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© Piper Verlag GmbH, München 2022
Redaktion: Diane Steigerwald
Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)
Covergestaltung: Alexa Kim »A&K Buchcover«
Covermotiv: Omennn/depositphotos.com; Aepsilon/shutterstock.com
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Für Caro.
Es mag sein, dass ich früher behauptet habe, wir hätten dich aus dem Tierheim adoptiert, aber heutzutage bin ich ziemlich froh, dass du meine kleine Schwester bist.
Habt ihr schon mal etwas bereut, noch während ihr dabei wart, es zu tun?
So ging es mir, als ich mit der jungen Frau nach Hause gegangen bin, die es sich nun auf meinem Oberarm bequem gemacht hat. Sie döst seit einer halben Stunde. Mein Arm ist ebenfalls eingeschlafen, und meine Finger kribbeln schon seit einer ganzen Weile nicht mehr, sie sind vollständig taub. Mit der freien Hand scrolle ich auf meinem Handy herum, doch weder auf Social Media noch in meiner Dating-App passiert irgendetwas Spannendes. Höchste Zeit, nach Hause zu laufen.
»Evelyn?«
Ich versuche, mich aufzusetzen, aber der Klammergriff um meinen Oberkörper verstärkt sich.
»Pst, Evelyn. Es ist spät, ich werd jetzt gehen.«
Sie grummelt unwillig. Langsam öffnet sie ein Auge.
»Was is’ los?«
»Ich muss nach Hause.«
»Bleib doch hier.«
Ich übergehe ihren Vorschlag, indem ich erneut versuche, meinen Arm unter ihr hervorzuziehen. Sie seufzt und richtet sich auf. Es gelingt ihr nicht mal ansatzweise, ihre Enttäuschung zu verbergen, als ich die Beine über den Rand ihres Bettes schwinge und beginne, meinen leblosen Arm zu schlenkern. Sobald er sich wieder bewegen lässt, sammle ich meine Klamotten vom Boden auf. Beim T-Shirt angelangt, kann sie ihren Missmut nicht länger für sich behalten.
»Musst du wirklich schon gehen?«, fragt sie und zupft sich die wilden Locken zurecht, in denen ich früher am Abend meine Hände vergraben habe.
Ich unterdrücke ein Seufzen.
»Morgen muss ich echt früh raus.«
Ich fühle mich immer ein bisschen schlecht dabei, meinen Job für einen reibungslosen Abgang vorzuschieben. Schließlich ist er eines der wenigen Dinge in meinem Leben, die ich wirklich ernst nehme. Aber er liefert mir eine so willkommene Ausrede, dass ich oft nicht widerstehen kann.
Bei meiner Antwort krümmen sich Evelyns Lippen zu einem verträumten Lächeln.
Ein weiterer Vorteil meiner Arbeit: Sie kommt bei Frauen verdammt gut an. Irgendetwas an der Vorstellung, dass ich Geld fürs Windelwechseln bekomme, scheint wahnsinnig süß zu sein.
»Du musst bestimmt den Kindergarten aufschließen.«
»Genau.«
»Rufst du mich die Tage an?«, fragt sie, während ich auf einem Fuß balancierend in meinen Sneaker schlüpfe.
»Mal sehen.«
»Komm schon, Basti. Du musst zugeben, dass das vorhin viel Spaß gemacht hat, oder? Das ist es doch, was du willst. Wir können es wiederholen.«
»Es hat wirklich Spaß gemacht«, antworte ich ausweichend. Zwar stimmt es, dass wir im Bett fantastisch harmonieren. Das ändert aber nichts daran, dass ich nach Hause gehen werde. Ganz ehrlich, Evelyn ist eine tolle Frau, es ist nur so, dass ich miteinander und beieinander schlafen nach Möglichkeit nicht vermische.
Nachdem ich mich vollständig bekleidet habe, hebe ich die Hand, um mich zu verabschieden. In ihrer Einzimmerwohnung habe ich keinen weiten Weg bis zur Tür.
Schneller, als ich es ihr zugetraut hätte, krabbelt Evelyn übers Bett, hakt ihre Finger in die Gürtelschlaufen meiner Jeans und zieht sich daran zu mir hoch. Bevor ich mich wehren kann, legt sie ihre Lippen an meinen Hals und saugt kurz und fest an der dünnen Haut unterhalb des Ohrs. Überrascht vom spitzen Schmerz schnappe ich nach Luft.
»Woah, sachte«, bringe ich heraus, während Evelyn kichert, und nehme Abstand bis zur Wohnungstür, sodass sie gar nicht erst auf die Idee kommen kann, an anderer Stelle weiterzuknabbern.
»Ein kleines Andenken«, erklärt sie, lässt sich in die Kissen zurückfallen und rekelt sich wie eine zufriedene Katze.
