VVorwort

Die Verwirklichung des unternehmerischen Risikos, Schicksalsschläge wie Krankheiten oder Arbeitslosigkeit, aber auch ein fehlgeleitetes Konsumverhalten können schnell zu einer Situation führen, in der Personen ihre Schulden auf absehbare Zeit nicht bezahlen oder ihre Verbindlichkeiten nicht mehr rechtzeitig bedienen können. In Deutschland existiert seit 1999 ein Verfahren zur Entschuldung natürlicher Personen, das unter dem Begriff Privatinsolvenzverfahren zusammengefasst werden kann und in der Insolvenzordnung geregelt ist. Jede Person hat die Möglichkeit, nach Abschluss eines bestimmten Verfahrens schuldenfrei zu sein. Das Verfahren selbst ist – wie vieles in Deutschland – vergleichsweise kompliziert gestaltet und der Weg zur Schuldenfreiheit mit einer Vielzahl von Begriffen und Stolperfallen gepflastert. Der Betroffene sieht sich mit zahlreichen Verfahrensarten, Rechtsbegriffen, Ausnahmen und Ausnahmen von der Ausnahme konfrontiert. Hinzu treten die schwierige Rechtssprache und ständige Gesetzesänderungen. Gleichwohl ist die Privatinsolvenz die große Chance für einen wirtschaftlichen Neuanfang – zumal seit dem 1.7.2014 in jedem Privatinsolvenzverfahren ein Insolvenzplan vorgelegt werden kann, der eine vollständige Entschuldung in nur wenigen Monaten ermöglicht.

Dieses Buch ist keine wissenschaftliche Arbeit und verzichtet überwiegend auf Paragrafen. Es bietet keine Literaturhinweise und Aktenzeichen, sondern konkrete Antworten. Es ist auf aktuellem Stand, berücksichtigt insbesondere die seit dem 1.7.2014 geltenden, umfangreichen Neuerungen und soll allen Lesern, die sich mit dem Thema Privatinsolvenz beschäftigen (müssen) einen leicht verständlichen Überblick im dichten Dschungel der Regelungen und Begrifflichkeiten bieten. Wie lange dauert das Entschuldungsverfahren? Was heißt Insolvenz? Wie viel Geld muss ich abgeben? Was ist mit meiner privaten Krankenversicherung, was mit Altersvorsorge und Rente? Haftet mein Ehegatte für meine Schulden? Werde ich von allen Schulden befreit? Darf ich noch selbstständig oder ein Geschäftsführer sein? Diese und zahlreiche andere praktische Fragen aus unserer täglichen Arbeit wollen wir mit diesem Buch in einfacher und präziser Sprache beantworten. Als Rechtsanwälte arbeiten wir seit vielen Jahren als Insolvenzverwalter und Schuldnerberater – vom Verbraucher bis zum Großunternehmer.

Wir hoffen, dass Ihnen das Buch die nötige Orientierung im Dschungel einer Privatinsolvenz bietet und Ihnen dabei hilft, Ihre Fragen zu beantworten.

Düsseldorf, im Januar 2015

Dr. Jasper Stahlschmidt
und Dr. Olaf Hiebert

11. Kapitel

Einführung

„Die Bank hat mein Konto gesperrt. Was kann ich dagegen tun? Kann ich verhindern, dass der Arbeitgeber von meiner Insolvenz erfährt? Darf mein Vermieter kündigen? Was ist während der Wohlverhaltensperiode zu beachten? Verliere ich das angesparte Vermögen meiner privaten Altersvorsorge?“ Solche und ähnliche Fragen stellen sich viele, die in die private Insolvenz geraten. Bei der Einleitung eines Privatinsolvenzverfahrens helfen diverse Schuldnerberatungsstellen und Rechtsanwälte. Dies aber kostet Geld und was muss ich eigentlich im eröffneten Insolvenzverfahren beachten? Welche Probleme kommen dort auf mich zu? Das Buch versucht, diese Fragen zu beantworten, die zahlreichen Rechtsbegriffe verständlich zu machen, sowie Tipps und Hilfestellungen zu geben.

