Zu der vorliegenden Handreichung zum Physikunterricht der 10. Klasse an Waldorfschulen stehen auf der Webseite der Pädagogischen Forschungsstelle beim Bund der Freien Waldorfschulen ergänzende Materialien zur Verfügung. Sie können unter https://www.forschung-waldorf.de/service/downloadbereich/ergaenzungen-zu-publikationen/ kostenfrei heruntergeladen werden.

Additional material to this handbook for physics lessons in 10th grade Waldorf schools is available on the website of the Pedagogical Research Center of the Federation of Waldorf Schools. They can be downloaded free of charge from https://www.forschung-waldorf.de/service/downloadbereich/ergaenzungen-zu-publikationen/

Herausgegeben am Standort Kassel, einer Abteilung der

Pädagogischen Forschungsstelle beim Bund der Freien Waldorfschulen

Wagenburgstraße 6 · 70184 Stuttgart

Sie finden uns im Internet unter

www.forschung-waldorf.de · www.waldorfbuch.de

© 2022 edition waldorf

Stuttgart, 1. Auflage 2022

Print: 978-3-949267-41-3

ePDF: 978-3-949267-42-0

ePub: 978-3-949267-43-7

Translated by Charles Gunn, Falkensee

Satz: Pädagogische Forschungsstelle Kassel

Druck: Online-Druck GmbH & Co. KG, Krumbach

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung der Pädagogischen Forschungsstelle Stuttgart.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Inhalt

Content

1 Hinweise zum Rahmen des Heftes

Das vorliegende Heft ist eine Handreichung zum Physikunterricht der 10. Klasse an Waldorfschulen. Dort werden in der Regel ausgewählte Aspekte der Mechanik in einem drei- bis vierwöchigen Epochenunterricht mit täglich ca. zwei Unterrichtsstunden behandelt (Richter 2016, S. 426 ff.). Der vorliegende Band fasst Unterrichtsvorschläge und didaktische Hinweise zusammen, die sich als Angelpunkte bewährt haben, um zentrale Themen der Statik, Kinematik und Dynamik im Epochenunterricht aufzuschließen.

Die Entwicklung der Handreichung wurde von der Pädagogischen Forschungsstelle beim Bund der Freien Waldorfschulen am Standort Kassel getragen. Viele didaktische Hinweise beziehen sich auf den phänomenologischen Unterrichtsansatz der Waldorfpädagogik. Er wird, wie auch die Phasengliederung des Epochenunterrichtes in der Waldorfpädagogik, als bekannt vorausgesetzt.

Erläuterungen zu der allgemeindidaktischen Dimension dieses Ansatzes finden sich im Handbuch Waldorfpädagogik und Erziehungswissenschaft – Standortbestimmung und Entwicklungsperspektiven (Sommer 2016), seine physikdidaktische Spezifizierung im Handbuch Oberstufenunterricht an Waldorfschulen (Sommer 2018).

Die Unterrichtsvorschläge und didaktischen Hinweise greifen einerseits Vorarbeiten auf, die mit dem Fokus eines phänomenologischen Unterrichtsansatzes in den letzten 40 Jahren entwickelt und im Umfeld der Pädagogischen Forschungsstelle diskutiert wurden, u. a. von Hermann von Baravalle (1993), Manfred von Mackensen (2000), Georg Maier (2004), Heinz-Christian Ohlendorf und Florian Theilmann (2006). Andererseits nehmen sie auf physikdidaktische Forschungsarbeiten zu Schülervorstellungen und Lernschwierigkeiten im Themenfeld Mechanik Bezug, beispielsweise von Walter Jung, Horst Schecker, Hartmut Wiesner, Thomas Wilhelm und Rita Wodzinski (Müller/Wodzinski/ Hopf 2011; Schecker/Wilhelm/Hopf/Duit 2018). Beide Forschungsansätze sind in den hier vorgestellten Vorschlag für den Mechanik-Epochenunterricht in der 10. Klasse eingeflossen.

1 Notes on the structure of the booklet

This booklet is a handbook for physics instruction in the 10th grade at Waldorf schools. There, selected aspects of mechanics are usually dealt with in a three- to four-week main lesson with about two hours of instruction per day (Richter 2016, p. 426 ff.). The present volume gathers together teaching suggestions and didactic tips that have proved their effectiveness in unlocking central themes of statics, kinematics and dynamics in main lesson teaching.

The development of the handbook was supported by the Pedagogical Research Center of the Federation of Waldorf Schools in Kassel. Many of the didactic references refer to the phenomenological teaching approach of Waldorf Education. The reader is assumed to be familiar with this as well as the temporal three-phase structure of main lesson teaching in Waldorf education.

Explanations of the general didactic foundation of this approach can be found in Sommer 2010 & 2014, its physical-didactic specification in Sommer 2019.

On the one hand, the teaching suggestions and didactic advice build upon previous work focused on a phenomenological approach to teaching, developed and discussed over the past 40 years in and around the Pedagogical Research Center, e. g. by Hermann von Baravalle (1993), Manfred von Mackensen (2000), Georg Maier (2004), Heinz-Christian Ohlendorf and Florian Theilmann (2006). On the other hand, the contents also cite research in physics didactics concerned with students’ mental pictures and learning difficulties in the field of mechanics, for example by Walter Jung, Horst Schecker, Hartmut Wiesner, Thomas Wilhelm and Rita Wodzinski (Müller/Wodzinski/Hopf 2011; ­Schecker/Wilhelm/Hopf/Duit 2018). Both research approaches have been incorporated into the suggestions for mechanics main lesson teaching in the 10th grade presented here.

