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Die berühmtesten
Kunstdiebstähle
der Welt

Verlag C.H.Beck


Zum Buch

Weltberühmt wurde die Mona Lisa erst durch ihren Raub. Als sie im August 1911 verschwand, bemerkte das zunächst niemand. Aber als die Museumsbesucher in Scharen zu der leeren Wand pilgerten und davor Blumen ablegten, war sie bald in aller Munde. Glücklich in den Louvre zurückgekehrt, ist sie heute eins der bekanntesten und bestbewachten Kunstwerke überhaupt. Wie konnte ein solcher Diebstahl ausgeführt werden, wie wurde er aufgedeckt und was waren die Beweggründe des Täters? Susanna Partsch geht diesen Fragen in ihrem Buch nach und stellt neben der Mona Lisa noch viele weitere spektakuläre Fälle vor – darunter ein Rembrandt, der viermal hintereinander geklaut wurde, ein Fluchtwagen voller van Goghs, der wegen einer Reifenpanne auf der Strecke blieb, oder ein Picasso, der von der Yacht eines saudischen Scheichs gestohlen und als Scheck im Drogendealer- und Waffenhändlermilieu verwendet wurde. Eine spannende und zugleich unterhaltsame Lektüre für jeden Kunstliebhaber!

Über die Autorin

Susanna Partsch ist promovierte Kunsthistorikerin und lebt als freie Autorin in München. Bei C.H.Beck erschienen von ihr u.a.: «Tatort Kunst. Über Fälscher, Betrüger und Betrogene» (²2015), «Wer hat Angst vor Rot, Blau, Gelb?» (2012), «Die 101 wichtigsten Fragen: Moderne Kunst» (³2010) sowie zuletzt «Schau mir in die Augen, Dürer!» (2018).

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I. Einleitung

Die nackte Wand

«Der größte Kunstraub aller Zeiten»

II. Kunstraub: Beutekunst, Raubkunst, Kunstdiebstahl

Beutekunst

Raubkunst

Kunstdiebstahl

III. Von Dieben und Auftraggebern

Adam Worth, der Gentleman-Dieb

Diebstahl am laufenden Bande

Das Hôtel Drouot

Von Wohltätern und Erpressern

Der Connoisseur

IV. … und keiner hat es gemerkt – vom Diebstahl zur Kunstikone schlechthin: die Mona Lisa

Der Diebstahl

Die Rückkehr in den Louvre

Die Mona Lisa

Vincenzo Peruggia

Die angeblichen Strippenzieher

V. Der Genter Altar und seine Geheimnisse: aufgestellt – versteckt – zerstückelt – verkauft – geraubt – geklaut – zurückgekehrt

Der Genter Altar

Das bewegte Schicksal des Altars

Der geheimnisvolle Kunstraub

VI. Die Rettung eines unersetzlichen Kunstwerks – oder die freigekaufte Madonna

Die Volkacher Madonna von Tilman Riemenschneider

Der Diebstahl

Henri Nannen greift ein

Ein frühes Beispiel für Artnapping

Den Tätern auf der Spur

Lösegeld – Angebot und Nachfrage

VII. Begehrte Bilder – begehrte Künstler

Im Guinness-Buch der Rekorde – Jacob de Gheyn

Der Schrei

Stealing Rembrandt

VIII. Die Mafia lässt grüßen

Vincent van Gogh

Dora Maar bei der Mafia

Der Raub im Isabella Stewart Gardner Museum in Boston

Caravaggios Geburt Christi

Verschwundene Werke von Paul Cézanne und Lucian Freud

Der Salvator Mundi wurde nicht vermisst

IX. … die im Dunkeln sieht man nicht – Unklarheiten über Täter und Motive

Goethe und der Klau

Ein spektakulärer Raub in einem schottischen Schloss

X. Der Raub der Saliera

Eine lange Nacht – und ihre Konsequenzen

Der Alarmanlagenexperte und seine Motivation

Benvenuto Cellini – der Schöpfer der Saliera

Von Paris nach Wien: Stationen einer Reise

XI. Verschwundene Werke – gefasste Diebe

Der Raub in der Kunsthalle von Rotterdam

Spiderman Vjéran Tomic

XII. Bewaffnet und maskiert

Einbruch in der Burg

Ab nach Serbien

XIII. Für immer verloren geglaubt

Das Wunder von Gotha

Doch was war überhaupt passiert?

Der doppelte Klimt

Sie sind nicht in Düsseldorf geblieben

Der Fluch der Götter

XIV. Gold und Edelsteine

Der Big Maple Leaf

Einbruch ins Grüne Gewölbe

Der Trierer Goldschatz

Eine künstlerische Intervention

XV. Künstlerische Formen der Auseinandersetzung mit dem Kunstdiebstahl

Literatur und Film

Ralph Bageritz

Timm Ulrichs

Ulay

Ausblick

Anmerkungen

I. Einleitung

II. Kunstraub: Beutekunst, Raubkunst, Kunstdiebstahl

III. Von Dieben und Auftraggebern

IV. … und keiner hat es gemerkt – vom Diebstahl zur Kunstikone schlechthin: die Mona Lisa

VI. Die Rettung eines unersetzlichen Kunstwerks – oder die freigekaufte Madonna

VII. Begehrte Bilder – Begehrte Künstler

VIII. Die Mafia lässt grüßen

IX. … die im Dunkeln sieht man nicht – Unklarheiten über Täter und Motive

X. Der Raub der Saliera

XI. Verschwundene Werke – gefasste Diebe

XIII. Für immer verloren geglaubt

XIV. Gold und Edelsteine

XV. Künstlerische Formen der Auseinandersetzung mit dem Kunstdiebstahl

Literatur

Weiterführende Literatur

Fiktionale Werke

Datenbanken

Bildnachweis

Personenregister

Register der erwähnten Kunstdiebstähle (chronologisch):

«Die Originale, die ich geduldig in allen Museen Europas einsammelte, wo ich sie ehrlich durch ausgezeichnete Kopien ersetzt habe.»

