image

Über den Autor

Klaus Mackowiak hat lange Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Grammatischen Telefon der RWTH Aachen gearbeitet und Fragen zu grammatischen, orthographischen und stilistischen Unklarheiten beantwortet. Heute arbeitet er als Sprachberater u.a. für die Duden-Redaktion, führt Weiterbildungen durch (Textverständlichkeit, Schriftrhetorik, Rechtschreibung u.a.), lehrt in einem Journalistikstudiengang und schreibt gelegentlich für große Tageszeitungen. Bei C.H.Beck ist von ihm erschienen: Grammatik ohne Grauen (bsr 1286, 1999) und Die 101 häufigsten Fehler im Deutschen und wie man sie vermeidet (bsr 1667, 32008).

Literatur

Achten, Willi (2008): Die florentinische Krankheit. Köln.

Ahlke, Karola/Hinkel, Jutta (2000): Sprache und Stil. Konstanz.

Aristoteles (1922): Topik (Deutsch von Eugen Rolfes). Hamburg.

Brecht, Bertolt (1982): Gesammelte Werke. 20 Bände. Frankfurt am Main.

Bremerich-Vos, Albert (1991): Populäre rhetorische Ratgeber. Tübingen.

Brinker, Klaus (2006): Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. 6. Auflage. Berlin.

Busch, Wilhelm (1982): Sämtliche Werke. 2 Bände. Hg. von Rolf Hochhuth. München.

Cicero, Marcus Tullius: Reden gegen Verres. I-VI. Stuttgart.

Duden (2010): Briefe und E-Mails gut und richtig schreiben. Mannheim.

Duden, Bd. 2 (2001): Das Stilwörterbuch. 8., völlig neu bearbeitete Auflage. Mannheim.

Duden, Bd. 9 (2007): Richtiges und gutes Deutsch. 6., vollständig überarbeitete Auflage. Mannheim.

Eco, Umberto (1972): Einführung in die Semiotik. München.

Eisenberg, Peter (1999): Grundriß der deutschen Grammatik. Der Satz. Stuttgart/Weimar.

Engst, Judith (2010): Professionelles Bewerben. Mannheim.

Erhardt, Heinz (1974): Das große Heinz Erhardt Buch. Reinbek bei Hamburg.

Eroms, Hans-Werner (2008): Stil und Stilistik. Berlin.

Fix, Ulla (2008): Ansprüche an einen guten (?) Text. In: aptum. Zeitschrift für Sprachkritik und Sprachkultur, 01/2008. Hg. von Jürgen Schiewe und Martin Wengeler. Bremen.

Glunk, Fritz R. (1994): Schreib-Art. Eine Stilkunde. München.

Goethe, Johann Wolfgang von (2005): Werke. Hamburger Ausgabe. 14 Bände. München.

Göttert, Karl-Heinz/Jungen, Oliver (2004): Einführung in die Stilistik. München.

Grabbe, Christian Dietrich (1986): Napoleon oder die hundert Tage. Ditzingen.

Harjung, J. Dominik (2000): Lexikon der Sprachkunst. Die rhetorischen Stilformen. Mit über 1000 Beispielen. München.

Hasenclever, Walter (1992–1997): Sämtliche Werke. Bde. I-V. Hg. von Bernd Witte und Dieter Breuer. Mainz.

Heringer, Hans Jürgen (1989): Grammatik und Stil. Frankfurt am Main.

Hermann, Judith (2000): Sommerhaus, später. Frankfurt am Main.

Herweg, Marlies/Schmitt-Ackermann, Sylvia (Hg.) (2007): Passende Worte im Trauerfall. Trauertexte stilsicher formulieren. Mannheim.

Herweg, Marlies/Schmitt-Ackermann, Sylvia (Hg.) (2008): Der Deutsch-Knigge. Sicher formulieren. Sicher kommunizieren. Sicher auftreten. Mannheim.

Heydebrand, Renate von/Winko, Simone (1996): Einführung in die Wertung von Literatur. Paderborn.

Hirsch, Eike Christian (2004): Gnadenlos gut. Ausflüge in das neue Deutsch. München.

Hölderlin, Johann Christian Friedrich (1969): Werke und Briefe. Frankfurt am Main.

Kafka, Franz (2004): Das Werk. Frankfurt am Main.

Kaufmann, Stephanie (2010): Das richtige Arbeitszeugnis. Mannheim.

Keller, Rudi (1994): Sprachwandel. Von der unsichtbaren Hand in der Sprache. Tübingen/Basel.

Kipp, Janne Jörg (2010): Erfolgreich online bewerben. Mannheim.

