Über das Buch:
Ein neuer Mitbewohner für Otto & Co!
Kat freut sich riesig: Mia hat endlich ein eigenes Pferd! Doch Raven bringt den ganzen Stall in Aufruhr. Wird es Mia gelingen, den feurigen Friesen zu bändigen? Die Tipps eines Pferdeflüsterers sollen ihr helfen, besser mit Raven zu kommunizieren.
Doch obwohl für Mia längst nicht alles nach Plan läuft, macht Kat einige erstaunliche Entdeckungen – in Sachen Pferd, aber vor allem in Sachen Gott. Kann es sein, dass es auch beim Glauben verschiedene Arten der Kommunikation gibt …?
Über die Autorin:
Birthe zur Nieden, Jahrgang 1979, hat schon mit fünf Jahren die erste Pferdegeschichte verfasst und mit dem Schreiben danach nicht wieder aufgehört. Das Reiten entdeckte sie erst vor einigen Jahren richtig für sich, dafür hat das Pferdevirus sie seitdem fest im Griff. Sie hat in Marburg studiert und lebt und arbeitet weiterhin dort – bis jetzt noch ohne eigenes Pferd ...
8. Kapitel
… in welchem Phase eins startet und ein grippaler Infekt Kat zu einem guten Abend verhilft
Der nächste Tag war der letzte vor den Herbstferien. Endlich! Kat freute sich auf zwei Wochen Ausschlafen, Lesen, bei gutem Wetter Inlineskaten, darauf, Filme und Serien mit Helli oder Rick anzuschauen und natürlich so viel Zeit wie möglich im Stall zu verbringen. Nachdem sie zuerst ausgiebig dem Nichtstun gefrönt hatte, setzte sie sich an ihren Laptop und surfte nach Herzenslust. Als Helli am Nachmittag vorbeikam, saß Kat immer noch davor und recherchierte nach „Pferdeguru Probleme“ und ähnlichen Stichwortkombinationen. Erst durch die Türklingel bemerkte sie, wie spät es schon war. In rasender Eile schlüpfte sie in ihre Stallklamotten und rannte die Treppe hinunter.
„Hab wegen Phase eins total die Zeit vergessen, sorry! Aber ich habe noch ein paar gute Informationen gefunden, glaube ich“, erklärte Kat, während sie die Schuhe anzog und sich ihre Jacke schnappte.
„Super!“ Hellis Gesicht strahlte vor Vorfreude auf ihre zweite Reitstunde. Als sie vor die Tür traten, sah Kat einen rundlichen Gegenstand in Hellis Fahrradkorb liegen. „Hey, was ist denn das – hast du etwa einen Reithelm bekommen?“
„Ja, genial, oder? Mama meinte, das wäre besser. Sie hat sich informiert: Ein Fahrradhelm ist für eine andere Art Stürze gemacht und darum nicht optimal fürs Reiten. Und ich kann ja nicht immer deinen Helm ausleihen! Außerdem hat sie gezwinkert und gesagt, das ist auch besser für ihr eigenes Nervenkostüm. Denn dass so ein Helm hilft, wissen wir ja seit deinem Sturz im Sommer!“
„Ja, allerdings. Na, dann los, damit du deinen neuen Helm benutzen kannst!“
Hellis zweite Reitstunde war genauso wunderbar wie die erste. Sie wurde wieder an die Longe genommen und durfte am Schluss sogar ihren ersten Trab genießen. Dank Floras Westernpferdqualitäten war es auch wirklich ein Genuss, denn Anne ließ die Stute zuerst im Jog laufen, dem bequemen, langsamen Trab, und trieb sie erst danach für eine Runde etwas mehr an.
Mit einem „Whoaa!“, auf das Flora brav anhielt, beendete sie die Reitstunde. „Ich finde es wirklich super, wie schön locker du mit den Bewegungen des Pferdes mitgehst, Helli. Das kriegen nicht viele gleich in der zweiten Reitstunde so gut hin!“
Hellis Gesicht glühte. Strahlend sprang sie von Floras Rücken und konnte sich wieder nur schwer von der Stute lösen, als die nächste Reitschülerin sie übernahm.
„Gehen wir noch mal zu Otto?“, schlug Kat vor, als sie sich vor der Halle wieder trafen. Helli nickte.
Sie waren erst wenige Schritte gegangen, als aus Ottos ehemaligem Stall ein dumpfes Donnern ertönte. Und gleich danach noch einmal und noch einmal.
