Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Informationen sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Lektorat: Marion Glück
Korrektorat: Bianca Weirauch
Autorenfotos: Constanze Wild (www.constanze-wild.com)

Bild S. → Dominik Pfau (www.dominikpfau.de)

Umschlaggestaltung: Monika Leu und Grit Gebauer
Satz und Layout: Marion Glück und Grit Gebauer
Herstellung: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

Alle Rechte vorbehalten. Elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung.

Erstausgabe
© 2022 Glücksuniversum Verlag

ISBN Softcover 978-3-949536-30-4
ISBN E-Pub 978-3-949536-16-8

Glücksuniversum Verlag ist ein Imprint der
Glücksuniversum GmbH, Ruhlsdorfer Straße 120, 14513 Teltow

Wir produzieren perfekte nichtperfekte Bücher. Wenn du einen FEHLER entdeckst, ärgere dich bitte nicht. Werde zum HELFER und sende uns deine Anregungen an verlag@gluecksuniversum.de

Weitere Informationen zum Verlag findest du unter:

www.gluecksuniversum.de/verlag/

Dieses Buch ist meinen Kindern gewidmet.

Ich verneige mich vor ihnen.

Sie haben mir die Kraft gegeben, mir selbst zu vergeben.

Ihre Liebe und ihr Vertrauen ließen mich heilen.

Inhalt

Vorwort

Vergebung ist ein Thema, welches ausnahmslos jeden Menschen mindestens einmal im Leben in der einen oder anderen Form betrifft.

Es war eindrücklich zu sehen, wie Monika Leu in ihrer PALMTHERAPY-Ausbildung selbst damit konfrontiert wurde und wie sie in kürzester Zeit den Vergebungsprozess erfolgreich meisterte.

Um den emotionalen Schmerzen aus dem Weg zu gehen, versuchen die meisten Menschen, die Schuld auf andere zu schieben. Sie vergeben dann die Chance, in ihrem eigenen Leben endlich Liebe, Leichtigkeit und inneren Frieden zu finden.

Monika Leu hingegen ist in die Verantwortung gegangen! Sie hat sich ihrem eigenen Tabuthema gestellt und hat ihr Leben im wahrsten Sinne in die eigenen Hände genommen.

Sie hat dadurch die Liebe zu sich selbst, zu ihrer Familie und allen anderen Menschen wiedergefunden.

Als Monikas Leus Mentoren sind wir besonders stolz und dankbar, dass sie heute selbst anderen Menschen hilft, schmerzliche Emotionen, tief verwurzelte Überzeugungen und Vorwürfe in kürzester Zeit über die Hände zu verwandeln.

So kommt es, dass uns immer wieder Nachrichten von begeisterten Menschen erreichen, die über eine ganz neue Lebensqualität in allen Bereichen berichten, die sie sich niemals hätten vorstellen können.

Und genau das wünschen wir allen Hilfesuchenden! Denn unser größter Wunsch ist es, dass Menschen ihre Angst im Handumdrehen mithilfe eines PALMTHERAPY Professionals, wie Monika Leu es ist, in ein erfülltes Leben verwandeln – weil genau das möglich ist.

Christian und Jana Jäger

Begründer der PALMTHERAPY-Academy

Für dich, mein Herz

Es ist so wichtig zu vergeben, anderen und vor allem sich selbst.

Es lässt uns wieder bewusster, wertschätzend, miteinander verbunden und glücklicher leben.

BEWUSST leben – JETZT, um eines Tages in Frieden zu sterben.

Ich habe ein Jahr an diesem Buch geschrieben. Jeden Morgen habe ich mir 15 Minuten Zeit gegönnt, um aus dem Herzen, aus meinem Herzen zu schreiben. Ganz frei aus mir heraus flossen die Worte auf das Papier.

Mein Buch ist kein Buch, in dem meine Lebensgeschichte von hinten bis vorne durchgekaut wird und tief in alle Einzelheiten geht.

Mein Buch ist ein Buch, in dem es um Liebe, Vergebung und Heilung gehen.