2 Zum Mechanik-Epochenunterricht der 10. Klasse

2.1 Vorwissen aus den Physikepochen der 7. und 8. Klasse

Das Thema Mechanik wird im Physikunterricht der Waldorfschulen in der Regel erstmalig in der 7. Klasse unterrichtet (Richter 2016, S. 420 ff.). Ein Unterrichtsvorschlag von Mackensen (2005/2016, S. 123 ff.) beginnt beispielsweise mit ein- und zweiarmigen Hebeln, geht dann zum Hebelgesetz über und behandelt anschließend Wellhebel und Wellrad. Es schließen sich lose und feste Rolle als Hinführung zum Flaschenzug an.

Mackensen (2005/2016, S. 124) beschreitet einen originellen didaktischen Weg vom verbogenen Hebebalken zum Hebelgesetz, welchen er in seinem Beitrag Der Hebel – wie Partizipation am menschlichen Wissen erzielt werden kann im Detail ausgeführt und begründet hat (Buck/Mackensen 2006, S. 35 – 54). Von der Form des verbogenen Hebebalkens wird dort über die räumliche Verteilung der Druck- und Zugspannungen die Verbindung zu Kraft und Kraftarm im Hebelgesetz hergestellt.

Der Physikunterricht der 7. Klasse ist lebensnah angesetzt (Richter 2016, S. 420). Viele Lehrer*innen geben Kräfte in dieser Jahrgangsstufe pragmatisch in der Einheit kg an – an den meisten Waldorfschulen wird die physikalische Einheit Newton für Kräfte erst in der 10. Klasse eingeführt. Auch wird bei Rechnungen zum Hebelgesetz der Umgang mit Einheiten nicht grundsätzlich problematisiert.

In der 8. Klasse schließen sich Hydraulik und Aeromechanik an (Mackensen 2005/2016, S. 165 – 182). Es tritt zu den vielen alltäglichen Erfahrungen, die im Physikunterricht der 7. Klasse thematisiert wurden, jetzt ein mehr technischer Blick hinzu. So werden einfache Zivilisationstechniken besprochen: Wie kann es sein, dass ein Schiff schwimmt? Wie funktioniert die Wasserpumpe, welche heute in vielen Kleingärten zum Einsatz kommt? Wie ein Barometer? – Ziel ist es, dass die Schüler*innen, angeregt durch den Physikunterricht, die Welt um sich herum als eine technische Zivilisation verstehen lernen (Richter 2016, S. 422).

2.2 Zum Kontrast der Physikepochen der 9. und 10. Klasse

Im Epochenunterricht Physik der 9. Klasse steht die moderne Zivilisation mit ihrer Mobilität und Kommunikationstechnik im Vordergrund. Die Physikepoche hat einen technischen Schwerpunkt. Der von Schulz (2013) entwickelte Unterrichtsgang zur Kommunikationstechnik endet beispielsweise bei der seriellen Datenübertragung. Folgt man seinem Vorschlag und bespricht mit den Schüler*innen, wie im Zeitmultiplexverfahren mehrere Telefongespräche über eine Leitung übertragen werden können,

2 Regarding the mechanics main lesson of the 10th grade

2.1 Previous knowledge from the physics main lessons of the 7th and 8th classes

The subject of mechanics is usually handled for the first time in physics classes at Waldorf schools in the 7th grade (D’Aleo/Edelglass 1999, p. 86 ff.). A teaching proposal by Mackensen (1994, p. 51 ff.), for example, begins with single- and double-arm levers, then moves on to the law of the lever and then deals with the »wheel and axle«. This is followed by a free and a fixed pulley as an introduction to the pulley block.

Mackensen (1994, p. 51 f.) takes an original didactic path from the bent lever beam to the law of the lever. By considering the shape of the deformed lifting beam, the spatial distribution of the compressive and tensile stresses revealed there gives the connection to the force and lever arm in the law of the lever.

Physics instruction in the 7th grade is based on real life (Richter 2016, p. 420). Many teachers pragmatically specify forces in this grade with the unit kilogram – at most Waldorf schools the physical unit newton for forces is only introduced in grade 10. Nor is the use of units taken up in a serious way when calculating the law of the lever.

Hydraulics and aeromechanics follow in the 8th grade (Mackensen 1997, p. 35 – 51). A more technical view is now added to the many everyday experiences that were the subject of physics lessons in 7th grade. Simple technologies of civilization are discussed: How can it be that a ship floats? How does the water pump, found today in many gardens, work? The aim is that pupils, inspired by physics lessons, learn to understand the world around them as a technical civilization (Richter 2016, p. 422).

