GESTALTEN DER ANTIKE

Herausgegeben von
MANFRED CLAUSS

Wolfgang Will

Caesar

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für Hans Meyer
und die Mühen der Ebene

 

 

 

 

Bildnachweis
Abb. 1, 2, 3, 4, 7, 8, 12, 14 akg-images;
Abb. 5, 17 bpk Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz;
Abb. 11 Manfred Clauss; Abb. 15, 16 Deutsche Bundesbank,
Frankfurt/Main;
Karten: Peter Palm, Berlin.

Impressum

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur Reihe

Vorwort des Autors

Die Welt vor Caesar

Vom Stadtstaat zum Weltreich

Magistrate und Promagistrate

Politik und Wirtschaft

Die Jugend eines Diktators

Anonymität der frühen Jahre

Sullas Marsch auf Rom

Warten auf Sulla

Den Proskriptionen entgangen

Ein aufstrebender Aristokrat

Bewährung

Lohn der Angst

Rettung der Provinz Asia und erste Ämter

Im Schatten

Pompeius

Quästor

Nochmals Seeräuber

Lucullus

Ädil

Crassus

Karriereschritte

Verschwörer wider Willen

Ursachen der Verschwörung

Catilinas Pläne

Caesar im Senat

Die Tür zur Macht

Pompeius absens

Zu Besuch bei Bona Dea

Proprätor

Das dreiköpfige Ungeheuer

Der Konsul tanzt

Amtsantritt

Senat und Volksversammlung

Blitz und Donner

Gewinne und Verluste

Gegner und Verbündete

Provinzen und Imperien

Jahresabschluss

Gallischer Krieg und bellum Gallicum

Soldat und Heerführer

Motive und Gründe

Die Commentarii

Bellum Helveticum

Ariovist

Belgische Heldensaga

Zweierlei Legaten

Germanenschlachten

Nach Britannien und zurück

Ambiorix

Vercingetorix

Der Preis

Warten auf den Bürgerkrieg

Clodius

Lex Pompeia Licinia de provincia C. Iulii Caesaris

Auftakt zum Bürgerkrieg

Der Bürgerkrieg

Über den Rubikon

Nach Spanien

Durch Griechenland

Auf dem Nil

In Afrika

In Spanien

Konsul, Diktator, Staatsgott

Gegner und Anhänger

Volk und Diktator

Reformen

Preis und Ehren

Rex

Parthien und der Weg dorthin

Die Iden und danach

„Ein glücklicher Catilina“: Meinungen über Caesar

Anhang

Anmerkungen

Bibliographie

Quellen und Abkürzungen

Übersetzungen in Auswahl

Glossar

Zeittafel

Register

Vorwort zur Reihe

„Gestalten der Antike“ – die Biographien dieser Reihe stellen herausragende Frauen und Männer des politischen und kulturellen Lebens jener Epoche vor. Ausschlaggebend für die Auswahl war, dass die Quellenlage es erlaubt, ein individuelles Porträt der jeweiligen Personen zu entwerfen, und sie konzentriert sich daher stärker auf politische Persönlichkeiten. Sie ist gewiss auch subjektiv, und neben den berühmten „großen Gestalten“ stehen interessante Personen der Geschichte, deren Namen uns heute vielleicht weniger vertraut sind, deren Biographien aber alle ihren je spezifischen Reiz haben.

Die Biographien zeichnen spannend, klar und informativ ein allgemeinverständliches Bild der jeweiligen „Titelfigur“. Kontroversen der Forschung werden dem Leser nicht vorenthalten. So geben auch Quellenzitate – Gesetzestexte, Inschriften, Äußerungen antiker Geschichtsschreiber, Briefe – dem Leser Einblick in die „Werkstatt“ des Historikers; sie vermitteln zugleich ein facettenreiches Bild der Epoche. Die Darstellungen der Autorinnen und Autoren zeigen die Persönlichkeiten in der Gesellschaft und Kultur ihrer Zeit, die das Leben, die Absichten und Taten der Protagonisten ebenso prägt wie diese selbst die Entwicklungen beeinflussen. Die Lebensbeschreibungen dieser „Gestalten der Antike“ machen Geschichte greifbar. In chronologischer Reihenfolge werden dies sein:

Hatschepsut (1479–1457), von den vielen bedeutenden Königinnen Ägyptens nicht nur die bekannteste, sondern auch die wichtigste, da sie über zwei Jahrzehnte die Politik Ägyptens bestimmt hat;

Ramses II. (1279–1213), der Pharao der Rekorde, was seine lange Lebenszeit wie die nahezu unzähligen Bauvorhaben betrifft;

Alexander (356–323), der große Makedonenkönig, dessen Rolle in der Geschichte bis heute eine ungebrochene Faszination ausübt;

Hannibal (247–183), einer der begabtesten Militärs der Antike und Angstgegner der Römer; seine Kriege gegen Rom haben Italien mehr geprägt als manch andere Entwicklung der römischen Republik;

Sulla (138–78), von Caesar als politischer Analphabet beschimpft, weil er die Diktatur freiwillig niederlegte, versuchte in einem eigenständigen Konzept, den römischen Staat zu stabilisieren;

Cicero (106–43), Philosoph, Redner und Politiker, von dem wir durch die große Zahl der überlieferten Schriften und Briefe mehr wissen als von jeder anderen antiken Persönlichkeit; sein Gegenpart,

Caesar (100–44), ein Machtmensch mit politischem Gespür und einer ungeheuren Energie;

Kleopatra (69–30), Geliebte Caesars und Lebensgefährtin Marc Antons, die bekannteste Frauengestalt der Antike, die vor allem in den Darstellungen ihrer Gegner unsterblich wurde;

Herodes (73 v.–4 v. Chr.), der durch rigorose Anpassung an die hellenistische Umwelt die jüdische Monarchie beinahe in den Dimensionen der Davidszeit wiederherstellte, dem seine Härte jedoch letzten Endes den Ruf des „Kindesmörders“ eintrug;

Augustus (43 v.–14 n.Chr.), der mit unbeugsamer Härte, aber auch großem Geschick das vollendete, was Caesar angestrebt hatte; da er den Bürgerkriegen ein Ende setzte, wurde er für die Zeitgenossen zum Friedenskaiser;

Nero (54–68), der in der Erinnerung der Nachwelt als Brandstifter und Muttermörder disqualifiziert war, auch wenn ihn die zeitgenössischen Dichter als Gott auf Erden feierten;

Marc Aurel (161–180), der so gerne als Philosoph auf dem Thron bezeichnet wird und doch immer wieder ins Feld ziehen musste, als die ersten Wellen der Völkerwanderung das Römische Reich bedrohten;

Septimius Severus (193–211), der erste „Nordafrikaner“ auf dem Thron, aufgeschlossen für orientalische Kulte; er förderte die donauländischen Truppen und unterwarf das Reich zahlreichen Veränderungen;

mit Diocletian (284–305) lässt man die Spätantike beginnen, die sich vor allem durch konsequente Ausübung der absoluten Monarchie auszeichnet;

