VVorwort zur 7. Auflage

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 waren die bisherigen Vorschriften des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes zur Verschonung des betrieblichen Vermögens wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig. Die vorliegende Neuauflage berücksichtigt das „Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“, mit dem der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1.7. 2016 eine neue Regelung getroffen hat. Darüberhinaus ist das Buch im Hinblick auf die seit der Vorauflage im Jahr 2015 ergangene Rechtsprechung auf den neuesten Stand gebracht worden.

Hinweise auf Paragrafen ohne Hinzufügung des Gesetzes betreffen das Bürgerliche Gesetzbuch.

Unseren Kollegen Frau Rechtsanwältin Veronika Hartmann und Herrn Rechtsanwalt Dr. Andreas Miehler möchten wir für die wertvolle Mitarbeit herzlich danken, ebenso Frau Petra Gerstmayr, die wie bei den Vorauflagen das Manuskript betreute.

München, im August 2017

Johannes Hochmuth und Josef Kaspar

XXVIIAbkürzungsverzeichnis

AG

Aktiengesellschaft

AGBGB

Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuches

AO

Abgabenordnung

Art. 

Artikel

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BestG

Bestattungsgesetz

BewG

Bewertungsgesetz

BFH

Bundesfinanzhof

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH

Bundesgerichtshof

BMF

Bundesministerium der Finanzen

BStBl

Bundessteuerblatt

DB

Der Betrieb

DStR

Deutsches Steuerrecht

EGBGB

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch

EGHGB

Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch

EheG

Ehegesetz

ErbGleichG

Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder

ErbStG

Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz

ErbStR

Erbschaftsteuer-Richtlinien

EStG

Einkommensteuergesetz

EuErbVO

Europäische Erbrechtsverordnung

FamFG

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

FamRZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht

ff

fortfolgende

FG

Finanzgericht

XXVIIIFGB

Familiengesetzbuch der DDR

FGG

Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

GBO

Grundbuchordnung

GbR

Gesellschaft des bürgerlichen Rechts

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GrEStG

Grunderwerbsteuergesetz

HeimG

Heimgesetz

HGB

Handelsgesetzbuch

InsO

Insolvenzordnung

IPR

Internationales Privatrecht

KG

Kammergericht, Kommanditgesellschaft

LG

Landgericht

LPartG

Lebenspartnerschaftsgesetz

MDR

Monatszeitschrift für Deutsches Recht

NJW

Neue Juristische Wochenzeitschrift

NJW-RR

NJW-Rechtsprechungs-Report

OHG

Offene Handelsgesellschaft

OLG

Oberlandesgericht

RG

Reichsgericht

S.

Seite, Satz

SGB

Sozialgesetzbuch

VerschollenheitsG

Verschollenheitsgesetz

WM

Wertpapiermitteilungen, Zeitschrift für Wirtschaft und Bankrecht

ZErb

Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis

ZEV

Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge

ZPO

Zivilprozessordnung

ZVG

Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung

1 1. Kapitel
 
Die Übertragung des Vermögens vor dem Tode – die vorweggenommene Erbfolge

Jeder kann über sein Vermögen grundsätzlich frei verfügen. Er hat also die Möglichkeit, Geld, Wertpapiere oder eine Eigentumswohnung bereits zu Lebzeiten auf seine in Aussicht genommenen Erben zu übertragen. Diese „vorweggenommene Erbfolge“ tritt durch vertragliche Regelungen ein, z. B. im Wege einer Schenkung von Eltern an ihre Kinder. In die vertraglichen Regelungen kann auch der Wunsch der Eltern aufgenommen werden, ihre Versorgung im Alter abzusichern oder andere Gegenleistungen zu vereinbaren.

Die Trennung des Übergebers von seinem Vermögen stellt eine schwerwiegende Entscheidung dar und sollte sorgfältig abgewogen und durchdacht werden. Dabei wird wegen der Notwendigkeit, zahlreiche rechtliche Gesichtspunkte zu beachten, insbesondere auch in steuerlicher Hinsicht, die Einholung fachkundiger Beratung in der Regel unerlässlich sein.

Die „vorweggenommene Erbfolge“ bietet sich im Rahmen der Gesamtvermögensnachfolge als erste Stufe an, die durch eine letztwillige Verfügung ergänzt werden kann.

2I. Gründe für die Übertragung des Vermögens zu Lebzeiten

Es ist häufig sehr sinnvoll, die Vermögensnachfolge nicht bis zu dem Zeitpunkt seines Todes hinauszuschieben, sondern bereits zu Lebzeiten vorzunehmen. Eltern können ihren Kindern durch Geldzuwendungen den Erwerb eines Hauses erleichtern oder mit der rechtzeitigen Übergabe eines Handwerksbetriebes an einen jungen Nachfolger dessen Fortbestand sichern. Ist das Vermögen bereits zu Lebzeiten durch vernünftige Regelungen verteilt, sind Rechtsstreitigkeiten nach dem Tode kaum zu erwarten.

Zum Rechtsfrieden in einer Familie kann die Anordnung beitragen, dass die Schenkung im Erbfall unter den Miterben auszugleichen ist (§ 2050 Abs. 3), denn damit wird erreicht, dass alle Kinder gleich behandelt werden. Die Anordnung muss entweder vor oder gleichzeitig mit der Zuwendung gegenüber dem Kind erklärt werden, so dass es die Möglichkeit hat, die Zuwendung wegen der Ausgleichungspflicht abzulehnen. Nachträgliche Ausgleichungsanordnung en sind nur durch ein Testament möglich und stellen ein Vermächtnis zugunsten des anderen Miterben dar. Eine Ausstattung ist auch ohne eine Anordnung ausgleichspflichtig (§§ 2050 Abs. 1, 1624, s.S. 77). Soll die Ausgleichung der Ausstattung nicht erfolgen, muss sie von dem Erblasser bei deren Zuwendung ausdrücklich ausgeschlossen werden.