2.2 Comparison of the physics main lessons of the 9th and 10th classes

In the physics main lesson in the 9th grade, modern civilization with its mobility and communication technology is the main focus. The physics main lesson has a technical focus. The course on communication technology developed by Schulz (2013) ends, for example, with serial data transmission. If one follows his suggestion and discusses with the pupils how several telephone conversations can be transmitted over one line using the time multiplex method,

»so realisieren die Schüler*innen meist mit großer Faszination, dass, nachdem Daten digitalisiert wurden, durch intelligente Protokolle über nur wenige Leitungen ganz unterschiedliche Kommunikationsstränge abgewickelt werden. Sie stellen begeistert fest, wie das ›Nadelöhr der Digitalisierung‹ eine gigantische Technik ermöglicht, wird hier doch ein Bezugsnetz sehr intelligenter Verabredungen in ein physikalisches Netzwerk implementiert.

Hier prägt oft die Genialität der Digitaltechnik das Lernklima und mit Freude und Anerkennung konstatieren viele Schüler*innen, wie intelligent man mit digitalen Daten umgehen und wie geordnet man dabei voranschreiten muss. Das anything goes der Digitaltechnik tritt vielen von ihnen verheißungsvoll ins Bewusstsein« (Sommer 2020).

Das korrespondiert des Öfteren mit ihrem pubertären Selbstverständnis, gehen doch viele Schüler*innen dieses Alters wie selbstverständlich davon aus, dass sie mit ihrer Urteilkraft alles schnell und allgemeingültig intellektuell durchdringen können und danach passioniert vertreten dürfen. Ein »erzieherisches Moment« des Physikunterrichtes der 9. Klasse liegt in einer Kanalisierung eines unmittelbaren und frischen pubertären Erkenntnisoptimismus auf den Erfindungsreichtum, dem unsere Zivilisation ihr hohes technisches Niveau verdankt. Schüler*innen erfahren so, wie der direkte intellektuelle Zugriff, clever geführt, Berge wie Menschen versetzen und Information vernetzen kann.

Demgegenüber bildet die Physikepoche der 10. Klasse einen deutlichen Kontrast. Dort wird an den grundlegenden Begriffsbildungen der Mechanik thematisiert, wie eine physikalische Erscheinung, ihre sprachlich präzise Formulierung, ihre symbolische Darstellung und ihre mathematische Behandlung zusammenhängen. »Der Unterricht zielt in diesem Sinne auf starke Koinzidenzerlebnisse« (Richter 2016, S. 426).

In der Statik werden beispielsweise die Versuchssituationen in Lageplänen komprimiert dargestellt, in den zugehörigen Kräfteplänen bilden dann die entsprechenden Kräftegleichgewichte eine geschlossene Vektorkette und von Zeit zu Zeit mag ein free-body diagram die gewonnenen Einsichten maßstäblich und übersichtlich zusammenfassen. Anwendungsaufgaben sind nun grafisch im Kräfteplan und mathematisch mit Hilfe der Trigonometrie lösbar. Schüler*innen lernen so, unterschiedliche Ebenen der physikalischen Beschreibung aufeinander zu beziehen und den Gang von einer gegenständlichen bis zu einer mathematischen Ebene zu überblicken.

In der Kinematik liegt der Fokus hingegen mehr auf der Verbindung einer gegenständlichen mit einer sprachlichen Ebene, wenn sie z. B. zusammenfassend formulieren können: Körper bewegen sich im freien Fall so, dass die pro Zeiteinheit zurückgelegten Wegabschnitte sich wie die ungeraden Zahlen verhalten bzw. die nach ein, zwei usw. Zeiteinheiten zurückgelegten Gesamtwege sich wie die Quadratzahlen verhalten. Sobald die einheitliche Fallbeschleunigung g ermittelt und kontextualisiert wurde, können Schüler*innen dann nicht nur in zahlreichen Übungsaufgaben die mathematische Beschreibung des freien Falls anwenden und mit Einheiten in der Physik geläufig umgehen, viel-

»The pupils are usually very fascinated to realize that once data has been digitized, intelligent protocols can be used to handle a wide variety of communication channels over just a few lines. They discover with enthusiasm how the ›bottleneck of digitization‹ makes a vast technology possible, as an abstract network of very intelligent connections is implemented in a physical network.

Here, the ingenuity of digital technology often sets the tone of the learning process, and many students note with joy and appreciation how intelligently one has to handle digital data and with what precision one has to proceed. The »anything goes« [i. e., the universality] of digital technology becomes increasingly apparent to many of them« (Sommer 2019).

This correlates well with their pubertal self-image, as many students of this age take it for granted that they can quickly and under all circumstances grasp everything intellectually with their power of judgement and then have the right to speak out passionately about it. An »educational moment« of the physics lessons of the 9th grade lies in channeling this immediate and fresh pubertal optimism in knowledge to the inventiveness to which our civilization owes its high technical level. Pupils thus experience how a direct intellectual approach, cleverly guided, can move mountains as well as people and network information.

The physics main lesson of the 10th grade presents a clear contrast to this. There, in the treatment of the formation of the basic concepts of mechanics, students learn how a physical phenomenon, its linguistically precise formulation, its symbolic representation and its mathematical treatment are connected. »In this sense, the lessons aim at strongly correlated experiences« (Richter 2016, p. 426).

For example, in statics the experimental set-up is drawn in compressed form in a diagram of the bodily situation. For simplicity, we often refer to this diagram as the form diagram. In the corresponding force diagram, equilibria of forces appear as closed vector loops. A free-body diagram, combining form and force diagrams, may occasionally be helpful to summarize the insights gained, drawn to scale and clearly organized. Applied exercises can then be solved graphically via the force diagram and mathematically with the help of trigonometry. In this way, pupils learn to relate different levels of physical description to each other and to get an overview of the process moving from a real-world setting to a mathematical one.

