Thomas Alexander Szlezák
PLATON
Meisterdenker
der Antike
C.H.Beck
Athen 399 v. Chr.: Auf der Stadt lasten immer noch die Schatten des verlorenen Krieges gegen Sparta. In ihrem Ringen um innere Stabilität verkraftet die Öffentlichkeit keinen Provokateur wie Sokrates und verurteilt ihn zum Tode. An dem Tag, da er den Schierlingsbecher trinken muß, verliert Platon (428/27–348/47 v. Chr.) seinen Lehrer – eine Erfahrung, die sein Leben und seine Philosophie nachhaltig prägen sollte.
Thomas A. Szlezák bringt uns nicht nur den Denker, sondern auch den Menschen Platon näher, um so dessen Philosophie besser erschließen und vermitteln zu können. Bei einem Durchgang durch Platons Dialoge und Briefe erhellt er zentrale Fragen nach Echtheit, Stil und Chronologie des Gesamtwerks. Eine Schlüsselrolle im Verständnis der Erkenntnistheorie Platons und seiner mündlichen Prinzipienlehre kommt dem Siebten Brief zu: Die Letztbegründung seiner philosophischen Erkenntnisse kann demnach nicht schriftlich niedergelegt, sondern nur mündlich vermittelt werden, und die Einsicht muß dann wie ein Funke überspringen, der ein Licht entzündet. Der Autor untermauert die These, daß dieser Brief echt und autobiographisch ist. Darüber hinaus führt er detailliert in Platons Denken ein: Welche Einflüsse lassen sich in seinem Werk erkennen? Was verstand er eigentlich unter Philosophie? Sind doch davon Platons Menschenbild, seine physische Anthropologie, seine Theorie der Seele und seine Ethik abhängig. Vor diesem Hintergrund werden sein Staatsdenken, seine Kosmologie, Ideenlehre und die Prinzipientheorie eingehend erläutert. Schließlich rückt der religiöse Charakter der platonischen Philosophie in den Fokus: Ist die Idee des Guten, das «Prinzip von allem», Platons Gottesbegriff?
Thomas Alexander Szlezák lehrte bis zu seiner Emeritierung als Professor Griechische Philologie, aber auch antike Philosophie an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Im Verlag C.H.Beck ist von ihm lieferbar: Homer oder Die Geburt der abendländischen Dichtung (2012).
Vorwort
TEIL I: LEBEN
KAPITEL 1: Umfeld und Herkunft
Die Stadt
Die Familie
Die Krise:
das Bild Athens trübt sich ein
KAPITEL 2: Leben
Die Quellen
Die Zeit bis 399 v. Chr.
Kindheit, Jugend, Bekanntschaft
mit Sokrates
Der Prozeß des Sokrates
Die Zeit bis zur Gründung
der Akademie
Die Akademie.
Platon als Lehrer und Forscher
Platon und der Sturz der Tyrannis
in Syrakus
Letzte Jahre und Tod
TEIL II: WERK
KAPITEL 1: Bestand und Echtheitsfragen
Überblick über den Bestand
Ungleichheit der Dialoge
Echtheit
KAPITEL 2: Formenvielfalt und Stil
Zwei Typen von Dialogen
Vielfalt der Themen
und der Darstellungsmittel
Im Hintergrund steht stets
die Idee des Guten
Zu Platons Stil
KAPITEL 3: Zur Chronologie
der platonischen Schriften
Drei Bemerkungen vorweg
Frühe Dialoge
Dialoge vor 399 v. Chr.?
Zur Geschichte
der chronologischen Forschung
KAPITEL 4: Der platonische Dialog
und seine Hermeneutik
Platon war nicht der Schöpfer
der Literaturform Dialog
Nicht alle Einsicht
kommt aus dem Dialog
Die Schriftkritik im Phaidros.
Sokrates über den Gebrauch der Schrift
durch den Dialektiker
Kritik der Schrift und der Sprache
im Siebten Brief
KAPITEL 5: Das alte Bild
vom platonischen Dialog
Die neue Situation
Die moderne Theorie
der Dialogform
Wie kam es zur Umdeutung
der Grundtexte?
KAPITEL 6: Was aus den Grundtexten folgt
Platons schriftstellerische Motive
Was ist und was will
ein platonischer Dialog?
