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Hellmut Flashar

HIPPOKRATES

Meister der Heilkunst

Leben und Werk

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

C.H.Beck

Zum Buch

Bis auf den heutigen Tag ist der hippokratische Eid der Maßstab ethischen Handelns in der abendländisch geprägten Medizin. Durch ihn ist der Name Hippokrates unsterblich geworden. Der Eid verpflichtet alle, die die Heilkunst ausüben, das Wohl und Wehe der Patienten zur alleinigen Richtschnur des eigenen Handelns zu machen und alles zu unterlassen, was schaden könnte. Dass diese Maximen zeitlos gültig sind, beruht auf der fundamentalen Leistung des Hippokrates, der sich als Arzt schon zu seinen Lebzeiten ein hohes Ansehen in der ganzen griechischen Welt erworben hat.

Hippokrates (ca. 460 – ca. 380 v. Chr.) war aber nicht nur praktizierender Arzt, sondern hat über sein ärztliches Wirken, seine Grundsätze und Theorien auch Schriften verfasst, die dann in das Corpus Hippocraticum, eine Sammlung von etwa 60 Schriften medizinischen Inhaltes von verschiedenen Autoren, angeregt und herausgefordert von Hippokrates selbst, eingegangen sind.

Der Ruhm des Hippokrates war bereits in der Antike so ausgeprägt, dass im 3. Jahrhundert v. Chr. Gelehrte aus Alexandria das medizinische Schrifttum der beiden vorangehenden Jahrhunderte, das zum größten Teil aus Kos und der benachbarten Insel Knidos stammt, einfach unter seinem Namen als Corpus Hippocraticum zusammengestellt haben.

Doch ist unbestritten, dass Hippokrates der Arzt seiner Zeit war, der die Medizin als Wissenschaft etablierte, sie von Magie und dem Glauben an übernatürliche Kräfte befreite, über eine partielle Symptomatik hinaus das Ganze des Menschen im Blick hatte und große Fortschritte auf dem Gebiet der medizinischen Prognostik erzielte. Seine Schüler und Nachfolger haben dann bedeutende Erkenntnisse zur Frauenheilkunde, zur Diätetik, zur Gesundheitsvorsorge, zur Chirurgie und zu noch anderen Bereichen der Heilkunst hinzugefügt, wie wir sie im Corpus Hippocraticum lesen.

Der vorliegende Band bietet einen informativen und anregenden Überblick über den Stand der Heilkunst vor Hippokrates, über dessen eigenes Wirken und sein medizinisches Schrifttum sowie über das Nachleben, das dem großen Arzt und Wohltäter bis heute beschieden ist.

Über den Autor

Hellmut Flashar lehrte bis zu seiner Emeritierung als Professor für Klassische Philologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Von ihm sind im Verlag C.H.Beck lieferbar: Aristoteles. Lehrer des Abendlandes (32015); Sophokles. Dichter im demokratischen Athen (22010); Inszenierung der Antike. Das griechische Drama auf der Bühne. Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart (22009).

INHALT

 

VORWORT

I. DIE ANFÄNGE

1. Ägyptische Medizin

2. Homerische Ärzte und mythische Ahnen

3. Von Homer zu Hippokrates – die Medizin wird Wissenschaft

II. HIPPOKRATES UND SEIN WERK

1. Das Leben und sein Bildnis

2. Das Werk

III. WERKE UND THEMEN

  1. Der Eid

  2. Die heilige Krankheit

  3. Umwelt

  4. Von der Diagnose zur Prognose

  5. Epidemien, Säfte und Krankheiten

  6. Grundfragen der Medizin in der Diskussion

a) Über die Lüfte

b) Die Natur des Menschen

c) Die alte Heilkunst

d) Über die Kunst

  7. Diät und Gesundheitsvorsorge

  8. Gynäkologie

  9. Innere Krankheiten

10. Chirurgie und Orthopädie

11. Zahlen, Fieber, Tod

12. Die Einrichtung einer Praxis und die ärztliche Standesethik

13. Aphorismen

14. Briefe, Reden und ein Dekret

IV. ASKLEPIOS UND DIE ASKLEPIOSMEDIZIN

V. STATIONEN DER REZEPTION

ANHANG

Das Corpus Hippocraticum

Anmerkungen

Literaturhinweise

Bildnachweis

Personenregister

Ortsregister

VORWORT

 

Hippokrates war der erste Arzt, der über seine Heilkunst öffentlich Rechenschaft abgelegt hat. Obwohl nur ein Teil der unter seinem Namen überlieferten Schriften von ihm selber stammen kann, ist Hippokrates Symbol für eine ethisch und wissenschaftlich verantwortete Medizin mit einer bis in die Gegenwart reichenden Prägekraft.

Die Eigenart der hippokratischen Medizin aus der Sicht des Philologen zu veranschaulichen, ist das Ziel dieses Buches. Mit dem Untertitel «Meister der Heilkunst» soll der Kunstcharakter der Medizin anklingen, wie er in dem griechischen Wort Techne (τέχνη) beschlossen liegt, das Kunst, Wissen und Können zugleich bedeutet. Dass die Medizin in ihrer Geschichte immer auch als «Kunst» verstanden worden ist, mag heute im Zeichen der Apparatemedizin nicht mehr voll bewusst sein, bleibt aber auch über den Ausdruck «Kunstfehler» hinaus bestehen.

Für Rat und Hilfe möchte ich herzlich danken: Hinrich Biesterfeld (Bochum), Olga Chernyahkhovskaya (Bamberg), Martin Flashar (Freiburg im Breisgau), Bettina Full (Bochum/Bamberg), Tom Gerald (New York), Norbert Gertz (Bielefeld), Jochen Schäfer (Kiel), Anselm Vogt (Bochum) und Christiane Zimmermann (Berlin).

Stefan von der Lahr hat mit gewohnter Sorgfalt das Buch lektoriert und in allen Phasen der Entstehung, hilfreich unterstützt von Andrea Morgan, begleitet. Für die präzise Herstellung des Typoskriptes möchte ich Carola Budnj herzlich danken. Ebenfalls habe ich Theodor Lindken für bibliographische Recherchen zu danken.

Für die Vorbereitung des Textes habe ich einen Zuschuss von der Fritz Thyssen Stiftung erhalten, für den ich sehr dankbar bin.

Bochum, im Frühjahr 2016

Hellmut Flashar

I.