„Was ist das denn?“, fragte Helli verstört.
„Ich vermute, da tritt ein Pferd gegen die Trennwände zwischen den Boxen. Lass uns mal nachschauen.“
Als sie um den Stall herumkamen, hörte das Donnern auf. Im gleichen Moment kam Raven durch die Plastiklamellen auf seinen Paddock herausgetrabt, lief bis vorne an den Metallzaun, reckte dort den Hals und wieherte laut. Dann lief er einmal um den Paddock herum und wieherte noch einmal, bevor er wieder in der Box verschwand. Kurz darauf ertönte erneut das Geräusch von Hufen gegen Holz.
Mia stand vor dem Paddock und sah verzweifelt aus. Als sie Helli und Kat entdeckte, schluckte sie heftig. „Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich habe keine Ahnung, was ihn so aufregt. Es gibt eigentlich gerade gar nichts, was ihn aufregen könnte. Aber er hört nicht auf – das geht schon seit einer halben Stunde so. Zwischendurch beruhigt er sich kurz, dann geht es wieder von vorne los. Was soll ich denn bloß machen?“ Ihre Augen begannen, verdächtig zu glänzen.
„War er heute schon draußen?“, fragte Helli. „Vielleicht fehlt ihm nur Bewegung?“
„Das kann’s nicht sein – ich habe ihn gerade eben auf dem Platz laufen lassen. Er hat rumgebuckelt und ist dann bloß auf und ab getrabt und hat gewiehert. Ich dachte, dass ihm der offene Platz bestimmt zu unsicher ist, wir waren ja sonst meistens in der Halle oder im kleinen Roundpen, und dass er sich beruhigt, wenn ich ihn in seine Box zurückbringe. Bei Steger habe ich auch keine Lösung gefunden. Und überhaupt funktioniert nichts so, wie es sollte.“
Kat schaute rasch zu Helli. Sie verstanden sich sofort: Dies war der Moment für Phase eins des Geheimplans. „Du, Mia – könnte es vielleicht sein, dass das, was du mit ihm machst, nicht das Ideale für Raven ist?“
„Was? Jetzt komm mir ja nicht mit ‚Dein Pferd braucht mal eins mit der Gerte, dieses Horsemanship-Zeugs ist doch bloß Hokuspokus und du verziehst dein Pferd total‘. Wenn ihr gegen Steger wettern wollt, seid ihr an der falschen Adresse. Wenn es nicht klappt, liegt das höchstens daran, dass ich irgendwas nicht richtig mache. Oder daran, dass Raven wirklich vermurkst ist und einen Profi bräuchte. Ich fürchte langsam, das ist das Problem. Die Methode ist hundert pro richtig und super.“
Kat räusperte sich. „Es ist bloß … Also, ich hab online auch von Leuten gelesen, die damit ziemliche Probleme gekriegt haben. Die wollten ihre Beziehung zu ihrem Pferd verbessern und sind hinterher gar nicht mehr mit ihm zurechtgekommen, weil es total anti wurde. Was, wenn das bei dir auch so wird? Vielleicht passt die Methode einfach nicht auf jedes Pferd?“
Schon während Kat noch redete, schüttelte Mia den Kopf. „Nee, das sind nur die Leute, die bloß ein paar Videos angeguckt haben und dann denken, sie könnten jetzt alles, was sie brauchen. Und dann machen sie alles nur halb, sodass das Pferd erst recht mit seiner Dominanz durchkommt und sich total für den Boss hält. Dann wird’s natürlich gefährlich. Aber ich habe so viel gelesen und angeschaut, ich glaube schon, dass ich weiß, was ich mache. Okay, meistens jedenfalls. Das mit dem Follow gestern war mein Fehler, da habe ich Mist gebaut und ihn verwirrt.“
Wieder wieherte Raven laut. Helli holte tief Luft. „Du, Mia? Wenn er so wiehert – meinst du nicht, es könnte sein, dass Raven Sehnsucht nach Artgenossen hat? Dass er quasi nach den anderen Pferden ruft?“
Mia schüttelte entschieden den Kopf. „Das glaube ich nicht. Er ist ein Einzelgänger, das hat mir der Händler ja schon gesagt. Und wenn er einsam wäre, dann würde er sich ganz sicher näher an mich anschließen. Wenn er jetzt Pferdegesellschaft hätte, wäre die Beziehungsarbeit nämlich noch schwieriger. Und es ist ja nicht so, als würde ich ihn völlig isoliert halten – er sieht und hört und riecht die anderen Pferde. Ich weiß, ihr seid jetzt wahrscheinlich auch unter die Offenstall-Jünger gegangen, die nur das für die einzig richtige Haltungsform ansehen. Aber ich glaube, dass das nicht für jedes Pferd gut ist. Für andere ist das sicher super, aber für Raven passt es nicht, er wäre damit völlig überfordert.“
„Und was willst du jetzt machen?“, fragte Kat geradeheraus.