In kinematics, on the other hand, the focus is more on the connection between a real-world representation and a linguistic one; for example, when they summarize a situation as follows: Bodies move in free fall in such a way that the distances travelled in successive time steps behave like the odd numbers, while the cumulative distances traveled behave like the square numbers. Once the uniform gravitational acceleration g has been determined and contextualized, students will not only be able to use the mathematical description of free fall in numerous exercises and become familiar with units of physics, mehr wird es ihnen auch möglich, staunend zur Kenntnis zu nehmen, wie einfach und geschlossen dieser Bereich der Physik, zumindest in seiner idealisierten Form ohne Berücksichtigung der Reibung, ist.

In der Dynamik führt die Anwendung des zweiten Newton’schen Axioms (Aktionsprinzip) auf die einheitliche Fallbeschleunigung g, mit der ganz unterschiedliche Körper zur Erde fallen, zu dem Begriff der Gewichtskraft bzw. Schwerkraft und es wird den Schüler*innen schließlich bruchlos einsichtig, warum Gewichtskräfte eine eigene Einheit haben, die verschieden von der der Masse ist.

Es sind sehr grundlegende, auch einfach zu überblickende physikalische Phänomene, die im Vordergrund stehen. Sie können auf ganz verschiedenen Ebenen behandelt und beschrieben werden. In der Zusammenschau wird dadurch immer bemerkenswerter, wie klar und wohlgeordnet sie in Erscheinung treten. Das ist staunenswert. Ein puristisches Denken ergreift formale Strukturen, diese koinzidieren mit grundlegenden mechanischen Erscheinungen. Ein »erzieherisches Moment« der Physikepoche der 10. Klasse liegt in einer Kultivierung des Denkens, das puristische Formen für grundlegende Phänomene findet, ihre staunenswerte Koinzidenz mit den Erscheinungen erkennt und damit realisiert, wie exakt und wohlgeordnet Erscheinung und Denken zusammenkommen können.

2.3 Themen und Spezifika der Epoche

An vielen Waldorfschulen haben sich als Inhalte in der Physikepoche zur Mechanik in der 10. Klasse ausgewählte Themen der Statik, Kinematik und Dynamik etabliert und bewährt (Richter 2016, S. 426 ff.). Im Unterricht zur Statik stehen das dritte Newton’sche Axiom (Reaktionsprinzip) und die Superposition der Kräfte im Zentrum, während bei der Behandlung der Kinematik und der Dynamik auf das erste bzw. zweite Newton’sche Axiom (Trägheits- und Aktionsprinzip) Bezug genommen wird.

Der Physikunterricht der 10. Klasse zur Mechanik ist nur dann bruchlos mit dem der 11. Klasse vernetzt, wenn im Unterricht zur Dynamik insbesondere auch Arbeit und Energie behandelt werden, gelingt es doch nur so, in der 11. Klasse die elektrische Spannung als Quotient von Arbeit und Ladung zeitnah einzuführen und zu besprechen (Sommer 2018, S. 477 f.). Insofern bewähren sich dreiwöchige Physikepochen zur Mechanik in der 10. Klasse meist nicht, die Themen Arbeit und Energie können – von Ausnahmen abgesehen – nur in vierwöchigen Epochen hinreichend genau thematisiert und in Übungsaufgaben vertieft werden.

Die Reihenfolge Statik – Kinematik – Dynamik ist im Umfeld der Pädagogischen Forschungsstelle viel diskutiert worden und in der vorliegenden Handreichung mit Bedacht gewählt. Dies soll im Folgenden – nach einem Exkurs zu Schülervorstellungen zur physikalischen Größe Kraft – erläutert werden.

but they will also be able to marvel at how simple and self-sufficient this area of physics is, at least in its idealized form without taking friction into account.

In dynamics, the application of Newton’s Second Law to the uniform gravitational acceleration g, with which very different bodies fall to earth, leads to the concept of gravitational force, and the students will finally understand immediately why gravitational forces have their own unit, which is different from that of mass.

The focus is on very basic physical phenomena, which are also easy to survey. They can be treated and described on very different levels. In the synopsis it becomes more and more remarkable how clear and well-ordered they appear – quite astonishing actually. Pure thinking expresses itself in formal structures, and these coincide with basic mechanical phenomena. An »educational moment« of the 10th grade physics main lesson lies in a cultivation of thinking which finds exact forms for fundamental phenomena, recognizes their startling coincidence with the appearances and thus comes to know how precisely and harmoniously appearance and thinking can coincide.

2.3 Themes and concrete details of the main lesson

At many Waldorf schools, selected topics of statics, kinematics and dynamics have established themselves through a process of selection as contents in the mechanics main lesson in 10th grade (Richter 2016, p. 426 ff.). In lessons on statics, Newton’s Third Law (Law of Action and Reaction) and the superposition of forces are at the center, while the treatment of kinematics and dynamics connects to Newton’s First Law (Law of Inertia) and Second Law, respectively.

