseres Briefgespräches« oder an Schultz in Berlin: »lassen Sie von Zeit zu Zeit uns in ein briefliches Gespräch treten«,[67] dann gelten diese Bezeichnungen ausdrücklich dem d i a l o g i s c h e n Aspekt der Korrespondenz – die also einer räumlichen Trennung der brieflichen ›Gesprächspartner‹ Rechnung tragen muß. Verständigungen Auge in Auge oder im schriftlichen Mittel eines Briefes verfügen über bedenkenwert unterschiedliche außersprachliche Ausdrucksmittel für die wechselseitige Zuwendung, Aufmerksamkeit und Anteilnahme. Höflichkeitsbezeugungen etwa, die im direkten Gespräch durch Mimik und Gestik, auch durch Respektsabstand und Platznahme ausgedrückt werden können, vermitteln Briefe durch das Format und die Güte des Papiers, durch die Sorgfalt der Handschrift oder durch die noch zu Goethes standesbewußter Zeit bis ins Detail geregelten, unterschiedlich großen Respektsabstände insbesondere nach der Anrede und vor einer Unterschrift (was alles im Abdruck unerkennbar bleibt).[68] Auf vielerlei Weise können Briefe aber auch in ihrer sprachlichen Verfassung den Monolog, den jeder für sich doch abgibt, dialogisch lockern, ihn gesprächsartig halten und einen Briefw e c h s e l hervorrufen oder in Gang halten: durch Fragen natürlich und antwortheischende Erkundigungen, durch vorweggenommene, fingierte Einwände des Adressaten oder durch ihre bloße Anregungskraft. So hat Goethe am 10. Juni 1822 an v. Reinhard geschrieben, er habe dessen letzten Brief »oft wieder gelesen, wie alle Ihre gehaltvollen Blätter, die immer wieder neue Gedanken aufregen und entwickeln.«
Jedenfalls muß ein Brief im »privaten Innenraum«, um als ›Brief‹ noch gelten zu können, außer seiner schriftlichen Verfassung und einer wie immer gearteten Adressierung weder eine bestimmte Länge einhalten, noch einen Absender kenntlich machen, noch datiert oder datierbar und irgend ›wohlgesetzt‹ sein (auch nicht kontrollierter als die rasch verhallende mündliche Mitteilung), noch muß er einen bestimmten Inhalt aufweisen oder immer gleich »von allerhand Sachen« handeln; er stellt im eigentlichen Sinn auch kein Gespräch (oder wenigstens dessen Halbteil) dar – und muß am Ende nicht einmal zugeschickt werden.[69] Beschaffenheiten, die einen Idealtypus beschreiben, sind bei aller Häufigkeit doch nur Möglichkeiten und keine Notwendigkeiten. In Grenz- und Zweifelsfällen urteilt konventionsabhängig der Empfänger und entscheidet später ein Herausgeber, ob er einen schriftlichen Text (noch) als Brief verstehen will.
Von Krünitz nicht bedacht oder nicht mehr erwähnt, gehört zu den gattungstypischen Möglichkeiten des Briefes schließlich, daß sich jeder Briefschreiber in seinem Brief sogleich auch üb e r dieses Schreiben äußern kann. Schon kommentierende Frage- und Ausrufzeichen können das übernehmen, und auf vielerlei Weise geschah und geschieht das mithilfe ausdrücklicher Bemerkungen über den noch zu schreibenden oder eben geschriebenen Text und dessen Rezeption durch den Adressaten. In Gestalt floskelhafter Entschuldigungen etwa bei besonders später, kurzer, vorläufiger Mitteilung oder Reaktion ist das bis heute ganz selbstverständlich geblieben. Beispiele derart selbstreferentieller, metatextueller Reflexionen in Goethes eigenen Briefen begegnen auch im Folgenden noch so häufig, daß dieser Hinweis genügen mag.[70]
Seit der schon zu seinen Lebzeiten erfolgten Veröffentlichung der Korrespondenz mit Schiller konnten auch Außenstehende Goethesche Briefe lesen. 1919 waren sie in der 50bändigen Weimarer Edition (WA IV) dann nahezu vollständig einsehbar. Durch deren publikumswirksam auswählende Derivatausgaben gewannen Briefe als biographische Dokumente, die das Zusammenspiel von Goethes Leben und Werk vor Augen führten und dazu beitrugen, dieses Leben selber als ein Kunstwerk anzusehen, das Interesse der bildungsbürgerlichen Leserschaft. Unter vornehmlich lebensgeschichtlichen Aspekten haben seither auch die Literaturwissenschaftler Goethes Korrespondenzen ausgewertet – hatte er selber doch 1804 eine Vorankündigung seiner Ausgabe unveröffentlichter Schreiben Winckelmanns im ›Intelligenzblatt der Jenaischen allgemeinen Literatur-Zeitung‹ eingeleitet mit dem geradezu als Anweisung wirkenden Satz: »Von bedeutenden Männern nachgelassene Briefe haben immer einen großen Reiz für die Nachwelt, sie sind gleichsam die einzelnen Belege der großen Lebensrechnung, wovon Taten und Schriften die vollen Hauptsummen vorstellen.«[71]