Arsène Lupin

Vorwort

Anlass für dieses Buch war der Juwelen-Diebstahl im Dresdner Grünen Gewölbe im November 2019. Bis zur Drucklegung dieses Buches ist es der letzte wirklich große Einbruch gewesen. Doch auch danach ereigneten sich noch viele Diebstähle. Außerdem tauchten Kunstwerke auf, die man längst für immer verloren glaubte wie die Gemälde in Gotha oder das Bild von Gustav Klimt in Piacenza.

In diesem Buch geht es einerseits um Fakten, um gestohlene Meisterwerke und ihre Geschichten, um ihre Wiederauffindung oder den anhaltenden Verlust, die sichere Zerstörung oder die Ungewissheit, ob das Werk noch existiert. Es geht aber auch um die Täter, die in den meisten Fällen nicht den Vorstellungen eines eleganten Kunstdiebs entsprechen, wie er uns in der Literatur und im Film immer wieder begegnet. Und es geht um die Strippenzieher, die auch nur in den seltensten Fällen manische Sammler sind, wie es die Legenden erzählen. Literatur und Film verarbeiten einerseits stattgefundene Diebstähle, andererseits sind sie häufig reine Fiktion und fungieren manchmal auch als Ideengeber. In Kunstaktionen werden stattgefundene Kunstdiebstähle thematisiert, der Kunstdiebstahl aber auch zum performativen Akt erklärt. Über die gestohlenen Kunstwerke können in vielen Fällen über den Diebstahl hinaus spannende Geschichten erzählt werden, die ihre Entstehung oder ihr weiteres Schicksal betreffen. Sie werden den Leserinnen und Lesern nicht vorenthalten.

Spektakuläre Fälle von Kunstdiebstahl sind vor allem aus der westlichen Welt, also aus Europa und den USA bekannt. Die Beschränkung auf diese Regionen liegt also nicht an einem eurozentristischen Weltbild, sondern daran, dass der Kunstdiebstahl (nicht die Plünderung) vor allem dort stattfindet. Außerdem ist Kunstdiebstahl lediglich eine der Facetten von Kunstraub, die weiteren sind Beutekunst und Raubkunst, die hier lediglich definiert, aber nicht behandelt werden, da es sich um andere komplexe Themen handelt, zu denen eigene Literatur existiert.

Die geschlechtergerechten Bezeichnungen scheinen nicht konsequent durchgeführt zu sein, doch ist hier in einigen Fällen bewusst darauf verzichtet worden, weil es sich bei den Tätern, die festgenommen werden konnten, bis auf eine Ausnahme um Männer handelt, Frauen wurden höchstens als Mitwisserinnen belangt. Ebenso sind kaum Fälle bekannt, in denen das Werk einer Künstlerin gestohlen wurde, was auch sicher daran liegt, dass in früheren Zeiten von Künstlerinnen geschaffene Werke Seltenheitswert besaßen und sich auch heute daran nur graduell etwas geändert hat.

Die Recherche für das Buch fiel in die Zeit der Corona-Epidemie. Deshalb war es nur unter erschwerten Bedingungen möglich, in Bibliotheken zu recherchieren. Andererseits ist die Literatur über den Kunstdiebstahl überschaubar. Gerade in den Fällen der letzten zehn Jahre war die Recherche im Internet ergiebiger, was sich auch in den Quellenangaben in den Anmerkungen niederschlägt.

Bei der Entstehung des Buches habe ich vielfache und unterschiedliche Hilfe erhalten. Ich danke allen Freundinnen und Freunden, Kolleginnen und Kollegen, die ein offenes Ohr hatten, mit mir Probleme diskutierten, mich aber auch auf aktuelle Diebstähle hinwiesen.

Namentlich bedanken möchte ich mich für Hilfe und Unterstützung bei Karin Althaus, Ekkehard Arnetzl, Simon Blume, Sabine Burbaum, Irmela Gild-Howoldt, Jenns Howoldt, Carl von Karstedt, Lorenz Kloska, Hans Lange, Christoph Preßmar, Christian Quaeitzsch, Stefan Rudolph und Moritz Simon.

Ein ganz besonderer Dank gebührt Alexandra Schumacher, mit der ich das Thema gemeinsam entwickelt habe und die den Text während seiner Entstehung begleitete und dann mit großem Sachverstand lektorierte. Beate Sander kümmerte sich um die nicht ganz leichte Aufgabe der Bildbeschaffung und nahm mit Gelassenheit immer wieder neue Textänderungen entgegen.