Ja, natürlich spreche ich meine Schattenseiten an, schneide sie jedoch bewusst oberflächlich an, um dir zu zeigen, dass in jeder erfahrenen Situation vergeben werden kann.

In einem Interview würde ich auf konkrete Fragen ein paar wenige Antworten geben, jedoch betone ich „ein paar wenige Antworten“.

In diesem Buch geht es nicht darum, was ich alles getan habe. Es geht vielmehr darum, wie ich es geschafft habe, zu vergeben. Meine Schattenseiten habe ich angeschnitten, weil sie in dem Moment aus mir, meiner Tiefe herausgekommen sind.

Ich möchte, dass du für dich deine Schattenseiten findest und diese nicht mit meinen vergleichst.

In diesem Buch findest du ganz viele kleine Geschichten, kurze Kapitel und immer wieder Übungen, die du selbst praktizieren kannst. Ich erzähle dir kleine Anekdoten aus meinem Leben und nehme dich mit auf die Reise der Verletzung, der Liebe, der Vergebung, der Heilung und des Friedens.

Egal was ein Mensch getan und erlebt hat, Heilung beginnt mit

Vergebung. Vergebung entsteht durch verstehen.

Jeder Mensch wurde einmal nackt und unschuldig geboren.

Durch Lebensumstände, Situationen kann ein Mensch sich verändern, seine Gefühle einmauern, um all den Schmerz nicht mehr zu ertragen.

All die Verletzungen, die ich erlebte, sind aus tiefstem Herzen geheilt.

In diesem Buch geht es nicht darum, was jemand getan hat. Es geht mir darum, den Prozess darzustellen, um ihn verstehen zu können und selbst zu heilen.

Dieses Buch ist dazu da, um dich zu heilen. Du kannst es von vorne nach hinten lesen oder du beginnst in der Mitte oder wählst dir ganz nach Laune und Gefühl ein Kapitel. Ich empfehle dir, immer nur ein Kapitel zu lesen und die Übungen durchzuführen, soweit es dir möglich ist.

Es ist ein Heilbuch des Verstehens, um dich in dich und andere reinzufühlen.

Herzlichst,

deine Monika

Selbsthass

Ich hätte mir die Hände abhacken können.

Es geschah immer wieder.

Ich habe vor 40 Jahren etwas getan, wofür ich mich bis vor 20 Jahren hasste.

Ich war über 35 Jahre Pflegefachfrau und begleitete viele Menschen auf ihrem letzten Weg.

Dann eines Tages durfte ich während meiner Schicht auf der Pflegestation Max begegnen. Diese Begegnung berührte mich so tief, dass ich selbst begann zu vergeben.

Ich vergab meinen Eltern.

Ich vergab meinen ehemaligen Partnern.

Ich bat meinen Sohn um Vergebung.

Vor allem lernte ich, mir selbst zu vergeben, denn ich hätte mir die Hände abhacken können, weil es immer wieder geschah.

Ich habe mich gehasst, weil ich meinen Sohn geschlagen habe.

Kinder sind so zart und ihre Seele noch so rein. Daher sollte man dieser kleinen Seele mit Liebe begegnen.

Spüre in dich rein. Jeder Mensch war einmal diese kleine zarte Seele. Auch du!

Ja, ich weiß, dass es so sein soll.

Jedoch gibt es immer wieder Mütter und auch Väter, die es tun.

Ich möchte dich mitnehmen, um zu verstehen, warum und weshalb so etwas geschieht.

Erkennen, erfahren und vergeben ist der Schlüssel zur Heilung.

Bist du bereit für meine Geschichte?

Wofür hasst du dich womöglich? Was hintert dich daran, dich selbst zu lieben? Hier ist Platz für deine Gedanken und deine Gefühle. Wenn du magst, schreibe sie auf.

Max

Auf meiner Station lag eine alte Dame. Sie hatte Brustkrebs, war sehr schwer krank und die Wunden nässten. In ihrem Körper war alles vom Krebs zerfressen. Trotzdem konnte sie nicht sterben.

Jeden Tag und auch am Abend hörte ich, wie sie ganz leise einen Namen wimmerte.