Knörr, Evelyn (Hg.) (2008): Im Zweifel für den Genitiv. Die meistgestellten Fragen an die Dudenredaktion. Mannheim.

Langer, Inghard/Schulz von Thun, Friedemann/Tausch, Reinhard (2002): Sich verständlich ausdrücken. München.

Lausberg, Heinrich (2008): Handbuch der literarischen Rhetorik. 4. Auflage. Stuttgart.

Lehmanski, Dirk/Braun, Michael (Hg.) (2008): Das Schreibbuch. Waltrop.

Ludwig, Martin H. (1995): Praktische Rhetorik. Hollfeld.

Macheiner, Judith (1991): Das grammatische Varieté. Frankfurt am Main.

Mackowiak, Klaus (1998): Deutsch. Gut und treffend formulieren. Augsburg.

Mackowiak, Klaus (1999): Grammatik ohne Grauen. München.

Mackowiak, Klaus (2008): Die 101 häufigsten Fehler im Deutschen. 3., aktualisierte, neu bearbeitete und erweiterte Auflage. München.

Mackowiak, Klaus (2008a): Macken und Marotten. Was tun eigentlich Korrektoren, Redakteure und Lektoren? In: Dirk Lehmanski und Michael Braun (Hg.) (2008): Das Schreibbuch. Waltrop.

Mann, Thomas (1991): Der Zauberberg. Frankfurt am Main.

Mittelstraß, Jürgen (Hg.) (1995/1996): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. 4 Bände. Stuttgart.

Musil, Robert (1978): Gesammelte Werke. Bd. 1. Reinbek bei Hamburg.

Nowag, Werner/Schalkowski, Edmund (1998): Kommentar und Glosse. Konstanz.

Penzoldt, Ernst (1966): Glück und Geheimnis des ersten Satzes. In: Karlheinz Daniels (Hg.): Über die Sprache. Erfahrungen und Erkenntnisse deutscher Dichter und Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Bremen. 384–388.

Polgar, Alfred (1984): Kleine Schriften. Hg. von Marcel Reich-Ranicki und Ulrich Weinzierl. Reinbek bei Hamburg.

Püschel, Ulrich (2000): Wie schreibt man gutes Deutsch? Mannheim.

Regener, Sven (2001): Herr Lehmann. Frankfurt am Main.

Sanders, Willy (1992): Sprachkritikastereien und was der Fachler dazu sagt. Darmstadt.

Sanders, Willy (1996): Gutes Deutsch – besseres Deutsch. Darmstadt.

Sanders, Willy (2000): Was die Wörter uns verraten. München.

Sanders, Willy (2002): Gutes Deutsch. München.

Sandig, Barbara (2006): Textstilistik des Deutschen. 2., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin/New York.

Schlobinski, Peter (2009): Von hdl bis dubidodo. (K)ein Wörterbuch zur SMS. Mannheim.

Schlüter, Hermann (1974/1994): Grundkurs der Rhetorik. München.

Schmidt, Arno (1993): Werke. Bargfelder Ausgabe. Frankfurt am Main.

Schmitz, Ulrich (2005): Sprache in modernen Medien. Berlin.

Schneider, Wolf (1986): Deutsch für Profis. München.

Schneider, Wolf (1994): Deutsch fürs Leben. Was die Schule zu lehren vergaß. Reinbek bei Hamburg.

Schneider, Wolf (1996): Deutsch für Kenner. München.

Schneider, Wolf/Paul-Josef Raue (1999): Handbuch des Journalismus. Reinbek bei Hamburg.

Schüttpelz, Erhard (1996): Figuren der Rede. Zur Theorie der rhetorischen Figuren. Berlin.

Shakespeare, William (2007): Sämtliche Werke. Frankfurt am Main.

Sommerfeldt, Karl Ernst (Hg.) (1988): Entwicklungstendenzen in der deutschen Gegenwartssprache. Leipzig.

Sowinowski, Bernhard (1991): Stilistik. Stuttgart.

Tacitus (2009): Agricola – Germania. 2., verbesserte Auflage. Düsseldorf.

Ueding, Gert (1996): Rhetorik des Schreibens. Weinheim.

Ueding, Gert (2000): Moderne Rhetorik. München.

Zimmer, Dieter E. (1998): Deutsch und anders. Die Sprache im Modernisierungsfieber. Reinbek bei Hamburg.

Zeitschriften

aptum. Zeitschrift für Sprachkritik und Sprachkultur. Hg. von Jürgen Schiewe und Martin Wengeler. Dr. Ute Hempen Verlag. Bremen.