DIE ANFÄNGE

 

1. Ägyptische Medizin

Ärzte und Medizin hat es immer gegeben, nur fehlt für die ganz frühen Zeiten schriftloser Kulturen die Überlieferung. Nicht zu Unrecht stellen wir uns einen Medizinmann vor, der Priester, Zauberer und Arzt zugleich ist, der, mit magischen Kräften begabt, zwischen der göttlichen und menschlichen Sphäre vermittelt und dabei verängstigte Menschen von Krankheiten befreit. Sicher gab es auch in den vielen kriegerischen Auseinandersetzungen eine ganz einfache und praktische Wundbehandlung. Funde von Schädeln in Gräbern deuten auf präoperative Eingriffe, die bis in die Jungsteinzeit (ca. 10.000 v. Chr.) heraufreichen. In den fernöstlichen Kulturen, in China, Tibet und in Indien, gab es früh Ansätze zu einer Medizin, in der sich magische und rationale Komponenten durchdringen.[1]

Die schriftliche Überlieferung setzt mit der Kultur des Alten Ägypten ein. Es gibt eine ganze Reihe von Papyri, die über medizinische Behandlungen und vor allem über Rezepte ausführliche Auskunft geben.[2] Der älteste, 4,7 Meter lange Papyrus ist der sogenannte Papyrus Smith, benannt nach dem amerikanischen Ägyptologen Edwin Smith (1822–1906). Es handelt sich dabei teilweise um eine Abschrift noch älterer Texte, die bis ca. 1900 v. Chr. heraufreichen. Der längste, fast 20 Meter lange Papyrus, der Papyrus Ebers, benannt nach dem Leipziger Ägyptologen Georg Moritz Ebers (1837–1898), ist – wie der Papyrus Smith – um 1550 v. Chr. geschrieben.

Nehmen wir nur diese beiden Papyri, so tritt uns in ihnen ein geschlossenes Bild der ägyptischen Medizin entgegen. Sie zeichnet sich durch ein hohes Niveau von Anfang an, durch eine bemerkenswerte Konstanz über die Zeiten ohne eine erkennbare Weiterentwicklung im Grundsätzlichen und durch eine hohe Spezialisierung aus. In diesen beiden Papyri werden 150 Ärzte genannt, 132 mit Namen, spezialisiert als: Augenärzte, Zahnärzte, Kopfärzte, Bauchärzte, «Hirt des Afters», Spezialisten für unsichtbare Krankheiten. Manchmal haben sie einen Titel wie: «Arzt des Palastes» oder «Oberster der Ärzte des Palastes».

Auffallend ist die ungeheure Fülle der Rezepte. Allein im Papyrus Ebers finden sie sich in 880 Einzeltexten nach 45 Sachgruppen geordnet. Die Beschreibung der Erkrankungen und der entsprechenden Heilmittel geht vom Kopf an über Hals, Nacken, Brust, Rücken, Wirbel und weiter abwärts. Es gibt allein 40 Hustenrezepte, je nachdem, wo der Husten sitzt. Kommt er aus dem Bauch, so wird folgendes Rezept empfohlen: Feigen, Granatapfel, Rosinen, Kreuzkümmel, Blätter der Dornakazie, Senfkohl und süßes Bier werden in einem bestimmten Mengenverhältnis verrührt und vier Tage lang getrunken. Nach diesem Schema gibt es Hunderte von Rezepten. Die Therapie bestand generell im Einnehmen, Essen, Trinken, Inhalieren, Salben, Schneiden, Brennen, Einrenken, Anlegen von Verbänden. Der Arzt war dabei sein eigener Apotheker; die Trennung von Apotheke und Arzt ist erst im Mittelalter vollzogen worden. Die Diagnosestellung war exakt; man konnte den Puls messen. Ein Beispiel mag die Art der Untersuchung veranschaulichen:

Wenn du einen Mann untersuchst, der an seinem Magen leidet: Alle seine Körperstellen sind unter Druck gegen ihn wie bei einem Ausbruch von Ermattung. Dann sollst du deine Hand auf seinen Magen legen und findest du seinen Magen wie eine Pauke, indem er geht und kommt unter deinen Fingern, dann sollst du sagen: Das ist eine Trägheit des Essens, die verhindert, dass er weiter etwas isst. Dann sollst du ihm ein Abführmittel machen: Kerne von Datteln, durchgepresst mit verdorbenem Bier. Seine Esslust kommt wieder (Pap. Eb. 189).

Mit großer Selbstverständlichkeit werden auch Frauen untersucht und behandelt. Da ist von Schmerzen am After, in der Schamgegend, von Ausscheidungen, von Erkrankungen der Vagina, des Uterus, von Blutungen bis hin zu krampfartigem Husten die Rede.

Neben den Papyri gibt es Darstellungen von Arzt-Szenen eingeritzt auf Wänden meist sakraler Bauten, so eine Augenbehandlung auf einer Baustelle an einem Grab. Einem Bauarbeiter ist offenbar ein Fremdkörper, vielleicht ein Holzsplitter, ins Auge geraten. Er wird an Ort und Stelle mit einem Federrohr behandelt mit dem Ziel, den Fremdkörper aus dem Auge zu entfernen.[3]

Bei alledem ist aber die so rational wirkende ägyptische Medizin von Anfang bis Ende durchzogen von Magie und Zauberei. Die Zaubersprüche selbst werden in den Papyri kaum im Ganzen mitgeteilt. Es heißt immer wieder: «Dieser Zauberspruch werde rezitiert über …» Oder: «Es werde dieser Zauberspruch gesprochen über dem Kot eines Katers» – bei einem Beinleiden (Pap. Eb. 74). Manchmal wird auch mitgeteilt, wie oft ein Zauberspruch wiederholt werden soll, so sieben Mal über einem Amulettknoten für ein Beinleiden (Westendorf I 68). Es sind Begleitsprüche bei der Drogenbereitung und bei der Behandlung. Das Auflegen von Amulettknoten auf eine Wunde soll helfen, Zaubersprüche sollen Seuchen eindämmen. Anrufung von Dämonen, Schutzzauber für eine Mutter nach der Geburt eines Kindes und viele andere Zaubermittel stehen jedoch nicht isoliert, sondern sollen zusammen mit dem Heilmittel wirken. Schon die Bereitung der Drogen wird von Zaubersprüchen begleitet. So ist der Arzt zugleich ein mit magischen Kräften begabter Zauberer, der eine Verknüpfung mit der dämonisch-göttlichen Sphäre herstellt. Hier liegt der entscheidende Unterschied zur griechischen Medizin.

Als der Geschichtsschreiber Herodot (ca. 485–425) Ägypten bereist, urteilt er über die Medizin in der Spätphase des ägyptischen Reiches:

Jeder Arzt ist nur für eine Krankheit da und nicht für mehrere. Und alles ist voll von Ärzten. Denn die einen sind Ärzte für die Augen, andere für den Kopf, andere für die Zähne, andere für den Unterleib, wieder andere für innere Krankheiten (II 84).

Diese Worte lassen den Schluss zu, dass es – nach der Meinung Herodots – bei den Griechen offenbar anders war.[4] Herodot verfasste sein Werk zu Lebzeiten des Hippokrates.

