Christoph Ruf

Was ist links?

Reportagen aus einem
politischen Milieu

 

 

 

 

 

Verlag C.H.Beck

 


 

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Zum Buch

Sommer 2009, das erste Klassentreffen seit 18 Jahren. Man redet über den Job, die Kinder und über die Schulzeit. Damals hofften alle, dass irgendwann einmal der dicke Kanzler abgewählt werden würde. Sie waren Linke. Versammelt haben sich Lehrer, Altenpfleger, Juristen, Mediziner und ein Journalist – unser Autor. «Links» sind alle irgendwie immer noch, was das aber heute sein soll, weiß keiner mehr so recht. Also wird der Journalist beauftragt, Genaueres herauszufinden. Über ein Jahr lang hat Christoph Ruf sich unter den Linken umgesehen, in Parlamenten und Parteizentralen, auf Marktplätzen und in Wohnzimmern. Bei der SPD, bei den Grünen und bei der Linkspartei hat er junge Menschen mit neuen Ideen getroffen – und ältere, deren Klugheit plötzlich wieder gefragt war. So entsteht eine dichte Beschreibung des linken politischen Milieus, seiner Menschen, Ideen und Perspektiven.

Über den Autor

Christoph Ruf, geb. 1971, Politologe und Journalist, schreibt für die Süddeutsche Zeitung, den Stern, Spiegel-Online, die Frankfurter Rundschau, die taz und andere überregionale Medien. Bei C.H.Beck liegt von ihm vor: In der NPD. Reisen in die National Befreite Zone (2009, zus. mit Olaf Sundermeyer).

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Eine Grillparty mit Folgen

PHASE I: Niederlage

1. Volkspartei ohne Volk: Die SPD vor den Trümmern ihrer Politik

Der Kandidat

Leipzig: Eine Hochburg wird geschleift

Am Tag danach

Wie Gerhard Schröder den Freak der Neuzeit schuf

2. Offene Zweierbeziehung:
SPD und Linkspartei nach der Bundestagswahl

Die guten Menschen von Erfurt

Bodo und der Scheinriese

Der Linkenbändiger

3. Die Grünen: Milieupartei in Ost und West

Im grünen Biotop

Der Quereinsteiger

Links bei den Grünen

PHASE II: Aufräumarbeiten

4. Wegen Umbau geöffnet: Die SPD auf Kurssuche

Der Heimatvertriebene

Der König von Nürnberg

Politischer Aschermittwoch: Gabriel greift an

Neuanfang durch den Seiteneingang

«Wir Jusos waren schon immer Vorreiter»

5. Balancieren auf Konfliktlinien:
Nahaufnahmen aus der Linkspartei

Der Besuch der alten Herren

Am linken Rand der Linken

Parteifreunde

Die Verlegenheit als Lösung

6. Fernverbindungen: SPD, Grüne und Linkspartei tasten sich ab

Die Grünen zwischen Jamaika und Sizilien

Joachim Gauck: Von der Instrumentalisierung eines Konservativen

Verpasste Chancen

Irrwege oder Von der Kunst, sich eine Rede schreiben zu lassen

PHASE III: Annäherung

7. Neue Protestkultur:
Wie brave Bürger die Mächtigen erschrecken

«Oben bleiben»

Antworten für die Wutbürger

8. Dritte Volkspartei: Der schwindelerregende Aufstieg der Grünen

Im Umfragehoch

Ein Heimspiel

Erfolgsgeheimnisse

9. Im Schatten der Kameras: Ein neues linkes Projekt entsteht

In der Globalisierungsfalle

Frankreich bläst zu attac

Rot-rot-grüne Foren

Think Tank auf links

OSLO: Linke lernen Norwegisch

Verbindendes

Mein Jahr unter Linken

Unter echten Linken

Rot-Rot-Grün: Plädoyer für einen Politikwechsel

Alles, was links ist

Anmerkungen

Register

Vorwort

«Was ist links?» – als ich vor 20 Jahren die Oberstufe eines badischen Kleinstadtgymnasiums besuchte, fiel mir die Antwort auf diese Frage noch relativ leicht. Heute dagegen scheinen die Konturen der politischen Lager zu verschwimmen. Was bedeutet «linke Politik», wenn eine rot-grüne Bundesregierung die «Agenda 2010» beschließt und Auslandseinsätze der Bundeswehr in ungeahntem Ausmaß anordnet? Was wird aus den linken Themen und Aktionsformen, wenn sich eine CDU-Kanzlerin den Kampf gegen den Klimawandel auf ihre Fahnen schreibt und in Stuttgart Menschen, denen der «Rotary»-Club deutlich sympathischer ist als jede Gewerkschaft, von den bürgerlichen Höhenlagen der Stadt zur Protestdemo gegen «Stuttgart 21» herabsteigen? Ist «links», wer das Parteibuch der SPD, der Grünen oder der Linken besitzt? Darf sich Thilo Sarrazin dann als links bezeichnen?

In meinem Abiturjahrgang fühlten sich die meisten als «Linke», was natürlich nicht hieß, dass wir jeden Tag über Politik geredet hätten. Aber wenn es doch dazu kam, bestätigte sich das, was auch eine imaginäre Bundestagswahl ergab, die die örtliche Schülerzeitung organisierte. Wir waren ein linker Jahrgang. So war es vielleicht kein Wunder, dass bei unserem ersten Klassentreffen nach vielen Jahren im Sommer 2009 die Frage aufkam, was «Links»-Sein heute eigentlich bedeutet. Mutlose Linke waren wir geworden, die nur noch aus Pflichterfüllung zur Wahl gehen und die sich bei den Parteien, die sie wählen, nicht gut aufgehoben fühlen. Ein klares politisches Projekt, wie man es Anfang der 90er Jahre mit Rot-Grün verbinden konnte, schien uns nicht in Sicht zu sein – und das, obgleich die Finanz- und Wirtschaftskrise eigentlich Wasser auf die Mühlen linker Politikentwürfe hätte sein müssen. Wo aber sollte auch die Fantasie für Visionen herkommen, in Zeiten, in denen wir uns selbst nicht mehr als besonders nachdenklich oder gar kämpferisch empfanden.

Oder gibt es sie doch, die Orte, an denen die Ideen der Zukunft entstehen? Bekommen wir davon nur zu wenig mit, weil sie durch das Raster der Medienberichterstattung fallen? Die Spitzenpolitiker von SPD, Linkspartei und Grünen, die in den Talkshows hin- und hergereicht werden – keiner von ihnen begeistert uns, keinem nehmen wir ab, dass es ihm um mehr geht als um den nächsten Aufschwung in den Umfragen. Aber vielleicht sieht es an der Basis der Parteien anders aus, und vielleicht gibt es sogar Spitzenpolitiker, in denen wir uns getäuscht haben. Man hat mich, den Journalisten, beauftragt, das herauszufinden. So entstand die Idee zu diesem Buch.