Mia verzog das Gesicht und zuckte hilflos mit den Achseln.
„Ich würde mir jedenfalls dringend Hilfe suchen. Vielleicht hat Anne mal Zeit, dir mit Raven zu helfen!“
„Auf keinen Fall. Anne ist nett und alles, aber ich mag nicht, wie sie mit ihren Pferden umgeht. Schon allein, dass sie manchmal mit Sporen reitet und auf Turnieren mit so einem scharfen Gebiss mit Anzügen dran, wo man durch die Hebelwirkung dem Pferd schon wehtut, wenn man die Zügel nur ein bisschen aufnimmt. Und überhaupt. Außerdem kann sie mir nicht mit Steger Horsemanship helfen und wenn man jetzt zwei Trainingsmethoden durcheinanderwirft, verwirrt man Raven total.“
„Aber wenn du’s alleine doch nicht hinkriegst?“
„Ich kriege das hin! Wir kriegen das gemeinsam hin, Raven und ich. Ihr werdet es schon sehen! Ich muss ihm einfach nur mehr Zeit geben. Aber auch dranbleiben. Ich mache mir jetzt einen Plan, was ich wann machen muss, und dann klappt das schon. Das sind nur Anfangsschwierigkeiten.“ Mia schob den Unterkiefer vor und machte ein so entschlossenes Gesicht, dass Kat aufgab. Wenn sie jetzt weiterbohren würden, würde Mia nur wütend werden und ihnen die Freundschaft aufkündigen.
Helli hatte offenbar den gleichen Eindruck. Sie stupste Kat in die Seite. „Wir sollten los, wenn wir noch mal zu Otto wollen, wir haben nicht mehr so viel Zeit.“
Als sie aus Mias Hörweite waren, sagte Helli leise: „Also, ich glaube, Phase eins ist hiermit offiziell gescheitert.“
„Ja, ich fürchte auch. Damit startet Phase zwei, sobald eine von uns Sarah begegnet.“
„Die kenne ich fast gar nicht, ich hab sie nur bei Ravens Ankunft kurz gesehen. Das musst du machen.“
„Oder Rick. Ich werde ihn nachher mal anrufen.“
„Super. – Ist der Strom an?“
Kat lauschte. „Ja, es tickt. Also vorsichtig beim Tor.“
Otto stand auf dem Paddock und döste, Toast war gar nicht zu sehen, hielt sich also wohl innerhalb des Stalles auf. Carlos dagegen kam sofort auf Kat und Helli zugetrottet und streckte ihnen seine weiße Nase entgegen.
„Na?“ Kat kraulte ihm die Stirn. „Langweilst du dich?“
Der Wallach schnaubte ihr auf die Jacke und Helli kicherte. „Ich glaube, das hieß: Ja!“ Sie betrachtete ihn kritisch. „Also, Schimmel sind schon unpraktisch, oder? Guck mal, wie der aussieht!“
Der Boden war feucht, auch wenn es gerade nicht regnete, und Carlos hatte sich offensichtlich mit Begeisterung im unbefestigten Teil des Paddocks gewälzt: Sein Fell war eher graubraun gesprenkelt als weiß. Kat grinste. „Ja, das hat Sarah auf dem Turnier damals auch zu mir gesagt. Deswegen wollte sie eigentlich keinen Schimmel haben, aber dann kam halt Faxi.“
„Was für eine Rasse ist Carlos eigentlich?“
„Arabermix, sagt Natalie. Sieht man auch, er hat einen richtigen Araberknick in der Nase, da hat seine Mama voll durchgeschlagen.“
„Dann passt das ja auch, dass er immer gleich auf einen zukommt. Araber sollen doch so personenbezogen und klug sein, habe ich gelesen.“
„Schon möglich. So, du kluges Pferd, eigentlich wollten wir aber zu einem anderen klugen Pferd. Das ist so klug, dass es wartet, bis wir zu ihm kommen, statt sich selber mehr zu bewegen als nötig.“
Wieder musste Helli lachen. Als sie zu Otto hinübergingen, folgte ihnen Carlos wie ein Hund. Jedenfalls so lange, bis Otto ihm mit angelegten Ohren zu verstehen gab, dass er sich bitteschön verziehen sollte, woraufhin er zur anderen Seite des Paddocks hinübertrottete.