The physics lessons in the 10th grade on mechanics are only then seamlessly linked with the physics lessons in the 11th grade if the lessons on dynamics also handle work and energy, since this is the only way to have enough time to introduce and discuss the electric voltage as the quotient of work and charge in the 11th grade (Sommer 2019, p. 33 ff.). In this respect, three-week mechanics main lessons usually do not prove successful in the 10th grade, and the topics of work and energy – with some exceptions – can only be dealt with in sufficient detail in four-week main lessons and deepened in exercises.

The sequence statics – kinematics – dynamics has been much discussed in the environment of the Pedagogical Research Center and has been carefully chosen for the present handbook. This will be explained in the following – after an excursion on pupils’ ideas about the physical quantity called force.

Exkurs: Schülervorstellungen zur Kraft

Wodzinski gibt in dem von Müller/Wodzinski/Hopf (2011) herausgegebenen Band zu Schülervorstellungen in der Physik mit Bezugnahme auf Jung (Jung/Wiesner/Engelhardt 1981) einen Überblick zu Kraftvorstellungen, welche Schüler*innen in ihren Beiträgen im Unterricht immer wieder zum Ausdruck bringen. Sie führt für den Kontrast zwischen dem physikalischen Verständnis bzw. der physikalischen Beschreibung von Kräften und den Präkonzepten der Schüler*innen im Einzelnen aus (S. 110):

»Im physikalischen Verständnis ist Kraft lediglich eine formale Größe zur Beschreibung von Wechselwirkungen. Jung [(Jung/Wiesner/Engelhardt 1981)] weist darauf hin, daß es bei Schülerinnen und Schülern durchaus auch Vorstellungen gibt, die der physikalischen Vorstellung nahe kommen und in Richtung auf eine Relation zu interpretieren sind, daß ihnen aber das analytische Begriffswerkzeug fehle, um zu klaren Einordnungen zu kommen. Das führe dazu, dass Kraft zu etwas ›Selbstständigem‹ wird, was neben den Gegenständen existiert. ›So übernehmen die Kräfte die Rolle scholastischer, eine Art Geister, auf die man das Bewirken, das ja rätselhaft bleibt, schieben kann, gerade weil man sie nicht sieht und von ihnen eigentlich nichts weiß. Sie sind die verdinglichten Postulate, ließe sich etwas freundlicher sagen: die Anziehung des Nagels (vom Magneten), daß er in Bewegung gesetzt wird, muß eine Ursache haben, das muß einer machen. Kräfte sind die verdinglichten Ursachen und die postulierten Täter. Man muß sie erfinden und verdinglichen, weil der Magnet selbst, der ›Gegenstand‹, so sichtbar passiv herumliegt: Der ist sicher nicht der Täter! […] Kraft im Sinne der Dynamik ist eben kein ›Wesen‹, sondern Bestandteil der Beschreibung – einer höchst kunstvollen und künstlichen – einer Relation zwischen Teilen des Systems.‹ (S. 85).

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß man Formulierungen wie ›Kraft ist die Ursache von Bewegungsänderungen.‹ oder ›Die Kraft kann man nicht sehen.‹ möglichst im Unterricht vermeiden sollte, denn sie unterstützen die Vorstellung von Kraft als etwas Substanzartigem eher noch und verdecken den Relationscharakter. Auch Formulierungen von ›wirkenden Kräften‹ werden dem physikalischen Kraftbegriff nicht gerecht. Sie sollten konsequent durch Formulierungen wie ›ein Körper übt auf einen anderen eine Kraft aus‹ ersetzt werden. Die Formulierung hat den Vorteil, daß immer beide Wechselwirkungspartner benannt werden und dadurch auch im Auge bleiben.«

Wodzinski legt mit Bezugnahme auf Jung Kräfte als einen Beschreibungsansatz für Wechselwirkungen fest und grenzt diese deutlich von der philosophischen Position eines metaphysischen Realismus ab, bei dem ein hinter den Wechselwirkungen Seiendes angenommen wird, welches die Potenz habe, die Wechselwirkungen selbst hervorzubringen. Dieser metaphysische Realismus weist weit über die Beschreibung von Wechselwirkungen

Excursion: Students’ mental pictures of force

In the volume on pupils’ mental pictures in physics with reference to Jung (Jung/Wiesner/ Engelhardt 1981), edited by Müller/Wodzinski/Hopf (2011), Wodzinski gives an overview of the mental pictures of force that pupils typically express in their classroom contributions. It discusses in detail the contrast between the physical understanding or description of forces and the pupils’ preconceptions (p. 110):

»In physical understanding, force is merely a formal quantity for describing interactions. Jung (Jung/Wiesner/Engelhardt 1981) points out that there are also mental pictures that come close to the physical concept and can be interpreted in the direction of a relation, but that the students lack the necessary analytical conceptual tool to arrive at clear distinctions. Consequently, force becomes something ›independent‹ that exists alongside objects. ›In this way, forces take on the role of a kind of ghostly entity on which one can blame the effect, which remains mysterious, precisely because one does not see them and actually knows nothing about them. They are the objectified postulates, it could be more gently phrased as: the attraction of a nail to a magnet, that brings it into motion, must have a cause, someone or something has to do it. Forces are the reified causes and the postulated perpetrators. They have to be invented and reified, because the magnet itself, the ›object‹, is so visibly passive: It is certainly not the culprit! [...] Force in the sense of dynamics is not a ›being‹, but part of the description – a highly artistic and artificial one – of a relation between parts of the system.‹ (p. 85).