Konstantin der Große (306–337), der im Zeichen des Christengottes in die Schlacht zog und siegte, hat den Lauf der Geschichte nachhaltig verändert; dem Christentumwar nun der Weg zur Staatsreligion vorgezeichnet;

Athanasius (295–373), unter den großen politischen Bischöfen der Spätantike einer der radikalsten und erfolgreichsten in dem Bemühen, den neuen Glauben im und gegen den Staat durchzusetzen;

Julian (361–363), dessen kurze Regierungszeit vieles von seinen Plänen unvollendet ließ und deshalb die Phantasie der Nachwelt anregte;

Theodosius der Große (379–395), von dem man sagt, er habe mit einer rigorosen Gesetzgebung das Christentum zur Staatsreligion erhoben; er bewegte sich mit Geschick durch eine Welt religiöser Streitigkeiten;

Theoderich der Große (474–526), der bedeutendste jener „barbarischen“ Heerführer, die das Weströmische Reich beendeten,

und schließlich Kaiser Justinian (527–565), der zusammen mit Theodora die Größe des alten Imperium Romanum wiederherstellen wollte; die Beschreibung seiner Herrschaft kann insofern einen guten (chronologischen) Abschluss bilden.

Bonn, im Mai 2009

Manfred Clauss

Vorwort des Autors

In der deutschen Altertumswissenschaft bestimmten zuerst Theodor Mommsen und dann Matthias Gelzer das Bild Caesars. Das änderte sich im Jahre 1953, als unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Diktatur in der Historischen Zeitschrift ein Beitrag des Frankfurter Althistorikers Hermann Strasburger mit dem unauffälligen Titel „Caesar im Urteil seiner Zeitgenossen“ erschien.1 Der Aufsatz krempelte das herkömmliche Bild des großen Staatsmannes um; ein Zurück zu Gelzer, dessen Monographie wegen der Fülle des verarbeiteten Materials unersetzlich bleibt, gab es nicht. Auch der große Außenseiter, den Christian Meier vorstellt, ist nichts anderes als eine romantisch verklärte Version von Strasburgers Caesar. In der deutschen Forschung kann sich auch heute niemand der Wirkung verschließen, den Strasburgers – später auch als Monographie publizierter – „Caesar“ hinterließ.

Gegenüber meinem ersten Versuch über Caesar, der Ende der achtziger Jahre entstand, ist der vorliegende gründlich verändert. In den dazwischen liegenden beiden Jahrzehnten hat sich vor allem eine Erkenntnis durchgesetzt: Es ist unmöglich, Caesar gerecht zu werden. Das Einzige, was wir tun können, ist eine begründete Meinung über ihn zu haben.

Abb. 1: Gaius Iulius Caesar, Porträtkopf (sogenannter Caesar Chiaramonti), ca. 27–20 v. Chr. nach zeitgenössischem Vorbild. Rom, Vatikanische Museen.

Die Welt vor Caesar

Caesar schrieb Geschichte, aber er tat es nicht aus freien Stücken. Die vorgefundenen Umstände führten ihm die Hand. Weder seine Ziele noch seine Erfolge entstammten seinem eigenen Wunsch und Willen. Caesar strebte nach dem, was die Republik, in die er geboren wurde, ihm vorgab. Das war Schritt für Schritt festgelegt: eine Laufbahn, die immer nur von einer Station zur nächsten führte, die zwang, nur von einem Amt zum nächsten zu denken. Eine große Idee, wie sie die Historie für Alexander überliefert, kannte Caesar nicht. Rom war schon ein Weltreich, anders als sein berühmter Vorgänger brauchte er keines zu erobern, er musste das bestehende nur verwalten. Das prognostiziert Langweile, doch Caesar sorgte dafür, dass es nicht so weit kam. Sein Leben ist trotz allem von plötzlichen Wendungen geprägt, ständig drohte er zu scheitern und fand doch in letzter Minute immer einen Ausweg. Unerschrockenheit und Risikobereitschaft machen Caesars Aufstieg spannend. Selbst um sich ermorden zu lassen, bedurfte es eines Mutes, den Caesars Adoptivsohn Augustus nie besaß: In gefährlichen Situationen ließ dieser sich entschuldigen. Caesar ging niemals den Mittelweg, von seinem Ziel wich er nicht ab, er erweiterte es ständig. Nach dem Vorbild des Pompeius wollte er, über das Konsulat hinaus, „erster Mann“ (princeps) der Republik werden. Am Ende seines Lebens war er tatsächlich dieser erste Mann. Was ihm fehlte, war die res publica. Nach außen hin hatte Caesar Erfolg, innerlich war er gescheitert. Das Attentat vom 15. März des Jahres 44 ist nur kaschierte Resignation.

Die Zeitgenossen sahen im Untergang Karthagos im Jahre 146 den Beginn des Niedergangs, den der Diktator Sulla mit seinem restaurativen Programm noch einmal Ende der achtziger Jahre aufzuhalten versuchte, und der sich danach nur noch um so mehr beschleunigte, bis er unter dem Diktator Caesar in einem Crescendo von Bürgerkriegsgewalt zu einem vorläufigen Abschluss kam. Zwietracht, Habsucht, Ehrgeiz und alle sonstigen Übel, die der Erfolg mit sich bringe, hätten sich nach dem Untergang Karthagos im Höchstmaße vermehrt, schreibt der Historiker Sallust.1

Wie ein Albtraum lastete auf der Generation Caesars eine über eineinhalb Jahrhunderte lang kontinuierlich betriebene Expansion, die schließlich in einen Bürgerkrieg mündete, als der stetige Zufluss von Beutegütern nur zur Gier nach noch mehr Beute führte. Die Brutalität, mit der Rom ein Imperium eroberte, traf nun die, die es zu regieren hatten. Die Gewalt, die mit Beginn des ersten Punischen Krieges von Rom aus in die Länder des Mittelmeeres gegangen war, kehrte nach 130 Jahren an ihren Ausgangspunkt zurück. Die römischen Aristokraten, die bisher Könige und Fürsten besiegter Völker im Triumphzug durch die schmutzigen Straßen der Hauptstadt hatten schleifen lassen, brachten sich gegenseitig um. Die Gracchen, zwei Brüder aus der patrizischen Familie der Sempronier, wurden beim Versuch maßvoller Reformen samt ihren Anhängern von einem senatorischen Mob gejagt und erschlagen. Im Geburtsjahr Caesars steinigte eine aufgehetzte Menge den Volkstribunen Appuleius Saturninus und den Konsulatsanwärter Glaucia, nachdem diese kurz zuvor bei den Wahlen einen Konkurrenten auf dem Marsfeld zu Tode geknüppelt hatten. Der Terror, mit dem im Senatorenstaat um Einfluss und Ämter gekämpft wurde, bestimmte das letzte Jahrhundert der Republik. Nur wenige der Mächtigen kamen nicht gewaltsam zu Tode. Caesar starb an 23 Schwertstichen, sein Gegner Cato an einem einzigen – seinem eigenen. Den ehemaligen Tribunen Clodius Pulcher, lange Zeit Caesars wichtigsten Verbündeten, traf auf der Via Appia ein Speer des Prätoriers Milo in den Rücken. Crassus, Pompeius und Cicero wurde der Kopf abgeschlagen, dem ersten von Feinden, dem zweiten von Verbündeten und dem dritten von Mitbürgern.