Ein Andenken? Klasse. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was ich mir unter einem unverbindlichen Verhältnis vorstelle. Dabei ist es der erste und wichtigste Punkt, den ich in aller Deutlichkeit anspreche, wenn aus einem Flirt mehr zu entstehen scheint: Ich will nichts Ernstes. Nichts, was nicht jederzeit beendet werden kann, sobald einer von uns das Interesse verliert. Nichts, was ein gebrochenes Herz zur Folge haben könnte. Ich will keine Hoffnungen schüren, die ich beim besten Willen nicht erfüllen kann und noch viel weniger erfüllen will. Ich versuche, zu vermeiden, dass es jemanden schmerzt, mich zu verlieren. Denn ich kenne diesen Schmerz und wünsche ihn niemandem.
Evelyn hat recht. Ich will Spaß haben, und das war’s. Wem das zu wenig ist, der ist bei mir an der falschen Adresse. Mittlerweile bin ich es jedoch gewohnt, mit meinen Absichten auf Nummer sicher zu gehen.
»Evelyn, du weißt, ich möchte …«
»Nichts Ernstes, schon klar.«
»Beim letzten Mal …«
»Entspann dich, Basti«, fällt sie mir erneut ins Wort. »Ich will dich doch nur noch mal treffen, nichts weiter.«
Zweifelnd schaue ich sie an. Evelyn ist sehr hübsch. Rote, krause Locken, taubengraue Augen und rosa, mit Sommersprossen besprenkelte Lippen. Aber am meisten an ihr mag ich, wie spontan sie ist. An einem Sommerwochenende vor zwei Jahren sind wir mit meinem uralten, klapprigen Auto nachts nach Frankreich gefahren, weil wir beide Lust auf Crêpes zum Frühstück hatten. Wir hatten auch damals sehr viel Spaß zusammen. Bis ihr Spaß allein nicht mehr gereicht hat und sich unsere Wege getrennt haben. Erst heute, auf dem Laarburger Altstadtfest, sind wir uns erneut begegnet. Ein kurzes Gespräch führte zum Flirt, einem Kuss und am Ende in Evelyns Schlafzimmer.
Sie ist nicht die erste Frau, die glaubt, dass ich in Wirklichkeit nur auf »die Richtige« warte und mich so lange unerreichbar gebe, bis ich sie gefunden habe. Sie ist auch nicht die Erste, die geglaubt hat, die Richtige zu sein. Und so wichtig mir meine Unabhängigkeit auch ist – ich bin kein emotionsloser Eisklotz. Es gefällt mir nicht, jemanden zu enttäuschen. Sonst würde ich mir nicht die Mühe machen, es gar nicht erst dazu kommen zu lassen.
Warum ich trotzdem mit zu ihr nach Hause gegangen bin? Wenn ich in ihre geradezu herausfordernde Miene schaue, frage ich mich das auch.
»Bekomme ich einen Abschiedskuss? Oder ist das schon zu verbindlich für dich?«
Mit der einen Hand schon an der Türklinke werfe ich ihr einen Luftkuss zu, den sie mit einem Augenrollen quittiert. Doch sie grinst dabei, und es ist schwer zu sagen, ob sie dahinter etwas verbergen möchte.
»Ciao, Evelyn.«
Ihre Wohnungstür knarzt, als ich sie zuziehe.
»Bis bald, Basti«, ruft sie, dann fällt die Tür ins Schloss.
Die Sonne ist bereits untergegangen, als ich mich auf den Nachhauseweg mache, aber die einkehrende Dunkelheit ist typisch sommerlich. Das letzte Licht des Tages klammert sich eisern am Himmel fest, und der Horizont, der zwischen den Hausdächern hindurchlinst, ist in einem satten Lila gefärbt.
Ich mag diese nächtlichen Spaziergänge. Es tut gut, nach einem Abend zu zweit allein nach Hause zu laufen. Obwohl es schwül ist, hilft mir die Luft, runterzukommen und das Treffen mit Evelyn hinter mir zu lassen.
Als mein Handy nach wenigen Minuten in der Hosentasche vibriert und damit eine neue Nachricht verkündet, brauche ich nicht nachzusehen, um zu wissen, dass sie von ihr ist.
Ich seufze leise. Mache ich mir etwas vor? Spätestens nach unserer Verabschiedung muss ich mich fragen, ob unsere Vorstellungen von unverbindlichem Spaß überhaupt vereinbar sind. Es wäre viel leichter gewesen, uns beiden einen Gefallen zu tun und unser Wiedersehen bei einem kurzen Gespräch zu belassen. Und das hätte ich wohl auch getan, stünde ich nicht seit einiger Zeit unter einem Fluch.
Einem überaus nervigen Fluch, den ich Mona Sommerfeldt zu verdanken habe.
Mona, die vor zwei Monaten für ein Jobangebot der Laarburger Polizei hergezogen und unerwartet auf der Grillparty meines Bruders Vic aufgetaucht ist. Alma, Monas Cousine und eine gemeinsame Freundin von Vic und mir, hat gehofft, sie in unsere Clique integrieren zu können. Aber Mona scheint daran überhaupt kein Interesse zu haben. Seit der Party habe ich sie nicht mehr wiedergesehen.
Böse Zungen könnten behaupten, dass ich daran eine Mitschuld trage. Schließlich habe ich Mona damals recht unverblümt angeflirtet, indem ich ihr auf der Party Sex on the Beach angeboten habe. Und als Alternative mein Auto, falls es ihr bis zum Strand zu lange dauert. Sie war an beidem nicht interessiert, was schade ist, doch nicht schlimm wäre, würde ich seither nicht einen Korb nach dem nächsten kassieren.