I. Einleitung

Die nackte Wand

«Als ich dann in die im obersten Stock gelegenen Ausstellungsräume kam, hatte ich plötzlich die nackte Wand mit zwei schmerzlich weißen Flecken vor mir, daneben eine kleinere leere Stelle, von der Caspar David Friedrichs Nebelschwaden gestohlen worden waren. Diese Wände wirkten furchtbar nackt und kahl, wie Ausrufezeichen, und sie verrieten nichts darüber, wer dort gewesen war und warum. Dieses Bild hat sich für immer in mein Gedächtnis eingegraben.»[1]

So beschreibt Sandy Nairne in seinem Buch über den Diebstahl der beiden Turner-Bilder aus der Frankfurter Schirn-Kunsthalle am 28. Juli 1994 seine Gefühle, als er tags drauf in Frankfurt eintraf. Ähnliches beobachtete auch Franz Kafka, als er gemeinsam mit Max Brod am 9. September 1911 den Louvre besuchte und damit neunzehn Tage, nachdem die Mona Lisa gestohlen worden war. Hanns Zischler fasst dies folgendermaßen zusammen:

«Der Reiz und die Erregung verdanken sich der abwesenden, der gestohlenen Mona Lisa. […] Als wäre der Tatort noch ‹aktiv› (wie ein Vulkan) stehen die Besucher vor dem Loch. Die Bilderreise gerät hier ins Stocken. Die Schar der Touristen erstarrt für einen langen Augenblick zur Gestalt der Jünger vor dem leeren Grab. Für Brod ist dieser Augenblick keiner Notiz würdig, weil sie fehlt, für Kafka gilt es, ihn festzuhalten, weil die Sehenswürdige fehlt.»[2]

Die leere Wand, die den Verlust vor Augen führt, macht häufig den Wert eines Werkes erst schmerzlich bewusst und kann wie im Fall der Mona Lisa oder der Saliera bei der Wiederauffindung eine enorme Wertsteigerung erfahren, die Kultcharakter annehmen kann. Wäre die Mona Lisa ohne den Diebstahl jemals zum größten Kunstwerk aller Zeiten hochstilisiert worden? Würde die Saliera ohne ihr zeitweises Verschwinden heute das Highlight des Kunsthistorischen Museums in Wien darstellen? Vergleichbar ist dies mit den Verhüllungsaktionen des Künstlerpaares Christo und Jeanne-Claude: Durch das Verbergen erhielten die Monumente eine neue Sichtbarkeit, wurden sie anders wahrgenommen.

Das heißt natürlich nicht, dass wir für Kunstdiebstähle dankbar sein müssen, weil sie uns eine neue Sicht auf das Kunstwerk vermitteln. Außerdem erhalten die wenigsten wiedergefundenen Werke dieselbe Aufmerksamkeit wie Mona Lisa und Saliera. Doch es gibt sie, ebenso wie es zahlreiche Legenden gibt, die sich allerdings weniger um die Diebstähle ranken als um die Diebe, die Täter.

Im Isabella Stewart Gardner Museum in Boston erinnern bis heute die leeren Rahmen an den schrecklichen Raub von 1990, bei dem dreizehn Werke verschwanden, darunter Das Konzert von Jan Vermeer, Der Sturm auf dem See Genezareth von Rembrandt und Chez Tortoni von Edouard Manet (Abb. S. 17). Auch nach über dreißig Jahren hofft man in Boston, dass die Bilder wieder auftauchen, zumal die Tat längst verjährt ist.

Im Isabella Stewart Gardner Museum in Boston erinnern die leeren Rahmen an die gestohlenen Bilder

Keine große Hoffnung mehr macht man sich in Palermo. 1969 wurde das großformatige Altarbild Die Geburt Christi, das Caravaggio 1609 wohl im Auftrag der Franziskaner für das dem Heiligen Laurentius geweihte Oratorium gemalt hatte, aus seinem Rahmen geschnitten und entwendet. Es hatte seit seiner Entstehung seinen Platz über dem Altar von San Lorenzo nicht verlassen. Schon länger weiß man, dass die Cosa Nostra, die sizilianische Mafia, in den Raub involviert war. Doch das anschließende Schicksal des Bildes ist alles andere als klar. Blieb es auf Sizilien? Wurde es beim Einrollen so zerstört, dass es unwiederbringlich verloren war? Haben es die Mäuse und Ratten in einem Schweinestall auf dem Gewissen? Wurde es in die Schweiz gebracht? Hat es dort ein Kunsthändler zerschnitten, um die einzelnen Teile besser verkaufen zu können? Oder befindet es sich immer noch in den Händen der Mafia und wird eines Tages doch wieder auftauchen?

Viele Jahre hatte man den Rahmen an der leeren Wand hängen lassen, später verdeckte eine hochvergrößerte Farbfotografie des Gemäldes die leere Wand. Doch seit dem 12. Dezember 2015 scheint alles wieder gut. Das Gemälde befindet sich wieder an Ort und Stelle. So jedenfalls suggeriert es das dort befindliche Bild, kein Foto, sondern gemalt und mit dem bloßen Auge aus einiger Entfernung betrachtet eindeutig ein Caravaggio (Abb. S. 18). Doch handelt es sich um eine Kopie, hergestellt von der Firma Factum Arte, die sich darauf spezialisiert hat, Kunstwerke mit Hilfe von Computerprogrammen und einem 3-D-Druckverfahren so zu rekonstruieren, dass sie vom Original nicht zu unterscheiden sind, bis hin zum charakteristischen Pinselstrich der Künstler. Diese Lösung ist umstritten, weil sie der leeren Wand nur scheinbar ihre Daseinsberechtigung wiedergibt.