Vom Stadtstaat zum Weltreich

Das Epochenjahr in der Geschichte der römischen Republik ist das Jahr 264, in dem der Stadtstaat Rom die italienische Halbinsel verließ. Ohne Konzept und ohne Plan begann Rom, in den Kriegen gegen Karthago zuerst das westliche und dann auch das östliche Mittelmeer zu erobern. Militärisch war die Stadt dieser selbstgestellten Aufgabe gewachsen, nicht aber administrativ. Die Republik und ihre Feldherren siegten sich zu Tode. Mit einer überlegenen Militärtechnologie, mit Vertragsbruch und mit einer selbst für die damalige Zeit ungewöhnlichen Grausamkeit eroberten und versklavten die Römer Land für Land. Was sie in den unterworfenen Gebieten vorfanden, betrachteten sie als ihr Eigentum, Menschen wie Dinge. Sie folgten einem Machtgesetz, von dem schon 150 Jahre zuvor der Historiker Thukydides in seiner Analyse des athenischen Imperialismus gesprochen hatte, gültig für Individuen wie Völker: Nach dem Zwang seiner Natur herrsche der Mensch allezeit über das, was er unter seine Macht bringen könne.2 Gleichzeitig erschien den neuen nobiles der Krieg als das Medium, über das sie ihre Leistung für den Staat am besten definieren und mit derjenigen der konkurrierenden Aristokraten vergleichen konnten.

Der Anlass für das Ausgreifen Roms nach Sizilien, ein Hilfsgesuch von Söldnern, die sich im sizilischen Messana festgesetzt hatten, war so nichtig wie die Folgen gravierend. Römer und Karthager, die bisher in nicht weniger als drei Verträgen ihre Einflusssphären abgegrenzt hatten, stießen nun direkt aufeinander. Vielleicht wollten die Römer nur billige Beute machen, vielleicht versuchten sie eine eingebildete karthagische Einkreisung aufzusprengen, vielleicht waren sie sich über die Konsequenzen der Einmischung im Unklaren. Jedenfalls entspann sich ein fast vierundzwanzigjähriger Krieg, an dessen Ende zunächst Sizilien und vier Jahre später auch Sardinien und Korsika in römische Hände fielen. Rom unterwarf sich sein Reich gleichsam auf den Spuren der Karthager. Zur Abwehr des in Italien unbesiegbaren Hannibal landeten die Römer in Spanien, dessen Ostküste die Karthager als Kompensation für die im ersten Krieg verlorenen Gebiete sich untertan gemacht hatten, und schließlich auch in Afrika selbst. Kaum war der zweite Krieg mit dem Frieden von Zama zu Ende gegangen, richtete Rom um 197 das Land südlich der Pyrenäen bis Neukarthago als Provinz Hispania Ulterior und das südliche Spanien als Hispania Citerior ein. In sechzigjährigen Kämpfen, die 133 mit der Eroberung Numantias ihren Abschluss fanden, schlugen römische Legionäre alle Aufstände nieder und besetzten weiteres Land. Die Kelten in Oberitalien, die es gewagt hatten, Hannibal zu unterstützen, wurden teilweise ausgerottet, teilweise deportiert, römische Kolonisten siedelten in den fruchtbaren Landstrichen. Hannibals Allianz mit Philipp V. von Makedonien wies, wenn auch mit Verzögerung, den Weg nach Osten. In mehreren Kriegen gegen die makedonischen Herrscher und den Seleukidenkönig Antiochos schob Rom sein Herrschaftsgebiet bis Kleinasien vor. Makedonien wurde zuerst in vier Zonen zerschnitten und später zusammen mit Illyrien und Epirus als Provinz organisiert. Die Griechen, die an die Freiheitsproklamationen Roms geglaubt hatten, wurden bald eines Besseren belehrt. Die Römer duldeten nicht zweierlei Untertanen, und was sie von der griechischen Kultur hielten, demonstrierten sie spätestens 146, als sie das reiche Korinth zerstörten und die Kunstwerke, die sie nicht schon vandalierend zertrümmert hatten, raubten und in ihren Vorgärten aufstellten.

Im selben Jahr ebneten sie auch das inzwischen militärisch bedeutungslose, aber wirtschaftlich mächtige Karthago ein und verschleppten die Überlebenden. Das ehemals karthagische Gebiet verwandelte sich in die Provinz Africa. Den Legionären folgten stets die Verwaltungsbeamten und Steuereinnehmer. Die Einrichtung von Provinzen dokumentiert einen beispiellosen Siegeszug: 242 Sizilien, 227 Sardinien und Korsika, 197 Hispania Ulterior und Citerior, 148 Makedonien, 146 Achaia und Africa, 129 Asia, 121 Gallia Narbonensis, 102 Kilikien, etwa 81 Gallia Cisalpina, 74 Kyrene, 64 Kreta, 63 Pontos und Syrien, 58 Zypern, 46 Numidien, 30 Ägypten, 25 Galatien, 16 Aquitanien, Gallia Lugdunensis und Belgien, 15 Noricum und Rätien. Soldaten, die für Sold, Beute und Altersversorgung in den Krieg zogen, fanden sich seit der Heeresreform des Marius leicht. Feldherren wurden nur temporär gebraucht, auch wenn sich ihre Kommanden immer weiter verlängerten. Ihnen winkte ein Triumphzug, für den sie, wie Crassus, ausnahmsweise auch den eigenen Kopf riskierten. Das Problem blieb die Verwaltung der Provinzen, namentlich derjenigen, die weit von Rom entfernt lagen. Cicero, einer der wenigen, die um eine redliche Amtszeit bemüht waren, wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen, als Statthalter nach Kilikien zu gehen. Es half nichts, der Personalmangel war systembedingt.

