Für Ro
Vielleicht ist das Leben wirklich
wie du es entdeckst in jungen Tagen:
ein ewiger Hauch, der
von Himmel zu Himmel
wer weiß welche Höhe sucht.
Doch wir sind wie das Gras auf den Wiesen
das den Wind über sich hinstreichen fühlt
und überall singt im Wind
und immer lebt im Wind,
aber nie genug wachsen kann
um diesen höchsten Flug aufzuhalten
oder von der Erde aufzuspringen
um sich in ihm zu ertränken.
Antonia Pozzi, Wiesen
All die jungen Photographen, die durch die Welt hasten, weil sie sich dem Aktualitätenfang verschrieben haben, wissen nicht, dass sie Agenten des Todes sind.
Roland Barthes
Die helle Kammer. Bemerkung zur Photographie
You press the button, we do the rest.
Werbespruch der KODAK Nr. 1 (1889)
Viele Jahre nach dem Aprilmorgen, an dem alles begann, dachte der Fotograf Antonio Casagrande, als er sich, wie schon so oft, unerwartet mit dem Tod konfrontiert sah, dass das Leben immer unscharf ist.
Der Sonnenaufgang war genau wie der von damals, als ihn als Junge der unbändige Wunsch packte, ein Mann zu sein, und ihn nicht mehr losließ: klare Luft, schräg zwischen den Ästen einfallendes Licht, schwellende Knospen, prall, zum Aufplatzen bereit.
Zuerst verwirrte ihn der flammende Himmel, der so blutrot leuchtete wie ein Sonnenuntergang. Doch als dann unverzüglich die Helle des Tages triumphierte, tat Antonio Casagrande das, was er noch nie versäumt hatte, seit sein Meister ihm die rudimentären Anfangsgründe der Kunst beigebracht hatte: Schatten, Farben, Tiefe der Aufnahme und Kontrast messen. Aber das gewohnte, herrliche Gefühl von Kontrolle über die Schöpfung war nicht von Dauer. Was wichtig ist, sagte er sich in einer blitzartigen, hellseherischen Eingebung, was wirklich zählt, ist immer verschwommen.