Eine Freundin von ihr kam jeden Tag zu Besuch und saß lange an ihrem Bett.

Eines Tages holte ich die Freundin ins Stationszimmer und frage, ob sie wisse, wer dieser Max sei.

Die Dame sagte: «Max ist ihr Sohn.»

Ich war erstaunt, denn ich hatte ihn nicht einmal zu Besuch kommen sehen.

Dann erzählte mir die Frau die Geschichte der Sterbenden.

Diese hatte jung geheiratet, doch der Mann fiel im Krieg. Sie blieb allein mit ihrem Sohn zurück. Dann lernte sie einen anderen Mann kennen. Sie heirateten und bekamen eine Tochter. Da der Sohn nicht zu diesem Mann gehört, musste Max wie ein Hund am Boden sitzen und essen. Die Frau ließ alles über sich ergehen.

Nun lag die alte Dame im Sterben und konnte ihren Schmerz nicht ertragen. Sie rief mit leiser bebender Stimme immer wieder nach ihrem Sohn.

Ich fragte die Freundin, ob sie wüsste, wo der Sohn wohnt. Sie erzählte mir, dass er in Berlin lebte.

Ich nahm die alten dicken gelben Telefonbücher und telefonierte. Ich weiß nicht, wie lange ich telefonierte oder wie viele Nummern ich wählte. Doch auf einmal hatte ich ihn am Apparat.

Er sagte: «Ich komme sofort.»

Ich ging zu der alten Dame ins Zimmer und machte sie hübsch. Sie schaute mich überrascht mit ihren tief in den Höhlen liegenden Augen an. Der Tod hatte sie bereits im Leben gezeichnet. Ich sagte ihr, dass es eine Überraschung für sie gäbe.

Dann kam Max. Auch er war vom Leben gezeichnet, hatte ein rotes Gesicht, eine dicke Nase und eine Alkoholfahne. Ja, auch er litt die vielen Jahre.

Daher sage ich immer: «Verurteile nicht, denn du weißt nicht, was für eine Geschichte ein Mensch erlebt hat.»

Und dann geschah etwas, was ich NIEMALS vergessen werde. Die alte Dame schrie: «VERZEIH MIR! BITTE VERZEIH MIR!» Vorher hatte sie keine Stimme mehr und jetzt schrie sie.

Der Sohn kniete sich nieder, nahm ihre Hände, küsste sie und sagte:

«Mama, es ist alles gut. Ich liebe dich.«

In der gleichen Nacht starb die alte Dame friedlich!

Ich war so tief berührt, dass ich immer wieder an diese Nacht denken musste. Dann begann ich, mein ganzes Leben anzuschauen, und ich reflektierte meine Schmerzen.

Ja, es gab viele Schmerzen. Doch den allergrößten Schmerz fühlte ich meinem Sohn gegenüber.

Ich begab mich auf den Weg der Erinnerung.

Mein erster Schmerz

In jedem Leben gibt es auch Schatten und erst durch das BEWUSSTWERDEN erkennt man die Zusammenhänge.

Bei mir begann der Prozess schon im Mutterleib meiner Mama.

All ihren Schmerz und ihre Ängste übertrugen sich auf meine kleine Seele.

Später, als ich selbst auch Schmerz erlebte, baute ich unbewusst eine Mauer um mein Herz, damit ich diesen Verlust, diesen Schmerz nicht mehr fühlen musste.

Lebensereignisse, wie die Scheidung der Eltern, der Tod des Vaters, der Mutter, der geliebten Oma, eines Kindes … können so viel in uns Menschen verändern und lassen uns hart werden.

Unbewusst werden wir geprägt. Schon im Mutterleib nimmt das Ungeborene den Schmerz der Mutter wahr. Verluste bei Scheidungen, Gewalt gegenüber der Mutter übertragen sich auf das Kind. Im Kindesalter Erlebtes tragen wir unbewusst in unser Leben mit.

Zu diesen Lebensereignissen zählt zum Beispiel der Verlust eines lieben Menschen. Häufig entsteht in den Zurückgebliebenen ein so großes Leid, dass sie es kaum ertragen können, auch nur an diesen schmerzhaften Verlust zu denken, geschweige denn ihn zu fühlen.