Ein Weltreich zu erobern war leichter, als es zu beherrschen. Roms aristokratische Elite zeigte sich schon rein numerisch dieser Aufgabe nicht gewachsen. Bereits 287 hatte sich der enge Kreis derer geschlossen, die die Macht in Rom unter sich aufteilten. Seit dem Ende der Ständekämpfe gab es keine Erweiterung der Regierungselite mehr. Sie wurde von den alten patrizischen Familien und seit der Mitte des vierten Jahrhunderts auch von den aufgestiegenen plebejischen Familien gestellt, die einen Konsul in ihrer Familie besaßen und damit nobiles waren. Nicht viel mehr als zwei Dutzend Familien mit ihren Verzweigungen dominierten die Republik, in dem Jahrhundert nach Hannibals Alpenübergang 218 kamen nicht weniger als 83 Konsuln aus nur acht Familien. 300 Senatoren, seit Sulla 600 und unter Caesar kurzfristig 900, berieten die Magistrate und gaben ihnen mit dem Senatsbeschluss Empfehlungen. Rechtlich mussten sich diese nicht daran halten, politisch blieb ihnen aber keine andere Möglichkeit. Das Gros der Senatoren, zumindest bis 45 v. Chr. allesamt Großgrundbesitzer, besaß Einfluss in diesem Gremium jedoch nur dem Scheine nach. Die wenigsten brachten es auch nur bis zur Prätur, dem zweithöchsten Amt; die meisten waren pedarii, Hinterbänkler, die im Senat nicht viel mehr taten, als sich bei Abstimmungen des Senats (per pedes) zu dem Konsular zu gesellen, dessen Meinung sie teilten – freiwillig oder erzwungen.

Tatsächlich hatten im Senat nur wenige eine eigene Meinung, und noch weniger äußerten sie. Dazu bedurfte es Ansehen und gelegentlich auch Mut. Die Reihenfolge, in der bei der Beratung über einen magistratischen Antrag abgestimmt wurde, war genau festgelegt. Als princeps senatus leitete sie meist ein Patrizier, der bereits die Zensur bekleidet hatte. Wenn die ehemaligen Konsuln, die Konsulare, sich geäußert hatten, war es mit der Meinungsbildung meist schon vorbei, bevor noch die ehemaligen Inhaber anderer Ämter sprechen konnten, die Prätorier, Ädilizier, Tribunizier und Quästorier. Letztlich war der Senat ein Instrument der – allerdings selten geschlossen auftretenden – Nobilität. Aus dem Ritterstand in diesen Zirkel vorzudringen, gelang nur äußerst wenigen: Cato der Ältere, Marius und schließlich Cicero sind die bekannten homines novi, Emporkömmlinge also, die als erste ihrer Familien Senatssitz und schließlich Konsulat erreichten.

Magistrate und Promagistrate

Der kleinen Zahl der Kandidaten entsprach die der Ämter. Sie waren auf ein Stadtregiment ausgerichtet, nicht auf die Führung eines Weltreiches. Bis zu Sulla wählten die Komitien lediglich dreißig Magistrate pro Jahr: zwei Konsuln, sechs Prätoren, vier Ädilen, acht Quästoren, zehn Volkstribunen. Davon war die Mehrzahl an Aufgaben in der Stadt Rom gebunden, in die Provinzen wurden, je nachdem, ob dort Krieg oder Frieden herrschte, allenfalls zwölf entsandt. Die Aristokratie behalf sich zunächst mit Promagistraten, später machte Sulla die Regel daraus: Anstelle eines ordentlichen Magistrats (pro magistratu) gingen am Ende ihrer Tätigkeit in Rom die gewählten Konsuln als „Behelfsbeamte“ in die Provinz. Wo weiterhin Personalmangel herrschte, wurde die übliche einjährige Amtszeit verlängert. Dies genügte, um das Reich militärisch zu beherrschen, Aufstände zu unterdrücken oder niederzuwerfen. Darüber hinaus geschah selten mehr. Oft kümmerten sich die Statthalter nur in den Wintermonaten um ihre Provinz, da sie im Sommer Krieg führten, um neue Gebiete zu erobern oder sich zumindest mit der Kopfprämie für 5000 erlegte Feinde die Voraussetzung für einen Triumphzug zu schaffen.3 Andere betraten ihre Provinz erst gar nicht und überließen alle entsprechenden Aufgaben ihren Legaten. Auf keinen Fall aber sollte sich in den Provinzen eine Verwaltungsbürokratie etablieren, die mit ihrem angesammelten Herrschaftswissen den nur kurzzeitig tätigen aristokratischen Promagistraten überlegen sein würde.

Der politische Inzest der Nobilität ging – nach eigenem Verständnis – mit einem Verfall tradierter Werte einher. Sallusts Werk ist eine einzige Klage gegen die nobiles, die ihn, den Ritter, nicht in ihren Reihen sehen wollten, und stattdessen das Konsulat gleichsam „von Hand zu Hand“ weitergaben. „Denselben Männern, die Mühen, Gefahren, unsichere und bedrängte Lagen leicht gemeistert hatten, wurden nun politische Ruhe und Reichtum, sonst erstrebenswerte Dinge, zu einer leidigen Last. So wuchs zuerst die Geldgier, dann die Herrschgier; beide bildeten gleichsam den Grundstoff aller Übel. Denn die Habsucht unterhöhlte Vertrauen, Redlichkeit und die übrigen guten Eigenschaften; dafür lehrte sie Überheblichkeit und Rohheit, die Götter zu missachten und alles für käuflich zu halten.“4

Wie eine asiatische Grippe schleppten die von ihren Beutezügen zurückkehrenden Truppen die luxuria peregrina, das fremdländische Wohlleben, in das sittsame Rom.5 Zuerst steckten sich naturgemäß diejenigen an, die am meisten mit dem Luxusvirus in Kontakt kamen, Senatoren und Ritter. Der Historiker Livius zählt die Symptome einer schleichenden Krankheit auf: Speisesofas mit Bronzefüßen, kostbare Teppiche, Vorhänge und Gewebe, prächtiges Hausgerät, Prunktische und ähnliches. Die Mahlzeiten wurden üppiger, Harfen- und Zitherspielerinnen traten während des Essens auf. Von einer Dienstleistung sei Kochen zu einer Kunst geworden, klagt Livius; Krankheitskeime aus Asien hätten damals die gesunde Republik infiziert.