Was die platonischen Dialoge
nicht sind
Rätsel
Didaktische Literatur
Die Anonymitätsthese
Folgerungen
für die hermeneutische Praxis
TEIL III: DAS DENKEN
PLATONS
KAPITEL 1: Erster Überblick
und allgemeine Charakteristik
Einflüsse auf Platons Denken
Heraklit:
die Wandelbarkeit der Erscheinungswelt
und der eine Logos
Anaxagoras:
der Nus regiert die Welt
Parmenides:
die Dialektik des Einen
Sokrates:
das Wesen der Tugenden und die Sorge
um die Seele
Pythagoreer:
Seelenwanderung und die Faszination
der Zahl
Allgemeine Charakteristik.
‹Ur-Platonism›
Platons Weltbild.
Versuch einer kurzen Skizze
Vorgriff auf das Folgende:
zur Abfolge der Kapitel 2 bis 8
Die Unvermeidbarkeit
von Überschneidungen
KAPITEL 2: Der Begriff philosophia:
Platons Philosophie der Philosophie
Apologie:
Philosophie als Gottesdienst
Eros verliert, was er gewonnen hat
(Symp. 203 e)
Dialektik
Die Schau und die Eudaimonie
Voraussetzungen philosophischer Erkenntnis
Noetisches und dianoetisches Denken
Angleichung, Schau und Eudaimonie
KAPITEL 3: Anthropologie. Seelenlehre.
Ethik
Anthropologie
Physische Anthropologie:
Timaios über den Körper
Theorie der Seele
Platons Weichenstellung
Die Konstruktion der Weltseele
Unsterblichkeitsbeweise
Unsterblichkeit der Weltseele
Unsterblichkeit der Einzelseele
Die Menschenseele, die Weltseele
und die Gestirne
Die dreigeteilte Seele:
eine nicht optimale Zusammensetzung
Argumente für die Trichotomie.
Eigenart der Teile
Seele und Erkenntnis
Seelenwanderung
Eros
Ethik
Ethik und Seelenlehre
Naturalistic Fallacy?
Vorphilosophische Bürgertugend
Die platonische Tugendlehre
Einheit und Lehrbarkeit der Tugenden.
Unfreiwilligkeit des Unrechttuns
Wie müßte die «vollkommenste Ausarbeitung»
aussehen?
Das Ziel ethischen Verhaltens.
Die Bestimmung des Menschen
KAPITEL 4: Philosophie
der staatlichen Gemeinschaft
Der philosophische Grundgedanke
in Platons Staatsdenken
Platon schrieb keine Utopien
Voraussetzungen und Grundbegriffe
Was führt zum staatlichen Zusammenleben?
Was gehört zu einem Staat?
Die sittliche Erziehung der Bürger
als Staatsziel
Kategorien des Politischen:
Freiheit, Gleichheit, Besitz, Macht, Verständigung
Leitende Denkmittel:
Techne-Analogie, Organismus-Vergleich
Die Staatsentwürfe
Die Politeia:
der Staat der größtmöglichen Einheit
Nomoi:
Der Staat der Gesetze als die zweitbeste Lösung
Der Atlantis-Mythos
Das mythische Geschichtsbild Platons
Systematische Zusammenschau
der Staatsformen
Athen aus staatsphilosophischer Sicht
und das Problem der Rhetorik
Was ist der Bürger dem Staat schuldig?
Der Gesellschaftsvertrag
Rückblick: Neues und Charakteristisches
in Platons politischer Philosophie
KAPITEL 5: Kosmologie
Der einzige, vollkommene Kosmos
Wie erzählt Platon vom Kosmos?
Metaphorische Sprache und ‹wahrscheinliche Geschichte›
Die Figur des Demiurgos in den Dialogen
Die Welt ist ‹entstanden› –
doch in welchem Sinn?
Bestandteile und Ursachen
des Kosmos
Die chōra und die ‹Spuren› der Elemente
Elemente und Elementardreiecke
Die zwei Ursachenarten
Die Gestalt des Kosmos
Fixsterne, Erde, Planeten
Die Bewegungen der Weltseele
und die Erzeugung der Zeit
Wer ist der Demiurgos?
Zum Ganzen
der platonischen Kosmologie
Kurzer Rückblick
Wie der Timaios gesehen wurde
KAPITEL 6: Die Entdeckung der Idee
Die Theorie der Ideen.
Die entscheidende Wendung
zum Ideendenken
Gab es eine Ideenlehre?