Das Resultat ist oft, dass man sich von seinen Gefühlen abschneidet.

So erging es auch mir.

Als mein Vati gestorben war, brach für mich eine Welt zusammen. Ich konnte mich nicht so verabschieden, wie ich es mir wünschte.

Noch heute erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen.

Ich war 19 Jahre. Meine Eltern hatten sich scheiden lassen, als ich fünf war. Ich bekam einen Anruf von der Lebenspartnerin meines Vatis. Ganz kurz angebunden teilte sie mir mit, dass er gestorben sei. Mehr nicht. Es folgte nur noch der Satz: «Ich melde mich wieder.»

Für mich brach eine Welt zusammen. Mein einziger Herzenswunsch war, dass ich unbedingt bei der Beerdigung dabei sein wollte, um mich zu verabschieden. Von der Lebensgefährtin hörte ich nichts. Ich sorgte mich bezüglich des Beisetzungstermins.

Also fuhr ich mit einem Freund im Zug nach Dresden, denn dort hatte mein Vati mit seiner Lebenspartnerin in einer Villa gewohnt.

Sie war eine große Harfenistin und spielte auf großen Bühnen.

Als Kind bin ich auch einmal dort gewesen und habe sie spielen gesehen. Ich war damals so glücklich, denn ich saß neben meinem Vati und er hielt mich mit seinem Arm fest. Ich spüre noch heute diesen Moment.

Als ich nach der langen Fahrt in Dresden vor der Villa angekommen war, stand ich vor dem Tor und läutete. Niemand öffnete mir. Nur die Nachbarin von nebenan kam vorbei. Sie kannte mich nicht und sagte mir, dass der geliebte Partner verstorben sei. Deshalb sei niemand zu Hause. «Sie sind alle zur Beisetzung auf dem Friedhof.» Wo die Beisetzung stattfand, konnte sie mir nicht sagen. Mein Herz klopfte bis zum Hals. Ich war wie gelähmt, mein Herz schmerzte vor diesem Verlust und meine Sehnsucht wurde immer größer, unbedingt dabei sein zu wollen.

Ich erinnerte mich an ein Fenster auf der Rückseite der Villa. Ein kleines Schlupfloch. Ich betrat das Grundstück, ging zu dem Fenster und bat meinen Freund, mich hochzuheben. Er hob mich hoch. Ich hebelte den Haken aus, kletterte durch das kleine längliche Küchenfenster und war drin. Dann ging ich zur Eingangstür und ließ meinen Freund ins Haus.

Mein Freund blieb im Wohnzimmer und ich ging in das Zimmer meines Vatis, denn ich wollte mit meinem Schmerz allein sein. Ich weinte hemmungslos. In einem Glasschrank sah ich seinen Ring. Es war ein wunderschöner goldener Ring mit einem lila Stein. Er trug ihn schon, als meine Mama und er noch ein Paar waren. Ich nahm ihn aus der Vitrine und steckte ihn in meine Tasche.

In dem Moment fühlte es sich so schön an, etwas von ihm bei mir zu haben.

Anschließend sortierte ich meine Gedanken, nahm die dicken gelben Telefonbücher aus dem Schrank und begann, die Friedhöfe anzurufen. Irgendwann hatte ich Glück und fand den Friedhof, auf dem die Beisetzung stattfand.

Ich schrieb die Adresse auf und legte einen Zettel für die Lebenspartnerin meines Vatis hin, auf dem ich ihr erklärte, dass ich in das Haus eingestiegen bin, weil ich in dem Moment keine andere Möglichkeit sah, und selbstverständlich würde ich für einen eventuellen Schaden aufkommen. Ich ließ sie außerdem wissen, dass ich nach dem Friedhofsbesuch zurückkäme.

Dann bestellte ich ein Taxi und fuhr mit meinem Freund zum Friedhof.

Am Grab angekommen, stand ich wie angewurzelt. Ich sah so viele wunderschöne Blumen, Kränze mit Schärpen und ich las all die lieben Worte des Abschieds und wer hier trauerte.

