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Bernhard Maier

STONEHENGE

Archäologie, Geschichte, Mythos

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag C.H.Beck

 


 

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Zum Buch

Stonehenge im südwestenglischen Wiltshire wenige Kilometer nördlich von Salisbury gehört zu den bekanntesten und zugleich rätselhaftesten Denkmälern der europäischen Vorgeschichte. Seine Anfänge reichen ins 3. Jahrtausend v. Chr. zurück. Ähnlich wie die großen Pyramiden von Gize ist Stonehenge weit über die Grenzen der Fachwissenschaften hinaus zum Sinnbild einer Kultur und einer Epoche geworden, und ähnlich wie die Pyramiden von Gize gab und gibt auch Stonehenge Anlaß zu zahllosen Mutmaßungen, Theorien und Spekulationen. Das vorliegende Buch bietet einen Überblick über die Erkenntnisse der modernen Archäologie, Vorgeschichtsforschung, Vergleichenden Religions- und Geschichtswissenschaft und präsentiert sie in allgemeinverständlicher Form. Im Zentrum stehen sowohl die vorgeschichtliche Anlage und ihre Umgebung als auch deren kulturelles Umfeld. Darüber hinaus bietet es eine Übersicht über das Nachleben dieser berühmtesten prähistorischen Steinsetzung in Kunst, Literatur und Film. Für die vorliegende Neuausgabe wurde der erstmals 2005 veröffentlichte Text überprüft, in einzelnen Punkten revidiert und um ein Kapitel über die seit 2003 durchgeführten neueren Forschungen ergänzt.

Über den Autor

Bernhard Maier ist Professor für Allgemeine Religionswissenschaft und Europäische Religionsgeschichte an der Universität Tübingen. Im Verlag C.H.Beck sind unter anderem von ihm lieferbar: Die Kelten. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart (32016); Die Religion der Kelten (32016); Kleines Lexikon der Namen und Wörter keltischen Ursprungs (32010); Die Religion der Germanen (2003); Die Druiden (2009); Geschichte Schottlands (2015); Die Ordnung des Himmels. Eine Geschichte der Religionen von der Steinzeit bis heute (2018).

Inhalt

Vorwort

  I. Das vorgeschichtliche Stonehenge

1. Die Anlage

2. Die Baugeschichte

3. Die Erbauer und ihre Kultur

4. Funktionen und Zweck

 II. Stonehenge und andere Megalithbauwerke

1. Die ältesten Monumentalbauten Europas

2. Das Ende der Megalithbauweise

III. Der Mythos von Stonehenge

1. Von der Altertumskunde zur Archäologie

2. Schriftsteller und Maler, Visionäre und Grübler

 IV. Neuere Forschungen in und um Stonehenge (2003–2017)

  V. Rückblick und Ausblick

Anhang

Weiterführende Literatur

Register

Bildnachweis

Vorwort

Stonehenge im südwestenglischen Wiltshire wenige Kilometer nördlich von Salisbury gehört zu den bekanntesten, meistzitierten, meistbesuchten, am häufigsten abgebildeten, am intensivsten diskutierten und zugleich rätselhaftesten Denkmälern der europäischen Vorgeschichte. Ähnlich wie die großen Pyramiden von Gize ist Stonehenge weit über die Grenzen der Fachwissenschaften hinaus zum Sinnbild einer Kultur und einer Epoche geworden, und ähnlich wie die Pyramiden von Gize gab und gibt auch Stonehenge Anlaß zu zahllosen Mutmaßungen, Theorien und Spekulationen.

Das vorliegende Buch sucht die Erkenntnisse der modernen Archäologie, Vorgeschichtsforschung, Vergleichenden Religions- und Geschichtswissenschaft über Stonehenge zusammenzufassen und in einer allgemeinverständlichen Form darzubieten. Es behandelt sowohl die vorgeschichtliche Anlage und ihre Umgebung als auch deren kulturelles Umfeld. Darüber hinaus bietet es in einem Abriß der Rezeptions- und Forschungsgeschichte eine Übersicht über das neuzeitliche Nachleben dieser berühmtesten prähistorischen Steinsetzung. Vollständigkeit wurde angesichts des geringen Umfangs des Bandes weder angestrebt noch erreicht. Ich hoffe jedoch, daß die Leser wenn nicht alle, so doch die meisten der vielfältigen Vorstellungen, die sie mit Stonehenge verbinden mögen, in der einen oder anderen Weise berücksichtigt finden. Für diese Neuausgabe wurde der erstmals 2005 veröffentlichte Text durchgehend überprüft, in einzelnen Punkten revidiert und um ein Kapitel über die seit 2003 durchgeführten neueren Forschungen ergänzt.

