Cover

Laozi

DAODEJING

Der Weg der Weisheit und der Tugend

Eine Übertragung von Jan Philipp Reemtsma

C.H.BECK textura

ZUM BUCH

Das «Daodejing», entstanden zwischen dem 8. und 1. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, ist eines der ältesten Weisheitsbücher der Menschheit. Die chinesische Sammlung von Spruchkapiteln enthält Gedanken und Sentenzen zur Kosmologie, zur Lebenspraxis und zur Staatslehre, die auf den «alten Meister» Laozi zurückgeführt werden, dessen Spuren sich im Dunkel der Geschichte verlieren.

Der mystische, oft rätselhafte Text hat seine Anziehungskraft über die Jahrtausende hinweg bewahrt und Anlass zu zahlreichen Übersetzungen gegeben. Doch diese Übersetzungen weichen teilweise so stark voneinander ab, dass sie nur noch mit Mühe auf ein und denselben Ausgangstext zurückgeführt werden können. Jan Philipp Reemtsma, seit seinen Jugendjahren ein intensiver Leser des «Daodejing», legt auf der Grundlage dieser Übersetzungen einen ganz eigenen Versuch vor, eine Art philologisch wohlerwogener Coverversion, die vor allem durch ihre Frische und sprachliche Sensibilität überzeugt.

ÜBER DIE AUTOREN

Laozi ist ein wohl legendärer chinesischer Philosoph (6. Jahrhundert v. Chr.), der als Begründer des Daoismus gilt und dem die Verfasserschaft des «Daodejing» zugeschrieben wird. Tatsächlich ist das Werk zwischen dem 8. und 1. Jahrhundert v. Chr. entstanden und seine Entstehungsgeschichte bis heute nicht gesichert.

Jan Philipp Reemtsma ist Geschäftsführender Vorstand der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur und Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Hamburg. Bei C.H.Beck ist von ihm zuletzt erschienen: «Schriften zur Literatur» (in drei Bänden, 2015) und «Was heißt: einen literarischen Text interpretieren?» (2016).

INHALT

ERSTER TEIL

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

13. KAPITEL

14. KAPITEL

15. KAPITEL

16. KAPITEL

17. KAPITEL

18. KAPITEL

19. KAPITEL

20. KAPITEL

21. KAPITEL

22. KAPITEL

23. KAPITEL

24. KAPITEL

25. KAPITEL

26. KAPITEL

27. KAPITEL

28. KAPITEL

29. KAPITEL

30. KAPITEL

31. KAPITEL

32. KAPITEL

33. KAPITEL

34. KAPITEL

35. KAPITEL

36. KAPITEL

37. KAPITEL

ZWEITER TEIL

38. KAPITEL

39. KAPITEL

40. KAPITEL

41. KAPITEL

42. KAPITEL

43. KAPITEL

44. KAPITEL

45. KAPITEL

46. KAPITEL

47. KAPITEL

48. KAPITEL

49. KAPITEL

50. KAPITEL

51. KAPITEL

52. KAPITEL

53. KAPITEL

54. KAPITEL

55. KAPITEL

56. KAPITEL

57. KAPITEL

58. KAPITEL

59. KAPITEL

60. KAPITEL

61. KAPITEL

62. KAPITEL

63. KAPITEL

64. KAPITEL

65. KAPITEL

66. KAPITEL

67. KAPITEL

68. KAPITEL

69. KAPITEL

70. KAPITEL

71. KAPITEL

72. KAPITEL

73. KAPITEL

74. KAPITEL

75. KAPITEL

76. KAPITEL

77. KAPITEL

78. KAPITEL

79. KAPITEL

80. KAPITEL

81. KAPITEL

EIN PAAR BEMERKUNGEN HERNACH

ERSTER TEIL

1. KAPITEL

Der Weg, kannst du ihn weisen,

ist nicht der ewige Weg.

Die Weisheit, kannst du sie benennen,

ist nicht die immerwährende Weisheit.

Namen haben alle Dinge.

Aller Anfang ist namenlos.

Also:

Wer den Weg der Weisheit nicht begehrt,

kann ihn gehen,

wer ihn begehrt, erkennt die Welt.

Der Weg und die Welt kommen aus dem Dunklen.

Das tiefste Dunkel aber liegt

allem zu Grunde

Dao.