Digitale Medien (CD-ROMs und DVDs)

Die digitale Bibliothek der deutschen Lyrik. Frankfurt am Main 2003.

 

Karl Kraus (2007): Die Fackel. Volltextausgabe und komplette Reproduktion der Originalseiten aller 922 Ausgaben (1899–1936). Digitale Bibliothek. Berlin.

 

Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften an der Universität Trier/Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (Hg.) (2004): Der digitale Grimm. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Frankfurt am Main.

Internet

Basislexikon (Fern-Uni Hagen), literaturwissenschaftliche Terminologie, Figurenlehre und Stilistik: www.fernunihagen.de/EUROL/termini/welcome.html?page=/EUROL/termini/3220.htm

 

Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung: http://www.deutscheakademie.de

 

DUDEN-Newsletter (14-täglich): zu beziehen über www.duden.de/deutsche_sprache/sprachberatung/newsletter/

 

Gesellschaft für Angewandte Linguistik, Textlinguistik und Stilistik: http://www.gal-ev.de/textlinguistik-und-stilistik.html

 

Klaus Mackowiak: www.klaus-mackowiak.de

 

LiGo Literaturwissenschaftliche Grundbegriffe online, Rhetorik und Stilistik: www.li-go.de/definitionsansicht/rhetorik/rhetorikanalyse.html

 

Wortschatz Universität Leipzig: http://wortschatz.uni-leipzig.de

1  So mündlich wie möglich, so schriftlich wie nötig.
Der schmale Grat der Schriftlichkeit

Stilfehler im Besonderen träten oft gar nicht erst auf, wenn dem Autor von vornherein einige allgemeine Dinge bewusst wären oder wenn er sie sich zumindest vor dem Schreiben bewusst machte. Zu diesen ganz allgemeinen Dingen zählt z.B. der Unterschied zwischen Mündlichem und Schriftlichem.

Warum eigentlich kann man sich herausreden, aber nicht herausschreiben?

Nun, wer schreibt, hat meist keinen direkten Ansprechpartner vor sich, der ihm eine solche Notwendigkeit signalisieren könnte (von Situationen wie Internetchat einmal abgesehen). Autor und Adressat teilen meist nicht den gleichen Ort und die gleiche Zeit miteinander. Beim Reden dagegen befinden sich Autor und Adressat normalerweise in der gleichen Zeit und (von Situationen wie Telefonat einmal abgesehen) am gleichen Ort.

Nichtsprachliche Mittel

Im persönlichen Gespräch nimmt man viel mehr wahr als allein die ausgesonderten Worte. Was man da nebenbei mitbekommt, kann wie die Worte ebenfalls lautlicher Natur sein, z.B. Variationen in der Stärke oder Höhe der Stimme, im Sprechtempo und in der Sprechmelodie, in der Aussprache usw. Nennen wir das die parasprachlichen Aspekte der Kommunikation. Und diese willkürlich oder meist unwillkürlich eingesetzten Mittel sagen häufig mindestens so viel aus wie die Worte, oft mehr. Nicht selten widersprechen sie dem Gesagten. Und mit diesen Mitteln «spricht» auch der, der zunächst nur zuzuhören scheint: Ein verzweifelter Seufzer: Was kann der nicht alles verraten? Oder ein leichtes Hüsteln? Gar ein kaum unterdrücktes Gähnen?

Neben diesen nichtsprachlichen, aber immerhin lautlichen Aspekten spielen etliche außersprachliche eine Rolle: Gesichtsausdruck, Gestik, Körperhaltung usw. Sie können dem Sprecher stumm erzählen, wie das Gesagte beim Gegenüber ankommt. Runzelt der etwa mit der Stirn, müssen wir wohl davon ausgehen, dass er etwas nicht ganz verstanden hat oder es nicht so toll findet. Wenn der Gesprächspartner ins Schwitzen kommt, scheinen wir ihn argumentativ ganz schön in die Enge getrieben zu haben. Wir können uns unzählige, auch viel feinsinnigere Beobachtungen zunutze machen und wir können in Redesituationen auch durch diese außersprachlichen Ausdrucksformen auf eine eigene Weise verstanden werden. Und wir können Außersprachliches bewusst einsetzen, um das Gesagte zu verstärken oder zu untermalen.

All diese para- und außersprachlichen Ausdrucks- und Deutungsmöglichkeiten stehen dagegen bei der schriftlichen Kommunikation nicht zur Verfügung. Autor und Leser nehmen sich ja (in der Regel) nicht persönlich wahr. Autor und Leser teilen – normalerweise – nicht Ort und Zeit.