Die Republik diagnostizierte dies auch bald, suchte nach Heilmitteln und fand sie in Verbrauchs-, Aufwands- und Steuergesetzen, die Luxus, wenn nicht verbieten, so doch verteuern und zumindest in der Öffentlichkeit einschränken sollten. In ihrer ergebnislosen Abfolge dokumentieren diese Gesetze besser als moralinsaure Klagen die schleichende Zunahme einer Krankheit, die nur die, welche sie nicht hatten, als Leiden empfanden. Purpurgewänder, Goldgeschirr oder Perlenkolliers waren aber nur der schöne Schein, der dem Provinzhistoriker aus Padua ins Auge stach. Die großen Vermögen definierten sich über Ländereien. Cicero, von dem wir dank seiner Briefe etwas mehr wissen, besaß neben seinem Stadthaus Landgüter in Arpinum, Tusculum, Formiae, Caieta, Pompeii, Antium, Cumae, Astura, Puteoli, Lanuvium und Frusino, dazu „zeitweilige Wohnsitze“ im Albanergebiet, Anagnia, Sinuessa und Vescia. Dabei war der Redner, vergleichsweise gesehen, ein eher armer Mann; Fischteiche, in denen Meerbarben schwammen, konnte er sich nicht leisten. So war er sich der Kluft bewusst. Halb spöttisch, halb ängstlich nennt er die Reichsten der Reichen, den inneren Zirkel der nobiles, die beati homines oder nostri principes, schlicht piscinarii.6 Auf ihren nach und nach zusammengekauften Latifundien betrieben sie mit den billigen Arbeitskräften, die im Zuge der Massenversklavungen des zweiten Jahrhunderts nach Italien gekommen waren, Öl-, Wein- und Getreideanbau. Bauern mit kleinen und mittleren Gehöften konnten damit nicht konkurrieren. Ihre Felder waren im Hannibalzug verwüstet worden, sie selbst stellten das Fußheer in einer Zeit fast ununterbrochener Kriege. So wanderte der verarmte Teil der plebs rustica in die Städte ab, in erster Linie nach Rom, um dort Gelegenheitsarbeit zu suchen. Das römische Heer aber benötigte Bürger, die ihre Ausrüstung selbst stellen konnten. Die Kriege erforderten eine Stärkung des Bauernstandes und bewirkten seine Schwächung. Der Versuch, neues Siedlungsland in Italien bereit zu stellen, scheiterte. Der ager publicus, das Staatsland, das sich Rom im Zuge seiner italischen Expansion bis zum Ende des dritten Jahrhunderts mit der Annektion feindlicher Gebiete zusammengeraubt hatte, war verpachtet oder von aristokratischen Großgrundbesitzern okkupiert worden. Tiberius Gracchus forcierte – in seinem oder in anderer Namen – eine fällige Agrarreform, indem er auf der Basis eines älteren Gesetzes den Besitz an Staatsland für private Nutzung begrenzen wollte. Die senatorische Oberschicht, deren Interesse das Projekt diente, verhinderte es. Zur Lösung der Rekrutierungskrise bedurfte es eines anderen Weges: Durch die allmähliche Herabsetzung des Zensus erweiterte sich der Kreis der Wehrpflichtigen, bis Marius 107 sogar besitzlose Bürger heranzog. Das Agrarproblem kehrte so auf anderem Weg zurück. Die besitzlosen Soldaten, die sich in immer stärkerem Maße ihrem Feldherrn und nicht mehr der res publica verpflichtet fühlten, verlangten von diesem nach Ende der Dienstzeit Versorgung, und damit eben Land. Wer dieses nicht bekam oder mit ihm nicht zufrieden war, ging nach Rom. Dort sammelten sich Migranten aus dem gesamten Mittelmeerraum. Neben den abgewanderten Bauern vergrößerten Sklaven, die von ihren Herren freigelassen worden waren und römische Bürger wurden, die plebs urbana und die sozialen Probleme der Großstadt. Zwischen 700.000 und einer Million Einwohner zählte Rom zu Zeiten Caesars, darunter vielleicht 100.000 bis 200.000 Sklaven. Die Zahlen sind vage und Hochrechnungen schwer anzustellen. Mit der plebs urbana gab es jedenfalls im ersten Jahrhundert eine Kraft, die eine weitere Spaltung der Oberschicht nach sich zog, in optimates und populares. Hinter diesen Gruppierungen verbargen sich weder Parteien noch einheitliche politische Programme, sondern Senatoren, die mit unterschiedlichen Methoden nach Macht und Ansehen strebten: Die optimates wahrten die konservative Tradition und bedienten sich des Senats, den stärken zu wollen sie vorgaben. Die populares stützten sich auf die Volksversammlungen, die concilia plebis und die Tributkomitien, welche beschlossen, was die Magistrate beantragten: Wenn ein Gesetzesvorschlag bis zur Volksversammlung kam, wurde er auch immer angenommen. Mit „Nein“ votierte sie niemals. Je größer die Klientel war, deren Interessen der Patron vertrat, desto zuverlässiger war das gewünschte Ergebnis der Abstimmung. So sanktionierten die Komitien in Rom, die doch nur einen Bruchteil der Bevölkerung des Reiches repräsentierten, die Vorhaben der Popularen, die diese dann als „Volkswille“ ausgaben. Dafür mussten die populares kurzfristige Versprechungen auf dem Gebiet der Miet- und Schulden-, der Agrar- und Getreidegesetzgebung machen und gelegentlich sogar halten. Es waren in der Regel – aber, wie das Beispiel Caesar zeigt, keineswegs immer – Volkstribunen, die sich dieser Themen annahmen. Dabei verdienten sie ihren Namen selten: Sie hatten längst aufgehört, die Interessen des Volkes gegen Senat und Magistrate zu vertreten. Sie kümmerten sich um die Belange ihres Standes – sie alle kamen aus der Oberschicht – und um ihre eigenen. Sie nutzten die Möglichkeit, den Senat gegen die Volksversammlung auszuspielen und in dieser eventuell Anträge durchzusetzen, die im Senat zu scheitern drohten. Ein soziales Mäntelchen erleichterte die Sache. Bei Caesar folgte einem Ackergesetz dasjenige über seine Provinzen.

Karte 1: Das Römische Reich zur Zeit Caesars

Politik und Wirtschaft

Im wirtschaftlichen Bereich sorgten die Statthalter nur dafür, dass Steuern und Abgaben ohne größere Zwistigkeiten eingetrieben werden konnten, ansonsten legten sie zu Beginn ihrer Amtszeit als eine Art Regierungsprogramm ein Edikt vor, das die Höhe des Zinses festschrieb, ohne dass sie sich – mit der Ausnahme Ciceros – dann auch daran halten zu müssen glaubten.