Bernhard Maier

I. Das vorgeschichtliche Stonehenge

In den vergangenen tausend Jahren, aus denen uns schriftliche Zeugnisse der Beschäftigung mit Stonehenge vorliegen, hat man vor allem folgende Fragen gestellt: Was ist Stonehenge? Wie ist die Anlage entstanden? Wer hat sie gebaut? Wozu diente sie? Diesen vier Fragen, von denen die erste am leichtesten und die letzte am schwierigsten zu beantworten ist, widmet sich der erste Teil des vorliegenden Buchs.

1. Die Anlage

Stonehenge ist die heute allgemein übliche Bezeichnung einer vorgeschichtlichen Anlage, die – umgeben von zahlreichen weiteren prähistorischen Denkmälern – rund 130 Kilometer westlich von London und knapp 50 Kilometer nördlich der Kanalküste in dem als Salisbury Plain bekannten Kreidekalk-Hügelland der Grafschaft Wiltshire gelegen ist. Der Name begegnet erstmals im 12. Jahrhundert in den Schreibungen Stanheng, Stanhenge und Stanhenges. Er setzt sich zusammen aus den beiden (alt-)englischen Wörtern für «Stein» und «hängen» und bezieht sich entweder darauf, daß in der Anlage mehrere waagerecht liegende Decksteine über aufrecht stehenden Tragsteinen wie die Tür in einer Angel «hängen» oder daß die Verbindung von zwei senkrecht stehenden Steinen mit einem darüber liegenden waagerechten Stein den mittelalterlichen Betrachter von der Form her an einen der zu jener Zeit üblichen Galgen erinnerte. Tatsächlich findet man den Vergleich mit einem Galgen schon in der ersten ausführlichen Beschreibung der Anlage aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Im archäologischen Sprachgebrauch bezeichnet man heute ausgehend vom Namen Stonehenge auch andere kreisrunde oder ovale Erdwerke mit innen liegendem Graben als Henge-Denkmäler (henge monuments). So etwa entdeckte man 1925 circa drei Kilometer nordöstlich von Stonehenge zwischen den heutigen Ortschaften Larkhill und Amesbury aufgrund von Luftaufnahmen eine Vielzahl von Pfostenlöchern, die in sechs leicht ovalen Ringen angeordnet waren, weshalb die einst von Wall und Graben umgebene Anlage heute unter dem Namen Woodhenge bekannt ist. 1999 stieß man nach klimabedingten Änderungen der Sandformationen an der Nordseeküste beim Dorf Holme-next-the-Sea im ostenglischen Norfolk auf Seahenge, die durch Salzwasser konservierten Überreste eines Kreises aus 55 Eichenpfosten, deren Mittelpunkt eine umgedrehte, mit den Wurzeln nach oben in den Boden eingelassene Eiche bildete. Im Hinblick auf diese erweiterte Verwendung des Wortes Henge sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die ursprünglich für den Namen verantwortliche Verwendung waagerechter Decksteine eine Besonderheit von Stonehenge darstellt, die anderen vom Grundriß her vergleichbaren Anlagen fehlt.

Der Steinkreis

Für den heutigen Besucher – oder Betrachter – besteht Stonehenge in erster Linie aus einem Kreis von teils aufrecht stehenden, teils umgestürzten Steinen. Seit den Untersuchungen des Archäologen Flinders Petrie gegen Ende des 19. Jahrhunderts hat es sich eingebürgert, diese Steine mit fortlaufenden Nummern zu bezeichnen, um eine möglichst präzise Beschreibung zu ermöglichen (vgl. Abbildung 1).