Als ich mit der Recherche begonnen habe, waren Angela Merkel und Guido Westerwelle kurz davor, mit klarer Mehrheit gewählt zu werden: Nach der Wahl lag die Opposition danieder und war vor allem mit sich selbst beschäftigt. Das hat sich in dem Jahr, das ich unter Linken verbracht habe, stark verändert. Heute können sich SPD, Grüne und Linkspartei Hoffnung machen, 2013 die Regierung zu übernehmen. Aber wie stehen die Chancen, dass wir nach einem möglichen Ende von Schwarz-Gelb nicht nur eine neue Regierung, sondern auch eine neue Politik bekommen?

In den vergangenen 18 Monaten bin ich an der Basis von SPD, Grünen und Linkspartei auf Menschen gestoßen, die sich darum bemühen, ein gedankliches Fundament zu gießen, das länger tragen soll als bis zur nächsten Koalitionsverhandlung. Während die Parteiprominenz ihre wohl austarierten 30-Sekunden-Statements für die Abendnachrichten zelebriert, findet hinter den Kulissen die konzeptionelle Arbeit statt. Dort werden derzeit die programmatischen Eckpunkte einer rot-grünen Reformkoalition geschmiedet, deren Akteure sich nicht scheuen, die Linkspartei in die Pflicht zu nehmen. Damit zusammenwächst, was zusammengehört.

In allen drei Parteien haben inzwischen diejenigen Auftrieb, die die Schaukämpfe der Vergangenheit satt haben. Menschen, die eine zukunftsfähige Politik machen wollen. So konnte ich bei der Arbeit an diesem Buch miterleben, wie im Schatten der Kameras ein neues linkes Projekt erste Knospen treibt.

Eine Grillparty mit Folgen

Da haben wir es also doch noch geschafft. 18 Jahre nach dem Abitur hat eine treue Seele tatsächlich ein Wiedersehen organisiert. Viele meiner ehemaligen Klassenkameraden habe ich seit 1991 nicht mehr gesehen. Gut, wenn wenigstens die Musik Vertrautheit schafft. Schon als wir noch orientierungslose Oberstufenschüler waren, fand auf dem Wiesengrundstück am Stadtrand kein Fest statt, ohne dass irgendjemand Musik von den «Doors» mitgebracht hätte. Warmer Sommerwind, ein kühles Bier, eine Zigarette. Und diese Stimme, die vom «killer on the road» sang. Irgendjemand hat auch heute, Anfang September 2009, wieder die «Doors» dabei – als MP3 natürlich und nicht mehr auf einer eiernden Maxell-Kassette. Wieder stehen wir im fußhohen Gras unter den Obstbäumen und unterhalten uns, vom Grill weht der Geruch nach Holzkohle herüber, die gusseiserne Badewanne ist voller Halbliter-Flaschen der örtlichen Brauerei. Alles wie früher also. Doch die Illusion hält nicht lange an. Doors-Gründer Jim Morrison, der selbst nur 27 Jahre alt wurde, im Hintergrund, während Mamis und Papis in den Enddreißigern die Vornamen ihrer im Vordergrund lärmenden Kinder abgleichen – das ist, als stelle man einen Bierkrug auf die sonntägliche Kaffeetafel. «Into this world we’re thrown» – falls der eine oder andere von uns noch so fühlt, hat er sich mit Bausparverträgen, Leasingraten und allerlei Zusatzversicherungen jedenfalls trefflich gegen die Unwägbarkeiten des Lebens abgesichert. Familie oder zumindest einen festen Lebenspartner hat so gut wie jeder mitgebracht, die Jeans sind dreimal so teuer wie früher, statt der Mofas und Fahrräder stehen Mittelklassewagen am Wegesrand.

Klaus ist einer von den vielen, die ich aus den Augen verloren hatte. Früher war er sehr politisch. In den Achtzigern gründete er in unserem Heimatort eine SDAJ-Gruppe, die zwischenzeitlich 25 Mitglieder hatte – mehr als die Jugendorganisationen von CDU, SPD und FDP zusammen. Die SDAJ («Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend») war der Nachwuchsverband der Deutschen Kommunistischen Partei – und hat heute wahrscheinlich bundesweit nicht viel mehr Mitglieder als damals allein bei uns im Ort. Wenn sich irgendwo in Baden-Württemberg die «Republikaner» einen Vortrag zurechtstotterten, war die SDAJ schon da und demonstrierte. Wenn es galt, die Gewerkschafts-Flyer (die damals noch Flugblätter hießen) zu verteilen, in denen für eine kräftige Lohnerhöhung beim örtlichen Krankenhauspersonal geworben wurde, war die Genossin vom Nachwuchsverband an vorderster Stelle.

Die SDAJ vertrat zuweilen eher merkwürdige Ansichten. Wie sich später herausstellen sollte, lag das daran, dass Ost-Berlin und Moskau Schatten warfen, die bis an den Fuß des Schwarzwaldes reichten. Klaus und seine Leute waren gegen Atomkraftwerke, das waren wir alle. Gegen die in der DDR hatte er allerdings nichts, die seien nämlich zum einen sicher und zum anderen in Volkseigentum. Auch Honecker fand Klaus prima. Freie Wahlen? Brauche man in der DDR nicht. Aber wenn es sie gäbe, würde Honecker mit 99 Prozent gewählt werden. Klaus meinte das damals wirklich ernst. Nach dem Mauerfall erfuhr man, dass SDAJ und DKP jahrzehntelang aus Ost-Berlin fremdfinanziert worden waren. Wer Klaus Ende der Achtziger zuhörte, konnte darüber nicht sonderlich verwundert sein – auch wenn mein Klassenkamerad von den Geldflüssen wie die meisten einfachen Mitglieder wohl wirklich nichts gewusst hat.

Klaus und ich waren uns aber auch oft einig. Zum Beispiel, wenn es um Musik, Partys oder die Attraktivität mancher Klassenkameradin ging. Und was die Politik betraf: Die Atomkraftwerke und der dicke, selbstgefällige Kanzler, wir hatten sie beide gründlich satt. Wir wollten etwas Neues. Und auch ich fand, dass Krankenschwestern viel zu schlecht bezahlt sind. Trotzdem hat mich Klaus in einem ruhigen Moment beiseite genommen und mir mit besorgtem Blick mitgeteilt, was uns politisch unterscheide: «Du stellst die Klassenfrage nicht.» Dass ich nicht einmal genau wusste, was eine Klassenfrage ist, habe ich damals für mich behalten. Direkt nach der Wende ist Klaus bei den Grünen eingetreten, der ganze SDAJ-Ortsverband hatte sich innerhalb weniger Tage aufgelöst. Es dauerte nur ein paar Wochen, da stand er in seinem Parka mit «Grünen»- statt mit DKP-Programmen in der Fußgängerzone. Mir ging das damals ein bisschen zu schnell, nicht nur, weil ich mir gerne noch hätte erklären lassen, was es denn nun mit der Klassenfrage so auf sich habe.

Als Klaus heute mit seiner Wurst vom Grill zurückkommt, spreche ich ihn auf die Umbruchszeit an, auf meinen Eindruck, dass auch er sich damals ein wenig schnell gewendet habe. «Also, hör mal, ich bin immerhin ein Linker geblieben. Und kein Banker geworden wie Jochen.» Jochen mochten wir beide noch nie. Er ist auch heute nicht gekommen – wichtige Termine. Klaus ist Grundschullehrer. Und er will jetzt nicht mehr über Politik reden: «Wir haben uns so lange nicht gesehen – du hast jetzt auch Kinder, oder?»

