Friedrich Hölderlin
BALD SIND WIR ABER GESANG
Eine Auswahl aus seinen Werken und Briefen
Von Navid Kermani
C.H.BECK textura
Friedrich Hölderlin entzieht sich allen Kategorisierungen, erst recht seit sein Werk durch die kritischen Ausgaben aus dem handschriftlichen Nachlass von gefälligen Glättungen befreit wurde. Navid Kermani, dessen Name seit seinen fulminanten Frankfurter Poetikvorlesungen von 2011 mit Hölderlin verbunden wird, legt hier erstmals eine Auswahl auf der Höhe der modernen Editionen vor. Sie geht über die berühmten Gedichte hinaus und erschließt den Lyriker, Roman- und Dramenautor, Literaturtheoretiker, Briefeschreiber, Liebhaber, Propheten, Mystiker und Wahnsinnigen in der ganzen Breite seines Schaffens. Berühmte Gedichte Hölderlins stehen so neben unbekannteren, aber nicht weniger grandiosen Texten, die fremdartig und zugleich unmittelbar zu uns sprechen. Ganz in den Nöten der irdischen Existenz befangen, schuf Friedrich Hölderlin in kaum mehr als zehn Jahren, zwischen 1795 und 1806, das eine Werk in deutscher Sprache, das in einer Reihe mit den großen Offenbarungen der Welt steht.
Friedrich Hölderlin, geboren am 20. März 1770 in Lauffen am Neckar, studierte Theologie in Tübingen, wo er mit Hegel und Schelling befreundet war, hörte in Jena Vorlesungen bei Fichte, lernte Schiller, Goethe und Novalis kennen und begegnete als Hauslehrer seiner großen Liebe Susette Gontard. Seit 1806 galt er als wahnsinnig und verbrachte die zweite Hälfte seines Lebens in einer Tübinger Turmstube, wo er weiter dichtete und am 7. Juni 1843 starb.
Navid Kermani lebt als freier Schriftsteller in Köln. Für seine Romane, Reportagen und wissenschaftlichen Werke erhielt er unter anderem den Joseph-Breitbach-Preis, den Kleist-Preis sowie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Seine Sachbücher erscheinen bei C.H.Beck. Seine Frankfurter Poetikvorlesungen erschienen 2012 im Carl Hanser Verlag: «Über den Zufall. Jean Paul, Hölderlin und der Roman, den ich schreibe».
GEDICHTE
An die klugen Rathgeber.
Da ich ein Knabe war …
An Diotima.
Gebet für die Unheilbaren.
An die Parzen.
Menschenbeifall.
Der Zeitgeist.
Die Sprache –
Wie wenn am Feiertage …
Der blinde Sänger.
Elegie.
Stutgard.
Heimkunft.
Die Heimath.
Lebenslauf.
Der Abschied.
Brod und Wein.
Der Einzige.
Auf falbem Laube ruhet …
Mnemosyne.
Mnemosyne.
Hälfte des Lebens.
Patmos.
Andenken.
Auf den Tod eines Kindes.
Das Angenehme dieser Welt …
Der Frühling.
Die Aussicht.
HYPERION – [Auszüge]
[Aus der metrischen Fassung, 1794/95]
[Aus der vorletzten Fassung, 1795]
Hyperion
oder
der Eremit in Griechenland.
[Aus der endgültigen Fassung, 1796.
Erster Band. Erstes Buch]
[Erster Band. Zweites Buch.]
[Zweiter Band. Erstes Buch.]
[Zweiter Band. Zweites Buch.]
DER TOD DES EMPEDOKLES. – Ein Trauerspiel in fünf Acten.
Allgemeiner Grund. [1799]
[Aus dem ersten Entwurf, 1798/99]
[Aus dem dritten Entwurf, 1799/1800]
AUFSÄTZE UND APHORISMEN
[Fragment philosophischer Briefe, 1796]
[Aus den Frankfurter Aphorismen, 1799]
[Aus den poetologischen Entwürfen]
ÜBERSETZUNGEN
[Aus Sophokles’ Antigonae, 1802]
[Aus den Pindar-Fragmenten, 1800–1805]
Untreue der Weisheit.
Das Alter.
Das Unendliche.