Die offizielle Enthüllung der durch Factum Arte erstellten Nachbildung von Caravaggios Geburt Christi (1609) in der Kapelle San Lorenzo in Palermo am 12. Dezember 2015

Genauso wie man in Boston immer noch hofft, dass die Werke zurückkehren, ist das in Dresden der Fall. Auch hier sind die Vitrinen, aus denen die Juwelen geraubt wurden, erst einmal leer geblieben. Vielleicht können eines Tages die alten Schätze in den seit April 2021 wieder lückenhaft gefüllten Vitrinen präsentiert werden. Doch vielleicht werden auch sie ersetzt – durch Reproduktionen, die von einem 3-D-Drucker «erschaffen» wurden.

«Der größte Kunstraub aller Zeiten»

In der Nacht des 18. Septembers 2020 wurde eine Arbeit von Sarah Metz und Janosch Feiertag, die sich an der Außenfassade des Kasseler Kunstvereins im Museum Fridericianum befunden hatte, entwendet. Am 26. August 2020 wurde das Gemälde von Frans Hals Zwei lachende Jungen mit einem Bierkrug von 1626 aus dem Museum Het Hofje van Mevrouw van Aerden in Leerdam bei Utrecht geklaut. Am 30. März 2020 wurde aus dem Singer Laren Museum das Gemälde Frühlingsgarten. Der Pfarrgarten von Nuenen von Vincent van Gogh geraubt.

Drei Fälle von Kunstdiebstahl aus dem Jahr 2020, die es bis in die Presse geschafft haben. Und auch wenn es um Millionenwerte geht, so blieb die Resonanz eher gering. Doch als im November 2019 aus dem Grünen Gewölbe in Dresden Diamant- und Brillant-Schmuck von unschätzbarem Wert gestohlen wurde, war dieser Raub in aller Munde und wurde durch die Presse weltweit verbreitet. Das Entsetzen darüber, wie so etwas passieren konnte, trotz aller Alarmanlagen und Sicherheitsvorkehrungen, war groß. Und es war – laut Medienberichten – «der größte Kunstraub in der Nachkriegsgeschichte»[3]. Ob nun in Deutschland, in Europa oder in der ganzen Welt sei dahingestellt.

Größte oder spektakulärste Diebstähle gab es schon viele, angefangen bei der Mona Lisa, die 1911 aus dem Louvre in Paris verschwand und erst zwei Jahre später wieder auftauchte. Einige von ihnen werden hier ausführlich behandelt, andere nur kurz erwähnt. Diese «großen» Diebstähle wurden häufig aufgeklärt – wenn auch nicht immer in befriedigendem Maße. In einigen Fällen kehrten zwar die Kunstwerke zurück, die Täter konnten aber nicht gefasst werden. Auch das Umgekehrte ist möglich: Die Täter werden gefasst, von den Kunstwerken fehlt jede Spur. Ob sie zerstört sind oder lediglich gut versteckt wurden, bleibt häufig Spekulation. Prominentes Beispiel ist der Genter Altar. Dann wiederum legen Täter ein Geständnis ab, das kaum glaubwürdig klingt, doch aus Mangel an Beweisen akzeptiert werden muss wie bei der Saliera.

Anders verhält es sich bei nicht ganz so prominenten Werken. Da stochern die Ermittler häufig im Dunklen. Erschreckend viele Diebstähle werden nie aufgeklärt. 1964 fahndete die Polizei in Westdeutschland nach 10.000 gestohlenen Objekten, ohne große Hoffnung zu haben, viele davon wiederzufinden. 1975 berichtete der «Spiegel», dass höchstens zwanzig Prozent der Delikte aufgeklärt werden könnten. Durch weltweit vernetzte Datenbanken wie das Art-Loss-Register (s.S. 24) ist es heute sehr viel effektiver möglich, auf dem Kunstmarkt angebotene Werke auf ihre Herkunft zu überprüfen und damit Hehlerware zu entdecken. Das heißt aber nicht, dass deshalb die Dunkelziffer gestohlener Kunstwerke gesunken ist. Denn nicht immer werden das Art-Loss-Register oder andere Datenbanken bemüht – manch einer will vielleicht gar nicht wissen, ob die zum Kauf angebotene Madonna tatsächlich bei der Oma auf dem Dachboden gefunden wurde oder vielleicht doch aus einer Kirche stammt.

Hinzu kommt eine nicht zu unterschätzende Grauzone. Sie betrifft die Depotware der Städtischen und Staatlichen Museen. Obwohl so genannt, befinden sich nicht alle Werke in den Depots, sondern auch in Dienststellen öffentlicher Behörden. Wenn solche als Amtsschmuck bezeichneten, ausgeliehenen Bilder länger in den Büros hängen, gerät dabei manchmal in Vergessenheit, woher diese Bilder stammen. Da kann es dann schon einmal passieren, dass sich jemand so an ein Bild gewöhnt hat, dass er es mit nach Hause nimmt, wenn er in den Ruhestand geht. Oder die Kollegen schenken es der scheidenden Amtsinhaberin zum Abschied. Die Erben wissen später häufig auch nicht mehr, woher das Gemälde stammt oder wie es in den Haushalt kam, und sind froh, dass es die Entrümplungsfirma mitnimmt. Von dort landet es auf dem Flohmarkt und bleibt unauffindbar.