Wer sich der Anlage von außen nähert, stößt zunächst auf die rechteckig zugehauenen Steine Nr. 1–30, die zusammen einen Kreis von rund 30 Metern Durchmesser bilden. Jeder dieser Steine – mit Ausnahme des deutlich schmaleren und kürzeren Steins Nr. 11 – ist rund einen Meter dick, ungefähr zwei Meter breit und erhebt sich rund vier Meter über den Erdboden. Zwischen den einzelnen Steinen klafft eine Lücke von ungefähr einem Meter. Auf allen diesen Tragsteinen lagen einst waagerechte Decksteine, von denen sich jedoch nur sechs noch immer in ihrer ursprünglichen Lage befinden. Dabei handelt es sich um Nr. 122 (über Nr. 21 und 22) im Nordwesten, Nr. 105 und 107 (über Nr. 4 und 5 bzw. 6 und 7) im Südosten sowie Nr. 130, 101 und 102 (über Nr. 29 und 30, 30 und 1 sowie 1 und 2) im Nordosten. Bei den Steinen handelt es sich um eine unter dem örtlichen Namen Sarsen bekannte Sandsteinart. Ursprünglich rotbraun, haben die Sarsen-Steine von Stonehenge durch den Bewuchs mit Flechten eine grau-grüne Färbung angenommen.

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Abb. 1: Plan von Stonehenge

Unmittelbar innerhalb des Sarsen-Steinkreises befindet sich ein nicht ganz regelmäßiger und unvollständiger Kreis aus zumeist unbehauenen, sehr viel kleineren und aufrecht stehenden Steinen (Nr. 31–49 und 150) ohne darüber gelegte Decksteine. Die meisten davon sind ungefähr zwei Meter hoch, ungefähr einen Meter breit und rund 75 Zentimeter dick. Im Gegensatz zum äußeren Kreis der Sarsen-Steine bestehen die nach ihrer vorherrschenden Färbung so bezeichneten Blausteine aus unterschiedlichen Gesteinsarten, sogenanntem Eruptivgestein. Ursprünglich bestand der Kreis wohl aus rund 60 dieser Blausteine, von denen jedoch nur noch sechs aufrecht stehen.

Innerhalb des Kreises aus Blausteinen befinden sich fünf rechteckig zugehauene, symmetrisch angeordnete und seit dem 18. Jahrhundert so genannte Trilithe (griechisch «Dreisteine») in der Form eines nach Nordosten offenen Hufeisens. Jeder dieser Trilithe bestand ursprünglich aus zwei senkrecht stehenden Tragsteinen mit einem darübergelegten Deckstein. Die Tragsteine sind im Hinblick auf ihre Breite und Dicke mit denen des äußeren Steinkreises vergleichbar, doch ist der Abstand zwischen den paarweise angeordneten Steinen deutlich geringer. Die Höhe der Trilithe ist uneinheitlich: Ist das Paar im Nordosten und Südosten (an den beiden Enden des Hufeisens) rund sechs Meter hoch, so ist das nächste Paar bereits deutlich höher. Der Trilith im Südwesten, gegenüber der Öffnung des Hufeisens, erhebt sich schließlich zu einer Höhe von über sieben Metern. Alle 15 Steine sind vor Ort erhalten geblieben, befinden sich jedoch nur noch zum Teil in ihrer ursprünglichen Lage. Noch immer aufrecht mitsamt den darüber gelegten Decksteinen stehen der Trilith am südöstlichen Ende des Hufeisens (Nr. 51, 52 und 152) sowie die beiden mittleren Trilithe (Nr. 53, 54 und 154 sowie 57, 58 und 158). Von dem Trilithen am nordöstlichen Ende des Hufeisens steht nur noch einer der beiden Tragsteine (Nr. 60), während der andere (Nr. 59) jetzt ebenso wie der dazugehörige Deckstein (Nr. 160) in drei Teile zerborsten auf der Erde liegt. Von dem größten, der Öffnung des Hufeisens gegenüberliegenden Trilithen steht ebenfalls nur noch einer der beiden Tragsteine (Nr. 56). Der umgestürzte zweite Tragstein (Nr. 55) liegt in zwei Teile zerbrochen zusammen mit dem dazugehörigen Deckstein (Nr. 156) über dem zumeist «Altar-Stein» (Altar Stone) genannten Stein Nr. 80. Dieser stand ursprünglich wohl aufrecht, liegt inzwischen aber – ebenfalls in zwei Teile zerborsten – im Inneren des Hufeisens auf der Erde. Bei der Gesteinsart handelt es sich um einen blaugrauen Sandstein, dessen Herkunft vermutlich in der Gegend von Milford Haven in Südwestwales zu suchen ist. Innerhalb der fünf hufeisenförmig angeordneten Sarsen-Trilithe befindet sich ein weiteres, unvollständiges Hufeisen aus einzelnen, aufrecht stehenden Blausteinen (Nr. 61–72) ohne darüberliegende Decksteine. Die Höhe dieser Blausteine nimmt ebenso wie die der Sarsen-Trilithe nach Südwesten hin zu, wobei der größte erhaltene Blaustein des Hufeisens ungefähr 2,40 Meter hoch ist.