Je mehr Kinder von ihren Großeltern abgeholt werden oder auf den Bierbänken vor sich hindösen, desto mehr Frauen gesellen sich zu uns an den Grill. Unsere Männerrunde trifft ein spöttischer Blick. Tina, die gelernte Altenpflegerin ist, war uns Jungs schon früher weit voraus und heute können wir zugeben, dass uns jahrelang eigentlich alle Mädchen weit voraus waren. Tina ist schon geschieden und hat jetzt einen jüngeren Freund, Piet, der beruflich allerdings viel unterwegs ist. Sie, die irgendwo im östlichen Schwaben gestrandet ist, findet das nicht weiter schlimm, wenn nur die örtliche Kita nicht solche lächerlichen Öffnungszeiten hätte. Auf dem Land werden Frauen zuweilen immer noch schräg angesehen, wenn sie ein Jahr nach der Entbindung «schon wieder» arbeiten gehen, berichtet sie. Wenn der kleine Lasse wenigstens bis 15 Uhr betreut wäre, könnte sie halbtags arbeiten. Sie will jetzt eine Elterninitiative gründen. «Mal ein bisschen Action in der Provinz – wie damals, wisst ihr noch?»

An unserer Schule gab es 1990/91 eine Initiative gegen den ersten Golfkrieg, den George Bush Juniors Senior führen zu müssen glaubte. Mit Styroportafeln sind wir durch die Fußgängerzone gestiefelt: «Kein Blut für Öl» hatten wir draufgeschrieben. Viele Leute aus unserer kleinen Stadt fanden das gut, nur ein alter Herr meinte, wir wären in Moskau besser aufgehoben. Der Direktor unserer Schule glaubte das sicher auch. Jedenfalls ließ er uns nachsitzen, wir hatten schließlich die Schule geschwänzt. In anderen Bundesländern waren die Direktoren schon damals hocherfreut, wenn ihre Schüler mit ihnen zur Antikriegsdemo gingen. Aber unser Direktor war Christdemokrat, wie fast alle wichtigen Leute im Ort. «Typisch CDU», sagt Tina im Gedenken an unseren Schulleiter. In ihrer Kleinstadt hat sie noch heute solche Erlebnisse. CDU und Kirche – das ist dort immer noch eine Einheit wie Zwiebelrostbraten mit Spätzle. Tina hat bei den Schwaben ein handfestes Integrationsproblem: Als Berufstätige würde sie im Sommer gerne auch sonntags die Wäsche zum Trocknen raushängen. Doch das lässt sie jetzt lieber sein. Ihre Nachbarn schauen sie beim Bestücken der Wäschespinne nämlich so wohlwollend an, als schächte sie unterm Apfelbäumchen grad einen Hammel.

Matthias schüttelt es am ganzen Körper, als er Tinas Erzählungen hört. Er ist nach dem Abi sofort abgehauen. Hauptsache weg aus der Kleinstadt. Zivildienst in Köln, dann zum Studium nach Berlin. Heute ist er Unternehmensberater. Mittlerweile pendelt er zwischen Berlin und dem Firmensitz in Washington, DC hin und her. Dass er viel herumkommt, hört man ein wenig. Wenn Matthias «cool» sagt, klingt das eher wie «kuarl». Wir sagen «kuhl». «Komplett unkuarl» findet Matthias die Prognosen zur Bundestagswahl. «Zehn Deutsche sind immer dümmer als zwei Deutsche», sagt er und schwärmt noch ein wenig von den USA. Aufbruchstimmung dort. Kleinmut hierzulande. Hier Brüderle, dort Obama. Er kann es nicht fassen.

In zwei Wochen und – wie ein Blick auf die Uhr zeigt – fünfeinhalb Stunden öffnen die Wahllokale. Es läuft wohl auf Schwarz-Gelb hinaus, besonders die FDP ist im Umfragehoch. Schlecht sieht es für die SPD aus, die Grünen werden wohl leicht hinzugewinnen. «Immerhin etwas», sagt Christoph, der im nahen Karlsruhe als Jurist arbeitet und Erstaunliches zu verkünden hat: Er ist vor ein paar Wochen einer Partei beigetreten, den Grünen. Christoph schaut ein wenig irritiert, als er den spöttischen Blick von Matthias bemerkt. Er kennt diese Reaktion. Parteien finden die meisten unserer Altersgenossen so attraktiv wie die Zeugen Jehovas. Christoph sieht das anders, kommt aber nicht dazu, ins Detail zu gehen. Matthias will jetzt reden, nicht zuhören. Mit schwerer Zunge plädiert er dafür, dass eine Mauer um Bayern und Baden-Württemberg gebaut wird. Zum einen, weil dann der in seltsamen Zungen sprechende Zustrom in seinen Berliner Kiez endlich versiegen würde. Und zum anderen, weil man dann nicht von solchen Menschen wie Angela Merkel, Westerwelle und Horst Seehofer regiert werden müsste. «Dann noch lieber die Komiker aus deiner Grünen-Combo.»

Matthias ist jetzt in Schwung und holt noch eine Runde Bierflaschen aus der Wanne. Doch irgendwie wirkt die Verve, mit der wir neben den peinlichsten Gestalten aus dem Abendprogramm des Fernsehens, neben all den Mario Barths, Gottschalks und Carmen Nebels, einzelne Protagonisten von CDU, CSU und FDP durch den Kakao ziehen, schon nach wenigen Minuten ein wenig aufgesetzt. Wie ein Überbleibsel aus Zeiten, in denen die Welt noch klar konturiert war. Hier die Konservativen, die Partei der Spießer und Pharisäer. Dort wir Linke, die mit den neuen Ideen.

Das war sicher schon vor 20 Jahren ein bisschen verkürzt, heute sieht das keiner von uns mehr so. Kurz darauf haben wir die Westerwelles, Kauders und Mappusse längst in ein Universalgeläster integriert, das auch vor Steinmeier (langweilig), Klaus Ernst (hört wahrscheinlich Volksmusik oder Bryan Adams) und Claudia Roth (ist Claudia Roth) nicht halt macht. Anja hat es gerade auf den Punkt gebracht: Noch lieber würde man sich über die Schwarzen und die Gelben aufregen, wenn man mal für ein paar Minuten den Eindruck hätte, es gehe um echte Alternativen. Alle nicken. Anja hat in Göttingen Medizin studiert, dort war sie lange bei der Antifa aktiv. Man erwarte ja keine Revolutionen, nicht einmal mehr Visionen, sagt sie heute. Nur ein bisschen «Change» oder wenigstens ein «Yes, we can», bei dem die Zuhörer nicht schon beim «we» weggedämmert sind.