Bevor ich Evelyn getroffen habe, schien es, als wäre ich völlig unfreiwillig vom Radar der weiblichen Bevölkerung verschwunden. Ich. Sebastian Fischer, der sich vor lauter Angeboten oft kaum entscheiden konnte. Ich bin eigentlich nicht der Mann fürs Spirituelle, aber nach dieser Flaute musste ich einfach von einem Fluch ausgehen.
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Sinn ergibt es, dass Evelyn davon nicht beeinträchtigt ist. Immerhin habe ich sie Jahre vor der verhängnisvollen Grillparty kennengelernt. Was immer Monas erboste Abfuhr mit mir gemacht hat – auf Evelyn scheint es keine Auswirkungen zu haben.
Da ich mich in einem der äußersten Stadtviertel befinde, beschließe ich, eine Abkürzung quer durch den Industriebezirk zu nehmen. Laarburg, das inmitten eines großflächigen Waldgebiets liegt, ist nicht zuletzt für seine Holzwirtschaft bekannt.
Ich schlendere zwischen den riesigen Lagerhäusern und Sägewerken hindurch und bedauere gerade, dass ich keine Kopfhörer dabeihabe, um Musik zu hören, als mich ein metallisch-klirrendes Geräusch aufhorchen lässt.
Ich halte einen Moment inne und lausche.
Wenige Sekunden später ertönt es ein zweites Mal.
Um diese Uhrzeit stehen die Kreissägen in den Werken eigentlich still, und Schnittholz sollte längst verräumt worden sein.
Misstrauisch linse ich um die Ecke der Lagerhalle, die unmittelbar an der Kreuzung steht, die ich passieren wollte.
Zunächst sehe ich nichts, was das Klirren verursacht haben könnte. Vermutlich war es nur eine Ratte, die sich durch ein Regenrohr nagt.
Aber gerade als ich weiterlaufen möchte, höre ich das Geräusch erneut, dieses Mal um einiges lauter. Und da – ungefähr dreißig Meter entfernt – entdecke ich eine in Schwarz gekleidete Person, die sich ächzend über einen hohen Maschendrahtzaun zieht.
Die Hose scheint sich verhakt zu haben, denn der Person entweicht ein gepresster Schmerzenslaut, gefolgt von einem »Himmelherrgott noch mal!«, als sich der Stoff endlich löst. Der Stimme nach ist es vermutlich ein Mann. Mit einem dumpfen Aufprall landet er auf dem Lagerplatz von einem der Sägewerke.
Falls es sich dabei lediglich um einen Mitarbeiter handelt, der seine Schlüssel vergessen hat, wählt er einen recht umständlichen Weg, um das Gelände zu betreten.
Den Kapuzenpulli tief ins Gesicht gezogen, nähert er sich dem Sägewerk, dann dreht er sich langsam um die eigene Achse. Hastig mache ich einen Schritt zurück in den Schutz der dicken Lagerhallenmauer. Wer seine Umgebung so bedächtig unter die Lupe nimmt, führt garantiert nichts Gutes im Schilde.
Ich hatte noch nie ein Problem damit, nachts allein nach Hause zu laufen, aber für gewöhnlich begegne ich dabei auch keinen Einbrechern. Mein Puls legt einen Zahn zu, und ich zwinge mich, ein paarmal tief ein- und auszuatmen, um den Adrenalinschub unter Kontrolle zu bekommen. Dann ziehe ich das Handy aus der Hosentasche und entsperre den Bildschirm.
Vorsicht ist besser als Nachsicht, mahne ich mich in Gedanken, während ich die Notrufnummer der Polizei wähle.
Das Handy fest ans Ohr gepresst, beuge ich mich ein wenig vor, um an der Lagerhalle vorbeizuspähen. Wo ist der Eindringling hin? Ich kneife die Augen etwas zusammen und entdecke ihn direkt unter einem der riesigen Fenster, das randalierende Jugendliche wohl einst als Zielscheibe auserkoren haben, denn die Scheibe ist zersplittert.
In der Leitung tutet es noch, als der vermummte Typ ein Feuerzeug aus einer Tasche des Kapuzenpullis befördert, es entflammt und gegen den Hals einer Glasflasche hält. Der Stoff, der darin steckt, fängt augenblicklich Feuer, und im nächsten Moment segelt die Flasche in hohem Bogen durch das Fenster. Sie zerschellt laut, und Licht flackert hinter der Scheibe auf. In kürzester Zeit lodern Flammen.
Sollte das wirklich ein Mitarbeiter sein, dann ist er entweder drastisch unterbezahlt oder hat unlängst seinen Job verloren.
Der Brandstifter ist schon auf dem Rückweg und halb über den Maschendrahtzaun, als mein Anruf endlich entgegengenommen wird.
»Notruf Leitstelle Laarburg«, dringt eine Stimme aus dem Handy. Sie erscheint mir viel zu laut.