Against this background, it is clear that formulations such as ›force is the cause of changes in movement‹ or ›force cannot be seen‹ should be avoided if at all possible, as they tend to support the idea of force as something substantial and obscure the relational character. Even formulations of ›acting forces‹ do not do justice to the physical concept of force. They should be consistently replaced by formulations like ›one body exerts a force on another body‹. The formulation has the advantage that both interaction partners are always named and thus remain in view.«

With reference to Jung, Wodzinski defines forces as an approach to describing interactions and clearly distinguishes them from the philosophical position of metaphysical realism, which assumes that there is something behind the interactions that produces the interactions themselves. This metaphysical realism extends far beyond the description of interactions, and thereby can create a gap between experience and explanation, which hinaus, er kann eine Kluft zwischen der Erfahrung und Erklärung aufbauen, die dann das ganze weitere Verständnis durchzieht. Er ist in vielen Präkonzepten der Schüler*innen mehr oder weniger offen anzutreffen. – Es wird hier ein weiteres Mal deutlich, wie schnell sich im Physikunterricht strukturell eine Kluft zwischen Erscheinungen und den Konzepten, die als Erklärungen herangezogen und erlebt werden, verfestigen kann.

Im Physikunterricht der Waldorfschulen werden spezifische phänomenologische Zugänge als Ansatz der physikalischen Erkenntnisgewinnung verfolgt, um diese Kluft zu vermeiden. Ihr philosophischer und didaktischer Rahmen ist andernorts referenziert und beschrieben (Sommer 2018, S. 455 ff.). Damit stellen die von Wodzinski diskutierten Formulierungen auch für den Mechanik-Epochenunterricht der 10. Klasse eine wertvolle Anregung dar. Sie sensibilisieren einerseits für Redewendungen, die gerne verwendet werden, aber die beschriebene Kluft vergrößern, und stellen andererseits Alternativen vor, um die Kluft zu überbrücken.

Viele Lehrkräfte müssen aller Voraussicht nach ihre Sprachgewohnheiten verändern, wenn sie Mechanik in dem hier dargestellten phänomenologischen Zugang unterrichten. Je mehr es ihnen gelingt, konkrete Wechselwirkungen sprachlich exakt zu fassen, ohne Kräfte als »verdinglichte[n] Ursachen« oder »postulierte[n] Täter« (s. o.) zu thematisieren, umso deutlicher wird sich die Koinzidenz von physikalischer Erscheinung und gedanklicher bzw. konzeptioneller Beschreibung in der Kommunikation des Unterrichtes zeigen können.

Der Unterschied zwischen physikalischer Erscheinung und gedanklicher bzw. konzeptioneller Beschreibung tritt in der Statik mit besonderer Klarheit hervor. Hier werden Gleichgewichtsbedingungen untersucht. Im Versuch lasten Gewichte oder es werden Leisten verspannt; insbesondere treten dort Druck- und Zugspannungen auf. Die Bewegungen, welche die Verspannungen einleiten, kommen zur Ruhe. Damit wird der Blick nicht auf die hinführende Dynamik, sondern die Wechselwirkungen gelenkt, welche durch Komponenten des Versuches vermittelt werden, z. B. durch eine metallische Öse, an der drei unter Zug stehende Seile befestigt sind. Die Gleichgewichtsbedingung wird dann im Fortgang des Unterrichts gedanklich als geschlossene Vektorkette beschrieben. Sie kann rein geometrisch in einer maßstäblichen Zeichnung oder mathematisch mit der Trigonometrie weiter untersucht werden.

Die Koinzidenz von einzelnen Komponenten des Versuches, die verspannt in Ruhe sind, und geschlossenen Vektorketten als gedanklicher bzw. konzeptioneller Beschreibungsansatz für eine Gleichgewichtsbedingung steht im Vordergrund.

Beginnt man die Physikepoche mit der Kinematik und führt dort die Addition bzw. Superposition von Geschwindigkeits- und Beschleunigungsvektoren ein und geht dann zum Aktionsprinzip bzw. zweiten Newton’schen Axiom über, so ergeben sich die Themen der Statik als ein Sonderfall der Dynamik. In dieser Reihenfolge mag es näherliegen, Kräfte als »Ursachen« oder »Täter« aufzufassen, die sich im Falle der Statik eben kompensieren bzw. zur Nettokraft null addieren. Die Koinzidenz von Wechselwirkungen, die mit then pervades all subsequent understanding. It can be found more or less openly in many of the students’ existing concepts. – It becomes clear once again here how quickly a structural gap can arise in physics instruction between phenomena and the concepts that are used and experienced as explanations.

To avoid this gap, specific phenomenological approaches are applied in physics lessons at Waldorf schools, as a method for gaining physical knowledge. Their philosophical and didactic framework is referenced and described elsewhere (Sommer 2019, p. 7 ff.) In this sense, the formulations discussed by Wodzinski also provide a valuable stimulus for the mechanics main lesson of the 10th grade. On the one hand, they sensitize students to commonly-used phrases, which widen the gap described, and on the other hand, they present alternatives to bridge the gap.

Many teachers are likely to have to change their language habits when teaching mechanics using the phenomenological approach presented here. The more they are able to grasp concrete interactions linguistically with precision, without addressing forces as »reified causes« or »postulated perpetrators« (see above), the more clearly the coincidence of physical phenomena and mental or conceptual description will be able to reveal itself in the classroom communication.