Die SPD? Ist den einen zu piefig, zu verwachsen mit den Gewerkschaften, die viele auch eher zum Establishment als zu den Progressiven im Lande zählen. Andere finden, die Sozis hätten sich mal wieder als bessere CDU erwiesen. Hartz IV – das hätte sich die Union trauen sollen. Die Linke? In dieser Runde, in der viele noch «PDS» sagen, hat sie kaum eine Lobby, obwohl mancher von uns zugibt, sie «sogar» schon gewählt zu haben. Aber nur aus Verärgerung über Rote und Grüne. Die Grünen? So spannend wie der eintausendreihundertsiebenundachtzigste Besuch im Öko-Kaufhaus, das vor 20 Jahren neu aufgemacht hat. Aber eben auch genau so vertraut. Mit den Grünen haben wir uns selbst verändert. Mittlerweile gehen wir mit der gleichen gelangweilten Routine alle paar Jahre zur Wahl, mit der die Generation unserer Eltern und Großeltern jeden Samstag das Auto wäscht. Liegt das an uns, an der Lethargie dieser Generation, die sich mit der Klimakatastrophe genau so gut arrangieren kann wie mit Stefan Raab? Oder haben die heutigen Politiker tatsächlich nichts anderes verdient als unsere Lethargie?

Im Grunde sind wir auf «unsere» Parteien noch schlechter zu sprechen als auf Schwarze und Gelbe. Nur Leute, von denen man etwas erwartet, können einen enttäuschen. Von SPD, Grünen und Linken erwarten wir etwas, sonst würden wir sie nicht wählen. Doch anstatt klar konturierte Alternativen zu Merkel und Westerwelle zu entwerfen, bekämpfen sie sich lieber gegenseitig. Im Großen wie im Kleinen. Anjas Vater ist seit Lehrlingszeiten in der IG Metall, die hier im Ort stark ist. Seit Schröders Agenda ist er bei den Linken. Von seinen ehemaligen SPD-Parteifreunden spricht er mittlerweile mit kaum verhohlenem Hass, «da kommen selbst die Schwarzen noch besser weg», berichtet Anja. Im Großen ist es genauso. Da bekämpfen sich Rote und ganz Rote bis aufs Blut, nur weil ein alternder Spitzenpolitiker einmal die Fronten gewechselt hat. Und die CDU lacht sich ins Fäustchen.

Lange habe ich mitgeschimpft über die Politiker. Dann musste ich an Christoph denken, der sich gerade ein paar Meter weiter mit seinem ehemaligen Bandkollegen Jan unterhält. Menschen wie ihn habe ich als Journalist auch schon anderswo in der Politik kennengelernt. Solche, denen es um die Sache geht, die tatsächlich etwas verändern wollen. Die sich wie Norbert aus Dortmund seit Jahrzehnten gerade machen, wenn die Arbeitgeber ihre Angestellten zu erpressen versuchen. Menschen wie Ben, der sich in einem sächsischen Dorf, in dem die rechte Kameradschaft den Ton angibt, um die Leute in der örtlichen Asylbewerberunterkunft kümmert und für die Linkspartei im Kommunalparlament sitzt. Ich erzähle von Leuten, die die Ideen in die Parlamente tragen, die schon vor zehn Jahren so gut waren, dass die Mächtigen sie nur lächerlich machen konnten. Ich erzähle von Sven Giegold, der Spekulationssteuer und dem Umstand, dass ebenjener Giegold, der in einem niedersächsischen Dorf die deutsche Attac-Sektion leitete, nur wenige Kilometer entfernt von unserem badischen Städtchen im Straßburger Europaparlament sitzt.

«Klingt eigentlich interessant», sagt Matthias, «das könntest du mal aufschreiben». Christoph, der gerade herübergekommen ist, gibt ihm Recht. Und ich ertappe mich beim Gang hinter die Himbeerhecke dabei, wie ich in Gedanken die Gliederung eines Buches entwerfe, in dem ein Kapitel auch ihm gewidmet ist. Wie kommt dieser erfolgreiche Jurist, dieser frisch verheiratete Familienvater, mit dem ich in all den Jahren meist über Rockmusik oder Fußball geredet habe – wie kommt dieser Mann dazu, von einem Tag auf den anderen «in die Politik» zu wollen?

Als das Feuer herunterbrennt, stehen wir zu zweit am Feuer. Christoph, der Jurist, der in den Landtag möchte. Und ich, der Journalist, der endlich mal wieder etwas herausfinden will. Wir legen noch ein paar Holzscheite auf. «Es gibt so viele kluge Köpfe mit guten Ideen bei uns – schade, dass ihr Journalisten euch immer nur für das Gezänk der Polit-Promis interessiert», sagt er. Ich weiß, dass er Recht hat. Wir Medienleute sind mitschuldig daran, dass die politischen Debatten immer oberflächlicher werden – und das Spitzenpersonal immer stromlinienförmiger. Das sage ich laut. Was ich nicht sage: Ich, der Medienmensch, denke seit Kurzem darüber nach, wie stromlinienförmig ich selbst geworden bin.

Ein paar Wochen zuvor hatte ich in einem verrauchten Café mit einem jungen Mann zusammengesessen, der keinen Namen hat. Der Mann ist Antifa-Aktivist, in diesen Kreisen legt man größten Wert auf Anonymität. Zumal dann, wenn man es sich zum Ziel gemacht hat, die Identität von Neonazis offenzulegen, die sich im Alltag als biedere Bürger geben und nach Feierabend in ihren Internetforen Umsturz- und Deportationsfantasien frönen. Der Mann, besondere Kennzeichen: keine, hielt mich offenbar für vertrauenswürdig, deshalb zeigte er mir, was die letzten Hacks – also das Knacken der Passworte und anderer Verschlüsselungen – erbracht hatten. Und dann sagte er einen Satz, den ich als schwere Beleidigung empfand. Er halte mich nicht für «einen richtigen Linken», sagte er. Aber immerhin für einen bürgerlichen Demokraten, wie er eilends nachschob, auch da gebe es ja Leute, mit denen man sich im Kampf gegen die Rechten verbinden könne. Die letzten Sätze hörte ich schon gar nicht mehr so richtig. Ich sollte «kein richtiger Linker» sein?

Ein paar Tage später war ich bereit, dem jungen Antifaschisten zu vergeben. Vielleicht hatte er ja sogar Recht. Ich bin wohl wirklich halbwegs bürgerlich. Und es gibt sicher einige Vorgaben der politischen Korrektheit, gegen die ich unwissentlich verstoße. Es steht, wenn ich ehrlich bin, vielleicht sogar noch schlimmer um mich: Es gibt sogar einige, die ich ausdrücklich ablehne. Ich schreibe beispielsweise «man» statt «mensch», das Wort «PolitikerInnen» rann mir zuletzt als Praktikant der «taz Hamburg» aus der Feder. Dass mensch neuerdings sogar besser von «PolitikerI_nnen» schreibt, um die Transsexuellen nicht zu düpieren, weiß ich sogar erst seit der Recherche für dieses Buch. Über Witze, in denen es darum geht, wie dumm Frauen seien oder wie schlecht sie Auto fahren, kann ich allerdings noch immer nicht so richtig lachen. Das ist aber wohl eher eine Frage des Humors als der politischen Gesinnung.

Ich habe auch noch nie verstanden, warum man sich als Linker schlecht ernähren muss. Als bekannt wurde, dass Sahra Wagenknecht gerne Hummer isst, löste das große Diskussionen aus. Als ob der durchschnittliche Linken-Wähler nicht wüsste, dass das Budget einer Spitzenpolitikerin mehr hergibt als trockenes Brot mit Margarine. Ich würde einem guten Restaurant jedenfalls nie die Scheiben einwerfen, wie es im Hamburger Schanzenviertel oder in Berlin-Kreuzberg gelegentlich geschieht. Allein schon, weil ich das dann hin und wieder vom Innenraum aus tun müsste.