»Hallo? Sie haben den Notruf gewählt. Können Sie sprechen?«
Die Worte kommen mir erst über die Lippen, als ich sehe, dass der Kerl nicht auf mich zu-, sondern in die entgegengesetzte Richtung davonrennt.
»Ja … ehm … hier ist Sebastian Fischer.«
»Herr Fischer, wo befinden Sie sich?«, stellt die Frau am anderen Ende der Leitung die erste der fünf W-Fragen.
»In der Nordstadt. Hier hat jemand ein Sägewerk angezündet.«
Es ist fast ein bisschen gruselig, wie leise ein Kindergarten sein kann, nachdem alle Kinder abgeholt wurden. Spielzeug und Bastelsachen sind ordentlich in die Regale einsortiert, der Turnraum ist leer, und an den Garderoben im Flur hängen keine Jacken mehr. Neben einer Toilette finde ich ein angebissenes Käsebrot, das ich mit spitzen Fingern in die Küche bringe, um es dort im Biomüll zu entsorgen.
Meine Chefin Marie lehnt am Kühlschrank und genießt eine letzte Tasse Kaffee, bevor wir das Gebäude abschließen. Wir haben die Nachmittagsbetreuung übernommen, und da eine Kollegin ausgefallen ist, gab es für uns beide keine ruhige Minute. Mich stört das in der Regel nicht, aber Marie sieht aus, als hätte sie Koffein heute besonders nötig.
»Ich hab nur eine Sekunde nicht hingesehen. Wirklich nur eine Sekunde lang! Und schon hatte Leni Kleber in den Haaren«, beklagt sie sich und ertränkt ein tiefes Seufzen in einem weiteren großen Schluck. »Die Strähne muss bestimmt abgeschnitten werden.«
Schmunzelnd stütze ich mich am Küchentresen gegenüber ab.
»Du kommst schon nicht in den Knast«, meine ich beschwichtigend. Lenis Mutter ist rund um die Uhr besorgt um ihre Tochter und dafür bekannt, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen.
»Aber vielleicht vor den Elternbeirat.«
»Was im Grunde schlimmer als der Knast ist«, gebe ich zu.
»Eben.«
Ich möchte gerade erwidern, dass Lenis Mutter bestimmt mit sich reden lässt, als mein Handy zu klingeln anfängt. Da Zeit für den Feierabend ist, habe ich es schon aus dem Spind im Personalraum geholt. Die Nummer auf dem Display kommt mir nicht bekannt vor, beginnt aber mit der Laarburger Vorwahl, und so nehme ich das Gespräch neugierig an.
»Sebastian Fischer, hallo?«
»Guten Tag. Sie sprechen mit Kriminalkommissar Konrad Eberle. Herr Fischer, Sie waren vor vier Wochen Augenzeuge des Brandanschlags in der Waldhausstraße.«
»Ehm … Ja. Das ist richtig.«
Der Kommissar hat keine Frage formuliert, und ich habe keinen blassen Schimmer, worauf er hinaus möchte. Die Einsatzkräfte – Polizei und Feuerwehr – sind damals nach nur wenigen Minuten eingetroffen und haben das Feuer glücklicherweise gelöscht, bevor größere Schäden entstehen konnten. Noch vor Ort habe ich den Polizisten alle Details genannt, die mir am Täter aufgefallen sind. Aufgrund seiner Vermummung gab es leider nur wenig zu berichten.
»Haben Sie die Möglichkeit, aufs Präsidium zu kommen?«
»Heute noch?«
»Ja. Am besten jetzt gleich.«
Eberle klingt, als dauere ihm das Telefonat bereits viel zu lange.
»Aber ich habe doch schon meine Aussage gemacht.«
Interessiert schielt Marie über den Rand ihrer Kaffeetasse.
»Wir möchten Ihnen gern noch ein paar Fragen stellen.«
Er sagt zwar »wir möchten gern«, aber sein Tonfall macht ziemlich deutlich, dass er eigentlich »wir werden in jedem Fall« meint. Da ich nicht scharf darauf bin, einen Kommissar gegen mich aufzubringen, wird mein Training im Fitnessstudio heute wohl oder übel warten müssen.
»Okay, ich fahre gleich los. In einer halben Stunde sollte ich da sein.«
»Gut. Geben Sie an der Rezeption Bescheid, dass Sie erwartet werden.«
Ohne ein weiteres Wort legt er auf. Netter Kerl.
»Wer kommt hier in den Knast?«, fragt Marie grinsend, sobald ich das Handy wieder in der Hosentasche verstaut habe.
»Verhaftet wegen sexy«, erkläre ich mit einem Zwinkern, woraufhin Marie schmunzelnd mit den Augen rollt. »Nein, scheinbar gibt es noch ein paar Fragen bezüglich meiner Zeugenaussage. Ich habe doch diesen Brandstifter beobachtet.«
Sie nickt wissend.
Derlei Geschichten sind in unserer Küche heiß begehrter Gossip. Unter meinen Kolleginnen hat mein Erlebnis schon längst die Runde gemacht, und wie es mit Tratsch nun mal so ist, sind noch ein paar Storyelemente dazugekommen, die nicht von mir stammen. Zum Beispiel der Punkt, dass ich den Brandstifter persönlich gestellt und am Boden fixiert habe, bis die Einsatzkräfte eintrafen. Aber wer wäre ich denn, wenn ich einer solchen Geschichte in die Quere käme? Nein, nein, die Legende soll gern ihren Lauf nehmen.