BRIEFE – (1792–1828)
AN NEUFFER
AN NEUFFER
AN DEN BRUDER
AN NEUFFER
AN SCHILLER
AN DEN BRUDER
AN DIE MUTTER
AN NEUFFER
AN DEN BRUDER
AN DIE MUTTER
AN SUSETTE GONTARD
AN SUSETTE GONTARD
AN SUSETTE GONTARD
AN CHRISTIAN LANDAUER
AN CASIMIR ULRICH BÖHLENDORFF
AN DIE MUTTER
AN CASIMIR ULRICH BÖHLENDORFF
AN FRIEDRICH WILMANS
AN DIE MUTTER
VON DEM BRUDER
[STAMMBUCHEINTRAG, 1840]
Nachwort
An die klugen Rathgeber.
Ich sollte nicht i’m Lebensfelde ringen,
So lang mein Herz nach höchster Schöne strebt,
Ich soll mein Schwanenlied a’m Grabe singen,
Wo ihr so gern lebendig uns begräbt?
O! schonet mein und laßt das rege Streben,
Bis seine Fluth in’s fernste Meer sich stürzt,
Laßt immerhin, ihr Ärzte, laßt mich leben,
So lang die Parze nicht die Bahn verkürzt.
Des Weins Gewächs verschmäht die kühlen Thale,
Hesperiens beglükter Garten bringt
Die goldnen Früchte nur im heißen Strahle,
Der, wie ein Pfeil, in’s Herz der Erde dringt;
Was warnt ihr dann, wenn stolz und ungeschändet
Des Menschen Herz von kühnem Zorn entbrennt,
Was nimmt ihr ihm, der nur im Kampf vollendet,
Ihr Weichlinge, sein glühend Element?
Er hat das Schwerdt zum Spiele nicht genommen,
Der Richter, der die alte Nacht verdammt,
Er ist zum Schlafe nicht herabgekommen,
Der reine Geist, der aus dem Aether stammt;
Er strahlt heran, er schrökt, wie Meteore,
Befreit und bändigt, ohne Ruh’ und Sold,
Bis, wiederkehrend durch des Himmels Thore,
Sein Kämpferwagen i’m Triumphe rollt.
Und ihr, ihr wollt des Rächers Arme lähmen,
Dem Geiste, der mit Götterrecht gebeut,
Bedeutet ihr, sich knechtisch zu bequemen,
Nach eures Pöbels Unerbittlichkeit?
Das Irrhaus wählt ihr euch zum Tribunale,
Dem soll der Herrliche sich unterzieh’n,
Den Gott in uns, den macht ihr zum Scandale,
Und sezt den Wurm zum König über ihn. –
Sonst ward der Schwärmer doch ans Kreuz geschlagen,
Und oft in edlem Löwengrimme rang
Der Mensch an donnernden Entscheidungstagen,
Bis Glük und Wuth das kühne Recht bezwang;
Ach! wie die Sonne, sank zur Ruhe nieder
Wer unter Kampf ein herrlich Werk begann,
Er sank und morgenrötlich hub er wieder
In seinen Lieblingen zu leuchten an.
Jezt blüht die neue Kunst, das Herz zu morden,
Zum Todesdolch in meuchlerischer Hand
Ist nun der Rath des klugen Manns geworden,
Und furchtbar, wie ein Scherge, der Verstand;
Bekehrt von euch zu feiger Ruhe, findet
Der Geist der Jünglinge sein schmählich Grab,
Ach! ruhmlos in die Nebelnächte schwindet
Aus heitrer Luft manch schöner Stern hinab.
Umsonst, wenn auch der Geister Erste fallen,
Die starken Tugenden, wie Wachs, vergehn,
Das Schöne muß aus diesen Kämpfen allen,
Aus dieser Nacht der Tage Tag entstehn;
Begräbt sie nur, ihr Todten, eure Todten!
Indeß ihr noch die Leichenfakel hält,
Geschiehet schon, wie unser Herz geboten,
Bricht schon herein die neue beßre Welt.
Da ich ein Knabe war …
Da ich ein Knabe war,
Rettet’ ein Gott mich oft
Vom Geschrei und der Ruthe der Menschen,
Da spielt’ ich sicher und gut
Mit den Blumen des Hains,
Und die Lüftchen des Himmels
Spielten mit mir.
Und wie du das Herz
Der Pflanzen erfreust,
Wenn sie entgegen dir
Die zarten Arme streken,
So hast du mein Herz erfreut
Vater Helios! und, wie Endymion,
War ich dein Liebling,
Heilige Luna!
O all ihr treuen
Freundlichen Götter!
Daß ihr wüßtet,
Wie euch meine Seele geliebt!