Im Übrigen fehlt mir die Kombinationsgabe mancher Menschen, die sich als Linke sehen. So habe ich es immer schon bewundert, wie schnell manche Linke von der Feststellung, dass sie einem Menschen gegenüber sitzen, dessen Schnitzel aus Schwein und nicht aus Soja ist, bei der Unterstellung sind, derjenige habe aus Auschwitz nichts gelernt. Und warum es «strukturell antisemitisch» sein soll, wenn man es für pervers hält, dass Börsenkurse steigen, weil das jeweilige Unternehmen gerade so kunstfertig seine Arbeiter entlassen hat? Es gibt sicher in jeder größeren Stadt zehn Leute, die das schlüssig erklären können. Vorausgesetzt, es hört ihnen jemand zu.

Salonsozialisten und manche Linksradikale haben indes mehr gemeinsam, als sie sich vorstellen können: zum Beispiel, dass sie jeden Bezug zur Welt außerhalb ihres Mikrokosmos ausblenden. Ich finde, dass eine Linke, die den Anspruch aufgegeben hat, zu argumentieren, zumindest den gutwilligen Teil der Gesellschaft noch zu erreichen, so unnötig ist wie ein Kropf. Die Regeln im linken Ghetto interessieren mich nicht.

Mit 18 Jahren war es noch einfacher mit dem Linkssein. Wer im schwarzen Baden-Württemberg aufwuchs ist, bekam ein klares Weltbild mit. Die CDU ist überall. Der Rest ist links. SPD zu wählen war in unserem Ort, wo ein großer Automobilbetrieb steht, nichts Verwerfliches, in manchen Dörfern wird auf die «Sozzen» allerdings noch heute mit dem Finger gezeigt. Die Grünen fand der gemeine CDU-Wähler damals noch richtig schlimm, heute wären sie auch in meiner Stadt vielen der liebste Koalitionspartner. Bei der Bundestagswahl 1990 – was hatte ich mich auf meine erste Wahl gefreut – waren die Grünen aus dem Bundestag geflogen, nur ein paar einsame ostdeutsche Bündnis 90-Leute hielten in Bonn das grüne Fähnchen hoch. Das empörte mich, zumal die Medien den Grünen nun mangelnden Patriotismus vorwarfen. «Alle reden von Deutschland – wir reden vom Wetter» hatten sie plakatiert. Richtigerweise, wie ich fand. Politiker, die über den Klimawandel debattierten, hielt ich für seriöser als die Kollegen, die aus dem «Deutschland-einig-Vaterland»-Gesinge gar nicht mehr herausfanden.

Ich bin also für ein paar Wochen Mitglied der Grünen geworden. Mehr oder weniger aus Mitleid, wie ich heute sagen muss. Die sieben älteren Damen und Herren in meinem Ortsverein fühlten sich damals noch sehr jung, die Gründung eines Jugendverbands hätten sie als persönlichen Angriff empfunden. Nichts gegen meine damaligen Parteifreunde – sie haben geahnt, dass ihre Themen nicht die von 19-jährigen sind. Sie haben mich sogar für den Neumünsteraner Parteitag im April 1991 als Delegierten bestimmt. Das war schon sehr wohlwollend, zumal meine Bewerbungsrede aus wenigen nervös dahingenuschelten Sätzen bestand, deren Quintessenz das eher schlichte Bekenntnis war, ich sei gegen den Golfkrieg. Der damalige Platzhirsch im Kreisverband ließ kurz darauf durchblicken, dass er nicht wisse, wie man Saddam Hussein mit Gandhi bekämpfen könne. Das wusste ich zwar auch nicht – Delegierter wurde ich trotzdem. Wie gesagt: Nett waren sie schon, die Grünen.

Nach dem Parteitag bin ich dennoch schnell wieder ausgetreten. Die Grünen, deren Parteitage heute mindestens so durchorchestriert sind wie die der Konkurrenz, schafften es damals noch, sich bei zehn Stunden Debatte elf Stunden lang zu zerfleischen. Das störte mich so, dass ich nach acht Stunden Zugfahrt von Neumünster in die Heimat meine neue Partei wieder verlassen habe. Seither bin ich Wechselwähler. Wobei ich noch nie in meinem Leben CDU oder FDP gewählt habe und das nach menschlichem Ermessen auch nicht tun werde. Ich bin also zumindest an meinem Wahlverhalten klar als Linker zu identifizieren. Und als solcher durchaus bereit, über mich und meinesgleichen zu lachen.

Ich gehöre deshalb nicht zu denen, die dem «Spiegel»-Redakteur Jan Fleischhauer dessen Buch «Unter Linken» übel nehmen. Wenngleich ich finde, dass er sich um die Schlussfolgerung aus seiner Suada gegen die 68er herumdrückt. Trauert er dem Mief der Adenauerschen Nippes-Republik nach, der Tabuisierung der NS-Geschichte, den Zeiten, in denen Vermieter belangt werden konnten, wenn sie ein Zimmer an unverheiratete Paare vergaben? So nervtötend ich manchen in Selbstgerechtigkeit ergrauten ehemaligen Revoluzzer finde – ich bin ihnen dankbar, dass ich wegen ihrer Vorleistung in einer liberaleren, einer diskussionsfreudigeren, einer geistreicheren Gesellschaft aufgewachsen bin als meine Eltern.

Aber Fleischhauer hat schon Recht: Die Linken können nerven wie wohl keine zweite Subspezies des Homo sapiens erectus. Dogmatismus und Lustfeindlichkeit, schamlose Selbstgerechtigkeit und penetranter Moralismus, wo die Argumente versiegen. Man könnte Hunderte von Seiten füllen mit der Beschreibung all ihrer Unsitten. Schade, dass Fleischhauer das nicht tut. Er ist nicht einmal «unter Linke» gegangen, sondern unter seinesgleichen geblieben. Fleischhauer ist im betuchten Hamburger Norden aufgewachsen, hat danach studiert und arbeitet seither für den «Spiegel». Es gibt kein Indiz dafür, dass er außerhalb des ein oder anderen Rechercheauftrags seiner Redaktion je mit übermäßig vielen Nicht-Akademikern oder Menschen mit einem nur fünfstelligen Jahresbruttoeinkommen zusammengetroffen wäre. «Wenn ich von den Linken spreche», schreibt Fleischhauer, «meine ich zunächst ein Milieu, das mir seit meiner Kindheit vertraut ist und das man als Links-Bürgertum bezeichnen kann.»[1] Das ist schon überraschend ehrlich. Genauso könnte man ein Buch über Deutschlands Strände schreiben und darin vom Geschehen im Sandkasten um die Ecke berichten.