Nachdem Marie mir versichert hat, dass sie den Kindergarten auch problemlos allein abschließen kann, mache ich mich auf den Weg zum Präsidium.
Es ist immer eine Frage des Glücks, ob mein steinalter VW anspringt oder nicht, aber heute ist er gnädig. Knatternd und polternd erwacht der Motor zum Leben und bringt mich sicher durch den Laarburger Feierabendverkehr. Aus Angst, einer der Polizisten könne nach einem Blick auf meinen Wagen den Abschleppdienst ordern, parke ich vorsichtshalber ein paar Straßen entfernt von dem schicken Gebäude, das die Stadt der Polizei vor ein einigen Jahren spendiert hat.
Es ist ein moderner, rechteckiger Neubau aus grauem Backstein mit gigantischer Fensterfront. Etliche Kameras sind auf die Zugänge ausgerichtet, auch auf den Haupteingang, den ich ansteuere. An der Rezeption sitzt ein Mann in meinem Alter. Er kaut auf einem Kugelschreiber herum und scheint nicht bemerkt zu haben, dass Tinte ausgelaufen ist. Hinter seinem Ohr klemmt ein zweiter Stift, neben ihm türmt sich ein riesiger Stapel Unterlagen auf, und von den drei Telefonen, die er betreut, klingeln alle.
Als ich näher an den Rezeptionstresen trete, hebt er einen Finger, um mir zu bedeuten, dass ich warten soll. Mit der anderen Hand klickt er wild auf einer Computermaus herum.
»Gut«, sagt er schließlich gehetzt und hebt den Blick. »Was kann ich für dich tun?«
»Kommissar Eberle hat mich gebeten, hierherzukommen.« Wobei er es mir eher befohlen hat. »Mein Name ist Sebastian Fischer.«
Der Rezeptionist kneift die Augen ein wenig zusammen, dann nickt er langsam. Irgendwie kommt er mir bekannt vor. Aber warum?
Ich versuche, in meinem Kopf zu graben – meine Arbeit im Kindergarten hat dafür gesorgt, dass ich ein unvergleichliches Namensgedächtnis entwickelt habe –, aber womöglich verwechsle ich ihn auch mit jemandem. Martin … Markus … Mario? Er beginnt, sich durch das Chaos auf seinem Schreibtisch zu wühlen, und ich gebe es auf. Kein Name scheint zu passen.
»Ja, er hat eben noch einen Zettel vorbeigebracht, auf dem der Besprechungsraum notiert ist. Wo hab ich ihn denn … Wo zum Teufel … Ah ja, hier!«
Er präsentiert mir den Papierschnipsel wie den Heiligen Gral. Besprechungsraum 12 steht darauf.
»Und wo ist der?«
»Den Gang entlang, dann links abbiegen, und die dritte Tür rechts nehmen. Nein, Quatsch, die zweite Tür rechts. Sorry, bin gerade etwas im Stress …«
Wie auf Kommando schrillt ein weiterer Klingelton los. Der junge Kerl scheint ebenso wenig wie ich zu wissen, woher er stammt.
»Kein Ding. Du hast übrigens Tinte im Gesicht.«
Gequält schaut er auf seinen überquellenden Schreibtisch, dann wieder zu mir.
»Glaub mir, ich habe noch ganz andere Probleme.«
Bevor er mein belustigtes Gesicht sehen kann, folge ich seiner Wegbeschreibung. Soweit ich weiß, hat Laarburg kein größeres Kriminalitätsproblem als andere Großstädte, aber scheinbar gibt es genug zu tun, um den armen Kerl aus der Puste zu bringen. Mein Bruder Vic könnte an diesem Schreibtisch wahre Wunder wirken. Er hat mal ein neues Ordnungssystem für meinen Kühlschrank entwickelt, weil es ihn nervös gemacht hat, dass die Joghurts in unterschiedlichen Fächern standen.
Bei Besprechungsraum zwölf angekommen, klopfe ich an die Tür.
»Herein.«
Die mürrische Stimme des Kommissars klingt genau wie am Telefon.
Ich trete ein und finde mich in einem kleinen Raum wieder, der nur mit einem großen, runden Tisch und futuristischen, metallenen Stühlen möbliert ist. Kommissar Eberle sitzt vor einem Laptop, den er zuklappt, als ich die Tür hinter mir schließe. Er sieht viel jünger aus, als ich erwartet habe, ist schätzungsweise Anfang dreißig, auch wenn sein goldenes Retro-Brillengestell aussieht, als hätte er es vor Jahren Atze Schröder gestohlen. In Kombination mit seinen zurückgegelten Haaren und den markanten Koteletten will sein Kopf nicht so recht zu seinem Oberkörper passen, der in ein hellblaues Diensthemd und die dazugehörige dunkelblaue Krawatte gekleidet ist. Eberle ist ein paar Zentimeter kleiner als ich, aber mit reichlich Muskeln ausgestattet. Sein Händedruck ist fester als nötig.