The difference between physical appearance and mental or conceptual description is particularly clear in statics. Here, equilibrium conditions are the object of study. In the experiment, weights are loaded on or slats are stretched; in particular, compressive and tensile stresses arise. The movements that give rise to the stresses come to rest. In this way, the focus is not on the dynamics leading up to the equilibrium, but on the interactions mediated by components of the experiment, e. g. a metallic eyelet to which three ropes under tension are attached. In the course of the main lesson, the condition of equilibrium is then conceptually represented as a closed loop of vectors. It can be further examined purely geometrically in a scale drawing or mathematically with trigonometry.

The main feature of this treatment is the coincidence of the individual components of the experiment, all of which are under tension while at rest, and the closed vector loop as a conceptual description of the state of equilibrium.

You can start the physics main lesson with kinematics, introducing the addition or superposition of velocity and acceleration vectors and then moving on to Newton’s Second Law. In this approach, statics is handled as a special case of dynamics. When done in this order, the students may be tempted to understand forces as »causes« or »perpetrators«, which in the case of statics cancel each other out, adding together to produce a net force of zero. The coincidence of interactions, that are associated with material tensions, with the corresponding vectorial description might then be experienced as secondary effect. Since this coincidence however is precisely one of the educational goals of the main lesson, we recommend to begin the main lesson with statics.

Already in the environment of the first Waldorf school, misconceptions were addressed in which abstract force arrows were seen as the cause of what appears as concrete Materialverspannungen einhergehen, und deren spezifische Beschreibung mit Vektoren mag dann als nachrangig erlebt werden. Da sie gerade einen Bildungsansatz der Epoche darstellt, empfiehlt es sich, mit der Statik zu beginnen.

Bereits im Umfeld der ersten Waldorfschule wurden Fehlvorstellungen thematisiert, bei denen abstrakte Kraft-Pfeile als Ursache für das aufgefasst werden, was als konkrete Wechselwirkung zwischen Körpern in der Kraftentfaltung in Erscheinung tritt. Eine diesbezügliche Zusammenfassung findet sich im Anhang der Handreichung. – Steiner hat außerdem in seiner Auseinandersetzung mit Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften einen ideenrealistischen Kraftbegriff entwickelt und ausgeführt (Steiner 1987a, S. 197 f.), der ebenfalls im Anhang enthalten ist.

interaction between bodies in the manifestation of force. A summary of this can be found in the Appendix of the handbook. – Steiner also developed an ideal-realistic concept of force in his examination of Goethe’s scientific writings (Steiner 1987a, p. 197 f.), which can also be found there.

3 Einstieg in die Physikepoche

Aufgrund der spezifischen Phasengliederung des Epochenunterrichtes in der Waldorfpädagogik (Sommer 2016) hat es sich in der Praxis bewährt, am ersten Epochentag zunächst die Erwartungen an die Heftführung und Mitarbeit anzusagen, um im Anschluss ein Ereignis zu thematisieren, das repräsentativ für Themen der Epoche steht und damit als Einleitung fungiert, bevor sich im zweiten Teil der Doppelstunde eine erste Versuchsreihe anschließt (siehe Kapitel 4).

3.1 Heftführung

Im Vergleich zu den Physikepochen anderer Klassenstufen stehen in der 10. Klasse die Versuchsbeschreibungen eher im Hintergrund. Oft genügen kurze Texte. In der Heftarbeit liegt ein besonderer Fokus auf der Gegenüberstellung von Lageplänen, Kräfteplänen und ggf. einem eingefügten free-body diagram. Zu den Kräfteplänen können Rechnungen hinzutreten. Es gilt, maßstäblich exakt zu zeichnen und Rechnungen mit korrekten Bezeichnungen geordnet zu dokumentieren. Dabei muss die tabellarische Aufstellung übersichtlich bleiben.

Insofern bieten sich karierte Hefte an, die Verwendung eines Geodreiecks und geeigneter Stifte müssen selbstverständlich sein. Um im Heft individuelle Lernwege zu dokumentieren, hat es sich außerdem bewährt, in den tabellarischen Aufstellungen eine Spalte vorzusehen, in welcher die Schüler*innen individuell festhalten können, was ihnen in der Niederschrift der Tabelle als besonders wichtig oder erklärungsbedürftig aufgefallen ist. Auch sind kommentierte Musterlösungen zu gestellten Aufgaben ein bewährtes Element der Heftführung.

3.2 Einleitung

Im Folgenden wird ein technisches Bauwerk und seine Geschichte exemplarisch angeführt, das am ersten Epochentag thematisiert werden kann, um auf die Statik, welche am Anfang der Epoche steht, hinzuführen. Es schließt an die Faszination an, welche Brücken mit ihrer exponierten Stellung und verbindenden Funktion immer wieder ausüben. Der folgende Text ist einem Band zur Baukunst, Technik und Geschichte der Brücken von Richard J. Dietrich (1998, S. 186 ff.) entnommen.

3 Getting started with the physics main lesson

Because of the specific temporal structure of the lessons in Waldorf Education (Sommer 2019) it has proved to be a good practice to first announce the expectations for the main lesson book and of in-class participation on the first day of class, followed by a presentation that is representative of the themes of the main lesson and thus functions as an introduction, before the second part of the double lesson is followed by a first series of experiments (see Chapter 4).