Enthält ein Übergabevertrag die Klausel „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“, kann fraglich sein, ob damit im Erbfall eine Ausgleichspflicht unter den Miterben angeordnet ist. Es können Auslegungsprobleme entstehen. In der Regel dürfte jedoch eine unentgeltliche Zuwendung des Erblassers, wenn diese „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“ geschehen ist, als ausgleichspflichtig anzusehen sein (BGH NJW-RR 1989, 259).

Der Beschenkte kann im Gegenzug für die erhaltene Schenkung mit dem Schenker auch einen Pflichtteilsverzicht, der notariell erfolgen muss, vereinbaren. Der Übergeber erlangt dadurch die Freiheit, 3über sein Restvermögen testamentarisch zu verfügen, ohne dass der Beschenkte Pflichtteilsansprüche geltend machen kann. Ferner kommt auch die Anordnung der Anrechnung des Geschenks auf den Pflichtteil in Betracht (§ 2315). Besonders zu beachten sind die steuerlichen Vorteile, die mit einer lebzeitigen Übertragung verbunden sind. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf S. 359 verwiesen.

Wichtig

Bei unentgeltlichen Zuwendungen „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“ sollte, um Auslegungsprobleme zu vermeiden, stets klargestellt werden, ob eine Ausgleichung unter den Miterben oder eine Anrechnung auf den Pflichtteil erfolgen soll.

II. Der Übergabevertrag

Für die vorweggenommene Erbfolge bestehen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. In Betracht kommt vor allem der Übergabevertrag. Er ist ein Generationennachfolgevertrag, dessen Sinn und Zweck in einem Nachrücken der folgenden Generation in eine die Existenz begründende Wirtschaftseinheit des Übergebers besteht. Zu denken ist z. B. an die Schenkung eines Wohnhauses, eines landwirtschaftlichen Hofs oder eines Unternehmens. Der Übergabevertrag bedarf der notariellen Beurkundung, wenn er die Übertragung von Grundbesitz, z. B. eines Wohnhauses, enthält (§ 313).

Grundstücksschenkungen unter Lebenden unterliegen nicht der Grunderwerbsteuer (§ 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG), sondern nur der Schenkungsteuer. Überträgt ein Ehegatte das selbst genutzte Familienwohnheim ganz oder teilweise seinem Ehegatten, so ist diese Schenkung von der Schenkungsteuer befreit (§ 13 I Nr. 4a ErbStG) und der Ehegattenfreibetrag bleibt unberührt. Eine Zusammenrechnung mit früheren bzw. späteren Zuwendungen innerhalb von 10 Jahren (§ 14 ErbStG) erfolgt nicht.

41. Das Wohnrecht

Nicht selten wollen sich die Eltern zwar bereits zu Lebzeiten von ihrem Haus oder ihrer Eigentumswohnung zugunsten ihrer Kinder trennen, aber die Immobilie noch bis zu ihrem Tode bewohnen. Sie haben die Möglichkeit, sich in dem Übergabevertrag ein Wohnrecht an der Immobilie vorzubehalten. Zu dessen Sicherung können sie eine Dienstbarkeit im Grundbuch eintragen lassen (§ 1093).

Das Wohnrecht ist nicht übertragbar und kann nur persönlich ausgeübt werden (§ 1092 Abs. 1 S. 1). Grundsätzlich darf der Berechtigte die Wohnung nicht vermieten, jedoch kann er eine Vereinbarung treffen, nach der er die Nutzung der Wohnung einem anderen überlassen darf (§ 1092 Abs. 1 S. 2). Der Berechtigte kann auch einen Partner oder eine Partnerin ohne Erlaubnis des Eigentümers in die Wohnung aufnehmen. Zu empfehlen ist, die Nebenleistungspflichten, z. B. Instandsetzungs- und Betriebskosten, ausdrücklich zu regeln, um Streit zu vermeiden.

2. Das Nießbrauchsrecht

Eine Trennung der Eltern von ihrem Vermögen zugunsten ihrer Kinder bereits zu Lebzeiten wird auch dadurch erleichtert, dass sie es bis zu ihrem Ableben nutzen dürfen. Sie wollen in dem übergebenen Haus noch wohnen oder die Mieten für sich verbrauchen, desgleichen die Erträge eines Aktiendepots. Um dieses Ziel zu erreichen, können sie mit ihren Kindern in dem Übergabevertrag einen Nießbrauchsvorbehalt (§§ 1033 ff.) vereinbaren. Danach sind die Kinder zwar neue Eigentümer der Vermögensgegenstände, den Eltern steht jedoch das Nutzungsrecht daran zu. Das bedeutet: Die Eltern verlieren zwar das Eigentum an ihre Kinder, behalten aber das Recht, z. B. im Falle eines Wohnhauses, die Miete weiterhin einzuziehen oder es selber zu bewohnen.

Der Nießbrauchsvorbehalt im Falle einer Grundstücksschenkung kann durch Eintragung in das Grundbuch gesichert werden. Er erlischt mit dem Ableben des Nießbrauchsberechtigten (§ 1061). Zu 5beachten ist, dass die Finanzverwaltung im lebzeitigen Verzicht auf den Nießbrauch – anders als bei dem Erlöschen durch den Tod – eine erneute steuerpflichtige Zuwendung sieht.

3. Laufende Geldzahlungen

Die Übertragung von betrieblichen Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf die Kinder geschieht häufig in Verbindung mit regelmäßig monatlich zu leistenden Geldzahlungen an die Eltern. Werden diese Gegenleistungen als so genannte Versorgungsleistungen (Leibrente oder dauernde Last) vertraglich vereinbart, sind sie in einkommensteuerlicher Hinsicht bei dem Übernehmer des Vermögens als Sonderausgaben (§ 10 I Nr. 1a EStG) abzuziehen und beim Übergeber als sonstige Einkünfte (§ 22 Nr. 1 EStG) zu versteuern. In der Regel werden die Kinder höhere Einkünfte haben als deren Eltern, wenn diese im Ruhestand sind. Wegen der unterschiedlichen einkommensteuerlichen Progressionsbelastung der Beteiligten lassen sich so günstige steuerliche Ergebnisse erzielen.