Man kann nun einwenden, dass die Museen verpflichtet sind, jährliche Inventuren zu machen, mit ihren Listen die Dienststellen zu durchforsten, um nachzuschauen, ob die Werke noch vorhanden sind, und die Amtsinhaber daran zu erinnern, dass es sich bei dem Wandschmuck um Museumsbesitz handelt. Das ist im Prinzip sicher richtig, scheitert aber an der Machbarkeit. Denn die notorisch überlasteten Mitarbeiter in den mit Stellen nicht gerade üppig gesegneten Museen können diese Arbeit kaum leisten – zumal wenn es sich um große Häuser handelt, die zumeist in Städten mit vielen Amtsstuben angesiedelt sind.

Taucht ein Bild unverhofft auf einem Flohmarkt wieder auf, das bereits länger verschwunden ist und dann auch noch als Diebesgut erkannt wird, können allerdings auch Dinge passieren, die nicht dazu angetan sind, dass sich der Finder weiterhin an Aufklärungen solcher Diebstähle beteiligt. Die hier berichtete Geschichte mag ein Einzelfall sein, erstaunlich und erwähnenswert ist sie dennoch. Ein Kunsthistoriker und Antiquitätenhändler, nennen wir ihn Herrn Müller, findet auf dem Flohmarkt ein Gemälde, für das er sich interessiert. Bei genauer Betrachtung entdeckt er auf der Rückseite den Stempel eines Museums. Er weiß, dass es sinnlos ist, den Flohmarktverkäufer darauf aufmerksam zu machen. Der würde mit Sicherheit das Bild nicht zurückgeben, sondern eher den Stempel entfernen. Also kauft es Herr Müller und informiert unverzüglich das besagte Museum. Doch die erwartete Freude und Dankbarkeit bleibt aus. Stattdessen steht kurze Zeit später die Polizei vor der Tür, beschlagnahmt das Bild und verpasst ihm eine Anzeige wegen Hehlerei. Herr Müller wehrt sich dagegen. Daraus ergibt sich ein längeres Gespräch mit dem Polizisten, der am Ende die Erkenntnis gewinnt, dass Herr Müller jetzt wohl nie mehr als Retter von Kunstwerken zur Verfügung stehen wird, sondern eher ebenfalls Stempel von Rückseiten entfernt.

In den 1960er Jahren begannen die systematischen Diebeszüge in Dorfkirchen. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, verschwand. So zogen auch die Diebe der Volkacher Madonna durch fränkische Kirchen und nahmen alles mit, was ihnen lohnenswert erschien. Sie bevorzugten Skulpturen, weil der Bildhauer, der mit ihnen gemeinsame Sache machte, diese ein wenig umschnitzte, bevor sie verkauft wurden. In Deutschland waren natürlich vor allem katholische Gebiete betroffen, die reich mit Heiligenfiguren und Altargemälden ausgestattet sind. Das katholische Bayern mit seinen vielen Kirchen und Kapellen im ländlichen Raum hatte dabei die meisten Kirchendiebstähle zu beklagen. Ähnlich verhielt es sich in Österreich. Doch an Italien reichten weder die Bayern noch die Österreicher heran. Dort gingen die Kirchendiebstähle zahlenmäßig ins Unermessliche. Hinzu kamen die vielen kleinen Provinzmuseen und Adelspaläste, die ebenfalls Schätze bargen, die so ungesichert waren, dass sie leichte Beute wurden. Und auch in Frankreich wurden die Diebe immer dreister.

In den meisten Ländern der westlichen Welt mit einem boomenden Kunstmarkt und ebenso boomenden Kunstdiebstählen ermitteln die Polizeibehörden wie Scotland Yard in Großbritannien, FBI in den USA, Bundes- und Landeskriminalämter (kurz BKA und LKA) in Deutschland. In drei Landeskriminalämtern gibt es spezielle Kunstabteilungen. Sie befinden sich in Berlin, München und Stuttgart. Und auch das BKA besitzt in Wiesbaden eine Spezialeinheit. In Österreich ist die Kulturgutfahndung als eigene Dienststelle beim dortigen BKA angesiedelt. Nur in Italien wurde eine eigene Truppe gegründet: die Carabinieri Tutela Patrimonio Culturale (CTPC). Das ist auch verständlich, weil sich hier die meisten Kunstschätze befinden und es schon allein deshalb das am stärksten betroffene Land ist. Die CTPC wurde im Mai 1969 gegründet – und nicht erst nach dem Diebstahl der Geburt Christi von Caravaggio in Palermo, wie vielfach behauptet. Diese Spezialeinheit zum Schutz von Kulturgütern konnte im Lauf der Zeit große Erfolge erzielen und informiert immer wieder die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit, indem sie die wiedergefundenen Kunstwerke in Ausstellungen präsentiert und Kataloge veröffentlicht, in denen detailliertere Informationen zu finden sind. Hinzu kommen Listen, die man auf der Website einsehen kann und die jährlich über gestohlene und wiedergefundene Werke informieren. Dennoch verschwinden in Italien nach wie vor jährlich zwischen fünf- und zehntausend Kunstwerke. Insgesamt wird mit gestohlener Kunst fast so viel Geld umgesetzt wie mit dem Drogenhandel – etwa zwei Milliarden Euro im Jahr.