3.1 Remarks on the main lesson book

Compared to the physics main lessons of other grades, the descriptions of experiments in the 10th grade recede somewhat in the background. Short texts are often sufficient. In the main lesson book, a special focus is placed on the comparison of the diagram of the bodily situation, diagram of forces and, if necessary, a supplementary free-body diagram. In addition to the force diagrams, calculations can be added. It is important to draw exactly to scale and to document calculations with correct designations in an orderly manner. At the same time, tables of information must remain clear and concise.

In this respect, graph-paper notebooks are a good idea, and the use of a drawing triangle and suitable pens is required. In order to document individual learning paths in the booklet, it has also proved to be a good idea to provide a column in each table in which the pupils can individually record what they found to be particularly important or in need of explanation in the table. Commented sample solutions to exercise sets are also a tried and tested element of booklet management.

3.2 Introduction

The following is an example of a technical building and its history, which can be presented on the first day of the main lesson, in order to draw attention to the field of statics, which stands at the beginning of the main lesson. It takes advantage of the fascination which bridges have always exerted through their conspicuous position and their connective function. The following text is taken from a volume on the architecture, technology and history of bridges by Richard J. Dietrich (1998, p. 186 ff.).

»Bodin und der Viaduc du Viaur in Südfrankreich, 1896 – 1902

Das tiefe Tal des Viaurflusses war die größte Herausforderung beim Bau der Eisenbahnlinie von Carmaux nach Rodez in Südfrankreich. Der Bau dieser Bahnlinie war bereits 1876 vom zuständigen Ministerium, dem Ministère des Travaux Publics, beschlossen worden, aber zehn Jahre lang kam man zu keiner Lösung für eine Brücke, die das rund 500 m breite und 100 m tiefe Viaurtal überspannen sollte. 1887 schrieb dann das Ministerium einen Wettbewerb unter den führenden Ingenieuren Frankreichs aus. Sieben Vorschläge wurden eingereicht, darunter Lösungen mit eisernen Bogentragwerken, u. a. von Eiffels ehemaligem Partner M. Seyrig, oder mit eisernen Fachwerkbalken auf hohen Massivpfeilern; und dann gab es den Entwurf Paul Joseph Bodins (1847 – 1926), der eine weit gespannte Auslegerbogenbrücke vorsah. Die Eisenbahngesellschaft lehnte alle Vorschläge bis auf die Fachwerkbalkenbrücken ab, vor allem aber Bodins Vorschlag, bei dem man unter der Last der Züge starke Scheitelsenkungen befürchtete. Eine daraufhin vom Ministerium eingesetzte Fachkommission entschied sich jedoch im Gegenteil für Bodins Vorschlag und lehnte die Balkenbrücken ab, vor allem weil man die Stabilität von über 100 m hohen Mauerwerkspfeilern bezweifelte. Es sollte jedoch noch weitere zehn Jahre dauern, bis Bodins Projekt endgültig beschlossen wurde.

Paul Joseph Bodin wurde 1848 in Saumur geboren. Sein Vater war Architekt und als Diözesanbaumeister im Kirchenbau tätig. In dieser Funktion wurde er, als sein Sohn elf Jahre alt war, nach Albi, der Hauptstadt des Departements Tarn, versetzt. Dort verbrachte Paul Bodin zehn Jahre seiner Jugend. Später kehrte er im Zusammenhang mit dem Bau des Viaur-Viadukts mehrmals nach Albi zurück, da

Abb. 1
Tafelbild zum Viaur-Viadukt.
Die Spannweite im Mittelfeld beträgt 220 Meter.

Fig. 1
Panel picture of the Viaur viaduct.
The span in the middle field is 220 meters.

»Bodin and the Viaduc du Viaur in the South of France, 1896 – 1902

The deep valley of the Viaur river was the greatest challenge in the construction of the railway line from Carmaux to Rodez in the south of France. The construction of this railway line had already been approved in 1876 by the responsible ministry, the Ministry of Public Works, but for ten years no solution was found for a bridge that would span the Viaur valley, which was about 500 m wide and 100 m deep. In 1887 the ministry launched a competition among France’s leading engineers. Seven proposals were submitted, including solutions with iron arched supporting structures, including those by Eiffel’s former partner M. Seyrig, or with iron trussed beams on tall solid pillars; and then there was the design by Paul Joseph Bodin (1847 – 1926), which envisaged a wide-span cantilever arch bridge. The railway company rejected all proposals except for the trussed beam bridges, but especially Bodin’s proposal, which, it was feared, would cause the highest point of the bridge to drop sharply under the weight of the trains. However, a commission of experts appointed by the ministry eventually decided in favor of Bodin’s proposal and rejected the beam bridges, mainly because of doubts about the stability of the tall masonry pillars, standing over 100 m high. However, it was to take another ten years before Bodin’s project was finally approved.

Paul Joseph Bodin was born in 1848 in Saumur. His father was an architect and worked as a diocesan master builder in church construction. In this capacity, when his son was eleven years old, he was transferred to Albi, the capital of the Tarn department. Paul Bodin spent ten years of his youth there. He later returned to Albi several times in connection with the construction of the Viaur viaduct, as