Selbst bei seinen eigenen Briefen gilt das freilich nicht immer. Gewiß haben viele von ihnen großen Reiz eher für Autographensammler und Reliquienverehrer oder für die Erforscher sehr kleiner Lebensrechnungen. Mehr wird man etwa dem Brief-Billett nicht zubilligen können, das er wohl Ende März 1775 an Johanna Fahlmer schickte: »Ich bitte Sie um eine Portion Haar wachsen machende Pomade und um das Rezept. G.« Gewiß finden sich unter seinen Briefen viele Belege auch der »großen Lebensrechnung«. Dazu zählen die hier in den drei letzten Fallstudien erörterten späten Schreiben an Zelter, Moritz Seebeck und Wilhelm von Humboldt. Zu bedenken wäre nur, ob sie nicht schon für sich selber volle Hauptsummen abgäben, also »Taten und Schriften« eigenen Ranges: Sprachwerke, die man auch um ihrer selbst willen lesen könnte. Das entzöge sie der gängigen Grobunterscheidung zwischen einer »der unbekannten Menge« dargebotenen Dichtung,[72] die man als zweckfrei, als autonom, als fiktionales Kunstgebilde verstand, und der von außerästhetischen Absichten bestimmten, wirklichkeitswahren und realitätsbezogen an einen bestimmten Empfänger adressierten Zweck- oder Gebrauchsliteratur der Briefe.
Nun ist offensichtlich, daß auch dichterische Werke realitätsgerichtete Zwecke verfolgen können (man denke nur an das Jesuitentheater oder an Paul Gerhardts Choräle, an Brecht’sche Stücke und Verse oder Wolf Biermanns Lieder), während sich umgekehrt Briefe schon äußerlich als Poemata darzustellen vermögen, indem sie die gewohnte Gebrauchsprosa aufgeben und selber Versform annehmen. Wenn der Leipziger Student Goethe 1765 an seinen Freund Riese in Frankfurt schreibt, stockt ihm dabei ein in Prosa gehaltener Satz – und geht dann ohne syntaktischen Bruch in Blankverse über: »Ich lebe hier, wie – wie – ich weiß selbst nicht recht wie. Doch so ohngefähr
So wie ein Vogel der auf einem Ast
Im schönsten Wald, sich, Freiheit ahtmend wiegt.
Der ungestört die sanfte Lust genießt.
Mit seinen Fittigen von Baum zu Baum.
Von Bußch zu Bußch sich singend hinzuschwingen
Genug stellt euch ein Vögelein, auf einem grünen Aestelein in allen seinen Freuden für, so leb ich. Heut hab ich angefange Collegia zu hören […].«[73]
Ein späterer Brief an Riese umfaßt dann mehr Verse schon als Prosazeilen.[74] Und neben solchen Mischformen begegnen häufig auch durchgehend versifizierte Gedichtbriefe (die sich von den nur brieflich übersandten Gedichten deutlich unterscheiden).[75] Bereits die frühen Gelegenheitsgedichte für die Großeltern waren selber doch Briefe:
Erhabner GrosPapa!
Ein neues Jahr erscheint,
Drum muß ich meine Pflicht und Schuldigkeit entrichten,
Die Ehrfurcht heist mich hier aus reinem Herzen dichten […]
Erhabne GrosMama!
Des Jahres erster Tag
Erweckt in meiner Brust ein zärtliches Empfinden […].[76]
Mit der gleich in den Eingangsvers einbezogenen Briefanrede der Adressaten hat er später auch einen langen Gedichtbrief an die d’Orvilles versehen, hat dort überdies eine Briefschlußformel eingesetzt und als Absender dann unterschrieben:
Lieber H. Dorwille liebe Frau
Ich bitt euch nehmts nicht so genau;
Ihr kennt nun doch einmal den alten Affen,
[…]
Bin euch mit Leib und Seele nah
Pliz! Plaz! So bin ich wieder da.
Goethe.[77]
Da sind brieflicher und poetischer Text so wenig noch zu unterscheiden, wie etwa im Fall des Briefromans grundsätzlich unterschieden werden könnte zwischen wirklichen, echten und nurmehr erdachten, fingierten Briefen – die von Anfang an doch beide in dieser dichterischen Gattung Platz gefunden haben.[78] Über sein ›Fragment von Werthers Reisen‹, das ›Die Leiden des jungen Werthers‹ hatte vervollständigen sollen,[79] schrieb Goethe 80