Zu Beginn wollen wir im zweiten Kapitel eine stark vereinfachte Übersicht über den Ablauf des gesamten Entschuldungsverfahrens geben und grundlegende Verfahrensfragen behandeln, die sich im Rahmen einer Insolvenz stellen. Im dritten Kapitel werden konkrete Fragen beantwortet, mit denen sich der Schuldner, aber auch dessen Angehörige, Arbeitgeber und Vermieter regelmäßig auseinandersetzen muss. Im vierten Kapitel erläutern wir die wichtigsten Begriffe und das fünfte Kapitel enthält mit seinem Anlagenteil Beispiele für wichtige Beschlüsse des Gerichts und andere Muster.

Wir hoffen, dass Sie durch dieses Buch etwas mehr Klarheit über das Insolvenzverfahren und seine vielen Möglichkeiten erhalten. Im 2Idealfall werden Ihnen Ängste und Hemmungen genommen, dieses sinnvolle Instrument der Entschuldung in Deutschland zu nutzen.

 

Die Antworten dienen der allgemeinen Information und können die Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen!

32. Kapitel

Grundsätzliche Fragen zur Privatinsolvenz

(1) Wie funktioniert das deutsche Entschuldungsverfahren? – Die Struktur

Das Prinzip ist einfach: Der Schuldner stellt sein gesamtes Vermögen den Gläubigern zur Verfügung, soweit er es nicht für den Lebensunterhalt benötigt. Die Forderungen der Gläubiger werden aus diesem Vermögen befriedigt, so gut es eben geht, und die restlichen Schulden werden nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums erlassen. Damit der Vorgang einigermaßen geordnet ablaufen kann, ernennt das Insolvenzgericht einen neutralen Insolvenzverwalter, der das Vermögen des Schuldners zu Geld macht und es an die Gläubiger verteilt. Da viele Schuldner kein Vermögen haben, erschöpft sich ihr Beitrag darin, die pfändbaren Anteile des Arbeitseinkommens jeden Monat an den Verwalter abzuführen. Sofern auch ein solches nicht vorhanden ist, erhalten die Gläubiger nichts; die Entschuldung hindert dies nicht! Ferner muss jeder Gläubiger seine Forderung dem Insolvenzverwalter mitteilen, der diese prüft. Auch überwacht der Insolvenzverwalter, ob der Schuldner gewisse Verpflichtungen während eines bestimmten Zeitraums erfüllt und berichtet über sämtliche Tätigkeiten dem Insolvenzgericht und einer Zusammenkunft der Gläubiger, genannt Gläubigerversammlung.

Dieses recht einfache Grundkonstrukt liegt dem gerichtlichen Entschuldungsverfahren in Deutschland, der Privatinsolvenz , zugrunde. Es wird jedoch durch zahlreiche Ausnahmen, unterschiedliche Verfahrensarten und einen bunten Strauß an Begrifflichkeiten – Kritiker 4sagen unnötig – verkompliziert. Auch ist der Weg bis zur Entschuldung vergleichsweise lang. In Deutschland dauert es drei, fünf oder sechs Jahre, während man in England bereits nach einem Jahr schuldenfrei sein kann. Die Regelungen in Deutschland dienen sehr stark der Einzelfallgerechtigkeit. Auch herrscht noch immer die Meinung vor, der Schuldner müsse sich die Rechtswohltat der Entschuldung erst durch ein angemessenes Verhaltens für eine bestimmte Dauer verdienen. Die unscharfen Begriffe der Wohlverhaltensperiode bzw. -phase sind in diesem Zusammenhang zu nennen.

Geregelt ist das Entschuldungsverfahren für sämtliche Schuldner – vom Verbraucher bis zum Weltkonzern – in den 359 Paragrafen der Insolvenzordnung (abgekürzt: InsO). Eigentlich sind es noch mehr Paragrafen, da man im Zuge von Reformen auch Paragrafen wie § 4a bis 4d InsO eingefügt und so die herkömmliche Nummerierung verlassen hat.