Um die technische Leistung der Erbauer gebührend zu würdigen, sei an dieser Stelle noch auf einige Details hingewiesen, die bei einer Begehung und auf vielen Fotos nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. So etwa sind die aufrechtstehenden Sarsen-Blöcke des Steinkreises und des Hufeisens nicht genau rechteckig zugehauen, sondern verjüngen sich leicht nach oben hin, möglicherweise um bei dem Betrachter vor Ort die optische Illusion einer noch größeren Höhe zu erzielen. Auch die Längsseiten der Decksteine des Steinkreises verlaufen nicht parallel, sondern sind genau der Krümmung des Kreises angepaßt. Wie man an einigen Stellen – etwa bei dem noch aufrechtstehenden großen Tragstein des mittleren Trilithen und dem dazugehörigen, jetzt auf dem Boden liegenden Deckstein – sehen kann, liegen die Decksteine auch nicht einfach nur auf den Tragsteinen auf, sondern sind wie in der Holzbauweise durch Zapfen (an den Tragsteinen) und entsprechende Zapfenlöcher (an den Decksteinen) miteinander verbunden. Darüber hinaus greifen die Decksteine auch durch eine vertikale Spundung an ihren Schmalseiten ineinander. Indem man Tragsteine mit leicht unterschiedlicher Höhe mehr oder weniger tief in den Erdboden einließ, stellte man sicher, daß der Ring der Decksteine sich überall in gleicher Höhe über dem Boden erheben würde.

Wälle, Gräben und weitere Steine

Wie man insbesondere auf Luftaufnahmen mit schräg einfallendem Sonnenlicht klar erkennen kann, befinden sich alle bisher beschriebenen Steine im Mittelpunkt einer – inzwischen stark abgetragenen – kreisrunden Einfriedung aus Wall und Graben mit einem inneren Durchmesser von über 100 Metern. Im Nordosten, also dem größten Trilithen und der Öffnung der beiden Hufeisen gegenüberliegend, werden Wall und Graben von einem ungefähr 10 Meter breiten Damm unterbrochen. Hier mündet die ungefähr 20 Meter breite, von parallelen Wällen und Gräben flankierte und als breite Straße von Nordosten nach Südwesten verlaufende sogenannte Avenue in den Steinkreis. Sie bildet auf dieser letzten Wegstrecke die Verlängerung der – durch die Öffnung und den Scheitelpunkt des Hufeisens bezeichneten – axialen Ausrichtung der Anlage, die augenscheinlich entweder nach Nordosten auf den Sonnenaufgang zum Zeitpunkt der Sommersonnenwende hin oder – in genau entgegengesetzter Richtung – nach Südwesten auf den Sonnenuntergang zum Zeitpunkt der Wintersonnenwende hin orientiert war. Einige hundert Meter weiter knickt die Avenue dann erst nach Osten und später nach Südosten ab, um am Ufer des Flusses Avon zu enden.