Helli schaute ihm lächelnd hinterher. „Er sieht fast ein bisschen beleidigt aus, findest du nicht?“
„Stimmt“, sagte Kat – und dann stutzte sie. Carlos machte einen großen Bogen um die Tränke und unter dem Tränkbecken glänzte es …
„Ach du Schande!“, platzte es aus Kat heraus. „Weißt du, was wir vor lauter Saving Raven völlig vergessen haben? Wir wollten doch schon gestern Anne wegen der überlaufenden Tränke Bescheid sagen! Da ist immer noch Hochwasser!“
Helli ging ein paar Schritte in die Richtung. „Tatsächlich. Alles nass und matschig!“
Kat zog ihr Handy aus der Tasche. „Ich schicke Anne eine SMS, dann stören wir nicht bei der Reitstunde.“
„Wir müssen jetzt auch dringend los“, bemerkte Helli, während Kat noch tippte. „Wir wollten uns doch um sechs schon treffen wegen Aufbau und Probe und so.“
„Ach du liebe Zeit, der Worship-Abend! Den hatte ich jetzt glatt vergessen!“ Hastig tippte Kat auf ‚Senden‘ und steckte das Handy weg. „Dann mal los!“
***
„Und wofür sind die Schieber hier?“
„Für den Monitor.“ Joel zog zuerst die Nase hoch und dann ein neues Papiertaschentuch aus der Packung neben sich.
„Was denn für ein Monitor?“, fragte Kat, als er fertig war. „Übertragen wir per Video in den Eltern-Kind-Raum oder was?“
„Hä? Ach so, nein, kein Computermonitor, sondern der Lautsprecher da vorne, der auf die Musiker gerichtet ist. Damit die sich auch gegenseitig hören können.“
„Ah.“
Kat saß neben Joel hinter dem Mischpult des Gemeindesaales, während die für diesen Anlass gegründete Lobpreisband ein letztes Mal übte, bevor es losging. Helli saß mit roten Wangen am E-Piano, Alex spielte seine E-Gitarre mit gewohntem Einsatz und viel Coolness und Rebecca und Paula hauchten vor Aufregung so leise in ihre Mikrofone, dass Joel sie fast bis auf Anschlag hochregeln musste.
Die Stühle waren gestellt, vier Reihen in einem leichten Halbkreis vor den Instrumenten, dabei hatte Kat gerne mitgeholfen. Jetzt waren Sophie und Steffi noch dabei, duftige Tücher so zu drapieren, dass sie vom Altar herunterzufließen schienen – und gleichzeitig auch so, dass die Kerzen und Teelichter, die darauf verteilt waren, sie nicht in Brand stecken würden. Direkt neben Kat und Joel testete Martin zum ungefähr hundertsten Mal, ob die Bildpräsentation mit den Liedtexten auch wirklich funktionierte, und Jugenddiakon Daniel sprang überall ein, wo gerade Not am Mann war oder aufgeregten Teenagern beruhigend versichert werden musste, dass alles super werden würde.
Bis hierher hatte die ganze Aktion richtig viel Spaß gemacht. Es war wirklich toll, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Aber jetzt näherte sich der Zeiger der Uhr am Mischpult stetig der geplanten Anfangszeit um halb acht und Kat bekam ein mulmiges Gefühl im Bauch. Nicht weil sie dachte, dass etwas schiefgehen würde, sondern weil damit der eigentliche Wor-ship-Abend anfangen würde, und darauf freute sie sich nicht sonderlich. Aber vielleicht würde es diesmal ja auch für sie so fantastisch wie für die anderen, jetzt, wo sie selbst mit an der Vorbereitung beteiligt gewesen war. Bitte mach, dass es so wird, ja?, betete sie stumm.
Um zehn vor halb kamen die ersten Gäste. Es wurden tatsächlich so viele, dass die Reihen fast voll waren, als Martin das Licht herunterdimmte, sodass die vielen Kerzen alles in ein stimmungsvolles Licht tauchten. Kat schob sich in die letzte Reihe.