2. Homerische Ärzte und mythische Ahnen

In dem ältesten Werk europäischer Literatur, in der Ilias Homers (ca. 700 v. Chr.), taucht sogleich der Urahn der griechischen Medizin, Asklepios, auf.[1] Homer nennt ihn einen «untadeligen Arzt» (Ilias XI 518). Aber er ist noch nicht der Heilgott oder Heilheros, sondern ein Sterblicher und Arzt überhaupt nur im Nebenberuf. Denn er ist Fürst von Trikka (Trikke, heute: Trikala) in Thessalien nahe des Pelion-Gebirges und er beteiligt sich auch an dem globalen Feldzug aller Griechen gegen Troia, zu dem er 30 Schiffe entsendet (Ilias II 729–733). Aber er fährt nicht selber mit, sondern beauftragt seine beiden Söhne, Machaon und Podaleirios, ebenfalls «tüchtige Ärzte» (Ilias II 733), mit der Führung des Kontingents. Also sind auch sie nicht nur Ärzte, sondern Flottenkapitäne, Anführer von ca. 1500 Kriegern.[2] Und sie kämpfen auch selber mit, stehen jedenfalls an vorderster Front. Als Menelaos durch einen Pfeilschuss verwundet wird, soll Machaon «die Wunde abtasten und Kräuter auflegen, die die Schmerzen lindern» (Ilias IV 190). Schließlich wird Machaon selber verwundet. Nestor wird aufgefordert, ihn aus der Schusslinie zu den Schiffen zu bringen, zu seiner Hütte, wo er durch Getränke gestärkt wird (Ilias XI 504–520), später Wein trinken soll und ein wärmendes Bad bekommt, damit der Schorf von der Wunde abgewaschen werden kann (Ilias XIV 1–8). Mit der Verwundung des Machaon ist eine schwierige Situation eingetreten, ist er doch der einzige Arzt, dem in dem riesigen Heer vor Troia eine aktiv-therapierende Funktion zufällt. Als Eurypylos verwundet wird, ist kein Arzt vorhanden, denn der verwundete Machaon «bedarf selbst eines untadligen Arztes», der andere (Podaleirios) «hält stand im Feld der Troer dem scharfen Ares» (Ilias XI 835–836). Er kämpft also gerade. Später soll er zu den 20 Männern gehört haben, die in dem Troianischen Pferd in die Stadt eindrangen.[3] Dass von ihm in der Ilias nicht weiter die Rede ist, hängt auch damit zusammen, dass er nicht in erster Linie Wundarzt, sondern eher für innere Krankheiten zuständig war. Jedenfalls gibt es in der Ilias durchaus einen gewissen Ärztemangel, was Anlass genug ist, die Reputation des Arztes gebührend hervorzuheben:

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Abb. 1: Achill verbindet den verwundeten Patroklos. Attische Trinkschale des Sosias-Malers, Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin

Denn ein ärztlicher Mann wiegt viele andere auf, Pfeile herauszuschneiden und lindernde Kräuter aufzustreuen (XI 514).

Gemeint ist ganz konkret, dass ein Arzt in der Lage ist, als Einzelner viele andere Menschen zu heilen und damit wieder funktionsfähig zu machen.[4] Daneben aber haben sich die homerischen Helden bei kleineren Verwundungen, wie sie entsprechend der eingesetzten Waffen (Schwert, Lanze, Pfeil) häufig vorkommen, gegenseitig erste Hilfe geleistet. So verbindet Achill den verwundeten Patroklos, wie es meisterhaft das Innenbild der Trinkschale des Sosias zeigt, allerdings stilisiert nach der Entstehungszeit der Schale um 500 v. Chr.

Als nach der Verwundung des Machaon kein Arzt zur Verfügung stand, bittet der verwundete Eurypylos Patroklos, er solle ihn behandeln: «Schneide mir aus dem Schenkel den Pfeil und wasche ab das schwarze Blut mit warmem Wasser und streue lindernde Kräuter darauf» (Ilias XI, 828–830). Patroklos tut dies ganz fachgerecht, als sei er ein Arzt: «Er schnitt mit dem Messer aus dem Schenkel das schwarze Geschoss, das sehr spitze und wusch ihm ab das schwarze Blut mit warmem Wasser und tat eine bittere Wurzel darauf, die er zerrieb mit den Händen, eine schmerztötende, die ihm alle Schmerzen tilgte, und die Wunde verharschte, und es stockte das Blut» (Ilias XI, 844–848).

Aber es gibt auch schwere, oft zum Tode führende Verletzungen, die Homer mit erstaunlicher anatomischer Kenntnis schildert:

Idomeneus durchstieß den Eurymas am Mund mit dem erbarmungslosen Erz, und gerade hindurch fuhr hinten heraus der eherne Speer, unterhalb des Gehirns, und spaltete die weißen Knochen. Und herausgeschüttelt wurden die Zähne, und es füllten sich mit Blut die beiden Augen, und aus dem Mund und aus den Nasenlöchern sprühte er es heraus, mit klaffendem Mund, und ihn umhüllte des Todes schwarze Wolke (Ilias XVI, 345–350).

Trotz des auffallenden Interesses, das Homer an medizinischen Details hat, sind in der Ilias die beiden Ärzte erstaunlich wenig in Aktion. Machaon behandelt zwar verletzte Krieger, bis er selber verwundet wird, und Podaleirios tut ‹medizinisch› gar nichts. Ihre eigentliche ‹Aristie› (Heldentat) haben sie in der Iliou persis (Zerstörung Troias) geleistet, in einem zu dem sogenannten epischen Kyklos gehörenden Epos, das zur Zeit Homers bekannt war, möglicherweise nur durch mündliche Überlieferung, der erst eine spätere Aufzeichnung folgte.[5] Die herausragende Tat des Machaon war die Heilung des Philoktet, der wegen einer scheinbar unheilbaren, durch einen Schlangenbiss verursachten Wunde lange Zeit auf der Insel Lemnos verbannt, aber nach einem Orakelspruch zur Eroberung Troias unerlässlich war und daher zurückgeholt werden musste. Machaon gelang mit der Heilung das scheinbar Unmögliche. Und die besondere Leistung des Podaleirios bestand darin, als Erster den Wahnsinn des Aias erkannt und richtig diagnostiziert zu haben. Weil Podaleirios nicht in erster Linie Wundarzt, sondern für die inneren Krankheiten zuständig war, ist von ihm in der Ilias kaum die Rede. Dabei zeigt sich die ärztliche Kunst in den homerischen Epen (und in denen des Kyklos) als völlig rational, unverknüpft mit Magie oder Sehertum der Ärzte. Man könnte fragen, ob der Typ des homerischen Arztes signifikant für die Zeit Homers ist oder ob Homer archaisiert und die Verhältnisse auf die mykenische Zeit projiziert, in der die Handlung der Epen spielt. Man möchte ein Archaisieren am ehesten für den adligen, berufslosen Helden bzw. Herrscher annehmen, der nebenbei Arzt ist. Jedenfalls kennt die gegenüber der Ilias etwas jüngere Odyssee den professionellen Arzt, der nur diesen Beruf ausübt, und zwar gegen Honorar (Odyssee XVII, 382–387). Dieser Arzttypus kristallisiert sich mit der in dieser Zeit sich vollziehenden Bildung der Polis heraus.

Dabei bleibt es oft so, dass die ärztliche Kunst von Generation zu Generation innerhalb eines Geschlechterverbandes weitergegeben wird.

So haben auch Machaon und Podaleirios ihre ärztliche Kunst von ihrem Vater Asklepios gelernt. Der aber ist von dem Kentauren Cheiron (Chiron) unterwiesen worden. Machaon «sog das Blut und streute kundig darauf lindernde Kräuter, die seinem Vater einst wohlgesonnen gegeben hatte Cheiron» (Ilias IV 218–219). Damit wird letztlich die griechische Medizin auf einen mythischen Ursprung zurückgeführt.