Wichtig

Die Finanzverwaltung erkennt wiederkehrende Zahlungen in Überlassungsverträgen nur unter bestimmten Voraussetzungen als Versorgungsleistungen an, über die im Einzelnen eine eingehende Beratung durch einen Steuerexperten erforderlich ist.

4. Die Pflegeverpflichtung

In Übergabeverträgen wird häufig vereinbart, dass die Kinder sich verpflichten, ihre Eltern im Alter oder bei Krankheit zu pflegen. Die Sicherung dieser Verpflichtung geschieht durch die Eintragung einer Reallast im Grundbuch (§§ 1105 ff.). Um Streit zu vermeiden, sollte der Umfang der Verpflichtung im Vertrag genau festgelegt werden. Üblicherweise werden nur die Leistungen vereinbart, die der Übernehmer ohne besondere Ausbildung mit Unterstützung der ambulanten Pflegedienste im übergebenen Anwesen erbringen kann. Tritt der totale Pflegefall ein, ist also die Aufnahme in ein Pflegeheim erforderlich, ruht die übernommene Verpflichtung.

6III. Die Absicherung des Übergebers – die Rückforderungsrechte

Bei der Abwicklung eines Übergabevertrages kann es zu erheblichen Schwierigkeiten kommen, die die Rechte des Übergebers stark beeinträchtigen, z. B. der Übernehmer des Vermögens verstößt gegen seine Verpflichtung, die vereinbarten Versorgungsleistungen an den Übergeber zu erbringen. Hier ist zu fragen, ob das Gesetz dem Übergeber ausreichenden Schutz bietet oder es geboten ist, vorsorglich vertraglich Rückforderungsrechte zu vereinbaren.

1. Gesetzliche Rückforderungsrechte

Bei Leistungsstörungen im Rahmen eines Vertrages über die vorweggenommene Erbfolge stehen dem Übergeber grundsätzlich die gesetzlichen Rückforderungsrechte zu (vgl. §§ 323 ff.). Im Falle von Schenkungen kann der Schenker die Herausgabe des Geschenks verlangen, wenn die Vollziehung einer vereinbarten Auflage unterbleibt (§ 527 Abs. 1). Verarmt der Schenker (§ 528), kommt eine Rückforderung des Geschenks in Betracht. Macht sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig, kann er die Schenkung widerrufen (§ 530).

Bei der Anwendung der gesetzlichen Rückforderungsrechte ist jedoch zu beachten, dass die einzelnen Bundesländer weitgehend von dem Recht Gebrauch gemacht haben, für den mit der Übergabe des Grundvermögens verbundenen Versorgungsvertrag ergänzende Vorschriften zu erlassen (Art. 96 EGBGB). Diese sind nicht auf landwirtschaftliches Vermögen beschränkt, sondern auch auf Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übergabe von städtischem und gewerblich genutztem Grundbesitz anwendbar. Demnach soll für den Übergabevertrag mit Altenteilsrechten, insbesondere bei der typischen Hof- oder Betriebsübergabe, die vorweggenommene Erbfolge grundsätzlich nicht mehr umkehrbar sein. Das Wesen eines Altenteils besteht in dem Nachrücken der folgenden 7Generation in eine die Existenz begründende Wirtschaftseinheit. Eine bloße Grundstücksüberlassung mit einer Wohnrechtsgewährung sowie Vereinbarung einer Pflege- und Versorgungsverpflichtung ist kein Altenteilsvertrag, so dass ein Rücktritt bei Nichterbringung der geschuldeten Pflegeleistung möglich ist (BGH ZEV 2001, 30).

Ein Rücktrittsrecht des Übergebers wegen Nichterfüllung des Altenteilsvertrages oder Verzugs (§§ 323 ff.) sowie wegen Nichtvollziehung einer Auflage bei einer Schenkung (§ 527) ist daher ausgeschlossen (so z. B. Art. 17 AGBGB von Bayern).

Ob neben den landesrechtlichen Vorschriften gemäß Art. 96 EGBGB im Falle von Altenteilsrechten die Bestimmungen des BGB über den Widerruf von Schenkungen anwendbar sind, ist umstritten. Es handelt sich um die Rückforderung wegen Verarmung des Schenkers (§ 528) oder groben Undanks des Beschenkten (§ 530).

Falls Versorgungsansprüche wegen der Abwesenheit des Übergebers von dem Anwesen nicht mehr geltend gemacht werden können, kommt eine Umwandlung dieser Naturalversorgungsansprüche in Geldansprüche in Betracht. So ist z. B. aufgrund der Befreiung von der Pflicht zur Gewährung von Wohnung und Dienstleistung eine dem Wert der Befreiung entsprechende Geldrente zu zahlen (Art. 18 AGBGB von Bayern).

Wichtig

Im Falle von Leistungsstörungen bei Übergabeverträgen mit Altenteilsrechten ist immer zu klären, ob und in welcher Weise eine Regelung durch das zuständige Landesrecht besteht.

2. Vertragliche Rückforderungsrechte

Die Anwendung der gesetzlichen Rückforderungsrechte bereitet in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten, so dass sie dem Übergeber kaum ausreichenden Schutz bei Leistungsstörungen bieten. Auch die Abgrenzung von Übergabeverträgen mit Altenteilsrechten und bloßen Grundstücksüberlassungsverträgen mit Zusatzvereinbarungen ist nicht selten mit Schwierigkeiten verbunden.