Dialogsituation

Beim Reden und Hören befindet man sich – normalerweise – in einer Dialogsituation. Im Dialog kann man reagieren, auf den Sprecher wie auf den Hörer. Vielleicht hakt der Hörer ein: «Das ist mir nicht klargeworden» oder «Dieses und jenes überzeugt mich nicht recht». Dann kann der Sprecher nachbessern, wenn er mag. Das tut er in Regel auch schon automatisch, wenn er para- oder außersprachliche Signale des Hörers empfängt. So könnte der Sprecher z.B. seine Argumente noch einmal klarer darlegen, wenn sich die Augen des Hörers verdächtig zusammengezogen und die Stirnhautpartien in Wellen gelegt haben. Sprecher und Hörer reagieren wechselseitig laufend auf ausgesprochene oder anders ausgedrückte Billigung oder Missbilligung, auf Verständnis oder Unverständnis, auf vieles mehr – und das bei ständigem Wechsel der Sprecher-Hörer-Rolle. (Natürlich gibt es auch mündliche Kommunikation, die nicht dialogisch ist, man denke etwa an Reden, an Radio- oder Fernsehvorträge usw.)

Die sprachlichen Mittel

Im Gespräch vermittelt und versteht man eine ganze Menge über andere Kanäle als über den des Gesprochenen. Verständnis, Überzeugungskraft, Wahrhaftigkeit, Wahrheit der Rede und vieles mehr werden über vielfältige Wege direkt kontrolliert. Die Ansprüche an Klarheit und Korrektheit des Gesprochenen selbst können daher weit geringer gehalten werden, als sie es bei Geschriebenem sind: In einem normalen Gespräch sind die sprachlichen Äußerungen auch versierter Sprecher meist durchaus nicht durchgehend grammatisch korrekt und schon gar nicht allein für sich genommen hinreichend klar. Man vermittelt und versteht eben zusätzlich noch auf andere Weisen und kann im Zweifelsfall nachhaken.

Schreiben

Beim Schreiben teilen Autor und Leser weder Ort noch Zeit. Meist (von Internetchats und Ähnlichem mal abgesehen) befindet sich der Leser an einem anderen Ort und in einer anderen Zeit als der Autor. Dadurch entfallen in der schriftlichen Kommunikation die vielfältigen parasprachlichen und außersprachlichen Mittel, die Sprecher und Zuhörer zusätzlich zum rein Sprachlichen zu Gebote stehen. Zudem müssen Schreiber und Leser auf die Möglichkeit verzichten, durch wechselseitiges Rückfragen den Erfolg der Kommunikation laufend zu kontrollieren.

Monologsituation

Ein Schreiber ist also zunächst einmal alleingelassen. Denn die Schreibsituation zeichnet sich dadurch aus, dass Schreiber und Leser örtlich und zeitlich getrennt sind und dass der Leser eines Textes in den allermeisten Fällen anonym ist. Das heißt: Der Schreiber muss viele Zusammenhänge eigens erläutern, die Gesprächsteilnehmern aufgrund der gemeinsamen Gesprächssituation und aufgrund ihrer Kenntnisse über den/die anderen Teilnehmer von vornherein klar sind.

So sind für ein Gespräch kurze zusammenfassende Ausdrücke ganz typisch: hier, jetzt, morgen usw. Solche Ausdrücke sind nur in einer gemeinsam geteilten Situation unmittelbar verständlich, nicht unbedingt aber in Schriftlichem.

Die Mittel des Schreibens

Von einem geschriebenen Text wird ein weitaus höheres Maß an Korrektheit verlangt, was Grammatik und Rechtschreibung angeht. Schreiben verlangt auch ein größeres Maß an Exaktheit und Ausführlichkeit. Der Schreiber muss sich also in die Lage des Lesers versetzen, um vorwegzunehmen, was der Leser alles mitgeteilt bekommen muss, damit die Textfunktion erfüllt ist. Zurückfragen kann der Leser ja nicht. Ein schriftlicher Text hat mithin expliziter zu sein als ein mündlicher.

Aber gerade weil das Schriftliche sowieso schon ausführlicher sein muss als das Mündliche, mögen wir es als Leser gar nicht, wenn ohne Not mehr geliefert wird, als sein muss. Das kostet nur wertvolle Lebenszeit. Ein schmaler Grat: «So viel wie nötig, aber so knapp wie möglich!» Diesen schmalen Grat sollte ein Autor treffen. Auch darum geht es beim treffenden Ausdruck.

 

2  Überlegt schreiben. Was will ich, was der Leser und wie ist die Schreib-Lese-Situation?