Es ist ja seltsam genug, dass unter diesen wilden Naturdämonen, teils Mensch, teils Pferd mit vier Beinen, die im Kampf mit dem thessalischen Stamm der Lapithen (in der sogenannten Kentauromachie) schließlich unterlagen, sich einer befand, der als weise und gerecht galt und als Erzieher nicht nur des Asklepios, sondern auch Achills fungierte. Denn auch Achill hat eine medizinische Unterweisung von Cheiron erhalten. Eurypylos zu Patroklos: «Streue lindernde Kräuter darauf, gute, die du von Achilleus gelernt hast, den Cheiron gelehrt hat, der gerechteste unter den Kentauren» (Ilias X 830–832). Wir gewinnen so eine Abfolge von Geschlechtern in der Grundlegung der ärztlichen Kunst: Cheiron – Asklepios – Machaon und Podaleirios. Man dachte sich Cheiron in einer Hütte am Pelion-Gebirge lebend, also ganz nahe an dem Herrschaftsgebiet des Asklepios. Dass Homer ihn den «gerechtesten» nennt, deutet zugleich eine ethische Komponente in der Unterweisung an. Die griechische Medizin hat also einen mythischen Ahnen und in Asklepios einen zunächst als Mensch auftretenden Begründer einer rationalen Medizin. So sieht es Eryximachos in seiner Rede im platonischen Symposion unter Berufung auf die Dichter: «Unser Ahnherr Asklepios hat, wie die Dichter sagen und wie ich es glaube, unsere (ärztliche) Kunst begründet» (186 E). Dieser rationale Asklepios ist jedoch zu unterscheiden von dem Heilgott oder Heilheros der Asklepiosheiligtümer.[6]

Gleichwohl lebt im Mythos Cheiron als Ahnherr der Medizin weiter. In einem auf etwa 474 v. Chr. zu datierenden Gedicht (Pythien IV) will Pindar dem kranken Fürsten Hieron von Syrakus (den er in mehreren Siegesliedern besungen hat) Trost spenden mit den Worten:

Ich wünschte, Chiron der Philyride –
wenn ich mit meiner Zunge beten soll dies gemeinsame Wort –
möchte leben, der Abgeschiedene,
der weitwaltende Sohn des Uraniden Kronos, und möchte in den Tälern
des Pelion herrschen, das Halbtier auf dem Feld,
dessen Sinn den Männern hold ist, so wie er aufzog einst
den freundlichen Baumeister der gliederstärkenden Linderung
Asklepios,
den Heros, den Abwehrer jeglicher Seuchen.

Dann heißt es weiter über Asklepios:

Alle, die nun kamen, von selbst entstandener Gebrechen teilhaftig oder vom grauen Erz an den Gliedern verwundet oder von weithin treffendem Stein, oder die Gestalt von sommerlicher Glut zerstört oder vom Winter: die löste er und befreite den einen von der, die anderen von anderer Pein. Die einen besprach er mit sänftigenden Zaubersprüchen, den anderen gab er Linderndes zu trinken oder umwand die Glieder ringsum mit heilenden Kräutern, andere stellte er durch Schneiden aufrecht.

In mythischer Einkleidung finden wir hier eine klare Systematik der Krankheiten (innere Leiden, Verwundungen, durch Hitze und Kälte bedingte Leiden) und Therapiemethoden (psychische Behandlung, Diätetik, Wundbehandlung, Chirurgie), der dann die Warnung vor einem Überschreiten der ärztlichen Kunst folgt. Asklepios selber, so heißt es, habe sich durch Bestechung dazu verleiten lassen, «einen Mann aus dem Tode zu bringen, der schon gepackt war». Zeus bestraft beide mit dem Tode (Pyth. IV 56–59). Es ist die Strafe für Vermessenheit und die Warnung, die Grenze ärztlicher Kunst nicht zu überschreiten. Der irdische Tod des Asklepios ist die Voraussetzung für seine spätere Heroisierung. Die Erinnerung an diesen überragenden Arzt lebte weiter, denn immer wieder haben sich Ärzte auf Asklepios und seinen Sohn Machaon berufen.

3. Von Homer zu Hippokrates – die Medizin wird Wissenschaft

Zwischen Homer und Hippokrates liegt die Entstehung und Ausbildung der Philosophie. Die frühen griechischen Philosophen, die man «Vorsokratiker» nennt, haben entscheidend dazu beigetragen, dass die Medizin zur Wissenschaft geworden ist.[1] Ihre Bedeutung für die Medizin liegt vor allem darin, dass in die Entwürfe eines naturwissenschaftlich begründeten Weltbildes der Mensch in seiner psycho-physischen Konstitution integriert wird. Die Frage nach Entstehung und Struktur des Kosmos, nach letzten Prinzipien, die allem kosmischen Geschehen zugrunde liegen, führt ganz natürlich zum Problem der Stellung des Menschen im Kosmos. So haben einige dieser ‹Vorsokratiker› auf der Suche nach der Entstehung allen Lebens Zeugungslehren und Vererbungslehren entwickelt, die Anatomie des menschlichen Körpers und die Funktion der Sinnesorgane erforscht. Auch die bei den frühen griechischen Philosophen kontrovers diskutierte Frage, ob das Zentralorgan des Menschen das Gehirn oder das Herz ist, führt unmittelbar zur Frage nach der Struktur des menschlichen Körpers in seiner normalen Beschaffenheit, also im gesunden Zustand. Von hier aus ist es nur ein Schritt, den kranken Körper und damit Krankheiten und deren Heilung ins Auge zu fassen. Aber auch das Reinheitsgebot des Pythagoras (um 570–nach 510) und seiner Schüler, verbunden mit dem Verbot des Tötens und Essens von Tieren, die – im Sinne der Seelenwanderung – eine menschliche Seele in sich tragen können, führt in den Bereich der Medizin, namentlich in die Diätetik, die sich dann rasch als eigene Disziplin der Medizin entwickelt.

Aristoteles (384–322) hat es später rückblickend so ausgedrückt:

Es ist auch Sache des Naturforschers, die ersten Prinzipien bezüglich Gesundheit und Krankheit ins Auge zu fassen. Denn weder Gesundheit noch Krankheit kann in leblosen Dingen entstehen. Deshalb sind die meisten Naturforscher auch Ärzte, die aber ihre Kunst in stärkerem Maße philosophisch betreiben. Die einen gelangen dann zur Medizin, die anderen zur Erforschung der Natur (De sensu 1, 436 a 19–22).

Am stärksten ist die Nähe zwischen frühgriechischer Philosophie und Medizin ausgeprägt bei dem Pythagoreer Alkmaion von Kroton (ca. 570–500). Er hat keine Prinzipienlehre (Annahme von Wasser, Luft, Feuer, Atome usw. als Prinzipien des Alls) entwickelt, sondern als kosmische Urkräfte die Qualitäten Feucht, Trocken, Kalt, Warm angesehen.