Natürlich haben die Carabinieri eine eigene gut funktionierende Datenbank, ähnlich wie diejenigen anderer international operierender Organisationen, die inzwischen seit einigen Jahrzehnten aufgebaut werden. An erster Stelle muss hier das 1991 gegründete Art-Loss-Register genannt werden. Es verdankt seine Entstehung der Initiative großer Auktionshäuser, von Kunsthändlern und Versicherungen, die es als ihre gemeinsame Aufgabe ansehen, gestohlene Kunstwerke dem freien Markt zu entziehen. Hier kann man natürlich nicht nur nach Diebesgut fahnden. Die meisten gelisteten Werke stammen aus ehemals jüdischem Besitz, der von den Nationalsozialisten enteignet wurde, aus kriegsbedingten Plünderungen, aus archäologischen Stätten und Grabungen. Doch es finden sich eben auch Werke, die aus Museen, Kirchen oder Privatsammlungen gestohlen wurden. Allerdings gibt es keine für alle zugängliche Listen gestohlener Werke, man kann immer nur ein spezielles Objekt mit möglichst genauen Angaben anfragen. Andererseits hat gerade das Art-Loss-Register Mitarbeiter, die Auktionskataloge ebenso nach Diebesgut durchforsten wie sie Messen besuchen, um dort zu schauen, ob sie fündig werden.

Verzeichnisse, die für alle einsehbar sind, findet man aber in anderen Datenbanken wie beispielsweise derjenigen vom FBI. Die Fahndungsliste des FBI mit den zehn meistgesuchten Kunstwerken der Welt ist allerdings selektiv und nicht ganz verständlich. Aufgeführt sind zwar die verlorenen Werke aus dem Isabella Stewart Gardner Museum und der Caravaggio aus Palermo, es fehlen jedoch die Diebstähle von 2010 in Paris, 2012 in Rotterdam und der Juwelenraub in Dresden von 2019.

Zu den in offiziellen Stellen arbeitenden Kunstfahndern, die sich mit den verschiedenen Delikten im Bereich der Kunstkriminalität beschäftigen, kommen Privatdetektive hinzu, die häufig für Versicherungen arbeiten. Einige tauchen im Zusammenhang mit Kunstdiebstählen immer wieder auf, wie Dick Ellis, der die Kunstabteilung bei Scotland Yard gründete und später von Sotheby’s engagiert wurde, Charles Hill, der früher bei Scotland Yard angestellt war und dann als Privatdetektiv arbeitete, oder Mark Dalrymple, der vor allem von Versicherungen engagiert wird. Sie alle sind in Großbritannien zu Hause, werden aber weltweit um Hilfe gebeten, ebenso wie der Holländer Arthur Brand. In Deutschland operieren natürlich auch Privatdetektive, doch dürfte seit Jahren der bekannteste Kunstermittler René Allonge sein, der Leiter der Abteilung ‹Kunstdelikte› am LKA in Berlin und mit Sicherheit Jüngste in diesem Reigen. Er ist seit der Enttarnung des Kunstfälschers Wolfgang Beltracchi bekannt und war maßgeblich an der Rückführung der Gemälde nach Gotha beteiligt. Allonge und Brand haben auch schon zusammengearbeitet, zum Beispiel als es um die Auffindung von verschwundener NS-Kunst ging, unter anderem um die monumentalen Bronze-Pferde von Josef Thorak, die einst auf der Treppe der neuen Reichskanzlei in Berlin standen, den Krieg im Atelier von Arno Breker überdauerten, dann nach Eberswalde kamen und 1988 verschwanden. Allonge und Brand fanden sie gemeinsam 2015 in Bad Dürkheim, zusammen mit anderen Werken aus der NS-Zeit, die sich dort, aber auch an anderen Orten befanden.

Doch die meisten der Ermittler und Ermittlerinnen wollen namentlich nicht genannt werden und schon gar nicht ihr Gesicht in der Öffentlichkeit zur Schau stellen, weil das die verdeckten Ermittlungen erschwert. Insofern stehen hinter den wenigen bekannten Namen viele weitere, deren Erfolge zwar dann sichtbar sind, wenn ein Fall aufgeklärt wird, die aber selbst nicht in Erscheinung treten.

Sie alle sind natürlich nicht nur in den Kunstdiebstahl involviert, sondern beschäftigen sich ebenso mit anderen Formen der Kunstkriminalität wie der Kunstfälschung oder mit der vom Diebstahl unterschiedenen Raub- oder Beutekunst.

II. Kunstraub: Beutekunst, Raubkunst, Kunstdiebstahl

Schon die Begrifflichkeit ist ein Problem: Kunstraub, Beutekunst, Raubkunst, Kunstdiebstahl – was verbirgt sich hinter diesen vier Begriffen, sind sie wirklich voneinander abzugrenzen oder sind die Grenzen fließend, die Definitionen schwammig? Im Grimm’schen Wörterbuch findet sich keiner der Begriffe. Kunsthistorische Lexika bieten da schon mehr Informationen, die zeigen, dass es sich bei dem Wort Kunstraub um den Oberbegriff handelt, die anderen differenzieren die unterschiedlichen Möglichkeiten des Kunstraubs, wobei Kunstraub und Raubkunst auch synonym gebraucht werden.