Andere allgemeine Überlegungen, die, so angestellt, bestimmte Stilfehler gar nicht erst entstehen lassen, betreffen die fürs Wie des Schreibens vorentscheidenden Fragen: Was? Wem? Unter welchen Umständen?

Wie man jemanden dazu bringt, überhaupt etwas Geschriebenes in die Hand zu nehmen und darauf in entziffernder Absicht zu schauen, wie man also den primären Lesewiderstand überwindet (mit List, Bestechung, vorgehaltener Waffe oder wie auch immer), das gehört zu den unendlich vielen Themen, mit denen sich dieses Buch nicht beschäftigen wird. Beschäftigen wird sich dieses Buch vielmehr damit, wie man so attraktiv schreibt, dass der Leser, so er erst einmal – warum auch immer – angefangen hat zu lesen, nicht wieder sogleich aufhört.

Dieses Wie hat vor allem damit zu tun,

image was man mit seinem Text beabsichtigt (Textfunktion)

image mit was für einem Leser man es zu tun hat (adressatenorientiert schreiben)

image wie die Umstände aussehen, unter denen der Text seine Leser erreicht (situationsangemessen schreiben)

 

3  Zielorientiert schreiben: Texttypologie – Textsorten – Textmuster

Wer spricht oder schreibt, tut etwas. Man redet auch von Sprechhandlungen. Sprechhandlungen sind etwa: Aussage, Frage, Bitte, Aufforderung, Versprechen u.a. Sprechhandlungen vollziehen sich in der Regel in Sätzen: Annelie hat fantastisch gespielt. – Hat Annelie wirklich fantastisch gespielt? – Bitte spiel doch auch mal für unsere Gemeinde, Annelie. – Annelie, spiel das Scherzo mal etwas schneller! – Wir versprechen dir hoch und heilig, Annelie, dein Konzert direkt in der nächsten Ausgabe auf der ersten Seite zu besprechen.

Wer spricht oder schreibt, will aber auch etwas: Er hat – hoffentlich – eine Schreibabsicht. Die Absicht zeigt sich in der Regel in Texten. Und Texte bestehen nur in Grenzfällen aus einem einzigen Satz. Dabei kann mit einer Frage wie Bist du jetzt total bescheuert?, mit einer Sprechhandlung also, durchaus eher die Absicht verbunden sein, einer Verwunderung Ausdruck zu geben, als die, eine Information einzufordern.

Für bestimmte Absichten haben sich im Schreiballtag bestimmte Schreibmuster bewährt, die in einem mal mehr, mal weniger engen Rahmen vorgeben, wie man eine Absicht schriftlich umsetzt. Solche Muster nennt man Textsorten. Textsorten, die einen vergleichsweise engen Rahmen vorgeben, sind zum Beispiel: Rechnung, Schulzeugnis, Masterurkunde, Antragsformular u.a. Hier muss man sich nicht allzu viele Gedanken machen, wie man seine Schreibabsicht umsetzt. Das sieht schon ganz anders aus bei Textsorten, die einen eher weiten Rahmen vorgeben, zum Beispiel: Werbeschreiben, Ansichtskarte, Gedicht, Rezension u.a.

Wenn sich da ein Autor nicht von vornherein hinreichend über seine Schreibabsicht, die Funktion seines Textes, im Klaren ist, sind stilistische Unsicherheiten – sagen wir getrost: Fehler – schon fast zu erwarten. Denn nicht jedes Stilmittel passt zu jeder Schreibabsicht. Daher vor dem Schreiben überlegen: Was genau will ich mit meinem Text? Um was für einen Texttyp handelt es sich, um welche Textsorte?

Nach der dominierenden Absicht des Autors könnte man u.a. folgende wichtige Typen von Texten unterscheiden:

image persuasive Texte: überzeugen, überreden

image instruktive Texte: anweisen

image deskriptive Texte (Informationstexte): beschreiben, mitteilen, informieren

image narrative Texte: erzählen

image expressive Texte: eigene Gefühle, Einstellungen u. Ä. ausdrücken

image evaluative Texte: etwas bewerten

image Obligationstexte: sich verpflichten

image Kontakttexte: den Kontakt/die Kommunikation pflegen

image deklarative Texte: etwas oder jemanden zu etwas anderem machen

image ästhetische Texte: vielfach und vernetzt Deutbares anbieten

Persuasive Texte

Persuasive Texte (von lat. persuadere – überzeugen, überreden; ganz wörtlich: angenehm machen) machen das Gros unserer Alltagstexte aus. Denn wenn wir jemanden anschreiben, wollen wir meist etwas von ihm. Und genau darum geht es in persuasiven Texten (auch Appelltexte genannt): Der Autor signalisiert, dass er den Leser dazu bewegen will, eine bestimmte Handlung auszuführen oder eine bestimmte Einstellung einzunehmen. Dabei kann der Autor durch Argumentation überzeugen, durch verschiedene Mittel überreden (verleiten) oder (wenn die Machtverhältnisse das hergeben) ihn anweisen. Typische Textsorten sind: Rechnung, Bewerbung um eine Stelle, Hartz-IV-Antrag, Werbeplakat, Petition, Kommentar, Gesetzestext u.a.