Gesundheitsbewahrend ist die Isonomie (Gleichberechtigung) der Kräfte des Feuchten, Trockenen, Kalten, Warmen, Bitteren, Süßen usw., die Monarchie (Alleinherrschaft) bei ihnen ist dagegen krankheitserregend. Denn verderblich wirkt die Alleinherrschaft des einen Gegensatzes. Und es lassen sich die Krankheiten, was die Ursache angeht, auf das Übermaß von Wärme oder Kälte, was den Anlass angeht, auf Übermaß oder Mangel an Nahrung zurückführen. Was aber die Stellen im Körper angeht, so ist Blut, Mark oder Gehirn betroffen. Doch entstehen (in diesen Organen) auch Krankheiten aus äußeren Anlässen, von bestimmten Gewässern, von einer bestimmten Gegend oder von Anstrengung oder von Zwang oder dergleichen. Die Gesundheit aber ist die gleichmäßige Mischung dieser Qualitäten (Frgm. B 4 Diels/Kranz).

Dieser Bericht aus später Quelle gibt nicht in allen Einzelheiten den Wortlaut des Alkmaion wieder, lässt aber doch seine Konzeption erkennen. Zwei Begriffe aus der politischen Sphäre, Isonomie und Monarchie, bezeichnen Gesundheit und Krankheit, Isonomie als «Gleichverteiltheit» der Grundqualitäten, Monarchie als Störung im Gleichgewicht der Kräfte.[2] Es ist evident, dass hier der Mensch nach den gleichen Grundkräften strukturiert ist wie der Kosmos im Ganzen, also der Sache (wenn auch nicht dem Begriff) nach der Mensch im Verhältnis zum Weltganzen als Mikrokosmos und der Kosmos im Verhältnis zum Menschen als Makrokosmos erscheint. Durch diese Analogie, die in der späteren Philosophie weiter ausgestaltet wird, erhält die Medizin, sofern sie sich als Wissenschaft versteht, eine ganz neue Dimension, die in den hippokratischen Schriften spürbar ist. Dabei dominiert bei Alkmaion nicht die Spekulation, sondern die Empirie. So soll Alkmaion als Erster ein Auge (eines Tieres?) seziert, «Kanäle», die die Augen mit dem Gehirn verbinden und überhaupt das Gehirn als Zentrum des Denkens, Wahrnehmens und Fühlens entdeckt haben.

Dass die frühen griechischen Philosophen, die die Anatomie des Menschen erforscht und dabei auch die Phänomene Krankheit und Gesundheit im Blick hatten, selber auch als Ärzte praktiziert haben, ist eher unwahrscheinlich. Bezeugt ist es nur für Empedokles (ca. 483–424), der – nun schon als inkarnierter «Gott» stilisiert – «Tausenden» hilft, die «nachfragen, bei mannigfachen Krankheiten ein heilbringendes Wort zu erfahren, lange schon von schweren Schmerzen durchbohrt» (Frgm. B 112), wobei offenbleibt, ob die Therapie sich auf das «heilbringende Wort» in vielleicht magischer Besprechung beschränkt. Auf der anderen Seite hat Empedokles – der Begründer der Lehre von den vier Elementen (von ihm «Wurzelkräfte» genannt) – nicht nur eine Embryologie und Anatomie, sondern auch eine hochinteressante Lehre von der Hautatmung entwickelt (Frgm. B 100: «Alles atmet ein und aus»), wonach über die Oberfläche der Körper blutarme Fleischröhren gespannt sind, durch die eine ständige «Atmung» (Perspiration) stattfindet. Dies alles ist aufs engste mit der Lehre von den vier Elementen (Feuer, Wasser, Erde, Luft) und damit mit dem Aufbau des Kosmos verknüpft. Die Beobachtung der Hautatmung ist umso interessanter, als nach den Erkenntnissen der modernen Medizin der Anteil der Haut am gesamten Sauerstoffaustausch beim Menschen weniger als 1 Prozent beträgt.

Das herausragende Beispiel eines praktizierenden Arztes vor Hippokrates ist der legendäre Demokedes (ca. 550–480).[3] Er stammt aus Kroton in Unteritalien, also aus dem Ort, in dem Pythagoras und seine Anhänger wirkten. Vielleicht war er Schüler des Alkmaion. Es muss sich dort so etwas wie eine Ärzteschule etabliert haben, denn der Historiker Herodot bemerkt, «dass die Ärzte aus Kroton im Ruf standen, die besten zu sein» (III 131). Abenteuerlich ist die Lebensgeschichte des Demokedes, wie sie Herodot (III 125. 129–131) berichtet. Demokedes überwarf sich mit seinem Vater, verließ Kroton und gelangte zunächst nach Ägina. Dort ließ er sich nieder und praktizierte. Schon im ersten Jahr überragte er alle anderen Ärzte. Im zweiten Jahr erhielt er von der Stadt ein Gehalt von einem Talent, nach vorsichtiger Schätzung ca. 180.000 Euro.[4] Dann begab er sich nach Athen, wo er schon 100 Minen (= ca. 300.000 Euro) bekam, was wohl ungefähr den Spitzengehältern unserer Chefärzte nahekommt. Danach kam er nach Samos und konnte dort an dem ungeheuren Reichtum des Tyrannen Polykrates partizipieren. Als nach dessen Tod (522 v. Chr.) die Perser die Insel besetzten, geriet Demokedes in Gefangenschaft des persischen Satrapen Oroites, der grausam über Samos und Teile von Kleinasien herrschte. Ihn beseitigte der persische König Dareios (550–486), der die Sklaven und Gefangenen des Oroites nach Susa, der Hauptstadt des persischen Reiches, bringen ließ, darunter Demokedes. Da zog sich der noch junge Dareios bei einem Sprung vom Pferd eine Verletzung am Fuß zu. Offenbar war der Knöchel aus dem Gelenk gesprungen. Dareios vertraute sich zunächst den ägyptischen Leibärzten an, die er in seinem Gefolge hatte. Sie versuchten vergeblich, das Gelenk gewaltsam wieder einzurenken und verschlimmerten das Übel, so dass Dareios nächtelang vor Schmerzen keinen Schlaf fand. Da ließ er Demokedes kommen, von dem es hieß, er sei Arzt. Demokedes, als Gefangener in Lumpen und Ketten vorgeführt, gab seine Profession zunächst nicht preis. Erst unter Androhung von Folter gab er sich als Arzt zu erkennen. Nun musste er helfen – der Arzt hilft auch dem Feind. Er wandte keine gewaltsame Methode, sondern sanfte «hellenische Heilmittel» an, hatte Erfolg und machte Dareios gesund. Als Dareios dann die erfolglosen ägyptischen Ärzte zum Tode durch den Strang verurteilen wollte, konnte Demokedes sie durch Fürsprache beim König retten – Kollegen helfen sich. Er wurde belohnt und durfte an der Tafel des Königs speisen. Bald darauf erkrankte die Frau des Königs, Atossa, an einem Geschwür an der Brust. Solange es noch harmlos war, sprach Atossa mit niemandem darüber, denn sie schämte sich. Als es aber schlimmer wurde, aufbrach und sich vergrößerte, wandte sie sich an Demokedes. Der versprach Heilung, ließ Atossa aber schwören, ihm nach erfolgreicher Behandlung eine Bitte zu erfüllen. Sie bestand darin, den König dazu zu bewegen, gegen Hellas zu ziehen, was Dareios aber ohnehin schon vorhatte. Der Grund für diese ungewöhnliche Bitte war, dass Demokedes hoffte, auf diese Weise wieder als freier Mann in seine Heimat zu kommen. Das gelang auch nach einiger Zeit.