Beutekunst

An erster Stelle steht (zeitlich gesehen) die Beutekunst, bei der Kunstwerke von den Siegern kriegerischer Auseinandersetzungen als Trophäen mitgenommen wurden. Das konnten einzelne Stücke sein wie der Siebenarmige Leuchter (die Menora), den Kaiser Titus nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem im Jahr 70 n. Chr. im Triumphzug durch Rom führte. Das konnte aber auch eine ganze Kultur sein wie die der Griechen, die die Römer für sich beanspruchten, nachdem sie Griechenland annektiert hatten. Sichtbarer Teil waren die bronzenen Plastiken, die als Kultobjekte auf den Tempelbergen standen. Sie wurden in Schiffe geladen und nach Rom verbracht, wo sie die Gärten der Villen und Paläste schmückten und als Vorbilder für die eigenen marmornen Skulpturen dienten. Die meisten wurden später von den Christen eingeschmolzen, weshalb sich nur wenige erhalten haben wie die sogenannten Krieger von Riace, die auf der Überfahrt im Meer versunken waren und erst 1972 vor der Küste Kalabriens gefunden wurden.

Man kann natürlich einwenden, dass das für die ursprünglichen Besitzer eher Kult- als Kunstobjekte waren, doch sind viele wichtige Kultobjekte auch besonders kunstvoll gefertigt. Gerade für die Römer verloren die griechischen Plastiken häufig ihre kultische Bedeutung und wurden so zu (autonomen) Kunstwerken.

Allein in Europa gibt es auch später zahlreiche Beispiele von Kriegen, in denen Kunstwerke erbeutet wurden. Berühmt ist der Kreuzzug von 1204, bei dem die Venezianer zwar offiziell das Heilige Land zum Ziel hatten, stattdessen aber bereits im christlichen Konstantinopel ihre Fahrt beendeten und die Stadt plünderten. Unübersehbares Zeichen dieses Raubzugs sind die vier vergoldeten Bronze-Pferde, die seitdem auf dem Dach der Basilika von San Marco den krönenden Abschluss bilden, inzwischen allerdings durch Kopien ersetzt sind. Doch stammt die Quadriga ursprünglich gar nicht aus Konstantinopel, sondern wahrscheinlich aus Griechenland und kam über Rom nach Byzanz, also ins oströmische Reich. Damit war sie gleich zweimal zur Beutekunst geworden. Es sollte allerdings nicht das letzte Mal sein.

Über zweihundertfünfzig Jahre später, im Krieg der Schweizer gegen die Burgunder, eroberten die Schweizer 1476 die sogenannte Burgunderbeute, die neben Lebensmitteln, Pferden und Kriegsgerät eben auch Textilien wie den Tausendblumenteppich (Bern, Historisches Museum), Schmuck, Gefäße und Handschriften mit Buchmalereien umfasste. Die meisten dieser Werke befinden sich bis heute in Schweizer Museen. Wieder knapp zweihundert Jahre später, im Dreißigjährigen Krieg, der 1648 endete, bereicherten sich einerseits die protestantischen Schweden, indem sie aus verschiedenen europäischen Städten wie Prag, aber auch München die Kunstsammlungen der Herrscher mitnahmen. Andererseits wurde aus dem evangelischen Heidelberg die große Bibliothek der Universität ins katholische Rom verbracht. Diese Biblioteca Palatina befindet sich zu großen Teilen immer noch dort, nur die deutschen Handschriften kehrten nach Heidelberg zurück – aber nicht etwa 1648 nach dem Westfälischen Frieden, sondern erst nach dem Wiener Kongress, der nach den Napoleonischen Kriegen 1814/15 vor allem die Grenzen Europas neu ordnete, sich aber auch mit der Beutekunst beschäftigte, vor allem mit den Napoleonischen Aneignungen.

Denn Napoleon verbrachte während seiner Eroberungen Kunstwerke aus ganz Europa, vor allem aus Italien und Deutschland, nach Paris. Darunter befanden sich nicht nur die Pferde von San Marco (!), die auf dem Arc de Triomphe aufgestellt wurden, sondern auch die Quadriga vom Brandenburger Tor in Berlin, die auf einem der Pariser Stadttore aufgestellt werden sollte, wozu es aber nicht mehr kam. Beide Quadrigen und viele der anderen Kunstschätze kehrten nach der Niederlage Napoleons an die Orte zurück, an denen sie sich zuvor befunden hatten, die aber auch nicht unbedingt die ursprünglichen waren – wie eben Venedig für die Pferde von San Marco.

Trotz der Haager Landkriegsordnung von 1899, die auch den Schutz von Kulturgütern in bewaffneten Konflikten umfasste, wurden in beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts Kunstwerke zur Kriegsbeute, wobei die des Zweiten Weltkriegs enorme Ausmaße annahm – und zwar sowohl erst von den Aggressoren, sprich den deutschen Nationalsozialisten, als auch von den alliierten Siegern. Aus diesem Grund wurden mit der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut in bewaffneten Konflikten 1954 sehr viel klarere Bestimmungen verabschiedet. Allerdings hatten viele Staaten zu Anfang Bedenken, diese zu unterschreiben. So fürchteten die USA während des Kalten Krieges, bei Ratifizierung keinen Atomkrieg mehr führen zu können. Sie traten erst 2009 dem Abkommen bei.