Zwar damals rieff ich noch nicht
Euch mit Nahmen, auch ihr
Nanntet mich nie, wie die Menschen sich nennen
Als kennten sie sich.
Doch kannt’ ich euch besser,
Als ich je die Menschen gekannt,
Ich verstand die Stille des Aethers
Der Menschen Worte verstand ich nie.
Mich erzog der Wohllaut
Des säuselnden Hains
Und lieben lernt’ ich
Unter den Blumen.
Im Arme der Götter wuchs ich groß.
An Diotima.
Schönes Leben! du lebst, wie die zarten Blüthen im Winter,
In der gealterten Welt blühst du verschlossen, allein.
Liebend strebst du hinaus, dich zu sonnen am Lichte
des Frühlings,
Zu erwarmen an ihr suchst du die Jugend der Welt.
Deine Sonne, die schönere Zeit, ist untergegangen
Und in frostiger Nacht zanken Orkane sich nun.
Gebet für die Unheilbaren.
Eil, o zaudernde Zeit, sie ans Ungereimte zu führen,
Anders belehrest du sie nie wie verständig sie sind.
Eile, verderbe sie ganz, und führ’ ans furchtbare Nichts sie,
Anders glauben sie dir nie, wie verdorben sie sind.
Diese Thoren bekehren sich nie, wenn ihnen nicht
schwindelt,
Diese sich nie, wenn sie Verwesung nicht sehn.
An die Parzen.
Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!
Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,
Daß williger mein Herz, vom süßen
Spiele gesättiget, dann mir sterbe.
Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht
Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;
Doch ist mir einst das Heil’ge, das am
Herzen mir liegt, das Gedicht gelungen,
Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!
Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel
Mich nicht hinab geleitet; Einmal
Lebt ich, wie Götter und mehr bedarfs nicht.
Menschenbeifall.
Ist nicht heilig mein Herz, schöneren Lebens voll,
Seit ich liebe? warum achtetet ihr mich mehr,
Da ich stolzer und wilder,
Wortereicher und leerer war?
Ach! der Menge gefällt, was auf den Marktplaz taugt,
Und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;
An das Göttliche glauben
Die allein, die es selber sind.
Der Zeitgeist.
Zu lang schon waltest über dem Haupte mir
Du in der dunkeln Wolke, du Gott der Zeit!
Zu wild, zu bang ist’s ringsum, und es
Trümmert und wankt ja, wohin ich blike.
Ach! wie ein Knabe, seh’ ich zu Boden oft,
Such’ in der Höhle Rettung vor dir, und möcht’
Ich Blöder, eine Stelle finden,
Alleserschütt’rer! wo du nicht wärest.
Lass’ endlich, Vater! offenen Aug’s mich dir
Begegnen! hast denn du nicht zuerst den Geist
Mit deinem Stral aus mir gewekt? mich
Herrlich an’s Leben gebracht, o Vater! –
Wohl keimt aus jungen Reben uns heil’ge Kraft;
In milder Luft begegnet den Sterblichen,
Und wenn sie still im Haine wandeln,
Heiternd ein Gott; doch allmächt’ger wekst du
Die reine Seele Jünglingen auf, und lehrst
Die Alten weise Künste; der Schlimme nur
Wird schlimmer, daß er bälder ende,
Wenn du, Erschütterer! ihn ergreiffest.
Die Sprache –
Im Gewitter spricht der
Gott.
Öfters hab’ ich die Sprache
sie sagten der Zorn
sei genug und gelte
für den Apollo –
Hast du Liebe genug
so zürn aus Liebe
nur immer
Öfters hab’ ich Gesang
versucht, aber sie hörten
dich nicht. Denn so wollte
die heil’ge Natur. Du sangest
du für sie in deiner Jugend
nicht singend
Du sprachest zur Gottheit,
aber diß habt ihr all ver-
gessen, daß immer die Erst-
linge Sterblichen nicht,
daß sie den Göttern
gehören.
Gemeiner muß alltäglicher muß
die Frucht erst werden, dann wird
sie den Sterblichen eigen.
Wie wenn am Feiertage …
Wie wenn am Feiertage, das Feld zu sehn
Ein Landmann geht, des Morgens, wenn
Aus heißer Nacht die kühlenden Blize fielen
Die ganze Zeit und fern noch tönet der Donner,
In sein Gestade wieder tritt der Strom,
Und frisch der Boden grünt
Und von des Himmels erfreuendem Reegen
Der Weinstok trauft und glänzend
In stiller Sonne stehn die Bäume des Haines:
So stehn sie unter günstiger Witterung,
Sie die kein Meister allein, die wunderbar
Allgegenwärtig erzieht in leichtem Umfangen
Die mächtige, die göttlichschöne Natur.