Mögen wir die Bitte des Demokedes an Atossa in das Reich der Anekdote verweisen, so dürfte doch der Bericht Herodots im Ganzen historisch zuverlässig sein. Zwar erfährt man nicht genau die Diagnose des Geschwürs der Atossa und auch nicht die Behandlungsart des Demokedes, aber es lässt sich dem Text doch entnehmen, dass hier ein bedeutender Arzt am Werke ist, der ein Vertrauensverhältnis zum Patienten hat. Schließlich erwähnt Herodot (III 137) noch, dass Demokedes nach seiner Rückkehr in die Heimat die Tochter des Milon in Kroton zur Frau genommen habe. Milon war ein berühmter Athlet von gewaltigem Körpergewicht, mehrfacher Olympiensieger, um den sich zahlreiche Anekdoten rankten. Nicht zuletzt durch ihn wurde Kroton zum Zentrum athletischen Sports.

Die Geschichte des Demokedes ist im Ganzen so farbenreich, dass sie sogar Anlass zu einem Roman gegeben hat. Der weithin unbekannte Schriftsteller Artur Swerr hält sich streng an den Bericht Herodots, hat aber auch die Stätten des Wirkens dieses erstaunlichen Arztes besucht.[5] Es ist eine Icherzählung, in der Demokedes selber in fünf Papyrusrollen von seinem Schicksal in Ägina, Athen, Samos, Susa und Kroton berichtet. Dabei ist manches hinzuerfunden und in gegenüber Herodot fiktionaler Steigerung dargestellt, so zum Beispiel wie Demokedes in Ägina erst Anerkennung findet, nachdem er eine Seuche in der Stadt erfolgreich bekämpft hat, wie er dann von Geheimagenten aus Athen abgeworben wird, wie er sich in Athen in eine Blumenverkäuferin verliebt, für die er beim Lykeion vor den Toren Athens ein verfallenes Landhaus mietet und die er später als Sklavin an ganz anderem Ort wiedersieht und manches mehr.

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Abb. 2: Das Basler Arztrelief, um 480 v. Chr.

In die Gestalt des Demokedes fließen verschiedene Aspekte zusammen. Sein Vater war ein aus Knidos stammender Asklepiospriester, der sicher in die auch die Medizin umfassende religiöse Atmosphäre passte, die in Kroton von Pythagoras ausging. Demokedes war dann ein hervorragender praktischer Arzt, der es zu hohem Ansehen brachte. Über keinen Arzt vor Hippokrates sind wir so gut informiert wie über Demokedes.

Deutlich ist, dass es schon vor Hippokrates den Typ des Wanderarztes gab, der von Polis zu Polis ging und – wenn er sichtbare Heilerfolge aufzuweisen hatte – auch eine feste Anstellung erhalten konnte, aber auch dann nicht das volle Bürgerrecht erhielt, das nur den in der jeweiligen Polis Geborenen zustand. Gleichwohl stand der Arzt in hohem Ansehen, wofür auch das prächtige «Basler Arztrelief» ein Zeugnis ist, das um 480 v. Chr. den Arzt als typischen Wanderarzt auf einem Klappstuhl sitzend mit dem Wanderstab in der Hand zeigt.[6] Der ihm gegenüberstehende Knabe ist offenbar sein Gehilfe und die Gegenstände im oberen Teil des Reliefs sind Schröpfköpfe, wie sie auch in den hippokratischen Schriften mehrfach genannt sind. Mit ihnen wird, falls die Haut vorher eingeritzt ist, Blut abgenommen, falls sie nicht eingeritzt ist, eine Blutansammlung zu therapeutischen Zwecken herbeigeführt. Das Basler Arztrelief ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil aus der klassischen Zeit kein vergleichbares Relief erhalten ist. Erst im 4. Jahrhundert v. Chr. erscheinen Arztreliefs häufiger, unter denen dasjenige, das die (inschriftlich genannte) Phanostrate zeigt, ein besonderes Interesse beanspruchen darf, weil hier zum ersten Mal eine (wohl aus dem Stand der Hebammen) hervorgegangene Ärztin inschriftlich genannt ist.[7]

Neben Kroton hat sich schon vor Hippokrates auch Knidos, die Stadt auf der Halbinsel im südwestlichen Festland gegenüber Kos, zu einem gewissen Ärztezentrum entwickelt, und zwar offenbar in Verbindung mit einem Asklepioskult. Der Vater des Demokedes stammt ja daher. Die Vorstellung, die drei Ärzteschulen von Kos, Knidos und Kroton würden untereinander rivalisieren, ist gewiss eine systematisierende und übertreibende Konstruktion späterer Doxographie (Referat von Lehrmeinungen). Überhaupt ist der Ausdruck «Ärzteschule» für die frühe Zeit nicht ganz zutreffend. Eher sind es Ärztegeschlechter, die sich an Orten alter Asklepiosheiligtümer ansiedelten. Aber es gab eine spezifische knidische Medizin und es gab auch knidische Schriften.[8] Galen (129–199) zitiert Knidische Sentenzen (Κνίδιαι γνῶμαι) und einige Schriften, die im Corpus Hippocraticum Unterschlupf fanden, gelten als knidisch. In den hippokratischen Schriften wird auch gegen die knidische Medizin polemisiert, so z.B. in der Schrift Über die Diät bei akuten Krankheiten 1 (= Testimonium 10 bei Grensemann): «Die Verfasser der Knidischen Sentenzen haben zwar die Art, wie die Kranken bei den einzelnen Krankheiten leiden, richtig beschrieben» … «darin aber, was der Arzt noch darüber hinaus in Erfahrung bringen muss» … «haben sie Vieles außer acht gelassen». Die knidische Medizin beschränkt sich in der Tat auf die sehr detaillierte Einteilung von Krankheiten und deren einfache, meist pharmakologische Therapie. In der Spezifizierung z.B. von sieben Gallen-, zwölf Blasen-, vier Nierenerkrankungen steht sie der ägyptischen Medizin nahe. Knidos war eine blühende Handelsstadt und Beziehungen zu Ägypten sind ausdrücklich bezeugt (Herodot II 178). So gilt es als sicher, dass die ägyptische Medizin auch auf dem Gebiet der Pharmakologie auf die knidische Medizin eingewirkt hat.