8Anstatt sich lediglich auf die gesetzlichen Rückforderungsrechte zu verlassen und um Auslegungsprobleme zu vermeiden, ist dem Übergeber des Vermögens im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu empfehlen, sich durch Rückforderungsrechte in dem Übergabevertrag abzusichern, nach denen er unter bestimmten Voraussetzungen die Rückübertragung des geschenkten Vermögensgegenstandes verlangen kann. Treten diese Voraussetzungen ein, kann erreicht werden, dass das Vermögen an den Übergeber wieder zurückfällt. Die Rückübertragung des Vermögens kann für folgende Fälle vereinbart werden:

BEISPIEL: Die verwitwete Frau Huber schenkt ihrer ledigen Tochter Tina eine Drei-Zimmer-Eigentumswohnung in München im Wert von € 300.000. Tina errichtet ein Testament, in dem sie ihren Freund Fritz als Erben einsetzt. Bei einem Verkehrsunfall stirbt Tina.

Ohne Vereinbarung eines Rückforderungsrechts steht der Mutter gegen Fritz nur ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1/2 zu, also eine Geldforderung von € 150.000. Wäre eine Rückfallklausel für den Fall des Vorversterbens von Tina vereinbart gewesen, erhielte die Mutter die Eigentumswohnung ungeschmälert zurück. Der Rückfall bliebe auch steuerfrei (§ 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG). Durch den Rückfall entfiele darüber hinaus die Steuerpflicht des ursprünglichen Erwerbs (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).

9Sogar ein freier Widerrufsvorbehalt wäre zulässig, denn auch in diesem Falle ist die Schenkung wirksam ausgeführt (BFH BStBl. II 1989, 1034). Es können jedoch einkommensteuerliche Probleme auftreten. Außerdem besteht die Gefahr, dass der Anspruch auf Widerruf von einem Gläubiger gepfändet werden kann.

Wichtig

Der bedingte Rückübertragungsanspruch des Schenkers gegen den Beschenkten aufgrund der Rückforderungsrechte kann durch die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch gesichert werden.

Um Schwierigkeiten bei der Rückauflassung zu vermeiden, ist zu empfehlen, dem Übergeber eine Auflassungsvollmacht unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 zu erteilen.

Im Falle der Rückabwicklung der vorweggenommenen Erbfolge können insbesondere Probleme auftreten, wenn der Erwerber werterhöhende Investitionen vorgenommen oder Nutzungen gezogen hat. Es kann eine Vereinbarung getroffen werden, nach der die werterhöhenden Investitionen dem Erwerber zu dem im Zeitpunkt der Rückübertragung bestehenden Zeitwert zu ersetzen sind. In Betracht kommt ferner eine Vereinbarung, nach der eine Ersatzpflicht ausscheidet, wenn die Investitionen ohne Zustimmung des Übergebers erfolgt sind oder auf der eigenen Arbeitsleistung des Erwerbers beruhen. Angemessen ist auch eine Regelung, dass die durch die Rückübertragung entstehenden Kosten der den Rückfall verursachende Erwerber zu tragen hat.

IV. Die Beteiligung von Kindern an einer Familiengesellschaft

Eltern scheuen nicht selten das mit einer Schenkung verbundene Risiko, sich bereits zu Lebzeiten von erheblichen Vermögenswerten zu trennen und dadurch zukünftig in wirtschaftliche Abhängigkeit von dem Beschenkten zu geraten. Ihr wohlverstandenes Interesse 10besteht darin, die Erträge ihres Vermögens für das Alter zu sichern und deshalb die Kontrolle darüber zu Lebzeiten zu behalten.

Um dieses Ziel zu erreichen, können die Eltern mit ihren Kindern zu Lebzeiten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder Kommanditgesellschaft (KG) gründen. Sind die Kinder noch minderjährig, empfiehlt sich die Gründung einer KG, da vermögensverwaltende GbR-Gesellschaften unter Beteiligung Minderjähriger von den Familiengerichten wegen des bestehenden Haftungsrisikos im Regelfall nicht genehmigt werden.

BEISPIEL: Die Eltern sind Eigentümer mehrerer Grundstücke. Sie bringen diese durch einen notariellen Vertrag in eine GbR ein, an der ihre beiden erwachsenen Kinder zu jeweils 48 % und beide Eltern jeweils mit 2 % beteiligt sind. Die Eltern erhalten Stimmrechte und eine Gewinnbeteiligung von insgesamt 96 %, die Kinder nur von jeweils 2 %.

Die Eltern sind bei dieser Vertragsgestaltung an der Substanz nur mit 4 % beteiligt, behalten aber den Hauptanteil an den Stimm- und Gewinnrechten im Umfange von 96 %. Die laufenden Einkünfte aus der GbR verbleiben also im Ergebnis überwiegend bei den Eltern, so dass ihre Altersversorgung gesichert ist. Damit das Finanzamt diese Gewinnbeteiligung anerkennt, ist zusätzlich die Vereinbarung eines Vorbehaltsnießbrauchs zugunsten der Eltern notwendig.

In dem Gesellschaftsvertrag kann den Eltern das Recht eingeräumt werden, die Geschäftsführung zu übernehmen. Die beschenkten Kinder haben dann keine Möglichkeit, über das Vermögen zu verfügen. Das bisherige Vermögen wird nicht zersplittert, sondern bleibt Vermögen der Gesellschaft, das sich die Kinder zu Lebzeiten ihrer Eltern im Umfang von 96 % gesichert haben. Den Rest erhalten sie beim Ableben ihrer Eltern.

Auch eine familiengerechte Regelung für den Todesfall der Gesellschafter kann vereinbart werden. Der Gesellschaftsvertrag kann vorsehen, dass die Gesellschaft nur mit den Abkömmlingen eines Gesellschafters fortgesetzt wird, um das Eindringen familienfremder Personen zu verhindern.