Außerhalb des Kreises der Sarsen-Steine, aber innerhalb der Einfriedung und der Avenue befinden sich vier weitere markante Steine, die – ebenso wie der «Altar-Stein» (Nr. 80) – seltener mit Nummern als vielmehr mit phantasievollen, erst neuzeitlich belegten Namen bezeichnet werden. An erster Stelle steht hier der Slaughter Stone, ein über 2 × 7 Meter großer, am südöstlichen Rand des Dammes flach auf der Erde liegender Sarsen-Stein mit zahlreichen Vertiefungen. Seine neuzeitliche Deutung als «Opferstein» verdankt er zweifellos den zahlreichen Vertiefungen in seiner Oberfläche, in denen sich nach Niederschlägen das Regenwasser gleich dem Blut von Opfertieren (oder menschlichen Opfern) sammelt. Tatsächlich dürfte jedoch auch dieser Stein ursprünglich aufrecht gestanden haben, was eine Funktion als Opfertisch praktisch ausschließt. Ungefähr 30 Meter vom Slaughter Stone entfernt, steht nicht ganz in der Mitte der Avenue der sogenannte Heel Stone, ein über fünf Meter hoher, unbehauener Sarsen-Stein. Einer weit verbreiteten, doch ebenfalls erst neuzeitlich belegten Anschauung zufolge bezeichnete er den Ort an dem zum Zeitpunkt der Sommersonnenwende, vom Mittelpunkt der Anlage aus betrachtet, die Sonne aufging. Dies ist jedoch zweifellos falsch, da die Sonne – ungeachtet der axialen Ausrichtung der Anlage insgesamt – etwa zwei Meter weiter nördlich aufgeht. Wie neuere archäologische Untersuchungen ergaben, befand sich neben dem Heel Stone aber noch ein zweiter, heute verlorener Stein, so daß die Sonne zur Sommersonnenwende vielleicht genau zwischen diesen beiden Steinen aufging. Parallel zur Achse der Anlage befanden sich unmittelbar an der Innenseite des Walles im Nordwesten und Südosten der Anlage je zwei der insgesamt vier sogenannten Station Stones. Von ihnen sind jedoch nur zwei (Nr. 93 im Nordwesten aufrecht und – ihm schräg gegenüber – Nr. 91 im Südosten auf der Erde liegend) heute noch vorhanden.

Zwischen der Einfriedung und dem Ring der Sarsen-Steine entdeckte man bereits in der frühen Neuzeit drei konzentrische Kreise von Erdlöchern, die man heute – von außen nach innen – als Aubrey-Löcher, Y-Löcher und Z-Löcher bezeichnet. Die Position der – nach dem Altertumsforscher John Aubrey benannten – Aubrey-Löcher wird an der Ostseite durch kreisrunde Betonmarkierungen im Boden bezeichnet. Dagegen sind die Y- und Z-Löcher heute im Gelände nicht mehr sichtbar und können nur noch auf Plänen der Anlage eingesehen werden. Dies gilt auch für einige weitere, von den modernen Archäologen mit lateinischen Großbuchstaben bezeichnete Vertiefungen im Boden, die von den Archäologen zwar nachgewiesen, aber nur teilweise gedeutet werden konnten. Soweit es sich um Löcher zur Aufnahme hölzerner Pfosten handelt, könnte man bei ihnen vielleicht an vorübergehend im Zuge der Bauarbeiten errichtete Gerüste oder aber an – inzwischen vollständig vergangene – dauerhafte hölzerne Einbauten denken.

Denkmäler der näheren Umgebung

Zu den bemerkenswertesten Ergebnissen der archäologischen Forschung des 20. Jahrhunderts gehört die Einsicht, daß die Errichtung der oben beschriebenen Anlage nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern über einen Zeitraum von vielen hundert Jahren hinweg erfolgte. Dies legt einen Vergleich mit mit den großen mittelalterlichen Sakralbauten nahe, die ja auch häufig Vorgängerbauten aus der Antike oder gar aus der vorchristlichen Vergangenheit fortsetzen und in vielen Fällen noch immer zu liturgischen Zwecken genutzt werden. Hilfreich für das Verständnis dieses Phänomens ist in den meisten Fällen eine genauere Betrachtung der Gesichtspunkte, die für die Wahl eines bestimmten Standorts ausschlaggebend waren. Im Falle von Stonehenge steht zu vermuten, daß diese Wahl unter anderem durch die räumliche Nähe weiterer, vorausgehender Anlagen mit einem rituellen oder zeremoniellen Hintergrund bestimmt wurde. Bevor daher im folgenden Kapitel eine Übersicht über die Entstehungsgeschichte von Stonehenge gegeben werden soll, sei der Blick an dieser Stelle auf die Denkmäler der näheren Umgebung gerichtet.

Als eines der ältesten vorgeschichtlichen Denkmäler aus der ersten Hälfte des vierten Jahrtausends v. Chr. liegt auf einer leichten Anhöhe ungefähr fünf Kilometer nordwestlich von Stonehenge innerhalb eines militärischen Übungsgeländes die heute als Robin Hood’s Ball bekannte vorgeschichtliche Wallanlage. Dabei handelt es sich um eine sogenannte causewayed enclosure, bestehend aus zwei unregelmäßigen Ringen aus Wällen und Gräben, die ein Gelände von ungefähr drei Hektar umschließen. Wie die Wahl des Standorts zeigt, sollte die Anlage aus südöstlicher Richtung möglichst weithin sichtbar sein, so