»Setzen Sie sich«, sagt er und deutet auf einen Stuhl ihm gegenüber. »Wir warten noch einen Augenblick auf meine … Ah, da ist sie ja.«
Hinter mir betritt eine weitere Person den Raum. Ich habe nicht erwartet, dass gleich zwei Polizisten vonnöten sind, um ein paar letzte Fragen zu klären.
Vermutlich glotze ich wie ein grenzdebiler Uhu, als ausgerechnet Mona Sommerfeldt neben Eberle Platz nimmt.
Mona, die mir klipp und klar gemacht hat, dass sie nicht weniger an Sex on the Beach interessiert sein könnte.
Mona, der ich eine ausgedehnte Flirtpleite zu verdanken habe.
Mona, der die Uniform sehr viel besser steht als ihrem Kollegen.
Während sie sich einen Stuhl zurechtrückt und sich darauf niederlässt, schwingt ihr hoher, streng geflochtener Zopf hin und her. Vielleicht hypnotisiert er mich. Ich scheine jedenfalls nicht bemerkt zu haben, dass Eberle das Wort an mich gerichtet hat.
»Herr Fischer? Hören Sie mich?«
»Äh … Was?«
Von allen Situationen, in denen ich sie hätte wiedertreffen können, muss es ausgerechnet diese sein?
»Darf ich vorstellen? Meine Kollegin und Kriminalkommissarin Mona Sommerfeldt. Wir ermitteln gemeinsam im Brandfall in der Waldhausstraße. Sind Sie damit einverstanden, dass wir Ihre Aussage aufzeichnen?«
Er platziert ein kleines Diktiergerät in der Mitte des Tisches, aber ich kann meinen Blick kaum von Mona reißen. Vor ihr liegt eine dicke Mappe, die sie aufschlägt und durchblättert. Sie ist sehr beschäftigt damit, einige Dokumente herauszunehmen und auf dem Tisch auszubreiten. Vielleicht ist sie aber auch beschäftigt damit, mir bloß nicht in die Augen zu sehen.
»Wir kennen uns bereits«, sage ich. Die Tatsache, ihr direkt gegenüberzusitzen, bringt mich dezent aus dem Konzept. Es ist schon das zweite Mal, dass ihr das gelingt.
»Wie bitte?«
Verstimmt schaut Eberle mich an.
»Mona und ich.«
Eberles Blick wandert von mir zu ihr, und sie versteift sich sichtlich, blättert aber weiter in ihrer Mappe herum.
»Wir kennen uns flüchtig«, entgegnet sie. »Es beeinträchtigt diese Befragung nicht im Geringsten. Können wir die Aufzeichnung starten?«
Ich habe nicht mal ein schnödes Hallo von ihr bekommen. Mit einem Räuspern versuche ich, zu verbergen, wie sehr mich ihre abweisende Art irritiert. Sie hat auf der Grillparty zwar ziemlich sauer auf meinen Flirtversuch reagiert, aber das ist mittlerweile Monate her.
»Ja«, sage ich etwas verspätet.
»Großartig«, kommentiert Eberle. Er schnappt sich Monas Mappe, klappt sie zu und drückt einen Knopf auf dem Diktiergerät.
Ihrer Ablenkung beraubt bleibt ihr nichts anderes übrig, als den Kopf zu heben. Die Ähnlichkeit zu ihrer Cousine Alma ist wirklich unübersehbar. Mit den dicken, schwarzen Haaren, den dunklen Augen und dem großen Mund mit den vollen Lippen könnte Mona glatt als Almas Schwester durchgehen. Beiden ist die kolumbianische Herkunft ihrer Großeltern anzusehen. Monas hellbrauner, goldschimmernder Teint lässt den Eindruck entstehen, sie käme frisch aus dem Sommerurlaub. Nachdem Eberle mich unter anderem darüber belehrt hat, dass ich keine Falschaussage machen darf, stellt er gezielt Fragen dazu, was ich damals auf meinem Nachhauseweg beobachtet habe.
Ja, aufgrund seiner Stimme glaube ich, dass der Täter männlich ist.
Nein, er wirkte weder auffällig groß noch auffällig klein.
Ja, ich konnte eindeutig erkennen, dass er den Brand ausgelöst hat.
Nein, ich gehe nicht davon aus, dass er mich bemerkt hat.
Während ich die Antworten wiederhole, die ich bereits am Tatort gegeben habe, macht Mona sich Notizen. Sie schreibt schnell und schnörkellos. Auf die gleiche Art hat sie mich auf der Grillparty abblitzen lassen.
Die nächste von Eberles Fragen lässt mich stutzen.
»Wo waren Sie, bevor Sie sich auf den Heimweg gemacht haben?«
»Äh … Ich …«
Mona legt den Stift beiseite. Eine ihrer Brauen wandert ein paar Millimeter in die Höhe.
»Herr Fischer?«, hakt der Kommissar nach.
Ich räuspere mich erneut.