11Die BGB-Gesellschaft kann zusätzlich testamentarisch als Erbin eingesetzt werden.

In den Gesellschaftsvertrag können auch Regelungen aufgenommen werden, nach denen die Kinder verpflichtet werden, im Falle der Eingehung der Ehe einen Ehevertrag abzuschließen, in welchem der Zugewinnausgleich und der Pflichtteilsanspruch hinsichtlich des Anteils an der Familiengesellschaft ausgeschlossen werden. Ferner kann der Gesellschaftsvertrag eine Regelung enthalten, dass das beschenkte Kind durch Kündigung aus der Familiengesellschaft ausscheidet, wenn der Ausschluss des Zugewinnausgleichs und der Pflichtteilsverzicht nicht erfolgen.

V. Die Schenkung auf den Todesfall

Eine Schenkung, die erst nach dem Tod des Schenkers dem Beschenkten gegenüber erfüllt werden soll, ist nur wirksam, wenn die Formvorschriften für eine letztwillige Verfügung – Testament oder Erbvertrag – eingehalten werden (§ 2301 Abs. 1). Wird die Schenkung bereits zu Lebzeiten des Erblassers vollzogen, ist sie ohne Beachtung der erbrechtlichen Formvorschriften wirksam (§ 2301 Abs. 2, §§ 516 ff.).

Eine Schenkung ist vollzogen, wenn der Schenker sein Vermögen mindert, also das mit der Schenkung verbundene Vermögensopfer auch selbst erbringt. Nicht erforderlich ist, dass der verschenkte Gegenstand voll wirksam auf den Beschenkten übergegangen ist. Auch wenn das Vollzugsgeschäft unter der aufschiebenden Bedingung des Überlebens des Beschenkten erfolgt, ist eine vollzogene Schenkung anzunehmen. Der Beschenkte hat schon zu Lebzeiten des Schenkers eine auf den Erwerb gerichtete Anwartschaft erhalten, die sein Vermögen bereits vermehrt. Der Beschenkte kann den Gegenstand erlangen, ohne dass noch Leistungshandlungen des Schenkers dafür erforderlich sind.

12BEISPIEL: Anna besucht ihre Patentante Frau Huber im Krankenhaus. In Gegenwart einer Krankenschwester erklärt Frau Huber:

„In dem Tresor meiner Wohnung befindet sich ein Sparbuch der Sparkasse mit einem Guthaben von € 50.000. Das Geld schenke ich dir. Ich gebe dir hier den Tresorschlüssel, damit du das Sparbuch an dich nehmen kannst. Aber erst nach meinem Tode darfst du das Guthaben abheben.“

Anna nimmt das Geschenk ihrer Tante dankend an.

Es liegt eine wirksame Schenkung auf den Todesfall vor. Anna wird Eigentümerin des Sparguthabens, weil nur die Vorschriften über Schenkungen unter Lebenden Anwendung finden (§ 2301 Abs. 2, §§ 516 ff.). Frau Huber hat eine aufschiebend bedingte Abtretung ihres Sparguthabens an Anna vorgenommen, die mit ihrem Tode wirksam werden soll. Zum Beweis dafür kann Frau Huber die Krankenschwester als Zeugin benennen. Entscheidend ist, dass Anna das Bankguthaben erworben hat, ohne dass noch Leistungshandlungen von Frau Huber dafür erforderlich sind. Es besteht nicht allein eine Verpflichtung von Frau Huber, das Bankguthaben zu schenken, sondern mit der Übergabe des Tresorschlüssels hat Anna die Möglichkeit erhalten, das Sparbuch in Besitz zu nehmen. Damit ist die Schenkung vollzogen. Selbst wenn Frau Huber den Vorbehalt gemacht hätte, für sich Geld abheben zu wollen, ist eine vollzogene Schenkung anzunehmen. Das Sparguthaben fällt nicht in den Nachlass.

Ist eine Schenkung auf den Todesfall zu Lebzeiten des Schenkers noch nichtvollzogen, müssen die Formvorschriften für eine letztwillige Verfügung – Testament oder Erbvertrag – eingehalten werden (§ 2301 Abs. 1).

Wichtig

Damit eine Schenkung auf den Todesfall nicht an Formvorschriften scheitert, muss der Beweis für deren Vollzug zu Lebzeiten gesichert werden.

13VI. Der Vertrag zugunsten Dritter

Der Inhaber von Bankguthaben oder Wertpapierdepots kann mit seiner Bank vereinbaren, dass dieses Vermögen mit seinem Tode einer anderen Person zustehen soll. Solche Vereinbarungen sind in der Praxis so häufig, dass die Banken dafür sogar Formularverträge vorbereitet haben, um sie ihren Kunden zur Verfügung zu stellen. Eine solche Vereinbarung stellt einen Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall dar (§ 331). Durch diesen Vertrag erreicht der Erblasser bereits zu Lebzeiten, dass bei seinem Tode ein Geldbetrag außerhalb des Erbgangs dem Bedachten zugewendet wird. Der Erwerb gehört nicht zum Nachlass und ist daher dem Zugriff der Nachlassgläubiger entzogen.

Auch dem Vertrag zugunsten Dritter liegt in der Regel eine Schenkung zugrunde. Der Vollzug der Schenkung erfolgt hier in der Begründung des Anspruchs des Beschenkten gegen die Bank. Der Bedachte erwirbt das Recht auf Auszahlung des Geldes nicht gegen den Erben, sondern unmittelbar gegen die Bank. Erforderlich ist, dass der Bedachte vor oder nach dem Tode des Erblassers das ihm mitgeteilte Schenkungsangebot annimmt. Bis zu seinem Ableben darf der Schenker trotzdem uneingeschränkt Abhebungen von seinem Konto vornehmen. Was übrig bleibt, erhält der Beschenkte.