2. KAPITEL

Unter dem Himmel:

Das Schöne schön nennen

ist häßlich –

das Gute gut nennen

ist nicht gut.

Sein und Nicht-Sein trennt man nicht,

sie kommen auseinander.

Das Schwere und Leichte

sind beieinander,

das Kurze und Lange

sind nebeneinander,

Oben und Unten

nie ohneeinander,

Laut und Leise

Einklang,

das Erste und Letzte

sind eins.

Darum tut der Weise nichts

und bewirkt,

redet nicht

und lehrt so.

Alles ist, was es ist,

und der Weise wehrt ihm nicht.

Er zeugt und gibt kein Zeugnis,

er hält und behält nicht.

Er gibt und gibt nichts darauf,

er bleibt nirgends

und ist überall.

3. KAPITEL

Wenn man die Kundigen nicht hochschätzt,

streitet das Volk nicht.

Wo das Wertvolle wenig gilt,

gibt es keine Räuber im Volk.

Wo nichts begehrt wird,

gibt es keine Gier.

Drum:

Der Weise wirkt so:

Begehren leeren,

die Bäuche füllen,

den Willen schwächen,

die Glieder stärken.

Das Volk wunschlos und unwissend,

die Wissenden mutlos.

Bewirkt er das, ohne zu tun,

ist alles in Ordnung.

Die Ehrenwerten nicht ehren

läßt das Volk in Ruhe.

Das Seltene nicht achten

macht das Volk nicht diebisch.

Begehrenswertes nicht zeigen

macht das Volk nicht begehrlich.

Darum regiert der Weise so:

Er leert das Trachten,

doch füllt er den Bauch;

er schwächt das Wollen,

doch er stärkt die Muskeln.

Für immer läßt er das Volk ohne Kenntnisse und ohne Wünsche

und sieht zu, daß die, die die Welt kennen, nichts tun.

Bewirkt er das ohne Regiment,

wird alles regiert.

4. KAPITEL

Dao ist leer.

Unerschöpflich.

Der Abgrund, aus dessen Fülle Alles ward,

der das Spitze stumpf macht,

das Wirre einfach,

das Glänzende trüb,

verwirbelt es im Staub.

Abwesend, aber da,

keines Vaters Kind,

war vor jedem Herrn.

5. KAPITEL

Himmel und Erde achten des Menschen nicht;

sie nehmen alle Wesen für Spreu.

Der Weise achtet des Menschen nicht,

er nimmt alle Menschen für Spreu.

Zwischen Himmel und Erde

leer Gebläs,

leer und voll Atem –

je mehr es von sich gibt, je mehr gibt es davon.

Beredsamkeit bleibt stumm.

Vertraue auf Nichts.

6. KAPITEL

Die Fee des buschigen Tales

ist das Ewig Weibliche.

Ihre Höhle

ist der Ursprung der Welt –

Grund von allem,

unergründlich.

7. KAPITEL

Der Himmel bleibt ewig, die Erde dauert fort –

sie sind so, weil sie nicht für sich sind.

Darum sind sie ewig und dauern fort.

Also der Weise:

Er geht nicht voraus und steht immer vorn,

er verliert sein Selbst

und bewahrt es so.

Heißt es nicht:

Weil er nichts Eigenes hat,

ist ihm alles eigen?

8. KAPITEL

Das Beste ist, dem Wasser gleichen:

Wasser tut allen wohl,

paßt sich allem an,

fließt auch dort, wo Menschen nicht sein möchten:

wie das Dao.

Worauf es ankommt:

beim Wohnen auf den rechten Ort,

beim Denken auf Grundlosigkeit,

beim Geben auf Selbstlosigkeit,

beim Reden auf das rechte Wort,

beim Regieren auf Gerechtigkeit,

beim Tun auf Richtigkeit,

beim Handeln auf die rechte Zeit.

Wer nicht streitet,

dem tut niemand unrecht.

9. KAPITEL

Du kannst nicht brauchen und bewahren zugleich –

laß es sein!

Ein Schwert im Gebrauch bleibt nicht scharf.

Ein Saal voll Gold und Geschmeide –

wer will ihn schützen?

Reich bist du, vornehm und hohen Muts –

du wirst fallen.

Hast du etwas vollbracht,

geh weg.

Das ist der rechte Weg unter dem Himmel.