Der Autor signalisiert die Absicht, den Leser zu einer Handlung oder Einstellung zu veranlassen,

etwa durch Verben und Wendungen wie:

ans Herz legen, appellieren, auffordern, anordnen, beantragen, beauftragen, befehlen, bewerben, bitten, empfehlen, ersuchen, nahelegen, raten, verlangen u.a.,

mehr noch durch Imperativsätze (oder entsprechende Konstruktionen mit Infinitiv) wie: Essen Sie sich schlank! – Besuchen Sie uns im Internet. – Frohen Herzens genießen. – Preisliste anfordern!,

Bitten in der dritten Person: Interessenten melden sich bei Frau Dr. Geerts

oder durch Konstruktionen mit sollen, müssen, haben zu, sein zu u.a.:

Deine Uarus solltest du lieber in weichem Wasser halten. – Die Angeklagte ist nach der Verhandlung sofort in Haft zu nehmen.

Etliche persuasive Texte werden eher mustergeleitet, weniger über bewusst eingesetzte Stilmittel formuliert, etwa Rechnungen oder ein Hartz-IV-Antrag. Bei einer Rechnung sichert ja schon der rechtliche Rahmen, dass für eine Leistung ein Honorar zu zahlen ist. In eine Rechnung muss man daher kaum Überzeugungsarbeit investieren.

In der Regel sieht das aber ganz anders aus. Denn meist ist der Adressat in der glücklichen Lage, sich aussuchen zu können, ob er dem Verlangen des Autors nachkommt oder doch lieber nicht. Daher muss der Autor ihn überzeugen – oder wenigstens überreden. Ein vorgehaltener entsicherter Revolver wäre da vielleicht effektiv, aber illegal, gemein und vor allem – stillos. Stattdessen werden in unserem Kulturkreis etliche Register sprachlicher Stilmittel gezogen. Sei es, um zunächst einmal die Aufmerksamkeit des Lesers zu heischen, sei es, um ihn mit präziser Argumentation zu gewinnen, sei es, um ihn emotional mitzureißen oder ihn zu unterhalten, sei es, um ihn dazu zu bewegen, sich mit dem Autor zu identifizieren.

Und zumindest, wenn es darum geht, klarzustellen, was der Leser denn nun genau tun soll, kommen auch Aspekte der Textverständlichkeit ins Spiel.

Eine besondere Form von persuasiven Texten stellen instruktive Texte dar. Auch mit ihnen will der Autor den Leser dazu bringen, eine Handlung auszuführen oder eine Einstellung zu übernehmen. Allerdings ist das Verhältnis von Autor und Leser so, dass der Autor weder argumentieren noch verleiten muss. Vielmehr entspricht hier der Leser der Anweisung fraglos (wenn auch nicht immer klaglos). Typische Textsorten sind: Befehl, Kochrezept, Gebrauchsanweisung, Lehrbuch u.a.

Da hier weder überzeugt noch überredet werden muss, spielen entsprechende Stilmittel keine Rolle. Vielmehr sind vor allem Aspekte der Textverständlichkeit entscheidend.

Deskriptive Texte

Deskriptive Texte (von lat. describere – beschreiben) begegnen uns ebenfalls sehr häufig in unserem Lesealltag. Ein deskriptiver Text (Informationstext) signalisiert der Autor dem Leser, dass er ihm ein Wissen, eine Vermutung, eine Einschätzung, eine Ahnung o. Ä. vermitteln will, ihn informieren will. Typische Textsorten sind: Nachricht, Bericht, Protokoll, Beschreibung, Diagnose, Sachbuch usw.