Drum wenn zu schlafen sie scheint zu Zeiten des Jahrs
Am Himmel oder unter den Pflanzen oder den Völkern
So trauert der Dichter Angesicht auch,
Sie scheinen allein zu seyn, doch ahnen sie immer.
Denn ahnend ruhet sie selbst auch.
Jezt aber tagts! Ich harrt und sah es kommen,
Und was ich sah, das Heilige sei mein Wort.
Denn sie, sie selbst, die älter denn die Zeiten
Und über die Götter des Abends und Orients ist,
Die Natur ist jezt mit Waffenklang erwacht,
Und hoch vom Aether bis zum Abgrund nieder
Nach vestem Geseze, wie einst, aus heiligem Chaos gezeugt,
Fühlt neu die Begeisterung sich,
Die Allerschaffende wieder.
Und wie im Aug’ ein Feuer dem Manne glänzt,
Wenn hohes er entwarf; so ist
Von neuem an den Zeichen, den Thaten der Welt jezt
Ein Feuer angezündet in Seelen der Dichter.
Und was zuvor geschah, doch kaum gefühlt,
Ist offenbar erst jezt,
Und die uns lächelnd den Aker gebauet,
In Knechtsgestalt, sie sind erkannt,
Die Allebendigen, die Kräfte der Götter.
Erfrägst du sie? im Liede wehet ihr Geist
Das auch der Sonne, wie Blumen und dunkler Erd
Entwächst, und Wettern, die in der Luft, und andern
Die vorbereiteter in Tiefen der Zeit,
Und deutungsvoller, und vernehmlicher uns
Hinwandeln zwischen Himmel und Erd und unter den Völkern
Des gemeinsamen Geistes Gedanken sind,
Still endend in der Seele des Dichters,
Daß schnellbetroffen sie, Unendlichem
Bekannt seit langer Zeit, von Erinnerung
Erbebt, und ihr, von heilgem Stral entzündet,
Die Frucht in Liebe geboren, der Götter und Menschen Werk
Der Gesang, damit er beiden zeuge, glükt.
So fiel, wie Dichter sagen, da sie sichtbar
Den Gott zu sehen begehrte, sein Bliz auf Semeles Haus
Und die Asche der göttlichgetroffnen gebahr,
Die Frucht des Gewitters, den heiligen Bacchus.
Und daher trinken himmlisches Feuer jezt
Die Erdensöhne ohne Gefahr.
Doch uns gebührt es, unter Gottes Gewittern,
Ihr Dichter! mit entblößtem Haupte zu stehen,
Des Vaters Stral, ihn selbst, mit eigner Hand
Zu fassen und dem Volk’ ins Lied
Gehüllt die himmlische Gaabe zu reichen.
Denn sind nur reinen Herzens,
Wie Kinder, wir, sind schuldlos unsere Hände
Des Vaters Stral, der reine versengt es nicht
Und tieferschüttert, die Leiden des Stärkeren
Mitleidend, bleibt in den hochherstürzenden Stürmen
Des Gottes, wenn er nahet, das Herz doch fest.
Doch weh mir! wenn von
Und sag ich gleich,
Ich sei genaht, die Himmlischen zu schauen,
Sie selbst, sie werfen mich tief unter die Lebenden
Den falschen Priester, ins Dunkel, daß ich
Das warnende Lied den Gelehrigen singe.
Dort
Der blinde Sänger.
Еλυσεν αινον αχος απ’ ομματων Аρης.
Sophokles.
Wo bist du, Jugendliches! das immer mich
Zur Stunde wekt des Morgens, wo bist du, Licht!
Das Herz ist wach, doch bannt und hält in
Heiligem Zauber die Nacht mich immer.
Sonst lauscht’ ich um die Dämmerung gern, sonst harrt’
Ich gerne dein am Hügel, und nie umsonst!
Nie täuschten mich, du Holdes, deine
Boten, die Lüfte, denn immer kamst du,
Kamst allbeseeligend den gewohnten Pfad
Herein in deiner Schöne, wo bist du, Licht!
Das Herz ist wieder wach, doch bannt und
Hemmt die unendliche Nacht mich immer.