Mit diesem Buch grenzen wir die Privatinsolvenz von der Unternehmensinsolvenzab. Dieses Unterscheidungskriterium ist nicht unbedingt sehr aussagekräftig. Streng genommen unterscheiden sich die bekannten Insolvenzverfahren Karstadt Warenhaus AG und Anton Schlecker e.K. nicht in ihrer Komplexität. Beides sind bzw. waren sehr große und bekannte Handelsunternehmen. Rechtsträger der Kaufhauskette Karstadt ist keine reale Person, sondern ein juristischer Rechtsträger. Diese werden entweder mit Zustimmung der Gläubiger durch einen Insolvenzplan entschuldet und tragen das Unternehmen weiter oder werden liquidiert, d.h. irgendwann gelöscht. Reale – Juristen sagen natürliche – Personen werden nicht gelöscht, sondern im Wege der Restschuldbefreiung auch gegen den Willen der Gläubiger entschuldet, sofern sie dies beantragen und einige Verhaltensweisen befolgen. Mit anderen Worten wird Herr Schlecker eines Tages auch gegen den Willen seiner Gläubiger schuldenfrei sein. Nun haben die meisten Privatinsolvenzen einen deutlich kleineren Umfang. Es geht um zu keinem Zeitpunkt unternehmerisch tätig gewesene Verbraucher , Handwerker, Ärzte, Künstler, Kleinunternehmer und Mittelständler , die ihr Unternehmen zwar in Form einer juristischen Person – etwa einer GmbH – betrieben haben, dennoch aufgrund von Bürgschaften und Grundschulden 5mit ihrem Privatvermögen so umfangreich haften, dass sie zahlungsunfähig werden. Gerade im Inhabergeführten Mittelstand folgt der Insolvenz der Gesellschaft (Müller GmbH) häufig die des Gesellschafters (Herr Müller).

Die Fragen dieser natürlichen Personen sind hierbei stets die gleichen, und dies grenzt die Privatinsolvenz von der klassischen Unternehmensinsolvenz einer juristischen Person ganz erheblich ab.

(2) Wie wird das Verfahren eingeleitet und welche Anträge müssen gestellt werden?

Es ist schon schwer genug, sich das eigene wirtschaftliche Scheitern einzugestehen. Hat man dies geschafft und möchte man den Weg des wirtschaftlichen Neuanfangs wählen, so kann man leider nicht einfach zum Insolvenzgericht gehen. Selbst wenn man herausfindet, dass es sich hierbei um das Amtsgericht handelt, in dessen Bezirk man lebt bzw. wo eine etwaige selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird, stellt sie die Frage nach der richtigen Verfahrensart und gegebenenfalls der Pflicht, zunächst einen qualifizierten Versuch zu unternehmen, mit den Gläubigern außergerichtlich eine Einigung herbeizuführen. Dieser sogenannte außergerichtliche Schuldenbereinigungsversuch ist für das Verbraucherinsolvenzverfahren verpflichtend, für das Regelinsolvenzverfahren aber entbehrlich. Der Versuch muss auch dokumentiert und das Scheitern durch eine geeignete Stelle (z.B. Rechtsanwalt) bestätigt werden. Verbraucher kann auch sein, wer einmal selbstständig gewesen ist. Anders herum kann auch ein Verbraucher dem Regelinsolvenzverfahren unterliegen – soweit alles unklar.

Grundsätzlich ist auf jede Person, egal ob Manfred Müller oder die Müller GmbH, das Regelinsolvenzverfahren anzuwenden, das eigentlich nur Insolvenzverfahren heißt, aber im Sprachgebrauch mit dem Zusatz „Regel“ versehen wird, um es von anderen Verfahrensarten abzugrenzen. § 304 InsO bestimmt, wer einem besonderen Verfahren unterliegt und damit den – in der Praxis meist erfolglosen, lästigen und kostenintensiven – außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch unternehmen muss. In das Verbraucherinsolvenzverfahren gehört, wer eine natürliche Person ist (Manfred Müller, nicht 6aber die GmbH) und keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder ausgeübt hat. Dies sind in erster Linie Arbeiter und Angestellte, also sogenannte abhängig Beschäftigte, aber auch Beamte, Rentner, Hausfrauen etc. Vermögen und Anzahl der Gläubiger sind in diesem Fall unerheblich. Solange jemand eine selbstständige Tätigkeit ausübt (Architekt , Arzt, Inhaber von Friseurgeschäften oder Blumenläden, etc.) ist das Regelinsolvenzverfahren die richtige Verfahrensart. Ehemalige Selbstständige gehören eigentlich auch in das Regelinsolvenzverfahren, es sei denn, ihre Vermögensverhältnisse sind überschaubar und es bestehen keine Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen (§ 304 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Rechtsprechung hat dann die Frage beantwortet, wann denn Vermögensverhältnisse überschaubar sind und was Arbeitsverhältnisse sind, da der Gesetzgeber lediglich festgelegt hat, dass Vermögensverhältnisse nur dann überschaubar sind, wenn weniger als 20 Gläubiger zu verzeichnen sind (§ 304 Abs. 2 InsO). Zu klären hatten die Juristen auch, welches Verfahren denn auf Personen anzuwenden ist, die nur nebenbei einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen oder Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH waren.