Wer informieren will, muss vor allem bestrebt sein, verstanden zu werden (eine eher triviale Erkenntnis, der sich allerdings Heer scharen von Verwaltungsbeamten und -angestellten, Soziologen, Linguisten und Juristen sowieso mit allen zur Verfügung stehenden Kräften verschließen). Für Einsichtigere stehen daher bei deskriptiven Texten vor allem Aspekte der Textverständlichkeit im Vordergrund, wie etwa ein sachangemessener Textaufbau, eine gedankliche Vorstrukturierung und Zwischenzusammenfassungen, eine folgerichtige Vertextung (Thema-Rhema-Entwicklung), ein leicht er fassbarer Satz- und Satzgliedbau, eine unkomplizierte Wortbildung, ein adressatenorientiertes Vokabular u.a. Zudem sind Mittel an gebracht, die Abstraktes veranschaulichen, vor allem eine angemessene Bildlichkeit.

Auch mit einem narrativen Text (von lateinisch narrare – erzählen) wird der Leser informiert. Für narrative Texte typische Textsorten sind: Tratsch, Witz, Märchen, Novelle u.a. Daher ist ein solcher Text ebenfalls unter die deskriptiven Texte zu zählen, solange man wie hier die Absicht, das Ziel des Autors als übergeordnetes Kriterium ansetzt (was hier sinnvoll ist, man aber nicht unbedingt so tun muss). Dann sind narrative Texte als eine Untergruppe von deskriptiven Texten aufzufassen, die sich durch den Bezug auf zeitliche Abläufe bestimmen lässt und durch charakteristische Basiselemente der Komposition: vor allem die Komplikation und die Resolution.

Komplikation: In narrativen Texten geht es um Handlungen und Geschehnisse, die sich durch Abweichungen von Erwartungen, Normen oder Gewohnheiten auszeichnen. Man erzählt nur etwas, wenn man etwas zu erzählen hat. Und «etwas» heißt immer etwas Unerwartetes, Überraschendes, vielleicht sogar Unerhörtes.

Resolution: die situationsspezifische Reaktion auf die Komplikation, eventuell gar deren Auflösung.

Da in narrativen Texten Handlungen, Geschehnisse und Unerwartetes im Vordergrund stehen, taugt das ganze Repertoire an Stilmitteln, die dynamisieren, Betroffenheit vermitteln, Aufmerksamkeit heischen, Spannung erzeugen.

Mit einem expressiven Text (von lateinisch exprimere – ausdrücken) informiert der Autor über einen ganz besonderen Gegenstandsbereich, nämlich über den ihm privilegiert zugänglichen Bereich der eigenen Einstellungen und Emotionen. Damit kann man – von der Absicht ausgehend, mit der man schreibt – auch expressive Texte zu den «besonderen» deskriptiven Texten rechnen. Für expressive Texte typische Textsorten sind: Liebesbrief, expressives Gedicht, Äußerungen in der Psychotherapie, Wutausbruch u.a.

An stilistischen Mitteln werden vor allem solche eingesetzt, die Betroffenheit vermitteln, Aufrichtigkeit signalisieren, Abstraktes veranschaulichen (Bildlichkeit) u.a.

Nicht selten informiert der Autor doppelt: über einen Sachverhalt und gleichzeitig darüber, wie er diesen Sachverhalt bewertet. Er äußert sich also zusätzlich evaluativ: Er gibt seine Wertung preis. Typische Textsorten mit solch evaluativem Charakter sind: Gutachten, Leserbrief u.a.

Ein evaluativer Text (von französisch évaluer – abschätzen) kann den Spezialfall eines expressiven Textes darstellen, also eine schlichte Meinungsäußerung. Dann ist er rein deskriptiv. Etwa: Nein, Herr Kollege, ich halte Grass’ Novelle «Im Krebsgang» für gar nicht so dilettantisch aufgebaut. Er kann aber auch so angelegt sein, dass der Leser die Bewertung möglichst übernehmen soll. Dann zählt der Text nicht mehr zu den deskriptiven, sondern zu den persuasiven Texten. Etwa: Solch eine dilettantisch aufgebaute Erzählung ist es grundsätzlich nicht wert, dass welcher Leser auch immer nur eine Sekunde seiner kostbaren Lebenszeit dafür verschwendet.

Daher sind einige Textsorten auch nicht per se entweder dem Texttyp deskriptiver Text oder dem Texttyp persuasiver Text zuzuordnen. Vielmehr hängt die Zuordnung von der Formulierung im Einzelnen ab und bisweilen auch nur vom Kontext, in dem die Textsorte eingesetzt wird. Dies gilt etwa für Textsorten wie Zeugnisse oder Rezensionen.

Obligationstexte

Mit Obligationstexten (von lat. obligare – anbinden, verpflichten) signalisiert der Autor dem Leser, dass er sich ihm gegenüber zu etwas verpflichtet. Typische Textsorten mit verpflichtender Funktion sind etwa: Eid, Fahneneid, Vertrag, Garantieschein, Angebot, Gelöbnis, Gelübde u.a.