Mir grünten sonst die Lauben; es leuchteten
Die Blumen, wie die eigenen Augen, mir;
Nicht ferne war das Angesicht der
Meinen und leuchtete mir und droben
Und um die Wälder sah ich die Fittige
Des Himmels wandern da ich ein Jüngling war;
Nun siz ich still allein, von einer
Stunde zur anderen und Gestalten
Aus Lieb und Laid der helleren Tage schafft
Zur eignen Freude nun mein Gedanke sich,
Und ferne lausch’ ich hin, ob nicht ein
Freundlicher Retter vieleicht mir komme.
Dann hör ich oft die Stimme des Donnerers
Am Mittag, wenn der eherne nahe kommt,
Wenn ihm das Haus bebt und der Boden
Unter ihm dröhnt und der Berg es nachhallt.
Den Retter hör’ ich dann in der Nacht, ich hör’
Ihn tödtend, den Befreier, belebend ihn,
Den Donnerer vom Untergang zum
Orient eilen und ihm nach tönt ihr
Ihm nach, ihr meine Saiten! es lebt mit ihm
Mein Lied und wie die Quelle dem Strome folgt,
Wohin er denkt, so muß ich fort und
Folge dem Sicheren auf der Irrbahn.
Wohin? wohin? ich höre dich da und dort
Du Herrlicher! und rings um die Erde tönts.
Wo endest du? und was, was ist es
Über den Wolken und o wie wird mir?
Tag! Tag! du über stürzenden Wolken! sei
Willkommen mir! es blühet mein Auge dir.
O Jugendlicht! o Glük! das alte
Wieder! doch geistiger rinnst du nieder
Du goldner Quell aus heiligem Kelch! und du,
Du grüner Boden, friedliche Wieg’! und du,
Haus meiner Väter! und ihr Lieben,
Die mir begegneten einst, o nahet
O kommt, daß euer, euer die Freude sei,
Ihr alle, daß euch seegne der Sehende!
O nimmt, daß ich’s ertrage, mir das
Leben, das Göttliche mir vom Herzen.
Elegie.
Täglich geh’ ich heraus und such’ ein Anderes immer,
Habe längst sie befragt, alle die Pfade des Lands;
Droben die kühlenden Höhn, die Schatten alle besuch’ ich,
Und die Quellen; hinauf irret der Geist und hinab,
Ruh’ erbittend; so flieht das getroffene Wild in die Wälder,
Wo es um Mittag sonst sicher im Dunkel geruht;
Aber nimmer erquikt sein grünes Laager das Herz ihm
Wieder und schlummerlos treibt es der Stachel umher.
Nicht die Wärme des Lichts und nicht die Kühle der Nacht
hilft
Und in Woogen des Stroms taucht es die Wunden umsonst.
Ihm bereitet umsonst die Erd’ ihr stärkendes Heilkraut
Und sein schäumendes Blut stillen die Lüftchen umsonst.
Wehe! so ists auch, so, ihr Todesgötter! vergebens,
Wenn ihr ihn haltet und vest habt den bezwungenen Mann,
Wenn ihr einmal hinab in eure Nacht ihn gerissen,
Dann zu suchen zu flehn, oder zu zürnen mit euch,
Oder geduldig auch wohl in euren Banden zu wohnen
Und mit Lächeln von euch hören das furchtbare Lied.
Denn bestehn, wie anderes, muß in seinem Geseze,
Immer altern und nie enden das schaurige Reich.
Aber noch immer nicht, o meine Seele! noch kannst dus
Nicht gewohnen und träumst mitten im eisernen Schlaf.
Tag der Liebe! scheinest du auch den Todten, du goldner!
Bilder aus hellerer Zeit leuchtet ihr mir in die Nacht?
Liebliche Gärten, seid, ihr abendröthlichen Berge,
Seid willkommen, und ihr, schweigende Pfade des Hains.
Zeugen himmlischen Glüks! und ihr, allschauende Sterne,
Die mir damals oft seegnende Blike gegönnt!
Euch, ihr Liebenden, auch, ihr schönen Kinder des Frühlings,
Stille Rosen und euch, Lilien! nenn’ ich noch oft, –
Ihr Vertrauten! ihr Lebenden all’, einst nahe dem Herzen,
Einst wahrhaftiger, einst heller und schöner gesehn!