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Abb. 3: Das Asklepieion von Kos, Ruinen des Tempels von Asklepios

Leider wissen wir wenig über eine koische Medizin vor Hippokrates. Sicher waren dort Ärztegeschlechter ansässig; die antike Biographie nennt die Namen des Vaters und der Großväter des Hippokrates als Ärzte. Aber ob es eine förmliche Ärzteschule gab, ist sehr zweifelhaft. Die koischen Ärzte bezeichneten sich als «Asklepiaden», doch ist ganz unsicher, ob es ein Asklepiosheiligtum (Asklepieion) in früher Zeit auf Kos gegeben hat.[9] Das prächtige Asklepieion mit Terrassen, Freitreppen und Säulenhallen, dessen Reste heute von Touristen besichtigt werden, hat mit Hippokrates ebenso wenig zu tun wie die berühmte Platane des Hippokrates. Das Asklepieion ist erst um 366 v. Chr. errichtet worden, und zwar nach einem Synoikismos (Zusammenschluss) mehrerer Städte zu der nun an der Nordostküste neu gegründeten Polis Kos. Hippokrates hat vermutlich in der alten Hauptstadt Astypalaia an der Südspitze der Insel gewirkt (ca. 50 Kilometer von der Stadt Kos entfernt), ziemlich genau an der Stelle, wo sich heute der Club Méditerranée befindet.[10]

Mit der Errichtung des Asklepieion hatte sich auch der Asklepioskult entwickelt. Die Ärzte haben immer Asklepios als den Heros der Medizin verehrt, auch im Respekt vor der homerischen Tradition. Mit der Gründung der Asklepiosheiligtümer avanciert Asklepios zum Gott.[11] Dass das erste und damit älteste Asklepiosheiligtum in seiner Heimat Trikka errichtet wurde, ist ausdrücklich bezeugt.[12] Spuren des Asklepiosheiligtums in Epidauros führen in das späte 6. Jahrhundert v. Chr. Längst waren auch in vielen anderen Städten, z.B. in Ägina, Piraeus, Athen, Asklepiosheiligtümer errichtet, bevor dasjenige in Kos entstand, vielleicht in Erinnerung an den schon berühmt gewordenen Hippokrates. Aber mit der Medizin, wie sie Hippokrates verstand, hat das alles nichts zu tun. Die Touristen, die heute auf Kos den Spuren des Hippokrates nachgehen, sind auf der falschen Fährte.

II.

HIPPOKRATES UND SEIN WERK

 

1. Das Leben und sein Bildnis

Über das Leben des Hippokrates wissen wir nicht viel. Es sind drei spätantike Viten (Lebensbeschreibungen) erhalten, die sogenannte Vita Bruxellenis, ein in Brüssel aufbewahrter Codex aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. ohne Verfasserangabe, ferner unter dem Stichwort «Hippokrates» in dem byzantinischen Lexicon Suda aus dem 10. Jahrhundert n. Chr. und die Vita bei Tzetzes im 12. Jahrhundert. Alle diese Viten gehen jeweils auf frühere Quellen zurück, die teilweise auch genannt werden. Die früheste Vita stammt indes von Soran, wobei nicht mit letzter Sicherheit zu klären ist, ob es sich um den berühmten Gynäkologen des 1. Jahrhunderts n. Chr. oder einen sonst unbekannten Verfasser gleichen Namens handelt. Auch Soran beruft sich in seiner Vita auf frühere Quellen. Der Arzt Soran (den wir doch als Verfasser der Vita annehmen möchten) wirkte in Rom und hat neben der Hippokrates-Vita eine Reihe von medizinischen, meist gynäkologischen Schriften verfasst, von denen das Meiste nicht erhalten ist. Da selbst die Soran-Vita um ca. 500 Jahre von Hippokrates getrennt ist, konnte die Legendenbildung reichlich wuchern. Gern werden wir glauben, dass Hippokrates seine Ausbildung dem Vater Herakleides verdankt und dass er seinerseits zwei Söhne, Thessalos und Drakon, hatte, die ebenfalls Ärzte wurden. Dass er klein an Wuchs, aber groß an Bedeutung war, erwähnt Aristoteles (Politik VII 4, 1326 a 17) aus vermutlich zuverlässiger Quelle. Für alles Weitere aber empfiehlt es sich, zwei Zeugnisse in Augenschein zu nehmen, die bei Platon (428–347) stehen. Es handelt sich um die frühesten Erwähnungen des Hippokrates überhaupt.

Sokrates ist auf dem Wege zu dem Sophisten Protagoras und trifft einen jungen Mann namens Hippokrates, einen Namensvetter des Arztes. Der Name Hippokrates kommt auch sonst mehrfach vor. Sokrates fragt:

Wenn Du die Absicht hättest, Deinen Namensvetter Hippokrates aus Kos, einen der Asklepiaden, aufzusuchen und ihm für seine Bemühungen um Dich Lehrgeld zu zahlen und wenn Dich dann jemand fragte: «Sage mir Hippokrates, dem Hippokrates willst Du Lehrgeld zahlen, als wem eigentlich?»–«Als einem Arzt.»–«Und um was zu werden?»–«Um Arzt zu werden», sagte er. Wenn Du aber zu Polyklet aus Argos oder zu dem Athener Phidias zu gelangen beabsichtigst, um ihnen für ihre Bemühungen um Dich Lehrgeld zu zahlen, und wenn Dich jemand fragt: «Sage mir, Du willst dieses Lehrgeld dem Polyklet oder dem Phidias zahlen als wem eigentlich? Was würdest Du antworten?» «Ich würde sagen, als Bildhauer.» «Und um was zu werden?» «Natürlich um Bildhauer zu werden.» (Protagoras 311 DE).

Wir erfahren in diesem Abschnitt über Hippokrates: Er stammt aus Kos, nennt sich «Asklepiade», man kann zu ihm in die Lehre gehen, um Arzt zu werden, und muss dazu Lehrgeld zahlen. Wichtiger noch: Hippokrates ist auch in Athen als berühmter Arzt hochangesehen. Er steht auf einer Stufe mit den berühmtesten Bildhauern der Zeit, mit Phidias (480–430) und Polyklet (um 480–gegen Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr.), die in der Szenerie des platonischen Dialoges ebenso wie Hippokrates als lebend gedacht sind. Platon legt Wert auf die innere Stimmigkeit der literarischen Fiktion, und eine Reihe von Indizien führt darauf, dass der Dialog Protagoras etwa um 432 v. Chr. ‹spielt›,[1] also in der Zeit, in der Phidias die berühmte Goldelfenbeinstatue für den Parthenon auf der Athener Akropolis gefertigt hat, und als Polyklet eine Reihe von Statuen geschaffen hat, unter denen der Doryphoros (Speerträger) die berühmteste ist. In einem Atemzug mit ihnen wird Hippokrates genannt. Gewiss kennt Platon auch andere bedeutende Ärzte, so Eryximachos, dem er im Gastmahl (Symposion) eine durchaus hintergründige Rede in den Mund legt. Auch kann die Nennung des Hippokrates im Protagoras durch die Namensgleichheit mit dem Gesprächspartner des Sokrates veranlasst sein. Es ist aber unbestreitbar, dass Hippokrates zu dieser Zeit als ein auch in Athen berühmter Arzt angesehen war.

Worauf gründet sich seine Berühmtheit? Dass er je in Athen gewesen sei, wird nirgends erwähnt und ist auch unwahrscheinlich. Vielleicht wusste man von sensationellen Therapieerfolgen. Nur mündliche Kunde reicht aber kaum aus. Also werden wohl Schriften des Hippokrates bekannt gewesen sein, gab es doch zu dieser Zeit in Athen und in anderen griechischen Städten schon einen regelrechten Buchhandel.[2] Es kommt noch eine andere Überlegung hinzu. Ist zwar das fiktive Datum des Protagoras ca. 432, so hat Platon diesen Dialog ca. im Jahre 388 verfasst. Aber auch zu dieser Zeit galt für die Leser des platonischen Dialoges Hippokrates als das Beispiel eines Arztes schlechthin.