Die Wirtschaft lag sozusagen in privaten Händen, sie wurde von Leuten betrieben und gelenkt, die selbst nicht Teil des politischen Apparates waren, den sogenannten publicani, Angehörigen des Ritterstandes. Den Senatoren waren reine Geldgeschäfte verboten, sie stellten die politische Klasse. Diese Trennung wurzelte in einem Gesetz, das aus dem Jahr 218 stammte, also aus einer Zeit, in der die Konsequenzen und die Sprengkraft nicht voraussehbar waren, die sich aus der Expansion Roms ergeben sollten. Zu Beginn des Hannibalischen Krieges hatte der Volkstribun Quintus Claudius ein Gesetz beantragt, die lex Claudia de nave senatorum, das auf den ersten Blick keine allzu große Bedeutung zu haben schien. Niemand, der selbst oder dessen Vater Senator sei, dürfe ein Seeschiff ausrüsten, das eine Ladekapazität von 300 Amphoren überschreite.7 Die Eroberungen des ersten Punischen Krieges versprachen lukrative Geld- und Handelsgeschäfte, ein Dissens innerhalb des Senatorenstandes drohte. Mit dem Gesetz, das durchaus im Sinne der Senatoren war, wurden alle Mitglieder des Standes auf die Bewirtschaftung ihrer Landgüter beschränkt. Grundeigentum blieb die Basis von Macht und Ansehen. Geldgeschäfte und Fernhandel gingen zunehmend an die Ritter über, aus denen sich die Gruppe der publicani herausschälte, also Unternehmer, die mit Staatsdingen (publicum) zu tun hatten, namentlich mit Staatsaufträgen, -steuern und -pachten. Das erregte weder Aufsehen noch den Neid der Senatoren, denn auch die Ritter gehörten zur Aristokratie und zu den staatstragenden Grund- und Bodenbesitzern. Der Senatorenstand ergänzte sich aus dem Ritterstand, zwischen beiden Ständen waren die Grenzen offen, wenn auch nicht zu sehr. Noch Cicero träumte von der concordia ordinum, der Harmonie der beiden Stände. Doch mit dieser war es spätestens mit dem Jahr 129 vorbei. Ein Gesetz zwang jeden Aufsteiger in den Senat, sein vom Staat erhaltenes Pferd zurückzugeben. Diejenigen, die als Ritter zurückblieben, besaßen nun ein sichtbares Statussymbol. Später erhielten sie noch einen goldenen Ring, kleideten sich in eine Toga mit schmalem Purpurstreifen und belegten besondere Sitze im Theater. Die Äußerlichkeiten, um ein Standesbewusstsein zu entwickeln, waren gegeben. Jetzt bedurfte es noch besonderer Rechte. Die gab ihnen 123 zunächst ein Gesetz des Gaius Gracchus und wenig später eines des Volkstribunen Acilius Glabrio. Das erste befahl die Aufnahme von 300 Rittern in die Richterliste, auf der bisher nur senatorische Namen standen, das zweite, wichtigere, übergab ihnen den gerade geschaffenen ständigen Gerichtshof für Repetundenangelegenheiten. Nun saßen 50 nicht-senatorische Geschworene unter dem Vorsitz eines Prätors über Senatoren zu Gericht, die sich wegen rechtswidriger Aneignung von Vermögen, hauptsächlich mittels Erpressung in den Provinzen, zu verantworten hatten (res repetundae = wiederzuerstattende Gelder). Nach einem Zitat des römischen Gelehrten Varro hätte Gracchus einen doppelköpfigen Staat geschaffen, und Cicero behauptet, von Gracchus selbst stamme die Äußerung, er habe Dolche auf das Forum geworfen, damit sich die Bürger mit ihnen gegenseitig zerfleischten. Der Historiker Poseidonios analysierte die Folgen: Gracchus habe dem schlechteren Teil der Bürgerschaft die Vorherrschaft über den vornehmeren gegeben, die frühere Eintracht aufgehoben und das gewöhnliche Volk gegen beide Stände aufsässig gemacht. Cicero bestätigte, die res publica sei umgestürzt worden.8 Tatsächlich waren es aber in erster Linie die Senatoren, die zu den Dolchen griffen, deren Spitzen Gracchus angeblich gegen sie geschärft hatte. In den Verfolgungen unter Sulla verloren 1600 Ritter Besitz und Leben, ein Teil der Überlebenden wurde in den Senat integriert, der Rest war zu schwach, um erneut zum Problem zu werden. 123/22 war ihre Position jedoch zunächst gestärkt. Beispiele von Klassenjustiz sind in den nächsten Jahren nachweisbar. Es sind jedoch wenige, und sie wurden von den Historikern überschätzt. Dass Ritter über diejenigen zu Gericht sitzen konnten, die sie als Statthalter in der Provinz kontrollieren sollten, implizierte dennoch die Gefahr der Erpressung. Es war jedoch nicht die Angst, die die Promagistrate veranlasste, mit den publicani zu paktieren, sondern die Raffgier. Gracchus’ Idee, Politik und Wirtschaft zu trennen, besaß nur einen Fehler: Sie war nicht durchführbar. Schlimmer als der Zwist der Stände war ihre zeitweilige Zusammenarbeit. Wenn die römischen Historiker dies nicht so sahen, verwundert das nicht, denn es betraf die Bewohner der Provinzen. Welcher Hass sich dort gegen die römischen Besatzer und ihre Helfer aufstaute, zeigt das Blutbad in der Provinz Asia, als im Jahre 88 in einer einzigen, heimlich vorbereiteten Aktion 80.000 Italiker und Römer erschlagen, gesteinigt oder ertränkt worden sein sollen.9 Diejenigen, die die Wut vor allem auf sich zogen, waren die publicani und ihre örtlichen Angestellten, die kleinen Steuereintreiber, welche das Neue Testament als Zöllner kennt.

Das Übel hatte eine doppelte Wurzel, die Privatisierung des gesamten wirtschaftlichen Sektors und die mangelnde staatliche Kontrolle. „Wo ein publicanus ist, dort ist entweder das Recht des Staates ein leerer Begriff oder die Bundesgenossen besitzen keine Freiheit“, wurden schon in der Mitte des zweiten Jahrhunderts senatorische Klagen laut.10

Bereits die Griechen waren auf den Gedanken verfallen, staatlichen Besitz und staatliche Einkünfte zu verpachten. In der attischen Demokratie wurde allerdings jede Drachme, die eingenommen oder ausgegeben wurde, genau registriert, das Volk fühlte sich als Eigentümer. In Rom herrschte eine Oligarchie, die den Kreis der Elite aufs äußerste beschränkt wissen wollte und damit die Zahl der Jahresbeamten klein halten musste. In der Wirtschaft beschränkte sich der Staat auf Beamte, die Aufträge an Privatpersonen oder Gesellschaften vergaben, und solche, die die korrekte Ausführung überwachten. Dazwischen agierten die publicani. Sie ersteigerten Aufträge für die Versorgung und Ausrüstung der Legionäre, verschifften Waffen, Kleidung, Reittiere oder Verpflegung an alle Einsatzorte im Mittelmeer. Daneben errichteten sie Aquädukte, bauten Brücken, Straßen und Kloaken, renovierten Tempel und Heiligtümer, fütterten die Gänse auf dem Kapitol – und das alles in staatlichem Auftrag. Die Zensoren verpachteten den publicani Staatsland, kommunale Einrichtungen, Salz- und Eisenbergwerke oder Fischereirechte. Begehrt waren bei den Versteigerungen vor allem die Steuereinnahmen (tributa) aus der Provinz, ob Naturallieferungen (vectigalia) oder Zölle jeder Art (portoria). Der Zensor erteilte den Zuschlag gegen Höchstgebot. In der Regel belief sich der Pachtzeitraum auf fünf Jahre, in denen die publicani Zeit hatten, die gebotene Summe, die Kosten für ihren zum Teil aufwendigen Apparat an Zolleinnehmern und Helfern und darüber hinaus einen ansehnlichen Gewinn für ihre eigene Kasse zu erwirtschaften.11 Die Staatskasse erhielt einen Vorschuss, Bürgen garantierten die Restsumme. Damit konnte das Ärarium seine Ausgaben auf Jahre kalkulieren, ohne dass es eines größeren Stabes eigener Beamter bedurfte. Die publicani profitierten, indem sie mit der Bildung von Gesellschaften die Konkurrenzsituation unterliefen, die durch den Wettbewerb der Bieter Höchstpreise für den Staat garantieren sollte. Diese Sozietäten waren eine zwangsläufige Entwicklung, da die publicani einen teuren Personalapparat unterhalten mussten. Dazu konnten einzelne Unternehmer die Summen gar nicht aufbringen, die für Großaufträge wie die Pacht einer ganzen Provinz, deren Zölle, Steuern und Abgaben im Paket versteigert wurden, zu entrichten waren. So schlossen sie sich zusammen und ermöglichten anderen römischen Bürgern, an den Gewinnen und in seltenen Fällen an den Verlusten zu partizipieren. Mittels Anteilscheinen, einer Form der Aktie, konnten sie sich auch als Kleinkapitalisten oder aber im großen Stil an der Ausbeutung der Provinzen beteiligen.12 Aktienspekulation und -betrug durch Aushöhlung der politischen Kontrolle durch den Senat war die Folge. Caesar war an einem der größten Skandale federführend beteiligt.13