Grundlegende Bestimmungen
Parmenides 129 a–135 b
Die Ideen als Bedingung
der Möglichkeit des Denkens
Die ontologischen Merkmale der Ideen
Das Leben und Denken der Ideen
Ideenlehre und Dialektik
Welche Funktionen
weist Platon den Ideen zu?
KAPITEL 7: Theorie der Prinzipien
Einige notwendige Vorbemerkungen
Platon selbst weist auf die Existenz und die Bedeutung
der Prinzipientheorie hin
Platon selbst weist den Dialogen
den zweiten Rang zu
Was nicht in die Dialoge einging,
wurde von Platon «oft» dargelegt
Warum verzichtete Platon auf eine schriftliche Fassung
der Prinzipientheorie?
Leugnung, Verdrängung und Wiedergewinnung
der platonischen Prinzipientheorie
Zur Überlieferung
Die philosophische Zielsetzung
Fortführung der vorsokratischen Frageweise
Der Weg ‹hinauf› zum Prinzip
und der Weg ‹herab›
Zwei Prinzipien
Die Grundzüge der Prinzipientheorie
Metaphysik A6 (= TP 22)
Sextus Empiricus, Adversus mathematicos X 248–283
(= TP 32)
Vergleich der beiden zusammenfassenden Testimonien
Informationen zu bestimmten Aspekten
der Prinzipienlehre
Bemerkungen zu Platons Philosophie
der Mathematik
Zur Philosophie der Zahlen
Dualismus oder Monismus?
Zusammenfassung und Würdigung
Kritische Einwände
KAPITEL 8: Die Mythen und die Religion,
die Götter und der Gott
‹Mythos›: ein ambivalenter Begriff
Die Jenseitsmythen
Andere Arten von Mythen
Das Verhältnis von Mythos und Logos
Philosophie und Religion
Macht Philosophie Religion entbehrlich?
Religion und Kult in den Dialogen
Orte von Bedeutung
Kultische Handlungen, Gebete und Feste
Religion in den neu zu gründenden Staaten
Die Götter der griechischen Religion
Wie man über die Götter sprechen soll.
Die typoi peri theologias
Die gelegentlich erscheinenden Götter
Götter – Daimones – Heroen – Menschen
Die sichtbaren Götter und
der schwer zu findende Gott
Alles ist voll von Göttern
Gott und Mensch
Noch einmal: wer ist der schwer auffindbare,
nicht allen mitteilbare Gott?
Nochmals: ein persönlicher Gott?
Worin besteht Göttlichkeit?
Gott als Maß aller Dinge
ANHANG I: Zum Siebten Brief
ANHANG II: Zu Platons Ironie
Anmerkungen
Teil I: Leben
Kapitel 1: Umfeld und Herkunft
Kapitel 2: Leben
Teil II: Werk
Kapitel 1: Bestand und Echtheitsfragen
Kapitel 2: Formenvielfalt und Stil
Kapitel 3: Zur Chronologie der platonischen Schriften
Kapitel 4: Der platonische Dialog und seine Hermeneutik
Kapitel 5: Das alte Bild vom platonischen Dialog
Kapitel 6: Was aus den Grundtexten folgt
Teil III: Das Denken Platons
Kapitel 1: Erster Überblick und allgemeine Charakteristik
Kapitel 2: Der Begriff philosophia: Platons Philosophie der Philosophie
Kapitel 3: Anthropologie. Seelenlehre. Ethik
Kapitel 4: Philosophie der staatlichen Gemeinschaft
Kapitel 5: Kosmologie
Kapitel 6: Die Entdeckung der Idee
Kapitel 7: Theorie der Prinzipien
Kapitel 8: Die Mythen und die Religion, die Götter und der Gott
Anhang I: Zum Siebten Brief
Anhang II: Zu Platons Ironie
Abkürzungsverzeichnis
Abgekürzt zitierte Literatur
Stellenregister
Sachregister
Register der Namen
und geographischen Begriffe
Register der Götternamen
Dem Andenken
an meine Lehrer in den 1960er Jahren
WOLFGANG SCHADEWALDT
(1900–1974)
und
WALTER BURKERT
(1931–2015)
gewidmet
Meine früheren Arbeiten zu Platon galten der Hermeneutik der Dialoge, ebenso ihrer Metaphysik sowie der Analyse der weithin unverstandenen Art und Weise, in der die philosophische Kommunikation im Detail abläuft. (Letzteres versuchte ich vor allem in dem zweiteiligen Werk «Platon und die Schriftlichkeit der Philosophie» [1985/2004] zu klären.) Eine Auswahl von kleineren Beiträgen zu diesen Themen aus den letzten 40 Jahren wurde wieder zugänglich gemacht in dem Band meiner «Aufsätze zur griechischen Literatur und Philosophie» (2019).