Nur mein Name, der stand nirgends.

Ich spürte ein Stich in meinem Herzen und weinte leise.

Ich bat meinen Freund um einen Kugelschreiber und schrieb auf eine der Schärpen:

«Lieber Vati,

ich vergesse dich nie.

Ich liebe dich.

Deine Tochter Monika»

Dann fuhren wir zurück zur Villa. Als wir dort ankamen, stand die Polizei vor der Tür. Dann ging das Geschrei der Lebenspartnerin los:

«Durchsucht sie! Nehmt sie mit! Bringt sie weg! Ich will sie nicht mehr sehen!»

Ein Polizist fand den Ring und nahm ihn mir weg. Ich schrie, flehte und weinte. Doch ich bekam den Ring nicht mehr zurück.

Die Polizei fuhr uns zurück zum Bahnhof mit der Auflage, dass wir Dresden umgehend verlassen.

In mir brach eine Welt zusammen.

Ein paar Tage später bat ich meine Mama, zu bezeugen, dass der Ring meinem Vati schon früher gehörte. Doch sie reagierte mit Ablehnung.

Sie sagte, dass sie nichts damit zu tun haben wollte.

Genau in dem Moment geschah etwas in mir. Ich begann, unbewusst die Mauer zu bauen. Mit jeder weiteren erlebten Schmerzsituation wurde sie immer dicker.

Gefängnis

Nach vielen schweren Beziehungen hatte ich mit 20 Jahren meine große Liebe kennengelernt. Es war für uns beide eine tiefe Liebe, die bis heute noch in meinem Herzen innewohnt.

Er kam aus Westberlin und ich lebte in der DDR. Ich versuchte auszureisen. Dafür hatte ich Anträge gestellt, doch diese wurden abgelehnt.

Meine Sehnsucht nach einem gemeinsamen Leben mit ihm war so stark, dass ich mich entschloss zu flüchten. Mit einer Freundin packte ich einige Habseligkeiten und dann machten wir uns auf den Weg. Einige Tage später starteten wir den Fluchtversuch. Es war Ende Januar 1978 und bitterkalt. Erst wurde meine damalige Freundin festgenommen. Ich war schon im sogenannten Todesstreifen zwischen Bratislava und Österreich. Mich konnten sie nur durch Hunde, die sie auf mich hetzten, zurückholen. Nach einer Woche im tschechischen Gefängnis wurden wir nach Berlin-Rummelsburg ins Gefängnis überführt.

Dort bekam ich plötzlich einen Blutsturz. Ich wurde notdürftig versorgt und in das Kankenhaus in Berlin-Friedrichshain überführt.

Niemals werde ich diesen Augenblick vergessen, als mich der Arzt untersuchte und mich mitfühlend anschaute. «Sie sind im vierten Monat schwanger», sagte er. Ich hörte seine Worte, doch verstand sie nicht sofort. Als ich sie realisierte, fing ich an, bitterlich zu weinen. Mir wurde bewusst, dass draußen vor dem Behandlungszimmer zwei Polizisten standen, die mich wieder mitnehmen wollten.

Der Arzt fragte mich, woher ich käme. Doch ich schüttelte den Kopf, denn ich hatte Angst, etwas zu sagen. Er hatte Geduld und sprach ganz ruhig mit mir. Er könne erahnen, woher ich käme. Durch ihn bestand die Chance, dass ich nach Hause könnte, denn ich wäre durch meine bestehende Schwangerschaft in Mutterschutz.

Die Tränen rollten über mein Gesicht. Dann sagte ich ihm leise: «Ich komme aus dem Gefängnis.»

Anschließend ging der Arzt vor die Tür und sprach mit den Polizisten. Ich hörte nur seine laute Stimme, doch verstand kein Wort. Nach einer Weile kam er wieder ins Zimmer und sagte, dass die Herren weg wären und ich erst mal in ein Krankenhauszimmer käme und bleiben würde.

Ich weinte bitterlich und spürte in mir eine kleine Erleichterung.

So vergingen die Tage und Wochen.