BEISPIEL: Frau Wagner schließt mit der ABC-Bank einen Vertrag, nach dem bei ihrem Tod ihr Neffe Paul ein Bankguthaben von € 80.000 erhalten soll. Nach dem Tod von Frau Wagner wird Paul von der ABC-Bank über diese Zuwendung benachrichtigt. Er bittet die ABC-Bank per Fax sofort, das Geld auf sein Konto bei einer Sparkassenfiliale zu überweisen. Eine Woche später sucht Anna, die Alleinerbin von Frau Wagner, die ABC-Bank auf und widerruft die Schenkung. Sie verlangt von Paul die Rückzahlung des Betrages von € 80.000. Paul weigert sich jedoch.

Solange der bedachte Paul aufgrund des Vertrages zugunsten Dritter die Zuwendung noch nicht zu Lebzeiten der Erblasserin Frau Wagner angenommen hatte, bestand die Möglichkeit für die Erbin Anna, 14das Schenkungsangebot zu widerrufen. Im Falle des Widerrufs geht der Bedachte leer aus, denn es fehlt an der rechtzeitigen Annahme der Schenkung durch ihn. Paul hatte jedoch das Angebot seiner Tante Frau Wagner angenommen, indem er der Bank mitteilte, den Betrag auf das Konto seiner Sparkasse zu überweisen. Der Widerruf des Schenkungsangebots durch die Erbin Anna ist verspätet. Ein Anspruch von Anna gegen Paul auf Zahlung besteht daher nicht.

Wichtig

Um einen „Wettlauf“ zwischen dem Bedachten und dem Erben zu vermeiden, sollte der Erblasser bereits zu seinen Lebzeiten dem Bedachten die Möglichkeit einräumen, die Annahme zu erklären.

VII. Lebensversicherungs- und Bausparverträge

Lebensversicherung s- und Bausparverträge , die in der Regel einen Dritten als Bezugsberechtigten vorsehen, stellen ebenfalls Verträge zugunsten eines Dritten dar (§ 330). Auch in diesen Fällen geht das Recht, die Bezugsberechtigung zu widerrufen, auf den Erben über. Um zu verhindern, dass z. B. die Versicherungssumme bei einer Kapitallebensversicherung infolge Widerrufs des Erben in den Nachlass fällt, kann das Widerrufsrecht auf Antrag des Versicherungsnehmers durch schriftliche Bestätigung des Versicherers ausgeschlossen werden.

Ist in dem Versicherungsvertrag ein Bezugsberechtigter nicht bezeichnet, fällt die Versicherungssumme bei dem Tod des Versicherten in den Nachlass.

Ist dagegen ein Bezugsberechtigter angegeben, erwirbt dieser bei dem Tod des Versicherten oder mit Ablauf der Versicherung einen unmittelbaren Anspruch auf die Versicherungssumme gegen die Versicherung (§ 330). Die Versicherungssumme fällt nicht in den Nachlass. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Versicherungsnehmer seinen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag zu Lebzeiten an einen Dritten, z. B. zur Kreditsicherung an eine Bank, abgetreten hat.

15Sind „die Erben“ als Bezugsberechtigte benannt, so erwerben im Zweifel diese die Versicherungssumme nicht kraft Erbrechts, sondern aufgrund des Versicherungsvertrages, auch wenn sie die Erbschaft ausschlagen (§ 167 Abs. 2 VVG). Bei einer Vor- und Nacherbschaft ist alleine der Vorerbe der Bezugsberechtigte.

Eine Scheidung macht die Bezugsberechtigung des Ehegatten nicht gegenstandslos. Will der Versicherte den Bezug der Versicherungssumme durch den geschiedenen Ehegatten verhindern, muss er gegenüber der Versicherung die Bezugsberechtigung widerrufen. Der in einem Testament erklärte Widerruf einer Bezugsberechtigung wird nicht wirksam, wenn dem Versicherer der Widerruf nicht von dem Erblasser angezeigt wird.

17 2. Kapitel
 
Die gesetzliche Erbfolge

I. Grundbegriffe des Erbrechts

Das Erbrecht des BGB beginnt mit der grundlegenden Vorschrift (§ 1922):

Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.

Der Erbfall ist der Tod eines Menschen. Nur natürliche Personen können beerbt werden.

Der Erblasser ist der Verstorbene, der sein Vermögen hinterlässt. Solange der Erblasser lebt, bestehen gegen ihn und hinsichtlich seines Vermögens keinerlei erbrechtliche Ansprüche.

Die Erbschaft ist das Vermögen des Erblassers. Die Erbschaft umfasst nicht nur das Aktivvermögen (z. B. Geld, Immobilien), sondern auch das Passivvermögen (Verbindlichkeiten, Schulden). Die Erbschaft wird auch als Nachlass bezeichnet.

Die Erben sind diejenigen Personen, auf die das Vermögen des Verstorbenen übergeht. Nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen können Erben sein, z. B. gemeinnützige eingetragene Vereine. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann auch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts erbfähig sein (BGH NJW 2001, 1056), nicht jedoch eine Erbengemeinschaft. Erbe kann nur sein, 18wer den Erblasser überlebt. Wer zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte, aber bereits erzeugt war, kann Erbe werden. Das Kind muss lebend geboren werden.

Ist nicht feststellbar, in welcher Reihenfolge mehrere Personen gestorben sind, z. B. bei einem Flugzeugabsturz, wird unterstellt, dass sie gleichzeitig verstorben sind (§ 11 VerschollenheitsG). Kann die Vermutung nicht widerlegt werden, so beerbt keine Person die andere.

Der Todeszeitpunkt ist der Eintritt des Gesamthirntodes, also des Ausfalls der Gesamtfunktionen des Gehirns, nicht lediglich der Stillstand von Herz- und Kreislauf. Der Todeszeitpunkt wird durch den Totenschein nachgewiesen.