Das Versagen jeglicher Kontrollen, das zur Bereicherung jeder gegen jeden führte, der verzweifelte Run auf die letzten Reichtümer, welche die schon über 100 Jahre lang ausgepressten Provinzen des Ostens noch boten, verstärkte die Krise der Republik im ersten Jahrhundert. Sulla, Lucullus, Pompeius und Crassus hatten in einem letzten Anlauf zusammengerafft, was sich in Griechenland und Asien noch plündern ließ: Kriegstributionen in Milliardenhöhe, Gold- und Silberbarren, Edelsteine und Perlen, Kunstwerke und Bibliotheken. Steuern wurden erhöht, Zolleinkünfte vermehrt, Sklaven zu Bargeld gemacht. Wer konnte, beteiligte sich auch privat.14 Private Geschäftsleute reisten durch die Provinzen und boten den Gemeinden zu Wucherzinsen zwischen 12 und 48 Prozent das Geld, das diese den römischen Kriegsherren oder Zolleinnehmern zahlen mussten. Rom verdiente doppelt und halbierte die Zeit, bis die Ressourcen erschöpft waren. Der Schock kam Ende der sechziger Jahre, als die publicani einräumen mussten, für die asiatische Pacht wesentlich mehr geboten zu haben, als sie aus der Provinz noch herausholen konnten. Die Catilina-Affäre hatte kurz vorher schon die Verschuldung vieler Aristokraten enthüllt, Caesar selbst wurde wenig später von seinen Gläubigern so bedrängt, dass er die Abfahrt in seine prätorische Provinz verschieben musste. Ihm gelang es, sich dort zu sanieren, doch das war die Ausnahme.

Die Zeichen standen auf Neuverteilung von Macht und Umverteilung von Vermögen, wie sie schon unter Sulla stattgefunden hatte, und das hieß Proskriptionen und Bürgerkrieg. Je offenkundiger die Krise wurde, desto stärker wurden die Bemühungen, sie zu bemänteln. Senatoren und Magistrate beriefen sich auf das Herkommen, den Brauch der Väter, mos maiorum, beschworen die Geister der Ahnen, deren Taten eine gefällige Geschichtsschreibung zu Heldenepen verklärt hatte. Einer geklitterten Vergangenheit wurden Namen, Parolen und Kostüme entlehnt. Das Ende der Republik wurde so zur Farce. Caesar trat in seinen letzten Wochen in der entliehenen Purpurtracht der altrömischen Könige auf. Die Verschwörer beriefen sich auf eine Stadtchronik, in welcher Romulus vom Senat getötet wurde, weil er sich zum Tyrannen gemacht hatte. Der Attentäter Marcus Brutus verstand sich mit einer eigens konstruierten Ahnentafel als Nachfahre jenes Brutus,15 der nach Willen und Vorstellung der republikanischen Aristokratie die Herrschaft der Könige gestürzt und ihre eigene begründet hatte. So stand am Beginn der Republik eine Fälschung und an ihrem Ende ein Missverständnis.

Die Jugend eines Diktators

Caesar wurde am 13. Juli des Jahres 100 geboren. Der Geburtsmonat hieß damals noch Quintilis. Caesar musste erst sterben, um ihm seinen Namen zu geben.1 Im Jahre 100 war Gaius Marius, Caesars berühmter Onkel, zum fünften Mal Konsul. Das Geburtsjahr errechnet sich aus Angaben der beiden Biographen Sueton und Plutarch sowie des Historikers Appian, denen zufolge Caesar bei seiner Ermordung im 56. Lebensjahr stand. Dagegen spricht allerdings die reglementierte römische Beamtenlaufbahn. Ein Gesetz legte eine genaue Reihenfolge der Ämter fest, die zur klassischen Beamtenkarriere gehörten. Aus Ciceros Karriere, der alle Ämter suo anno, also zum frühestmöglichen Zeitpunkt erreicht haben will, lässt sich vermuten, dass die Quästur erst ab dem 30., die Ädilität ab dem 37., die Prätur ab dem 40. und das Konsulat ab dem 43. Lebensjahr bekleidet werden konnten. Demnach wäre Caesar bereits zwei Jahre vor der Zeit Konsul geworden. Dass ihm auch solches gelang, wäre nicht verwunderlich, Erstaunen macht nur, dass er und seine Biographen es nirgends erwähnen.2

Anonymität der frühen Jahre

Die Prognosen lauteten auf eine mittlere Laufbahn. Mit etwas Glück würde es der junge Caesar zum Prätor bringen. Vielleicht reichte es auch nur zum Quästor. Der angeheiratete Onkel aus Arpinum war zwar schon fünfmal zum Konsul gewählt worden – zwei weitere Male sollten folgen –, aber er war ein homo novus, den die Kriegswirren nach oben gespült hatten. Sehr bald würde diese Verwandtschaft für Caesar keinerlei Nutzen mehr haben, ja ihn gar in Lebensgefahr bringen.

Der Vater saß im Senat und war Quästor gewesen, doch in ihrer langen Geschichte waren nur zwei Ahnen aus der patrizischen Familie bis zum Konsulat aufgestiegen. Das war im Jahre 267 und einmal im Jahre 157 gewesen, und damit zu lange her, um Glanz zu verbreiten. Wenn die Tante außerhalb der Nobilität heiratete, kann dies auch darauf schließen lassen, dass das Vermögen die Ausgaben nicht zuließ, die für das Erreichen des Konsulats erforderlich waren. Caesars Mutter Aurelia stammte aus einer Familie, die immerhin schon die doppelte Anzahl an Konsuln vorzuweisen hatte, der letzte von ihnen hieß Lucius Aurelius Cotta und war Caesars Großvater. Das aber half auch nicht. Besser war es da schon, den eigenen Stammbaum etymologisch etwas aufzurüsten. Die Gens der Julier führte ihre Sippe auf Julus zurück, den einzigen Sohn des Aeneas, der mit seinem Vater nach der Zerstörung Trojas nach Italien gekommen war.3 Da Aeneas wiederum Sohn der Aphrodite oder Venus war, durfte Caesar diese als seine Ahnfrau betrachten und gelangte damit zu Vorfahren, die um einiges illustrer waren als die Alexanders des Großen. Dieser konnte seine Ahnenreihe nur bis Herakles zurückführen.