Tage kommen und gehn, ein Jahr verdränget das andre,
Wechselnd und streitend; so tost furchtbar vorüber die Zeit
Über sterblichem Haupt, doch nicht vor seeligen Augen,
Und den Liebenden ist anderes Leben gewährt.
Denn sie alle die Tag’ und Stunden und Jahre der Sterne
Und der Menschen, zur Lust anders und anders bekränzt
Fröhlicher, ernster, sie all’, als ächte Kinder des Aethers
Lebten, in Wonne vereint, innig und ewig um uns.
Aber wir, unschädlich gesellt, wie die friedlichen Schwäne,
Wenn sie ruhen am See, oder auf Wellen gewiegt,
Niedersehn in die Wasser, wo silberne Wolken sich spiegeln,
Und das himmlische Blau unter den Schiffenden wallt,
So auf Erden wandelten wir. Und drohte der Nord auch,
Er, der Liebenden Feind, sorgenbereitend, und fiel
Von den Aesten das Laub und flog im Winde der Reegen,
Lächelten ruhig wir, fühlten den Gott und das Herz
Unter trautem Gespräch, im hellen Seelengesange,
So im Frieden mit uns kindlich und seelig allein.
Ach! wo bist du, Liebende, nun? Sie haben mein Auge
Mir genommen, mein Herz hab’ ich verloren mit ihr.
Darum irr’ ich umher, und wohl, wie die Schatten, so muß ich
Leben und sinnlos dünkt lange das Übrige mir.
Danken möcht’ ich, aber wofür? verzehret das Lezte
Selbst die Erinnerung nicht? nimmt von der Lippe denn
nicht
Bessere Rede mir der Schmerz, und lähmet ein Fluch nicht
Mir die Sehnen und wirft, wo ich beginne, mich weg?
Daß ich fühllos size den Tag und stumm, wie die Kinder,
Nur vom Auge mir kalt öfters die Tropfe noch schleicht,
Und in schaudernder Brust die allerwärmende Sonne
Kühl und fruchtlos mir dämmert, wie Stralen der Nacht,
Sonst mir anders bekannt! O Jugend! und bringen Gebete
Dich nicht wieder, dich nie? führet kein Pfad mich zurük?
Soll es werden auch mir, wie den Tausenden, die in den Tagen
Ihres Frühlings doch auch ahndend und liebend gelebt,
Aber am trunkenen Tag von den rächenden Parzen ergriffen,
Ohne Klag’ und Gesang heimlich hinuntergeführt
Dort im allzunüchternen Reich, dort büßen im Dunkeln,
Wo bei trügrischem Schein irres Gewimmel sich treibt,
Wo die langsame Zeit bei Frost und Dürre sie zählen,
Nur in Seufzern der Mensch noch die Unsterblichen preist?
Aber o du, die noch am Scheidewege mir damals,
Da ich versank vor dir tröstend ein Schöneres wies,
Du, die Großes zu sehn und die schweigenden Götter
zu singen,
Selber schweigend mich einst stillebegeisternd gelehrt,
Götterkind! erscheinest du mir und grüßest, wie einst, mich,
Redest wieder, wie einst Leben und Frieden mir zu?
Siehe, weinen vor dir und klagen muß ich, wenn schon noch
Denkend der edleren Zeit, dessen die Seele sich schämt.
Denn zu lange, zu lang’ auf matten Pfaden der Erde
Bin ich, deiner gewohnt, einsam gegangen indeß,
O mein Schuzgeist! denn wie der Nord die Wolke
des Herbsttags
Scheuchten von Ort zu Ort feindliche Geister mich fort.
So zerrann mein Leben, ach! so ists anders geworden,
Seit o Liebe, wir einst giengen am ruhigen Strom.
Aber dich, dich erhielt dein Licht, o Heldin! im Lichte,
Und dein Dulden erhielt liebend, o Himmlische! dich.
Und sie selbst, die Natur und ihre melodischen Musen
Sangen aus heimischen Höhn Wiegengesänge dir zu.
Noch, noch ist sie es ganz! noch schwebt vom Haupte
zur Sohle
Stillhinwandelnd, wie sonst, mir die Athenerin vor.
Seelig, seelig ist sie! denn es scheut die Kinder des Himmels
Selbst der Orkus, es rinnt, gleich den Unsterblichen selbst,
Ihnen der milde Geist von heitersinnender Stirne,
Wo sie auch wandeln und sind, seegnend und sicher herab.