Bei den Angestellten von Kitas und Altersheimen, bei den Betriebsräten der Postzusteller und bei streikenden Studenten wäre er wohl auf Leute gestoßen, die mit dem linkselitären Gerede von Wellingsbütteler Millionärsgattinnen genau so wenig anfangen können wie er selbst. Er wäre mit ziemlicher Sicherheit auf Menschen gestoßen, die nicht den Sozialstaat als Monstranz vor sich hertragen und die Kinder auf die Privatschule schicken. Die Fleischhauersche «Linke», diese «Gauche caviar», wie sie in Frankreich genannt wird, ist ein Segment der deutschen Linken und ein extrem ärgerliches dazu. Fleischhauer karikiert und kritisiert es prächtig. Außerhalb von Sylt, Hamburg und den Journalistenzirkeln in Berlin-Mitte begegnet man ihm aber erfreulicherweise selten. Vielleicht sollte man das dem Autor mitteilen. Er würde sich sicher freuen.

Wer die deutsche Linke beschreibt, stößt geradezu automatisch auf Personen und Aussagen, die man nur karikieren kann, weil sie zu lächerlich sind, um sich nicht über sie lustig machen zu dürfen. Wer sie als Linker beschreibt, weiß aber gleichzeitig immer, dass nur dort, wo um Ideen und Zukunftsentwürfe überhaupt noch gerungen wird, Aussagen fallen, die man diskussionswürdig (und manchmal auch: indiskutabel) finden kann. Man kann die turbulente Mitgliederversammlung eines fundamentalistischen Stadtverbandes der «Linken» ärgerlich finden, die Atmosphäre in einem SPD-Ortsverein piefig und die Grundsatzdebatten einer Grünen-Ökologiegruppe abgehoben. Aber jede Stunde, die man dort absitzen muss, ist spannender und aufrichtiger als ein Bundesparteitag von FDP oder CDU, wo sich Hunderte Delegierte an drei aufeinanderfolgenden Tagen damit begnügen, an den von der Parteitagsregie gesetzten Markierungen möglichst lange zu applaudieren. Auch und gerade dann, wenn drei Tage lang nichts, aber auch gar nichts besprochen wird, was zur Lösung gegenwärtiger oder gar künftiger Probleme beitragen würde.

Gedankenversunken stehen Christoph und ich um die verglimmenden Holzscheite herum. Wir holen noch ein letztes Bier aus der mit Eiswürfeln gefüllten Metallwanne und prosten uns zu. Sechseinhalb Minuten lang sagt keiner von uns ein Wort. So lange dauert «Riders on the Storm».

PHASE I: Niederlage

Ein Tag im Spätsommer. Grauer Himmel, 17 Grad. Keine Frage, nichts ist mehr so, wie es mal war. Nicht mal der September. Und die SPD schon gar nicht. Vor 18 Jahren, als Christoph und ich erstmals wählen durften, war die Welt noch übersichtlich: SPD und Grüne ließen die Werbematerialen von ihren Anhängern verteilen, CDU und FDP mussten auf kommerzielle Hilfe zurückgreifen. Die Zeiten haben sich geändert.

Der junge Mann, der trotz des penetranten Nieselregens die Flyer des örtlichen SPD-Bundestagsabgeordneten in die Briefkästen legt, ist ein Student. Mit der SPD hat er nichts zu tun, er jobbt für eine Werbeagentur. Ob er kommende Woche vorm Einkaufszentrum für Kreditkarten oder in der Fußgängerzone für eine Umweltschutzorganisation wirbt, weiß er noch nicht. Es ist ihm auch egal, er hat beide «Jobs» schon gemacht. Und SPD wählt er auch nicht. Das wiederum hat er mit der übergroßen Mehrheit seiner Landsleute gemeinsam. Die Demoskopen sind sich einig: Linke und Grüne werden am kommenden Sonntag ein ordentliches Ergebnis einfahren, die SPD wird ein Debakel erleben. Es wird also auf eine schwarzgelbe Koalition hinauslaufen. Mich ärgert das, auch wenn mir tausend Gründe einfallen, warum die politische Linke in Deutschland sich ihre kommende Wahlniederlage selbst zuzuschreiben hat. Es ist ja nicht so, dass die Bürger Angela Merkel oder gar Guido Westerwelle verehren oder auch nur irgendwelche anderen Hoffnungen mit dieser Konstellation verbinden würden, als dass sie das Land halbwegs unfallfrei vor sich hinverwaltet. Wer gegen diese CDU und diese FDP verliert, kann nur selbst schuld sein.

Schon am vergangenen Sonntag, am Morgen nach unserer Grillparty, hat mein Vorhaben deshalb Gestalt angenommen. Die ersten Reiseziele sind bereits geplant, die ersten Vorgespräche mit Kollegen und Bekannten geführt. Ich werde mich bei meinen Recherchen auf die drei Parteien konzentrieren, die gemeinhin der «politischen Linken» zugerechnet werden. Ich weiß, dass dies aus zweierlei Gründen problematisch ist. Zum einen, weil sich viele Linke ganz bewusst außerhalb der Parteien verorten. Und zum anderen, weil es je nach politischem Standpunkt Menschen gibt, die Grünen, Linken oder Sozialdemokraten (oder gar allen dreien) absprechen, überhaupt linke Ideen zu vertreten. Doch ich habe ja nicht vor, eine politologische Begriffsklärung des Wortes «links» vorzunehmen. Was ich selbst darunter verstehe, möchte ich Ihnen allerdings nicht vorenthalten.

Linke widersetzen sich der Durchökonomisierung aller Lebensbereiche. Sie beurteilen Menschen weder nach ihrer Funktionalität für die Gesellschaft noch nach dem Grad ihrer Angepasstheit an den Mainstream. Ein Künstler ist ihnen nicht weniger wert, weil er am Ende des Jahres weniger Einkommenssteuer an den Staat überweist als ein Bankangestellter. Und ein Jugendlicher mit bunter Tolle ist nicht allein deswegen ein Krimineller, weil er den Gang zum Dorffriseur verweigert. Linke sind also gesellschaftlich liberal. Das allerdings gilt auch für den einen oder anderen FDP-Wähler. Linke sind allerdings darüber hinaus Befürworter eines sozialen Staates. Aus Gerechtigkeitsgründen. Und im Wissen, dass jeder Euro, der in den Bereichen Bildung und Soziales gespart wird, später doppelt und dreifach für Justiz und Polizei ausgegeben werden muss. Die Wertschätzung des Sozialstaates wiederum unterscheidet Linke von den allermeisten FDP-Wählern. Linke sind also dem altmodischen Wert der Gerechtigkeit verbunden – national wie international. Sie denken in gesellschaftlichen Zusammenhängen, wissen also, dass der Landarbeiter in Namibia des Nachts auf Nashornjagd geht, weil er sonst seine Familie nicht durchbringen könnte. Eine faire Weltwirtschaftsordnung ist für Linke deshalb weder «Gedöns» noch «Charity»-Ereignis, sondern schlicht eine ziemlich existenzielle Frage. Gesellschaftliche Liberalität, soziale Gerechtigkeit und internationale Solidarität sind daher für mich die Grundwerte, die ein linkes Politikverständnis kennzeichnen.