Nach der Gesamtrechtsnachfolge geht das Vermögen des Erblassers als Ganzes auf einen oder mehrere Erben über. Die Erbfolge erfasst den gesamten Nachlass. Der Erbe tritt mit dem Tode des Erblassers unmittelbar und sofort in dessen gesamte Rechte und Pflichten ein.

Eine Einzelrechtsnachfolge, nach der ein einzelner Vermögensgegenstand an den Bedachten übergeht, ist dem deutschen Erbrecht fremd. Der Erblasser kann z. B. nicht einen Pkw aus seinem Vermögen „vererben“. Er kann den Pkw dem Bedachten aber in der Weise verschaffen, dass er ein Vermächtnis (§ 1939) anordnet. Der Erbe muss gegenüber dem Bedachten das Vermächtnis erfüllen.

Auch eine Teilungsanordnung (§ 2048) stellt keine Erbeinsetzung dar, sondern einen schuldrechtlichen Anspruch, den die Erben bei der Erbauseinandersetzung zu beachten haben.

II. Die Grundlagen der gesetzlichen Erbfolge

Der Gesetzgeber hat im BGB geregelt, was nach dem Tode eines Menschen mit seinem Vermögen geschehen soll (§§ 1924 ff.). Die gesetzliche Erbfolge kann jedoch nur für den Normalfall eine angemessene und gerechte Regelung bieten. Bei verwickelten Familienverhältnissen, insbesondere nach Scheidungen oder bei Mehrfachehen 19mit Kindern sowie komplexen Vermögensverhältnissen, kann das Gesetz den Besonderheiten kaum gerecht werden. Der Erblasser hat aber die Möglichkeit, eine letztwillige Verfügung zu treffen, also ein Testament zu errichten oder einen Erbvertrag abzuschließen, um in solchen Fällen abweichend von der gesetzlichen Erbfolge eine individuelle Regelung der Vermögensnachfolge zu erreichen.

Für einen Erblasser ist es wichtig, sich mit den gesetzlichen Regelungen über die Erbfolge zu befassen, um beurteilen zu können, ob er davon durch eine letztwillige Verfügung abweichen will. Kommt er zu dem Ergebnis, dass die Erbfolge nach dem Gesetz auch seinen Vorstellungen entspricht, ist die Errichtung einer letztwilligen Verfügung selbstverständlich nicht notwendig. Ein Erblasser kennt seine eigenen Verhältnisse und kann daher am besten Erben oder Vermächtnisnehmer bestimmen. Unterlässt er es, eine letztwillige Verfügung zu errichten, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Es bleibt auch bei der gesetzlichen Erbfolge, wenn eine letztwillige Verfügung wegen Anfechtung oder aus anderen Gründen unwirksam geworden ist.

Wichtig

Die gesetzliche Erbfolge tritt nur ein, soweit keine letztwillige Verfügung – Testament oder Erbvertrag – vorhanden ist. Eine letztwillige Verfügung geht dem Gesetz stets vor.

Gesetzliche Erben sind die Blutsverwandten– vor allem die Kinder, Eltern und Geschwister. Blutsverwandte sind – genauer ausgedrückt – diejenigen Personen, die durch eheliche oder nichteheliche Geburt voneinander oder einem gemeinsamen Eltern- oder Vorelternteil abstammen.

Die Vaterschaft im Rechtssinne wird durch folgende drei formale Umstände begründet (§ 1592):

20Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat (§ 1591). Dies gilt nach der modernen Fortpflanzungsmedizin auch dann, wenn das Ei von einer anderen Frau stammte, also in den Fällen der so genannten Ersatz- oder Leihmutterschaft.

Das gesetzliche Erbrecht nichtehelicher Kinder wurde nach dem Erbrechtsgleichstellungsgesetz vom 16.2.1997 mit Wirkung vom 1.4.1998 neu geregelt (vgl. S. 28).

Für adoptierte Personen gelten besondere Vorschriften (§§ 1741 ff.).

Der Ehegatte ist gesetzlicher Erbe aufgrund gesonderten Erbrechts (§ 1931). Für ihn ist also nicht die blutsmäßige Abstammung maßgebend.

Ein Lebenspartner hat nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16.2.2001 ein Erbrecht.

Wenn kein weiterer Erbe ermittelt wird, erbt an letzter Stelle der Staat (§ 1936).

Wichtig

Verschwägerte Personen, Lebensgefährte oder Freunde sind nicht gesetzliche Erben. Sie können aber selbstverständlich von dem Erblasser durch eine letztwillige Verfügung als Erben eingesetzt werden.

III. Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten

Es entspricht einer allgemein verbreiteten Auffassung, dass nicht alle Verwandten, also auch die entfernteren, zu gleichen Teilen erben sollen. Aus der Vielzahl der Verwandten wird daher eine Rangfolge für die Berufung zum Erben bestimmt. Dies geschieht nach den Ordnungen (Erbklassen) des BGB. Verwandte einer entfernteren Ordnung werden durch Verwandte einer näheren Ordnung von der Erbfolge ausgeschlossen (§ 1930). Das bedeutet, dass ein Verwandter nicht Erbe wird, wenn ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung vorhanden ist. Ist z. B. nur ein Enkelkind des Erblassers vorhanden, 21so werden die Eltern des Erblassers nicht Erben, denn das Enkelkind gehört der ersten Ordnung und die Eltern gehören der zweiten Ordnung an.

1. Die Rangfolge der gesetzlichen Erben nach Ordnungen

Wichtig

Für alle Ordnungen gilt, dass die Verwandten der näheren Ordnung die Verwandten einer entfernteren Ordnung von der Erbfolge ausschließen. Das bedeutet z. B., solange noch ein Kind, Enkel oder Urenkel – Erben der ersten Ordnung – eines Erblassers vorhanden ist, kommen die Erben der zweiten Ordnung, z. B. die Eltern, nicht zum Zuge.