Hat man die für sich richtige Verfahrensart ermittelt, so wird eine Insolvenz nicht etwa „angemeldet“, wie man leider immer wieder liest und hört.

Der Schuldner muss mindestens zwei, meistens aber drei Anträge bei Gericht stellen:

  1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das eigene Vermögen
  2. Erteilung der Restschuldbefreiung
  3. Stundung der Verfahrenskosten

Die Anträge 1 und 2 sind zwingend, der Antrag zu 3 zumindest dann, wenn die Verfahrenskosten (Gerichtskosten , Vergütung und Auslagen des – vorläufigen – Insolvenzverwalters) nicht aus dem Vermögen des Schuldners aufgebracht werden können.

Verpassen Sie den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung und holen sie diesen trotz Hinweis des Gerichts nicht nach, wird Ihr Vermögen verwertet, aber Sie erhalten keine Schuldbefreiung – der worst case.

7Tipp:

Erfreulicherweise stellt die Justiz im Internet Formulare zur Verfügung, die immer ausgefeilter werden. Für das Verbraucherinsolvenzverfahren sind sie verpflichtend. Für das Regelinsolvenzverfahren zwar nicht, aber eine nützliche Hilfe, wenn dort – wie in Nordrhein-Westfalen – ein eigenes Feld für die Beantragung der Restschuldbefreiung vorgesehen ist (http://justiz.nrw.de/BS/formulare/insolvenz/eroeffnung_insolvenzverfahren/).

Tipp:

Soweit Sie im Vorfeld des Insolvenzverfahrens Zahlungen an Gläubiger geleistet haben, sollten sie etwaige Folgen des Insolvenzverfahrens vor einem Antrag überdenken. Stichwort: Insolvenzanfechtung. Insolvenzverwalter können Vermögensverschiebungen bis zu 10 Jahren vor dem Zeitpunkt des Insolvenzantrages rückgängig machen, und versuchen dies auch oft in unberechtigten oder zweifelhaften Fällen. Besonders Vermögensübertragungen (Geld, Schmuck, Fahrzeuge, Grundstücke etc.) und Schenkungen an nahe Angehörige sowie Insider sind problematisch. Für die Familie kann eine Lösung ohne Insolvenz insgesamt günstiger sein. Wir empfehlen vor einem Insolvenzantrag unbedingt eine Beratung durch einen sachkundigen Anwalt.

(3) Die erforderlichen Anträge sind gestellt – Wie geht es weiter?

Wenn die Anträge bei dem zuständigen Insolvenzgericht, d.h. Amtsgericht gestellt sind, kann es sein, dass das Gericht einen Beschluss erlässt,

  1. durch den das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt wird,
  2. ein Gutachter bestellt wird, oder
  3. ein Gutachter und personenidentischer vorläufiger Insolvenzverwalter ernannt wird.

Im Fall a) ist für das Gericht „alles klar“, insbesondere, ob der Schuldner zahlungsunfähig ist und das Vermögen ausreicht, um die 8Verfahrenskosten zu decken. Im Fall b) ist gerade dies zweifelhaft und bei Variante c) ist Vermögen des Schuldners vorläufig zu sichern. In der Praxis sind dies vor allem laufende Geschäftsbetriebe, auch wenn diese Verlust erwirtschaften. Das direkt eröffnete Insolvenzverfahren nach Variante a) ist bei Privatinsolvenzen die Regel. Alle drei Varianten sind kein Grund zur Beunruhigung. In sämtlichen Fällen erhält der Schuldner Post von einem Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater, manchmal auch Dipl.- Kfm., also solchen Personen, bei denen etwas dafür spricht, dass sie in der Lage sind, das Amt des Insolvenzverwalters auszuüben. Das Insolvenzgericht erlässt einen entsprechenden Beschluss, aus dem diese Informationen hervorgehen (Muster Anlagen A und B).