Auf die drei linken Parteien konzentriere ich mich deswegen, weil das Ringen um die Ideen der Zukunft in den kommenden Monaten und Jahren hier stattfinden muss – oder es bleibt wirkungslos. Es wird aber auch wirkungslos bleiben, wenn die Parteien es nicht schaffen, die Ideen aufzugreifen, die außerhalb ihrer Organisationen entwickelt werden. In den Verbänden und Initiativen. Dort, wo die Menschen zusammenkommen, deren Gedanken zu unkonventionell sind, als dass sie in den oft so starren Parteiapparaten Gehör finden könnten. Bis sie so mächtig geworden sind, dass sie die Konventionen sprengen.

Bald werde ich die ersten Interviewtermine anfragen. Ich möchte herausfinden, ob die deutsche Linke, die sich dieser Tage bereits auf vier Jahre in der Opposition einzurichten scheint, überhaupt noch die Kraft hat, etwas zu entwickeln, das viele Leute trotz Helmut Schmidt eine «Vision» nennen würden. Eine Politik, die über den Tag hinausträgt. Eine Politik, die nicht den hektischen Wegelagerern des Politbetriebes, der Armada der Demoskopen, gefallen will, sondern eine, die sich mit den Themen befasst, die unseren Alltag noch in 20, 30 Jahren bestimmen werden. Dem Klimawandel dürfte es jedenfalls reichlich egal sein, wie beliebt Herr Guttenberg und dessen Gattin sind. Und angesichts von Millionen jährlicher Pkw-Neuzulassungen allein in China wird selbst der geklaute Dienstwagen von Ministerin Ulla Schmidt zur Bagatelle. Auch wenn der sich Tag für Tag so schön auf Seite 1 der «BILD»-Zeitung thematisieren lässt.

Ich möchte in den kommenden Monaten herausfinden, was im Inneren von SPD, Grünen und Linkspartei vorgeht. Ich möchte herausbekommen, warum diese drei Parteien, die mir und den meisten meiner Klassenkameraden fast schon wie natürliche Verbündete vorkommen, so viel Energie darauf verschwenden, sich wechselseitig zu bekämpfen. Warum sie in manchen Bundesländern lieber die CDU regieren lassen, als sich endlich zusammenzuraufen. Ist das nur den Eitelkeiten der jeweiligen Parteiführung geschuldet, oder liegen die Probleme tiefer? Und welchen Einfluss haben die jungen Abgeordneten aus allen drei Fraktionen, die sich gerade vor ein paar Wochen zum ersten Mal getroffen haben, um die Chancen für eine künftige rot-rot-grüne Koalition nicht nur auszuloten, sondern Stück für Stück zu erhöhen?

Was ich erfahren will, wird wohl nicht in groß angelegten Pressekonferenzen gesagt werden. Eher im Hinterzimmer im Anschluss an den offiziellen Teil der Veranstaltung. Ich werde deshalb nicht mit den Vorsitzenden der Parteien sprechen, nicht mit den Generalsekretären, nicht mit den Parteipromis. Mit niemandem, der einmal die Woche ein Medienbriefing bekommt, um zu erfahren, wie er auf die jeweils aktuellen Meinungsumfragen reagieren soll. Ich werde stattdessen mit den Leuten reden, die so wenig Interviews geben müssen, dass sie sich noch originelle Gedanken leisten können. Schließlich werden die Ideen, die sich zu einem neuen linken Projekt verbinden könnten, derzeit an vielen Orten entwickelt. Nur nicht dort, wo die Kameras stehen.

Als Erstes werde ich dem Mann hinterherreisen, der die Rückseite des Flyers ziert, den mir der freundliche Student von der Werbeagentur gerade in die Hand gedrückt hat. Der nächste Wahlkampfauftritt von Frank-Walter Steinmeier wird in Cottbus sein, den Wahlabend werde ich dann in Leipzig verbringen, der Stadt, die seit der Wende ununterbrochen von einem SPD-Oberbürgermeister regiert wird. Die Umfrageergebnisse verheißen nichts Gutes für die SPD und ihren Spitzenkandidaten. Nach sieben Jahren an der Regierung wirken weite Teile der Partei schon vor der Wahl so, als würden sie sich am liebsten dafür entschuldigen. Die SPD wird wohl demnächst viel Zeit bekommen, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Viele bezweifeln, dass sie die schon bald für einen zukunftsträchtigen Neuanfang nutzen kann.

Morgen, in Cottbus, möchte ich erste unmittelbare Eindrücke aus Deutschlands ältester Partei sammeln. Im Leipziger Rathaus, wo alle Fraktionen schon präventiv zur Wahlparty geladen haben, liegen dann die Räume der anderen Ratsfraktionen nur wenige Meter neben denen der Sozialdemokraten. Die Wege zu den Grünen und zur Linken werden also kurz sein. Ich hoffe, dass ich diese Feststellung in den nächsten Monaten noch öfter treffen kann.

1. Volkspartei ohne Volk:
Die SPD vor den Trümmern ihrer Politik

Der Kandidat

Der Platz vor der Cottbusser Stadthalle passt bestens zum Multifunktionsgebäude dahinter: Beide bieten größtmögliche Funktionalität ohne ästhetisierenden Schnickschnack. Etwa 1500 Menschen, zumeist SPD-Sympathisanten, haben sich an diesem Montag hier eingefunden, um zu hören, was Matthias Platzeck und Frank-Walter Steinmeier ihnen zu sagen haben. In 13 Tagen ist die Bundestagswahl, am Vorabend war das Fernsehduell mit der Kanzlerin. Steinmeier hat sich sehr ordentlich präsentiert, er war gut vorbereitet – das hatte man nicht anders erwartet. Und er war vergleichsweise angriffslustig – das überraschte schon eher.

Steinmeier hat betont, dass die Begrenzung der Managergehälter und die Einführung von Mindestlöhnen in der Großen Koalition an der Union gescheitert seien. Und er hat klar formuliert, was seine Ziele sind: «Die Lohnspirale nach unten» müsse gestoppt werden, möglichst flächendeckende Mindestlöhne sollen eingeführt werden. Der Ausstieg aus der Kernenergie dürfe nicht rückgängig gemacht werden, sagt Steinmeier – eine prophetische Warnung. Die Steuersenkungsvorhaben von Schwarz-Gelb hält er für puren Populismus – nehme man die Mitte der von beiden Parteien versprochenen Steuersenkungen, brauche man ein Wachstum von neun Prozent zur Gegenfinanzierung. Populisten, das sind die anderen, bedeutet das. Steinmeier, der immer ein wenig präsidial wirkt, hat es im TV-Duell geschafft, seine Seriosität beizubehalten und doch die Unterschiede zwischen einer SPD- und einer CDU-geführten Regierung aufzuzeigen. Das, was Meinungsforscher Wechselstimmung nennen, ist dennoch nicht entstanden.

Nach einem ziemlich verkorksten Wahlkampfstart verspürt die SPD nun ein bisschen Rückenwind. Während die Demoskopen noch unentschieden sind, haben sich vielerorts bereits im Morgengrauen die ersten Jungsozialisten und andere Wahlhelfer vor die Bahnhöfe gestellt und Flugblätter verteilt, die den Kandidaten als «klaren Gewinner» ausmachen. Hier, im nordöstlichsten Bundesland, hat seit 19 Jahren jeder Kandidat, den sein Parteibuch als Sozialdemokrat ausweist, eine denkbar günstige Ausgangslage. Die Jusos haben hier wenig Überzeugungsarbeit zu leisten.