»Ich war bei einer Bekannten zu Besuch.«
Wieso sieht Mona aus, als wüsste sie genau, von welcher Art »Bekanntschaft« ich spreche? Unbehaglich versuche ich, auf dem Metallstuhl eine bequemere Position zu finden.
»Hat diese Bekannte einen Namen?«
»Evelyn Peters.«
»Und Frau Peters würde auf Nachfrage bestätigen, dass Sie bei ihr waren?«
»Ja.«
Auf Nachfrage würde Evelyn auch bestätigen, dass wir kurz davor sind, uns zu verloben. Seit wir uns wiedergetroffen haben, habe ich ihr weitere Besuche abgestattet und könnte mich dafür in den Hintern beißen. Nach jedem Mal, bei dem ich darauf hinweise, wie unverbindlich ich das zwischen uns halten möchte, verhält sich Evelyn verbindlicher. Sie fragt nach meinem Lieblingsessen, um es für mich zu kochen. Sie fragt nach meiner Lieblingsmusik, um sie im Hintergrund laufen zu lassen. Es ist eine wirklich schlechte Idee, sie noch länger zu treffen, das weiß ich, aber warum spielt überhaupt eine Rolle, dass ich es tue?
Eberle lässt sich von Mona zwei Bilder reichen, die er mir über den Tisch zuschiebt.
»Wissen Sie, worum es sich hierbei handelt?«
Auf dem linken Foto ist eine zerbrochene Glasflasche zu erkennen, auf dem rechten eine intakte, die zur Hälfte mit einer trüben, gelben Flüssigkeit befüllt ist. Aus dem Flaschenhals ragt ein schmutziger Stofffetzen.
»Sieht aus wie ein Molotowcocktail.«
Eberle lässt sich mit verschränkten Armen an die Lehne seines Stuhls sinken.
»Woher wissen Sie das?«, fragt er lauernd.
Mona murmelt etwas in sich hinein, das verdächtig nach »weil er Experte für Cocktails ist« klingt. Ich würde lachen, würde Eberle mich nicht mustern, als wäre ich der stadtbekannte Feuerteufel. Daher weht also der Wind.
»Aus GTA.«
»Dem Computerspiel?«
Ich nicke.
Der Kommissar schnalzt genervt mit der Zunge, als er sich über den Tisch beugt, um die Fotos wieder zurückzuziehen.
»Hören Sie«, sage ich und setze mich so aufrecht wie möglich hin. »Ich habe mit diesem Feuer nichts zu tun. Ich habe umgehend die Polizei gerufen und alles berichtet, was mir aufgefallen ist. Können Sie nicht einfach Fingerabdrücke von den Scherben der Flasche nehmen?«
Mona und ihr Kollege tauschen einen missmutigen Blick.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass ihnen diese Idee neu ist, aber die Ermittlungen können ja nicht gerade erfolgreich voranschreiten, wenn sie nun sogar mich ins Visier nehmen. Brandheiß aussehen und brandgefährlich drauf sein sind nun wirklich zwei Paar Schuhe. Statt Misstrauen wäre mal ein bisschen Dankbarkeit angebracht. Ich erwarte ja nicht, dass mir Kaffee und Kuchen angeboten werden, wohl aber, dass sie mich nicht wie den Schuldigen behandeln, nachdem ich nur helfen wollte.
»Es wurden keine hinterlassen. Es ist davon auszugehen, dass der Täter Handschuhe trug. Konnten Sie das sehen?«
»Nein. Wie gesagt: Ich war nicht so nah dran, und es war dunkel.«
»Nun denn«, sagt Eberle und schüttelt leicht den Kopf, als hätte er es von vornherein für Zeitverschwendung gehalten, mich zu befragen.
Er schnappt sich ein paar von Monas Unterlagen, schiebt die Fotos in Klarsichtfolien zurück und liest einige Passagen. Es wird still. Kann ich jetzt gehen? Keiner der beiden macht Anstalten, mich zu entlassen.
Unwillkürlich beginne ich, mit den Fingern auf der Tischplatte zu trommeln. Ich finde Stille so langweilig. Doch von all den Sprüchen, die mir auf der Zunge liegen, scheint keiner der Stimmung im Raum angemessen. Die beiden haben sich als schwieriges Publikum erwiesen.
Ich trommle nicht einmal eine Minute lang, da ist es Mona, die sich räuspert und mir damit die perfekte Gelegenheit liefert, eine Unterhaltung zu beginnen.
»Und?«, frage ich sie. »Hast du dich in Laarburg schon eingelebt?«
Es ist faszinierend, wie viele verschiedene finstere Blicke sie auf Lager hat. Sie öffnet den Mund, um etwas zu sagen, doch ihr Kollege kommt ihr zuvor.
»Herr Fischer, Sie sind nicht hier, um private Dinge zu besprechen, sondern um eine Aussage zu machen.«
Herausfordernd schaue ich ihn an.
»Ich dachte, es bleibt Zeit für ein wenig Small Talk, während Sie sich eine weitere Frage überlegen, die ich schon vor vier Wochen beantwortet habe.«
»Was erlauben Sie sich? Es steht Ihnen nicht zu, Maßnahmen im Rahmen unserer Ermittlungen zu kritisieren!«
Kommissar Eberle läuft rot an, als säße seine Krawatte zu eng. Seinem Gesichtsausdruck zufolge ist er hoch motiviert, eine formvollendete Gardinenpredigt anzustimmen, aber Mona bremst ihn, bevor er so richtig in Fahrt kommen kann.