Diesen Personen muss der Schuldner dann jede Menge Auskünfte erteilen. Macht er dies nicht, kann ihm die Befreiung von den Schulden versagt werden. In der Praxis und auch in diesem Buch nennen wir dies: Versagung der Restschuldbefreiung .

Tipp:

Bei Angaben auf Formularen und gegenüber den durch das Gericht ernannten Personen ist höchste Sorgfalt geboten. Unklare Fragen markieren und so gut es geht mit entsprechenden Vermerken wie („ca.“ „ungefähr“ „soweit bekannt“ etc.) beantworten. Der Schuldner muss zahlreiche Erklärungen abgeben und deren Richtigkeit sowie Vollständigkeit versichern. Zugleich tritt er die pfändbaren Anteile an einem Arbeitseinkommen für sechs Jahre ab.

Der Insolvenzantrag stellt die erste wichtige Zäsur – einfacher: Grenze – dar. Ab diesem Zeitpunkt kann der Vermieter das Mietverhältnis nicht mehr wegen Mietzinsrückständen kündigen, die vor dem Antrag aufgelaufen sind, seien sie auch noch so hoch (Sonderkündigungsschutz § 112 InsO). Sofern beantragt, sind Maßnahmen der Zwangsvollstreckung (z.B. Kontopfändung, Gerichtsvollzieher, Vermögensauskunft etc.) nicht mehr zulässig. Vermögensverschiebungen des Schuldners – gleich welcher Art – nach dem Antrag können unter erleichterten Voraussetzungen rückgängig gemacht werden.

9Nach Abschluss der Prüfungsarbeiten des Gutachters und Berichterstattung gegenüber dem Insolvenzgericht oder eben unmittelbar erfolgt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch einen Beschluss des Insolvenzgerichts (Muster Anlage A und B); die zweite, noch wichtigere Zäsur. Alle Verbindlichkeiten, die vor diesem Zeitpunkt begründet wurden, sind bloße Insolvenzforderungen, von denen der Schuldner am Ende des Verfahrens befreit wird. Alle danach durch den Schuldner begründeten Verbindlichkeiten sind Neuverbindlichkeiten, von denen der Schuldner nicht befreit wird. Begründet der Insolvenzverwalter Verbindlichkeiten, nennt man diese Masseverbindlichkeiten. Diese werden von dem Insolvenzverwalter in voller Höhe vorab aus dem von ihm verwalteten Vermögen des Schuldners beglichen. Die Abgrenzung nach Maßgabe der §§ 38, 55 InsO und einiger Sonderregelungen im Detail ist schwierig und zum Glück Aufgabe des Verwalters.

Ab dem Zeitpunkt der Eröffnung beginnt die Verwertung des Vermögens des Schuldners und die Rückgängigmachung etwaiger Vermögensverschiebungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens. Die Gläubiger melden ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter an, der diese nach Grund und Höhe in einer Übersicht erfasst, die sogenannte Insolvenztabelle. Diese ist später Grundlage dafür, welcher Gläubiger welchen Anteil aus dem Vermögen des Schuldners erhält.

Der Insolvenzverwalter berichtet den Gläubigern im Rahmen einer Gläubigerversammlung. Im Rahmen der ersten Versammlung werden auch die Forderungen der Gläubiger geprüft und der Fortgang des Verfahrens festgelegt. Es kann weitere Termine geben, wann immer dies notwendig ist.

Ist das Vermögen verwertet und die Verteilung an die Gläubiger erfolgt, wird das Insolvenzverfahren aufgehoben. In den vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren wird dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt (also noch nicht erteilt). In den danach beantragten Verfahren erfolgt dies bereits im Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

10Tipp:

Nehmen Sie als Schuldner unbedingt an den Gläubigerversammlungen Teil oder lassen Sie sich anwaltlich vertreten. So können Sie zu möglichen Anträgen, Ihnen die Restschuldbefreiung zu versagen, Stellung nehmen und der Anmeldung einer Forderung als solche aus unerlaubter Handlung widersprechen. Dies ist wichtig, da die Forderung ohne Widerspruch des Schuldners als solche aus unerlaubter Handlung festgestellt wird, was dazu führt, dass sie von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist. Auch hilft die Anwesenheit des Schuldners Missverständnisse aufzuklären und überflüssige Anträge zu vermeiden. Nicht zuletzt ist es auch ein Zeichen des Respekts vor dem Verfahren und den Gläubigern, was einen guten Eindruck hinterlässt.