Darum möcht’, ihr Himmlischen! euch ich danken und
endlich
Tönet aus leichter Brust wieder des Sängers Gebet.
Und, wie wenn ich mit ihr auf Bergeshöhen mit ihr stand,
Wehet belebend auch mich, göttlicher Othem mich an.
Leben will ich denn auch! schon grünen die Pfade der Erde
Schöner und schöner schließt wieder die Sonne sich auf.
Komm! es war, wie ein Traum! die blutenden Fittige sind ja
Schon genesen, verjüngt wachen die Hoffnungen all.
Dien’ im Orkus, wem es gefällt! wir, welche die stille
Liebe bildete, wir suchen zu Göttern die Bahn.
Und geleitet ihr uns, ihr Weihestunden! ihr ernsten,
Jugendlichen! o bleibt, heilige Ahnungen, ihr,
Fromme Bitten, und ihr Begeisterungen, und all ihr
Schönen Genien, die gerne bei Liebenden sind
Bleibet, bleibet mit uns, bis wir auf seeligen Inseln,
Wo die Unsern vieleicht, Dichter der Liebe, mit uns,
Oder auch, wo die Adler sind, in Lüften des Vaters,
Dort, wo die Musen, woher all’ die Unsterblichen sind,
Dort uns staunend und fremd und bekannt uns wieder
begegnen,
Und von neuem ein Jahr unserer Liebe beginnt.
Stutgard.
An Siegfried Schmidt.
[Erste Fassung]
1.
Wieder ein Glük ist erlebt. Die gefährliche Dürre geneset,
Und die Schärfe des Lichts senget die Blüthe nicht mehr.
Offen steht jezt wieder ein Saal, und gesund ist der Garten,
Und von Reegen erfrischt, rauschet das glänzende Thal,
Hoch von Gewächsen, es schwellen die Bäch’ und alle
gebundnen
Fittige wagen sich wieder ins Reich des Gesangs.
Voll ist die Luft von Fröhlichen jezt und die Stadt und
der Hain ist
Rings von zufriedenen Kindern des Himmels erfüllt.
Gerne begegnen sie sich und irren untereinander,
Sorgenlos, und es scheint keines zu wenig, zu viel.
Denn so ordnet das Herz es an und zu athmen die Anmuth,
Sie, die geschikliche, schenkt ihnen ein göttlicher Geist.
Aber die Wanderer auch sind wohlgeleitet und haben
Kränze genug und Gesang, haben den heiligen Stab
Vollgeschmükt mit Trauben und Laub bei sich und der Fichte
Schatten; von Dorfe zu Dorf jauchzt es, von Tag zu Tag,
Und wie Wagen, bespannt mit freiem Wilde, so ziehn die
Berge voran und so träget und eilet der Pfad.
2.
Aber meinest du nun, es haben die Thore vergebens
Aufgethan und den Weg freudig die Götter gemacht?
Und es schenken umsonst zu des Gastmahls Fülle die Guten
Nebst dem Weine noch auch Blumen und Honig und Obst?
Schenken das purpurne Licht zu Festgesängen und kühl und
Ruhig zu tieferem Freundesgespräche die Nacht?
Hält ein Ernsteres dich, so spars dem Winter und willst du
Freien, habe Gedult, Freier beglüket der Mai.
Jezt ist Anderes Noth, jezt komm’ und feire des Herbstes
Alte Sitte, noch jezt blühet die Edle mit uns.
Eins nur gilt für den Tag, das Vaterland und des Opfers
Festlicher Flamme wirft jeder sein Eigenes zu.
Darum kränzt der gemeinsame Gott umsäuselnd das Haar uns,
Und den eigenen Sinn schmelzet, wie Perlen, der Wein.
Diß bedeutet der Tisch, der geehrte, wenn, wie die Bienen,
Rund um den Eichbaum, wir sizen und singen um ihn,
Diß der Pokale Klang und darum zwinget die wilden
Seelen der streitenden Männer zusammen der Chor.
3.
Aber damit uns nicht, gleich Allzuklugen, entfliehe
Diese neigende Zeit, komm’ ich entgegen sogleich,
Bis an die Grenze des Lands, wo mir den lieben Geburtsort
Und die Insel des Stroms blaues Gewässer umfließt.
Heilig ist mir der Ort, an beiden Ufern, der Fels auch,
Der mit Garten und Haus grün aus den Wellen sich hebt.
Dort begegnen wir uns, o gütiges Licht, wo zuerst mich
Deiner gefühlteren Stralen mich einer betraf.