Das Bundesland, das die ebenfalls reichlich CDU-resistente Bundeshauptstadt umschließt, ist für ostdeutsche Sozialdemokraten das, was München jahrelang für ihre bayrischen Parteigenossen war: Ein roter Leuchtturm im schwarzen Meer. Nur dass im Osten – außer vielleicht in Sachsen – nicht die übermächtige CDU das Problem ist. Sondern die Tatsache, dass die Partei zwischen CDU und Linkspartei zerrieben wird. In Brandenburg ist das anders. Seit dem Fall der Mauer ist die SPD an der Macht. Zwar in wechselnden Koalitionen, aber immer als stärkste Partei. Vom Mauerfall bis 2002 regierte Manfred Stolpe, seither ist Matthias Platzeck Ministerpräsident. Wie zuvor Stolpe hat er im Land traumhafte Popularitätswerte. Auch hier in Cottbus hat er gerade tosenden Beifall bekommen. Nach Umfragen steht es für die SPD in Brandenburg mal wieder besser als im Bundesdurchschnitt, gut sieht es deshalb noch lange nicht aus: Linke und SPD liegen gleichauf, die CDU ist schwach.

Auch der Kanzlerkandidat hat einen engen Bezug zu Brandenburg. Und das hat wiederum einiges damit zu tun, dass dort so zuverlässig SPD gewählt wird. Der gebürtige Ostwestfale Steinmeier, dessen Familie in Berlin-Zehlendorf lebt, ist hier auf der Suche nach einem sicheren Wahlkreis schnell fündig geworden. Der mit der Ordnungsnummer 61 ist es schließlich geworden: Die Stadt Brandenburg gehört dazu, Teile des Havellandes. Die Gemeinde Beelitz liegt ebenfalls im Wahlkreis. Beelitzer Spargel kennt jeder in Berlin. Immerhin etwas. Steinmeier ist Mitglied Nummer 19 im SPD-Ortsverein Kirchmöser geworden.

Der Kandidat wird hier in Cottbus mit höflichem Applaus begrüßt. Dass er zuerst den populären Ministerpräsidenten lobt («ein Ministerpräsident, wie ich mir keinen besseren vorstellen kann») ist nicht ungeschickt. Die Schönheit der Landschaft zu preisen, ist auch nie verkehrt. Soeben sei er aus dem kleinen Flugzeug gestiegen und habe beim Blick aus dem Fenster mal wieder festgestellt, wie schön Brandenburg doch sei, sagt Steinmeier. Damit vergibt er allerdings die sichere Pointe. Flugzeuge mögen unerlässlich sein, um im Wahlkampf drei, vier Termine an einem Tag abspulen zu können. Mit der Lebenswirklichkeit der Menschen hier haben sie nicht viel zu tun. Auch in Cottbus, einer der gebeutelteren Kommunen im nicht eben wohlhabenden Brandenburg, muss lange auf einen Urlaub gespart werden. Und der geht dann oft an die Ostsee. Mit der Bahn oder dem Auto, nicht mit dem Flugzeug.

Steinmeier ist schockiert über die NPD-Plakate, die er auf der Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt an «jedem Laternenmast» gesehen hat. Er hebt die Stimme, das signalisiert bei Politikern, dass der Redenschreiber nun Applaus eingeplant hat. Der Applaus kommt dann auch, aber durchaus zaghaft. Trotz Steinmeiers pflichtschuldiger Pointe, dass Rechtsextremismus «überall», also auch im Westen vorkomme («eine Schande ist das»), ist er in die Falle getappt. Viele Menschen hier fühlen sich als Ostdeutsche persönlich angegriffen, wenn die Rede auf die deutlich höhere Quote rechtsextrem motivierter Straftaten im Osten kommt.[2] Der Brandenburger Neubürger Steinmeier fremdelt. Man kann aber gerade das auch sympathisch finden. Schließlich ist die NPD wirklich eine Schande. Und die Menschen verlangen ja angeblich nach Politikern, die sagen, was Sache ist.

Allmählich werden der Kandidat und sein Publikum miteinander warm. Steinmeier geißelt den Neoliberalismus Die Finanzkrise sei «kein Betriebsunfall des Kapitalismus», sagt er, es müsse «Schluss sein mit der Jagd nach dem schnellen Geld, der schnellen Rendite». Ein Unding sei es, dass eine Kassiererin wegen eines angeblich veruntreuten Cent-Betrages gefeuert werde, während Manager, die ganze Unternehmen in den Ruin getrieben haben, mit grandiosen Abfindungen nach Hause gehen. Mit der Begrenzung der Managergehälter geht auch die Konkurrentin Merkel hausieren – und beiden glauben die Menschen nicht so recht, dass sie darauf Einfluss haben.

Steinmeier hat dennoch den Ton getroffen, er hält die «linkeste» Rede im bisherigen Wahlkampf. Das ist auch bitter nötig, schließlich ist es seine einzige Chance, die Stammwähler zu motivieren und die Unterschiede zur Union aufzuzeigen. Dazu muss Steinmeier, wenn er ein halbwegs anständiges Ergebnis erzielen will, allerdings erst einmal Korrekturen an seinem Bild in der Öffentlichkeit vornehmen, zumal er ein Vertreter der Schröder-SPD ist. Er hat viele ihrer programmatischen Schwerpunkte konzipiert, die der Partei nicht gut getan haben. Sachlich und kompetent, wie es seine Art ist. Und fraglos auch aus innerer Überzeugung heraus. Steinmeier ist der Architekt der «Agenda 2010», die die SPD Millionen von Stimmen gekostet hat, weil sie von der eigenen Klientel als sozial unausgewogen empfunden wurde. In den meisten deutschen Städten sind bei Steinmeiers Wahlkampfauftritten die Proteste unübersehbar. Fast überall demonstrieren Menschen mit Spruchbändern und Plakaten gegen Hartz IV, gegen die Gesundheitspolitik oder gegen die Rente mit 67. Hier in Cottbus bleiben diese Proteste aus.

Nicht nur das ist anders: Bisher hat Steinmeier den Konjunktiv («Als Kanzler würde ich ..») benutzt, wenn er von seinem Regierungsprogramm gesprochen hat. Hier in Cottbus wechselt er zum Indikativ – und scheint selbst ein wenig überrascht über seine Kühnheit: «Als Kanzler werde ich...» Manch einer der 1 500 Zuhörer lächelt ein wenig ob der Chuzpe des bescheidenen Kandidaten – dass der nächste Kanzler erneut eine Frau sein wird, ist in Deutschland lange vor der Wahl eine gesicherte Erkenntnis. Er schlägt sich dennoch tapfer wie all die wackeren Sozialdemokraten, die wider besseres Wissen so tun, als strebten sie nichts sehnlicher an als den Regierungswechsel. «Es macht keinen Sinn», hat Peer Steinbrück zurückblickend gesagt, «schon in der Körpersprache zum Ausdruck zu bringen, dass man ziemlich genau weiß, wie die Wahl ausgehen wird. Da verlieren Sie gleich noch zwei, drei Prozentpunkte mehr.»[3]