22 img

Abb. 1: Überblick über die Verwandtschaft nach den Ordnungen des BGB

2. Das Erbrecht nach Stämmen

Innerhalb der ersten bis dritten Ordnung wird die Erbfolge nicht nach der Anzahl der vorhandenen Verwandten, sondern nach Stämmen geregelt. Jedes Kind des Erblassers begründet zusammen mit seinen Abkömmlingen einen Stamm . Gehören z. B. der ersten Ordnung 2 Kinder an, so bilden sie 2 Stämme. Jeder Stamm erhält die gleiche Erbquote. War ein Kind zur Zeit des Erbfalls bereits verstorben, ohne selber Kinder zu hinterlassen, wächst sein Anteil dem noch lebenden Kind zu, das dann allein erbt.

Der mit dem Erblasser näher verwandte Abkömmling schließt die entfernter verwandten Abkömmlinge von der Erbfolge aus. Der Erbe repräsentiert seinen Stamm. Leben nach unserem obigen Beispiel 23die 2 Kinder des Erblassers noch, erhalten sie je 1/2 und bereits vorhandene Enkelkinder gehen leer aus. Ist jedoch ein Kind zur Zeit des Erbfalls bereits verstorben, dann treten an seine Stelle kraft Eintrittsrechts dessen Kinder, also die Enkelkinder des Erblassers. Hinterlässt das verstorbene Kind 2 Kinder, müssen sie sich das Erbe teilen, das an ihren verstorbenen Elternteil gefallen wäre; sie erhalten je 1/4.

BEISPIEL: Der Erblasser hinterlässt drei Kinder, die jeweils einen Stamm bilden. Barbara ist vorverstorben, so dass an ihre Stelle ihr Kind als Miterbe zu 1/3 eintritt (siehe Darstellung auf S. 22).

3. Das Erbrecht nach Linien

Ab der zweiten Ordnung findet auch das Linienprinzip Anwendung. Vater und Mutter des Erblassers bilden mit ihren Abkömmlingen je eine Linie, also eine Linie des Vaters und eine Linie der Mutter. Auch in einer Linie schließt der mit dem Erblasser am nächsten Verwandte die anderen Angehörigen dieser Linie von der Erbfolge aus.

Man unterscheidet Verwandte in gerader Linie und Verwandte in der Seitenlinie (§ 1589). In gerader Linie sind die Personen verwandt, die voneinander abstammen, z. B. Vater – Sohn – Enkel. Verwandtschaft in der Seitenlinie besteht bei den Personen, die von derselben dritten Person, z. B. dem Vater, abstammen, aber nicht in gerader Linie verwandt sind, z. B. Geschwister.

4. Das Erbrecht nach dem Grad der Verwandtschaft

Ab der vierten Erbordnung wird das Erbrecht nach Stämmen zugunsten des so genannten Gradualsystems aufgegeben, um eine Zersplitterung des Nachlasses zu verhindern. Der Grad der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten. Kommt es zur gesetzlichen Erbfolge der Urgroßelternverwandtschaft, so erben von den Abkömmlingen der Urgroßeltern nur diejenigen, welche mit dem Erblasser dem Grade nach am nächsten verwandt sind (§ 1928 Abs. 3). Ein noch lebender Enkel der Urgroßeltern 24schließt somit alle Urenkel von der Erbfolge aus, deren mit dem Erblasser verwandte Elternteile bereits verstorben sind.

img

Abb. 2: Erbrecht nach dem Grad der Verwandtschaft

IV. Das Erbrecht der Kinder und Enkel – Erben der ersten Ordnung

Die Abkömmlinge des Erblassers – seine Kinder, Enkel, Urenkel usw. – gehören der ersten Ordnung an. Unerheblich ist, ob diese Nachkommen ehelicher oder nichtehelicher Abstammung sind, ob sie aus verschiedenen Ehen stammen oder ob es sich um angenommene Kinder handelt. Leben bei dem Erbfall sämtliche Kinder, so erben sie zu gleichen Teilen.

Hat ein Kind ebenfalls Abkömmlinge, so sind diese von der Erbfolge nach dem Erblasser ausgeschlossen, denn das Kind repräsentiert seinen Stamm und erbt allein (§ 1924 Abs. 2).

25Solange nur ein Abkömmling noch lebt, und sei es ein Ururenkel, geht er allen anderen Verwandten vor und wird alleiniger gesetzlicher Erbe. Er schließt die Angehörigen der anderen Ordnungen von der gesetzlichen Erbfolge aus. An die Stelle eines verstorbenen Kindes treten dessen Kinder, also die Enkel des Erblassers, an die Stelle des Enkels tritt der Urenkel usw.

Wenn ein Abkömmling ohne eigene Abkömmlinge vorverstorben ist, wächst sein Anteil den noch lebenden Abkömmlingen zu.

img

Abb. 3: Erbrecht der Kinder und Enkel

BEISPIEL: Die verwitwete Erblasserin Else ist gestorben und hinterlässt ihre Mutter Martha und den Sohn Stefan sowie dessen Tochter Tina. Ihre Tochter Vera war bereits verstorben und hinterlässt den Ehemann Egon und die Kinder Klaus und Kathrin.

Der Sohn Stefan und die verstorbene Tochter Vera begründen jeweils einen Stamm in der ersten Ordnung. Jeder Stamm erhält einen gleich hohen Erbanteil. Stefan erhält 1/2. Seine Tochter Tina erbt nichts, da sie durch ihren noch lebenden Vater Stefan, der seinen Stamm repräsentiert, von der Erbschaft ausgeschlossen ist. An die Stelle der verstorbenen Tochter Vera mit dem Erbanteil von 1/2 treten deren Kinder Klaus und Kathrin und erben je 1/4.

26