Raubkunst

Im Unterschied zu dieser Beutekunst bezeichnet man die von den Nationalsozialisten enteigneten Sammlungen aus jüdischem Besitz oder von aus anderen Gründen Verfolgten als Raubkunst. Dieser Begriff wird inzwischen auch auf die Kunstwerke angewandt, die von den Kolonialmächten aus den von ihnen regierten Ländern abtransportiert wurden und sich dann in den Völkerkundemuseen befanden. Die Restitution sowohl der einen als auch der anderen geraubten Kunst wird seit wenigen Jahrzehnten debattiert, eine Rückgabe erfolgt häufig nur nach zähen Verhandlungen und Prozessen. Zu dieser Raubkunst zählt aber auch das aus verschiedenen archäologischen Stätten entwendete Kulturgut, das sich dann schlimmstenfalls in europäischen oder US-amerikanischen Museen wiederfindet.

Um ihre Herkunft sicher bestimmen zu können, hat sich für all diese Bereiche inzwischen die Provenienzforschung etabliert, die lange Zeit nur als ein Hilfsmittel galt, um durch die Rückverfolgung der einzelnen Stationen, an denen sich ein Kunstwerk befunden hat, die Herkunft eines Werkes genauer bestimmen zu können und damit bestenfalls auch die Zuschreibung an einen bestimmten Künstler sicherzustellen. Inzwischen haben viele Museen besondere Stellen eingerichtet, die sich ausschließlich um die Provenienz fraglicher Werke kümmern, an Universitäten wird die Provenienzforschung mittlerweile als eigenes Fach gelehrt.

Trotzdem wird die Rechtmäßigkeit von Forderungen der Erben von Verfolgten häufig bezweifelt. Beweise werden verlangt, die aufgrund von Verfolgung und Tod nicht erbracht werden können, Gerichte bemüht. Über die Schwierigkeit bei der Restitution von Kunstwerken, die von den Nationalsozialisten geraubt wurden, sind inzwischen zahlreiche Publikationen erschienen. Außerdem gibt es mit der Lost-Art-Datenbank die Möglichkeit, gezielt nach Werken zu suchen. Sie wird vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste in Magdeburg betrieben. Filme wie die Monuments Men von 2014 und Die Frau in Gold von 2015 widmen sich ebenfalls diesem Thema. Ein gerade wieder aktueller Fall ist der sogenannte Welfenschatz, den die Welfen 1929 an mehrere Kunsthändler verkauften, die ihn 1935 an den preußischen Staat veräußerten. Ob dies rechtens war, wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz behauptet, oder die Kunsthändler unter Druck (und unter Wert) verkauften, um als verfolgte Juden das Land verlassen zu können, wie deren Erben argumentieren, ist strittig. Im Februar 2021 hat der Supreme Court in Washington entschieden, dass US-amerikanische Gerichte für den Fall nicht zuständig seien, nachdem die mündliche Anhörung beider Seiten am 8. Dezember 2020 stattgefunden hatte. Damit wird der Welfenschatz im Berliner Kunstgewerbemuseum verbleiben.

Noch schwieriger stellt sich die Restitution im Bereich der in der Kolonialzeit geraubten Werke dar. Hier steht die Restitution ganz am Anfang. Zwar gab der Französische Präsident 2018 das Versprechen, noch in seiner Amtszeit werde es viele Restitutionen geben, passiert ist seither allerdings sehr wenig. Die Eröffnung des Humboldtforums in Berlin im Dezember 2020, in dem das Ethnologische Museum eine neue Heimat finden soll, führte auch zu Versprechungen über Rückgaben von den berühmten Benin-Bronzen. Im April 2021 wurde die Restitution beschlossen, das genaue Procedere wird mit Nigeria abgestimmt.

Um auf die Problematik hinzuweisen, wird auch mal zur Selbsthilfe gegriffen wie im Juni 2020 in Paris. Dort besuchte der Kongolese Emery Mwazulu Diyabanza, Sprecher der panafrikanischen Bewegung, mit vier Freunden das Musée Quai Branly. Der Besuch wurde live auf Instagram gestreamt. Diyabanza erzählte von der kulturellen Enteignung, die das Museum symbolisiert, und nahm einen Begräbnispfosten an sich, der aus dem heutigen Tschad stammt. Natürlich kam er nicht bis zum Ausgang, sondern wurde von einem Museumsaufseher aufgehalten. Er argumentierte, dass er nur Diebesgut zurückholen wolle, und bat dann die alarmierte Polizei um Hilfe bei der Bestimmung der Provenienz der einzelnen ausgestellten Werke, um sie nach Afrika zurückführen zu können. Natürlich half ihm die Polizei nicht. Er landete vor Gericht und wurde bestraft, doch nutzte er auch dieses Forum, um auf die Verbrechen der Kolonialmächte aufmerksam zu machen. Damit überzeugte er zwar die Richter nicht – er und seine Freunde wurden zu einer Geldstrafe verurteilt –, aber immerhin erreichte er, dass die Presse ausführlich über den Fall berichtete und die Dominanz der europäischen Perspektive in der Restitutionsdebatte von einigen Medien in Frage gestellt wurde.

Ebenfalls per Video dokumentierte im Oktober 2020 die Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern «Frankfurter Hauptschule» den Raub der Capri-BatterieBad Beuys goes to AfricaCapri-Batterie