Über Caesars Kindheit wissen wir nichts. Bei Plutarch finden sich oft Anekdoten aus den frühen Jahren des Helden, die vorausweisend dessen Charakter erhellen sollen. Der Anfang der Caesar-Biographie ist jedoch verloren. Angeblich prophezeite der Diktator Sulla, in Caesar steckten viele Marii.4 Doch diese Geschichte ist erfunden und das obendrein schlecht. In Caesar steckte allenfalls ein Sulla. So verwundert es nicht, wenn Plutarch behauptet, Sulla habe das Kind Caesar präventiv ermorden lassen wollen.5 Der Diktator war aber weder Herodes noch Augustus.

So wuchs Caesar heran wie jeder andere Aristokratensohn dieser Zeit. Die ersten Lebensjahre verbrachte er unter der Obhut der Mutter und ihrer Bedienerinnen. Im Alter von etwa sieben Jahren besuchte er den Elementar- und von etwa zehn bis fünfzehn den Grammatikunterricht. Auf dem Programm standen griechische und lateinische Literatur, ein grammaticus lehrte Grundlagen der Rhetorik. Im Alter von fünfzehn oder sechzehn Jahren erhielt der junge Caesar die Männertoga, das heißt er wurde mündig. Unter der Anleitung einer mit der Familie befreundeten Persönlichkeit begann er dann eine ungefähr einjährige „politische Lehrzeit“, die ihn mit den staatlichen Institutionen vertraut machte. Die Römer nannten dieses Lehrjahr bei einflussreichen Rednern, Juristen und Politikern tirocinium fori, „Rekrutenzeit auf dem Forum“, und dehnten damit einen militärischen Begriff auf eine zivile Ausbildung aus. Der „richtige“ Kriegsdienst schloss sich daran im allgemeinen an.6

Kindheit und Jugend des nachmaligen Diktators verliefen in der Anonymität, die das Desinteresse der antiken Historiker an dieser Altersstufe garantierte. Es gibt nichts, woraus Schlussfolgerungen für die spätere Karriere gezogen werden können; alles, was über Caesars frühe Jahre gesagt wird, sind Gemeinplätze oder Rückprojektionen. Nur eine Nachricht erscheint zuverlässig. Noch im Knabenalter wurde Caesar verlobt. Das Mädchen hieß Cossutia und stammte aus einer Ritterfamilie, von der nur bekannt ist, dass sie reich war. Darin lässt sich auch der Grund der Verlobung sehen. Die Julier zählten zwar zu den Patriziern, aber wenn es darum ging, die vermutlich klamme Hauskasse zu füllen, durfte auch unter dem eigenen Stand und Anspruch geheiratet werden. Es kann die Zeit gewesen sein, in der Caesars Vater für die Prätur kandidierte, und Bewerbungen dieser Art waren teuer. Das Amt selbst wurde unentgeltlich ausgeübt, Einnahmen flossen erst in der Zeit danach. Der Vater wurde gewählt, vielleicht im Jahre 93 oder etwas früher, amtierte als Prätor und ging anschließend als Statthalter nach Kleinasien. Die üblichen Statuen und Ehreninschriften erinnern an diese Zeit.7

Abb. 2: Geburt Caesars durch Kaiserschnitt (sectio caesarea). Holzschnitt, später koloriert. Aus: Sueton, Vitae Caesarum, ed. J. Rubeus, Venedig 1506.

Caesars Vater starb im Jahre 85 in Pisae. Für den damals vierzehnjährigen Sohn begann bald danach die erste große Krise seines Lebens, und es ist keine kleine Überraschung, dass er sie überhaupt lebend überstand. Die Gefahr resultierte nicht aus dem Tod des Vaters, sie hatte mit zwei anderen Verwandten zu tun und nahm ihren Anfang in Vorgängen, die ins Jahr 91 zurückreichten, ohne dass deren Auswirkungen abzusehen waren. Die italischen Bundesgenossen meuterten damals. Es waren die Gemeinden, die sich nicht aus römischen Bürgern oder Latinern rekrutierten, als innenpolitisch autonom galten, aber auf Befehl Roms Truppen für die Kriege aufbieten mussten. Sie trugen militärische Lasten, ohne dafür die Vorteile zu genießen, die das Bürgerrecht bot. Um es zu bekommen, rebellierten sie nun.8 Schwere Kämpfe brachen aus, die vereinzelt bis ins Jahr 87 dauerten, obwohl inzwischen allen Bundesgenossen südlich des Po ein allerdings eingeschränktes Bürgerrecht – sie durften nur in acht der 35 Stimmbezirke (tribus) abstimmen – angeboten worden war. Als Sulla im Jahre 88 sein Amt als Konsul antrat, waren daher große Truppenverbände in Italien konzentriert und damit die Voraussetzungen dafür geschaffen, den Bundesgenossen- in einen Bürgerkrieg münden zu lassen. In Rom wurde bereits eine forensische Schlacht ausgetragen. Der Volkstribun Sulpicius setzte in der Volksversammlung durch, dass die Bundesgenossen in allen Tribus eingeschrieben werden konnten. Als aus Asien die Nachrichten von der Expansion des Mithridates und dem Blutbefehl von Ephesos eintrafen, dem angeblich 80.000 Italiker und Römer zum Opfer fielen, griff er darüber hinaus in die Außenpolitik ein.

Der Senat hatte dem Konsul Sulla den Oberbefehl im nun ausgebrochenen Krieg mit Mithridates übertragen, doch Sulpicius ließ diese Entscheidung kippen. Die Volksversammlung entzog Sulla das Kommando und übergab es dem sechsmaligen Konsul Marius, dem Veteranen der Germanenschlachten von Aquae Sextiae 102 und auf den Raudischen Feldern 101. Sullas Anhänger rieten Marius vergebens, seinen bresthaften, von Gicht und Alter zersetzten Körper in den warmen Bädern von Baiae zu pflegen und auf seinem Luxusgut bei Misenum zu bleiben. Aus armen und engen Verhältnissen zu Reichtum und Macht emporgestiegen, habe aber Marius die Grenzen seines Glückes nicht erkennen können, klagt Plutarch und bleibt im Bild: „So brachen die Schwären auf, an welchen der Staatskörper schon lange krankte. Nichtig und kindisch in Ursache und Anfang, führte diese Feindschaft durch blutige Bürgerkriege und unheilbaren Zwist bis zur Tyrannis und zum allgemeinen Umsturz und brachte mehr Verderben über Rom als alle auswärtigen Feinde.“9

Sullas Marsch auf Rom

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