Dort begann und beginnt das liebe Leben von neuem;
Aber des Vaters Grab seh’ ich und weine dir schon?
Wein’ und halt’ und habe den Freund und höre das Wort, das
Einst mir in himmlischer Kunst Leiden der Liebe geheilt.
Andres erwacht! ich muß die Landesheroën ihm nennen!
Barbarossa! dich auch, gütiger Kristoph, und dich,
Conradin! wie du fielst, so fallen Starke, der Epheu
Grünt am Fels und die Burg dekt das bacchantische Laub,
Doch Vergangenes ist, wie Künftiges, heilig den Sängern,
Und in Tagen des Herbsts sühnen die Schatten wir aus.
4.
So der Gewalt’gen gedenk und des herzerhebenden Schiksaals
Thatlos selber und leicht, aber vom Aether doch auch
Angeschauet und fromm, wie die Alten, die göttlicherzognen
Freudigen Dichter ziehn freudig das Land wir hinauf.
Groß ist das Werden umher. Dort von den äußersten Bergen
Stammen der Jünglinge viel, steigen die Hügel herab.
Quellen rauschen von dort und hundert geschäfftige Bäche
Kommen bei Tag und Nacht nieder und bauen das Land.
Aber der Meister pflügt in der Mitte des Landes, die Furchen
Ziehet der Nekarstrom, ziehet den Seegen herab.
Und es kommen mit ihm Italiens Lüfte, die See schikt
Ihre Wolken, sie schikt prächtige Sonnen mit ihm.
Darum wächset uns auch fast über das Haupt die gewaltge
Fülle, denn hieher ward, hier in die Ebne das Gut
Reicher den Lieben gebracht, den Landesleuten, doch neidet
Keiner an Bergen dort ihnen die Gärten, den Wein,
Oder das üppige Gras und das Korn und die glühenden Bäume,
Die am Wege gereiht über den Wanderern stehn.
5.
Aber indeß wir schaun und die mächtige Freude durchwandeln,
Fliehet der Weg und der Tag uns, wie den Trunkenen, hin.
Denn mit heiligem Laub umkränzt erhebet die Stadt schon
Die gepriesene dort leuchtend ihr priesterlich Haupt.
Herrlich steht sie und hält den Rebenstab und die Tanne
Hoch in die seeligen purpurnen Wolken empor.
Sei uns hold! dem Gast und dem Sohn, o Fürstin der Heimath!
Glükliches Stutgard, nimm freundlich den Fremdling mir auf!
Immer hast du Gesang mit Flöten und Saiten gebilligt,
Wie ich glaub’ und des Lieds kindlich Geschwäz und der Mühn
Süße Vergessenheit bei gegenwärtigem Geiste,
Drum erfreuest du auch gerne den Sängern das Herz.
Aber ihr, ihr Größeren auch, ihr Frohen, die allzeit
Leben und walten, erkannt, oder gewaltiger auch,
Wenn ihr wirket und schafft in heiliger Nacht und allein
herrscht,
Und allmächtig empor zieht ein ahnendes Volk,
Bis die Jünglinge sich der Väter droben erinnern,
Mündig und hell vor euch steht der besonnene Mensch –
6.
Genien des Landes! o ihr, vor denen das Auge,
Seis auch stark und das Knie bricht dem vereinzelten Mann,
Daß er halten sich muß an die Freund’ und bitten die Theuern,
Daß sie tragen mit ihm all die beglükende Last,
Habt, o Gütige, Dank für den und alle die Andern,
Die mein Leben, mein Gut unter den Sterblichen sind.
Aber die Nacht kommt! laß uns eilen, zu feiern das Herbstfest
Heut noch! voll ist das Herz, aber das Leben ist kurz,
Und was uns der himmlische Tag zu sagen geboten,
Das zu nennen, mein Schmidt! reichen wir beide nicht aus.
Trefliche bring ich dir und das Freudenfeuer wird hoch auf
Schlagen und heiliger soll sprechen das kühnere Wort.
Siehe! da ist es rein! und des Gottes freundliche Gaaben
Die wir theilen, sie sind zwischen den Liebenden nur,
Anderes nicht – o kommt! o macht es wahr! denn allein ja
Bin ich und niemand nimmt mir von der Stirne den Traum?
Kommt und reicht, ihr Lieben, die Hand! das möge genug seyn,
Aber die größere Lust sparen dem Enkel wir auf.