Solche Texte sind meist sehr an feste Formen gebunden, ja ritualisiert. Die selbstverpflichtende Funktion wird in Regel ausdrücklich durch bestimmte Verben signalisiert: (an-)bieten, garantieren, schwören, sich bereit erklären, sich verbürgen, sich verpflichten, übernehmen u.a. Da diese Texte oft stark formalisiert sind, bleibt nicht allzu viel Raum für die Wahl angemessener Stilmittel.

Kontakttexte

Mit Kontakttexten signalisiert der Autor dem Leser, dass er einen persönlichen Kontakt herstellen, aufrechterhalten oder festigen möchte.

Kontakttexte stehen meist in direktem Zusammenhang mit bestimmten gesellschaftlichen Ereignissen, die es verlangen, dass der Autor dazu seine Einstellung zum Ausdruck bringt. Dabei steht allerdings nicht der expressive Aspekt im Vordergrund, sondern die Erfüllung der Konvention. Dazu zählen besonders auch Texte, in denen der Autor sein Mitfühlen (Mitenttäuschung, Mitwut, Mitfreude, Mittrauer u.a.) vermittelt. Auch für Kontakttexte haben sich oft relativ feste Formen etabliert. Auch Kontakttexte sind stark ritualisiert. Typische Textsorten sind zum Beispiel: Danksagung, Gratulation, Kondolenzbrief, Ansichtskarte (meist), Liebesbrief (wenn nicht explizit expressiv), Einladung u.a.

Als stark ritualisierte Texte bedürfen Kontakttexte im Grunde kaum ausgesuchter Stilmittel. Allerdings kann es wohl als Zeichen des Zeitstils angesehen werden, dass bei bestimmten Textsorten (Kondolenzschreiben, Antwort auf Geburtsanzeige u. Ä.) zugunsten einer persönlicheren Ansprache die Ritualisierungen mehr und mehr aufgebrochen werden. Dann sind diese Texte freilich eher den expressiven zuzurechnen.

Deklarative Texte

Mit deklarativen Texten signalisiert der Autor dem Leser, dass er durch die Äußerung seines Textes etwas in der Welt zu etwas anderem macht, z.B. eine Tochter zur Erbin oder einen Angeklagten zum einem Freigesprochenen. Typische Textsorten sind etwa: Absolution (nach Beichte), Trauungsworte (Standesamt/Kirche), Schuld- oder Freispruch, Vollmacht, Ernennungsurkunde, Formel beim Ritterschlag, Testament u.a.

Deklarative Texte sind fast immer an ritualisierte Formeln gebunden: Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau. – Ego te absolvo. Stilistische Freiheiten hat man da nur in einem äußerst beschränkten Maße.

Ästhetische Texte

Unter einem ästhetischen Text verstehen wir einen Text, der als autonomes Kunstwerk auftritt. Ein solcher Text beansprucht, eine eigene Erkenntnis, Wahrnehmung, Einstellung oder was auch immer zu vermitteln, die sich über die Reflexion der Art der Darstellung erschließen (über die Form also), nicht allein über den vordergründigen Sinn der Sätze.

Über das Verfassen von ästhetischen Texten – etwa avantgardistischen Theaterstücken oder hermetischer Lyrik – wird man in diesem Buch nichts Spezielles finden.

 

4  Adressatenorientiert schreiben

Eine Selbstverständlichkeit, die nur zu oft vergessen wird: Wer schreibt, will in der Regel, dass es gelesen wird. Was denn sonst? Wer schreibt, will also etwas von den Lesern. Damit ist die Last, das Gelingen der Kommunikation zu sichern, asymmetrisch verteilt: Sie liegt viel mehr beim Autor als bei den Lesern. Der Autor wird es den Lesern so leicht oder so spannend oder so anregend wie möglich machen. Dazu wiederum sollte sich der Autor vor Augen führen, was er eigentlich alles über die Leser weiß. Wie ist die Beziehung der Leser zum Autor: Experte – Laie, Verwaltung – Bürger, Bürger – Verwaltung, Chef – Angestellte, Anbieter – potenzieller Kunde usw.?

Vor allem bei deskriptiven Texten: Wie ist das durchschnittliche Vorwissen der Leser über den behandelten Gegenstand einzuschätzen? (Schreibt man für ein interessiertes Fachpublikum oder für jedermann?)

Bei persuasiven Texten: Welche Einstellungen und Wertungen sind bei den Lesern am ehesten zu erwarten?

Stizostedion luciopercaZander