Daniel begrüßte alle, bevor der erste Lobpreis-Block begann. Kat sang gerne mit und freute sich an Hellis Klavierspiel. Ihre Freundin war wirklich gut und voll und ganz bei der Sache.
Nach zwei Liedern betete Sophie, dann folgten noch zwei Lieder und spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte Kat für ihren Geschmack genug gesungen. Die Liedtexte plätscherten an ihr vorbei und sie beobachtete die anderen, die ganz hingegeben mitsangen, teilweise die Augen schlossen und die Hände hoben. Man sah richtig, wie sie in diesem Moment Gott spürten und ihm ganz nahe waren. Kat dagegen fühlte sich wie ein Fremdkörper in all der Anbetung und hätte am liebsten angefangen zu heulen. Warum konnte sie das nicht auch so erleben? Na gut, die Musik war nicht ihr Stil, aber das war für Alex genauso, der normalerweise auf christlichen Rock und gar Metal stand. Trotzdem spielte er mit Hingabe die meist eher getragenen Songs und Kat wusste aus den Teenkreisstunden, dass er auch beim Singen immer voll dabei war.
Während der Refrain des vierten Liedes noch dreimal wiederholt wurde, sodass Kat das Gefühl hatte, die eintönige Melodie würde ihr die Gehörgänge verstopfen, tippte ihr auf einmal jemand auf die Schulter. Erschrocken fuhr Kat herum. Joel beugte sich zu ihr hinunter, um ihr ins Ohr raunen zu können: „Ich fühle mich total eklig, ich glaube, ich habe Fieber. Kopfschmerzen und überhaupt. Martin meinte, du hast doch eben zugeguckt … Glaubst du, du kannst die Technik übernehmen?“
„Klar!“, sagte Kat ein wenig zu laut, sodass ihre Nachbarin die Augen aufmachte und sie etwas empört anschaute. „Sorry!“, wisperte Kat und schob sich aus der Stuhlreihe, um eilig zum Mischpult zu huschen. Joel flüsterte ihr noch einige Instruktionen zu, dann schlich er aus dem Saal und zückte noch im Gehen das Handy, um seine Eltern anzurufen.
„Der Ärmste …“, wisperte Kat zu Martin hinüber, der seinem Freund nur kurz nachschaute, dann musste er die nächste Liedfolie einblenden.
„Ja“, flüsterte er dann. „Ihm ging’s schon den ganzen Tag nicht gut, aber er wollte unbedingt dabei sein und den Teenkreis nicht im Stich lassen. Bloß gut, dass du vorhin – oha, schon wieder der Refrain …“
Kat klopfte ihm auf die Schulter. „Sorry, ich lenke dich jetzt nicht mehr ab.“ Sie musste sich sowieso auf die Technik konzentrieren. Als Nächstes wurde nämlich laut Programm ein Bibeltext vorgelesen, dazu musste sie eins der Mikrofone wieder auf Sprechlautstärke drehen und einen Scheinwerfer anschalten, damit Steffi den Text überhaupt erkennen konnte. Dann kamen wieder drei Lieder. Beim ersten Song spielte Alex zuerst ein ganz zart gezupftes Solo, für das sie die Gitarre lauter stellte, während er beim Refrain voll in die Saiten griff, sodass sie sie wieder zurücknehmen musste. Zum Glück hatte Joel alles während der Proben mit den Musikern ausgearbeitet und ordentlich auf einem Zettel notiert, sodass Kat sich daran orientieren konnte.
Nach den drei Liedern war eine Gebetszeit angesetzt. Dafür wurde keine Technik benötigt, sodass Kat und Martin ebenfalls beten konnten. Kat schaute auf die Schieberegler vor ihr, während sich in ihrem Ohr eine Zeile aus dem letzten Lied hielt. God is great!, sang es in ihrem Kopf und auf einmal meinte sie es auch. Danke, betete sie. Danke, dass du mir eine Aufgabe verschafft hast. Auch wenn es natürlich schöner gewesen wäre, wenn Joel dafür jetzt nicht mit Fieber ins Bett müsste.
Leise Gitarrentöne holten die Anwesenden allmählich zurück und Kat nahm sich zufrieden wieder der Knöpfe und Schalter an, damit alles zur Ehre Gottes klingen konnte.