Die Zeit der Schwangerschaft war nicht leicht. Jeden Morgen wurde ich zur Vernehmung geladen und ich verlor immer mehr an Gewicht. Die Mütterberatung machte sich schon Sorgen und fragte immer wieder, ob alles gut sei. Zu den Menschen hatte ich jedoch kein Vertrauen. Ich wollte nur mit dem Arzt vom Krankenhaus sprechen. Zu ihm hatte ich Vertrauen.

Ich bekam einen Termin und erzählte ihm von meinen nicht enden wollenden täglichen Vernehmungen. Wieder hörte ich seine starke Stimme. Dieses Mal wurde er am Telefon laut. Anschließend sagte er mir, dass ich bis zur Entbindung meine Ruhe haben würde, und so war es auch.

Hier ist Platz für deine Gedanken und deine Gefühle. Wenn du magst, schreibe sie auf.

Hass und Wut

Ich gebar meinen Sohn und war so glücklich. Doch jetzt begann für uns eine sehr einschneidende Zeit, denn meine große Liebe, sein Vater, wurde nicht ins Land gelassen. Wir konnten uns nicht mehr sehen, denn an der Grenze schickte man ihn immer wieder zurück. Er kümmerte sich bestmöglich um mich, indem er einen sehr guten Rechtsanwalt für mich organisierte. Rechtsanwalt Vogel war der Anwalt, der sich damals für politisch Gefangene einsetzte.

Nachdem sich der Mutterschutz langsam dem Ende näherte, bekam ich vom Anwalt eine Aufgabe. Als ich sie hörte, riss es mir fast das Herz aus der Brust.

Mein Sohn war gerade mal vier Wochen auf dieser Welt und ich sollte ihn in ein kirchliches Kinderheim bringen. Die Aufgabe, vor die ich gestellt wurde, war zum Schutz meines Kindes, doch was machte es mit mir?

In der ehemaligen DDR konnten Kinder zur Zwangsadoption freigegeben werden. Um mein Kind vor einer Zwangsadoption zu schützen, empfahl mir der Rechtsanwalt, ihn in die Obhut des Kinderheims zu geben.

Sollte ich, wie es schon öfters geschah, aus dem Gefängnis ausgewiesen werden, könnte er meinen Sohn mit einer Vollmacht in den Westen bringen. Ich wurde zu zwei Jahren und acht Monaten verurteilt und nach dem Mutterschutz konnten sie mich jeden Tag von zu Hause abholen.

Ich war wie erstarrt, jedoch ich verstand auch.

Dann kam der besagte Tag. Ich fuhr mit meinem kleinen Sohn im Kinderwagen mit der S-Bahn nach Strausberg/Eggersdorf bei Berlin. Mit jeder Minute fuhr ich immer näher zum Kinderheim.

Ich weinte bitterlich, während mich mein Sohn mit seinen wunderschönen dunklen Augen anschaute. Dort angekommen, stellte ich meinen Sohn neben das Fenster des Büros, denn er schlief ganz ruhig, und eine nette Dame begrüßte mich.

Sie war so einfühlsam und hörte geduldig zu. Immer wieder sagte ich unter Tränen: «Ich kann das nicht. Ich kann meinen Sohn nicht hier abgeben.»

Tiefes Mitgefühl klang aus den Worten der Dame. Sie war die Leiterin des Kinderheims. Ich ging erst zum Kinderwagen, nachdem sie sagte, es sei zum Wohle aller. Als ich in den Kinderwagen schaute, war er leer. Ich hatte es nicht bemerkt, wann sie meinen Sohn aus dem Kinderwagen herausgenommen hatten.

Ich stand wie versteinert vor dem leeren Kinderwagen und spürte, wie sich die Leere in mir ausbreitete.

Sie nahm mich in die Arme und sagte, dass sie gut auf mein Baby aufpassen und mir auch Fotos schicken würden.

An diesem Tag, als ich mit dem leeren Kinderwagen zurückfuhr, kamen Wut und Hass in mir hoch. Ich verfluchte die ganze Welt.

Das war der Moment, in dem die Mauer um mein Herz so dick und groß wurde, damit ich meinen Schmerz überhaupt irgendwie ertragen konnte.