Wenn nun auf diese thematisch je spezifisch fokussierten Versuche noch ein Buch folgt, das die unterschiedlichsten Aspekte des platonischen Werkes zusammenfassend in den Blick nimmt, so ist das ein Ergebnis des unablässigen Drängens von Freunden im In- und Ausland, die solch ein Buch seit Jahren von mir forderten. Ich bedaure, daß ich sie so lange warten ließ.
Die Bekanntschaft mit den Ergebnissen meiner früheren Arbeiten wird nicht vorausgesetzt (wenn auch insbesondere die Kenntnis der Kommunikationsweise der Dialoge nützlich sein könnte). Das Buch möchte nicht nur den Kolleginnen und Kollegen vom Fach, sondern auch gebildeten philosophisch allgemein interessierten Leserinnen und Lesern, die Platon nicht im griechischen Original lesen, verständlich sein. Daher wurde auf längere griechische Zitate verzichtet, nur die Schlüsselbegriffe der jeweils besprochenen Texte erscheinen auch in griechischer Form (aber transliteriert in unser Alphabet). Angestrebt ist eine möglichst große Nähe zum Text – ich denke, daß darauf auch nicht von der Gräzistik inspirierte Leserkreise Wert legen werden.
Neue Akzente setzt dieses Buch in mehreren Bereichen, so in der Deutung einiger Phasen von Platons Leben, sodann in der Hermeneutik der Dialoge und nicht zuletzt hinsichtlich der Ontologie Platons. Der seit Aristoteles beliebte Vorwurf, Platon schaffe mit der ‹Abtrennung› (dem chōrismos) der Ideen von den wahrnehmbaren Dingen nur ein imaginäres Doppel der erfahrbaren Welt (somit eine Hinterwelt, die ihn nach Nietzsche zu einem Hinterweltler und Hinterwäldler mache), kann nur bei einer angemessenen Einbeziehung der antiken Zeugnisse zu Platons Theorie der Prinzipien in überzeugender Weise zurückgewiesen werden. Denn nur so wird klar, daß Platon nicht bei einer bloßen Entgegensetzung von Ideenwelt und Sinnenwelt stehenblieb, sondern eine differenziertere Ontologie im Sinn hatte, in der die Seinsebenen – deren er mehr als nur zwei zu erkennen glaubte – nicht voneinander ‹trennbar› (chōrista) sind, sondern die höheren die niedrigeren durchdringen und in ihrem Seinssinn bestimmen.
*
Dank schulde ich in erster Linie meiner Frau, ohne die ich keine meiner Arbeiten jemals zum Abschluß gebracht hätte.
Ein Dank ganz anderer Art gilt dem internationalen Kreis von jungen (und nicht mehr ganz jungen) Platonikern, mit denen ich seit dem Wintersemester 1999/2000 im Kloster Heiligkreuztal jährlich ein mehrtägiges Seminar mit genauer und vollständiger Lektüre je eines platonischen Dialogs durchführte. Diese Postgraduates aus zehn europäischen und außereuropäischen Ländern haben mich mit ihren Fragen und Diskussionsbeiträgen manches Problem der Platon-Deutung klarer zu sehen gelehrt.
Herzlich danken möchte ich ferner dem Verlag C.H.Beck, genauer Herrn Dr. Stefan von der Lahr. Ihm verdanke ich nicht nur den Lesegenuß seiner zwei außergewöhnlichen Kriminalromane, sondern vor allem die mit Geduld und souveränem Können (das mir schon bei der Publikation meines Homer-Buches von 2012 zugute kam) bewerkstelligte Drucklegung des Manuskriptes, bei der er sich auf ein vorzügliches Team (darunter insbesondere Frau Andrea Morgan) stützen konnte. Mit ihm und seinem Team zusammenzuarbeiten war eine reine Freude.
Tübingen, 4. Dezember 2020 Thomas Alexander Szlezák
TEIL I