»Lass gut sein, Konny«, beschwichtigt sie ihn. »Reg dich nicht auf.«
Er gibt ein Schnauben von sich und erinnert mich damit an einen zurückgepfiffenen Schäferhund.
Tz. Was für ein Idiot.
Es ist nicht so, dass ich keinen Respekt vor der Polizei habe. Im Gegenteil – ich bin froh darüber, dass ich in einer brenzligen Situation jederzeit den Notruf wählen kann und sich die Beamten zu meinem Schutz in Gefahr begeben. Aber ich habe etwas gegen Menschen, die sich zu viel auf ihre Uniform einbilden. Menschen, die in die Dienstkleidung schlüpfen, als zögen sie damit die Erlaubnis an, andere herumzukommandieren. Dank meinem Bruder Vic, der mir regelmäßig erzählt, was er in seinem Alltag als Feuerwehrmann erlebt, weiß ich, dass es nicht reicht, spezielle Kleidung zu tragen, um einen guten Job zu machen. Es kommt darauf an, was ein Mensch aus seiner Uniform macht.
»Na schön. Wir haben keine weiteren Fragen«, übernimmt Mona das Gespräch. Sie schaltet das Diktiergerät aus. »Aber wir freuen uns über jegliche Hinweise. Manchmal sind es gerade die unscheinbaren Details, mit denen wir den Fall am Ende knacken.«
»Okay. Hoffentlich ist der Typ noch nicht über alle Berge.«
»Davon ist nicht auszugehen. Eine Woche vor und drei Wochen nach dem Feuer im Industriebezirk kam es in der Stadt zu weiteren Bränden, die durch chemische Cocktails verursacht wurden. Wir gehen mittlerweile von einem Serientäter aus.«
»Oh.«
Betroffen presse ich die Lippen aufeinander.
Ich hoffe, meine Kolleginnen verfolgen die lokalen Nachrichten nicht sonderlich aufmerksam. Ansonsten wird die heldenhafte Geschichte darüber, wie ich den Brandstifter noch am Tatort gestoppt habe, nicht langlebig sein.
»Deshalb gilt: Je mehr Anhaltspunkte wir haben, desto schneller können wir ihn aufspüren.«
»Du wirst ihn sicher schnappen.«
Mona reagiert nicht auf meine Bemerkung, doch Eberle knirscht hörbar mit den Zähnen.
Keine Ahnung, was der Kerl für ein Problem hat, aber vielleicht wäre ein Maulkorb angebracht. Ganz ehrlich, als Polizeihund hätte er garantiert auch Karriere machen können.
Sein Stuhl quietscht, als er ihn energisch auf dem Linoleum zurückschiebt und aufsteht. Zum Abschied hat er lediglich eine knappe Kopfbewegung für mich übrig, die ich gar nicht erst erwidere.
Er packt seinen Laptop und läuft mit großen Schritten aus dem Raum.
Womöglich ist es nur Einbildung, aber ich glaube zu sehen, wie Anspannung aus Monas Haltung weicht, als die Tür hinter ihm zufällt. Sie schiebt die Unterlagen zusammen, die er zurückgelassen hat, und ordnet sie in ihre Mappe ein. Ihr langer Zopf ist ihr über die Schulter gerutscht, und sie streicht ihn ungeduldig zurück.
Vielleicht ist jetzt die bessere Gelegenheit, auf unser erstes Aufeinandertreffen zu sprechen zu kommen. Ich weiß nicht, was für Gründe sie hat, um die coolste Clique weit und breit zu meiden, aber falls mein Flirtspruch einer davon ist, können wir das bestimmt klären.
»Hör mal, Mona … wegen der Grillparty …«
Ihr Kopf ruckt in die Höhe. Sie scheint überrascht zu sein, dass ich noch nicht gegangen bin.
»Was?«, fragt sie unwirsch.
Ich weiß nicht, was an ihr mich aus der Fassung bringt. Ist es einfach nur das Desinteresse? Ihre Unfreundlichkeit? Ich bin es nicht gewohnt, dass mich jemand so auflaufen lässt.
»Können wir nicht noch mal von vorne anfangen und vergessen, was ich gesagt habe? Es tut mir leid, falls ich dir damit zu nahe getreten bin.«
»Falls du mir damit zu nahe getreten bist?«
»Ja. Also … Ich bin Basti.«
Ich strecke ihr meine Hand entgegen, die sie anstarrt, als säße ein ekliger Käfer darauf. Ihr Blick wandert zu meinem Gesicht. Mein freundliches Lächeln nimmt sie regungslos zur Kenntnis.
»Sommerfeldt«, sagt sie.
Dann klemmt sie ihre Mappe unter den Arm und rauscht mit wippendem Zopf aus dem Raum.
Langsam lasse ich meine Hand wieder sinken.
Tja. Ich nehme an, ich finde selbst zum Ausgang.