Etwa zwanzig Jahre später kommt Platon noch einmal auf Hippokrates zurück, und zwar im Phaidros.

Glaubst Du, die Natur der Seele vernünftig begreifen zu können ohne die Natur des Ganzen? Wenn man Hippokrates, einem der Asklepiaden, folgen will, noch nicht einmal die des Körpers ohne ein solches Verfahren (270 C).

Platon führt näherhin aus, dass man den menschlichen Körper nicht nur nach Gewohnheit und Erfahrung, sondern nach fachlichem Wissen behandeln soll, um ihm so durch die Anwendung entsprechender Arznei und Nahrung Stärke und Gesundheit zu verschaffen (270 B). Wieder ist Hippokrates das Idealbild des Arztes und in der Tat ist in den hippokratischen Schriften die alte, rein symptomatische Behandlungsart überwunden.[3]

Auch hier wird Hippokrates als «Asklepiade» bezeichnet. Die alten Ärztegenerationen führen sich auf Asklepios als ihren Ahnherrn zurück.

Wenn die Chronologie der antiken Biographen zutrifft, wonach Hippokrates von ca. 460 bis ca. 380 gelebt hat, dann fällt die Bemerkung Platons im Phaidros nicht mehr in die Lebenszeit des Hippokrates.

Er war also Zeitgenosse des klassischen 5. Jahrhunderts v. Chr. mit der Blüte der Tragödie und Komödie, mit dem Aufkommen der Sophistik und der Geschichtsschreibung. Er hat, auf Kos geboren und unterrichtet, nach dem Abschluss seiner Ausbildung die Heimat verlassen, wie es der Tradition der ‹Wanderärzte› entspricht. Aber sein Ziel war nicht – wie sonst üblich –, eine Anstellung in einer Polis zu finden und dort zu praktizieren. Vielmehr wollte er in anderen Gegenden die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen und Umweltfaktoren kennenlernen, die für Gesundheit und Krankheit der dort ansässigen Menschen von Bedeutung sind. Gewiss war er auch als Arzt tätig, aber er hat – wohl als Erster – einzelne Krankheitsgeschichten in ihrem Verlauf dokumentiert und in den größeren Zusammenhang der Umweltbedingungen einer Gegend eingeordnet.

Die Spuren der Reisen des Hippokrates führen jedoch nicht in das inzwischen zum kulturellen Zentrum der griechischen Welt avancierte Athen,[4] sondern nach Nordgriechenland. Wenn das erste Buch der Epidemien wirklich von Hippokrates stammt, muss er sich drei Jahre lang auf der Insel Thasos aufgehalten haben, wo ihn die Relation zwischen dem Klima der Insel, die den kalten thrakischen Bergwinden ausgesetzt ist, und dem Festland besonders gereizt haben wird. Andere Städte Nordgriechenlands (Abdera, Larissa) werden in den hippokratischen Schriften wiederholt genannt. Auch dort muss Hippokrates sich längere Zeit aufgehalten haben. Als sicher kann gelten, dass er gegen 380 v. Chr., also mit mehr als 80 Jahren, in Larissa gestorben ist. Auf seinem Grabmal, etwas nördlich von Larissa gelegen, befand sich eine Inschrift:

Der Thessaler Hippokrates, Koer von Herkunft, ruht hier,
aus der Wurzel des unsterblichen Phoibos hervorgegangen.
Zahlreiche Krankheiten hat er bezwungen mit den Waffen der Hygieia.
Ruhm hat er bei vielen erlangt, nicht durch Glück, sondern durch seine
Kunst.

(Anthologia Graeca VII 135)

Beachtenswert ist, dass Hippokrates als «Thessaler» bezeichnet wird, also als Bürger dieser Stadt galt. Ferner: Auch hier wird bezeugt, dass die alten Ärztegeschlechter ihren Stammbaum auf Apollon (Phoibos), auf den Vater des Asklepios, zurückführten.

Lassen wir die törichten Legenden beiseite, z.B. Hippokrates habe die Bibliothek von Knidos angezündet, so ist es nicht eben viel, was über sein Leben bekannt ist. Aus den ihm zugeschriebenen Schriften sich ein Bild über seine Persönlichkeit zu machen, ist eine schwierige, mit vielerlei Hypothesen belastete Aufgabe.

Antike Hippokratesdarstellungen in der bildenden Kunst sind relativ rar. Im Jahre 1929 ist im Odeion (der kleineren Form des Theaters) in Kos eine monumentale, überlebensgroße, Würde und Idealität ausstrahlende Statue gefunden worden, die sogleich als Darstellung des Hippokrates in Anspruch genommen wurde und die heute im Museum von Kos aufgestellt ist. Doch hat die neuere archäologische Forschung übereinstimmend festgestellt, dass dieses wohl zwischen 330 und 300 v. Chr. entstandene, also spätklassisch-hellenistische Meisterwerk von hohem künstlerischen Rang nicht Hippokrates darstellt, denn «für Hippokrates selbst ist ein anderer Porträttypus belegt».[5] Wen diese Statue wirklich repräsentieren soll, bleibt offen. Vielleicht handelt es sich um eine «Votivstatue, die einen der Ärzte aus dem Geschlecht der Asklepiaden abbilde(t), der sich um das Allgemeinwohl der Bevölkerung verdient gemacht und politischen Einfluss besessen» hat.[6]

Eindeutig zu Hippokrates führt eine Büste, die in einer Grabanlage in Ostia bei Rom zum Vorschein gekommen ist. Der Fundzusammenhang ist etwas kompliziert. Als Verwandte des kaiserlichen Leibarztes C. Marcius Demetrius bei einer Pestepidemie des Jahres 165/6 den Tod fanden, ließ dieser Demetrius eine mit Statuen reich geschmückte Grabanlage errichten. Offenbar seitlich vom Grabeingang war eine Büste angebracht, die auf einer Stele (freistehender Pfeiler) stand, auf der eine Inschrift angebracht war, die mit den ersten Worten: «Das Leben ist kurz» eindeutig auf den Anfang des berühmten ersten Aphorismus der hippokratischen Aphorismen (S. 188) verweist. Da dessen Fortsetzung: «die (ärztliche) Kunst ist lang» nicht so gut zu einer Grabinschrift passt, hat diese eine andere Fortsetzung (in deutscher Übersetzung): «Kurz ist das Leben, aber lang die Lebenszeit unter der Erde, die wir Sterblichen mit unserem Ende antreten. Alle haben Teil an dem Schicksal, gottgewirktes Los zu gewinnen, in welcher Gestalt es auch immer trifft.» Bei diesem Text handelt es sich nach Metrik und Sprache um ein Chorlied aus einer verlorenen Tragödie des Euripides, wahrscheinlich aus dem Polyidos.[7]

Die Büste selber, durch Angabe der Anfangsbuchstaben als Hippokrates identifiziert, ist, wie in der römischen Kunst üblich, eine Replik eines griechischen Originals (als Standbild), das aus stilistischen Gründen in die Zeit des Hochhellenismus, also etwa ins 3. Jahrhundert v. Chr., datiert wird.[891011