(4) Unter welchen Bedingungen werde ich schuldenfrei und wie lange dauert das?

Der Schuldner ist mit Beendigung des Insolvenzverfahrens (noch) nicht schuldenfrei – anders zum Beispiel als in England. In Deutschland schließt sich an das Insolvenzverfahren zusätzlich das sogenannte Restschuldbefreiung sverfahren an, das formaljuristisch ein eigenes Verfahren ist und parallel zum Insolvenzverfahren läuft (daher der gesonderte zweite Antrag, siehe oben Seite 6). Erst am Ende dieses Verfahrens wird dem Schuldner die Restschuldbefreiung durch einen Beschluss des Insolvenzgerichtes erteilt. Das Verfahren endet nach drei, fünf oder sechs Jahren, je nachdem, wie viel Geld der Schuldner seinen Gläubigern zur Verfügung stellen kann. Wir haben also die schwer nachvollziehbare Situation von zwei parallel beginnenden Verfahren, von denen das Insolvenzverfahren das Restschuldbefreiungsverfahren bedingt, aber nicht umgekehrt. Bildlich dargestellt und vereinfacht dient das Insolvenzverfahren der Verwertung des Schuldnervermögens im Interesse der Gläubiger und das Restschuldbefreiungsverfahren der Entschuldung des Schuldners. Auch vermögensrechtlich ist dies nicht unbedeutend. Während des Insolvenzverfahrens fällt jeder Neuerwerb des Schuldners in die Insolvenzmasse. Also auch jeder Lottogewinn, jede Erbschaft oder jeder Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit. Nach Aufhebung 11des Insolvenzverfahrens erhält der Schuldner das ihm verbliebene Vermögen zurück und neues Vermögen steht ihm zu. Grundsätzlich darf er alles für sich behalten. Nur seine pfändbaren Anteile am Arbeitseinkommen hat er für die Dauer von sechs Jahren abgetreten. Ferner bestimmt § 295 InsO wie sich der Schuldner verhalten muss, was er z.B. abzugeben hat. § 287b regelt zudem eine Erwerbsobliegenheit des Schuldners. Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet das Amt des Insolvenzverwalters. Dieser wird dann aber zum Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren ernannt, an den etwaige Beträge abzuführen sind und der die Verteilung vornimmt. In vor dem 1.7.2014 beantragten Verbraucherinsolvenzverfahren wird der Insolvenzverwalter als Treuhänder bezeichnet. Dieses Amt ist nicht mit dem des Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren identisch.

Die Restschuldbefreiung erhält der Schuldner durch einen Beschluss des Insolvenzgerichtes (Muster Anlage E).

Tipp:

Bewahren Sie den Beschluss über die Erteilung der Restschuldbefreiung sehr gut auf und fertigen Sie Kopien an. Mit diesem Beschluss können Sie künftige Klagen oder Vollstreckungsversuche der Gläubiger verhindern.

Während das Insolvenzfahren je nach Kapazität des Gerichts nur etwa ein bis zwei Jahre dauert, nimmt das Restschuldbefreiungsverfahren in der Regel sechs, häufig fünf und selten drei Jahre in Anspruch, § 300 InsO. Die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens hängt davon ab, in welchem Umfang die Gläubiger befriedigt werden können. Es kann durch Vorlage eines Insolvenzplans zudem außerplanmäßig und damit vorzeitig beendet werden.

Ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens dauert es grundsätzlich sechs Jahre, bis die Restschuldbefreiung erteilt wird, § 287 Abs. 2 InsO. § 300 InsO gibt dem Schuldner in allen ab dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren die Möglichkeit, einen Antrag auf vorzeitige Erteilung zu stellen. Voraussetzung ist, dass der Schuldner die Verfahrenskosten bezahlt hat und entweder

Daneben kann der Schuldner vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens einen Insolvenzplanvorlegen. Der Plan ist vereinfacht gesagt ein Vergleichsvertrag, der im Kern die Regelung enthält: Die Gläubiger erhalten eine bestimmte Quote auf Ihre Forderung (z.B.