Cover

Manfred Görtemaker
Christoph Safferling

Die Akte
Rosenburg

Das Bundesministerium der
Justiz und die NS-Zeit

C.H.BECK

Zum Buch

Als das Bundesministerium der Justiz 1949 seine Arbeit aufnahm, kam es zu ganz erheblichen personellen und politischen Verflechtungen mit dem Dritten Reich. Dass Juristen, die eine stark belastete NS-Vergangenheit hatten, in der Behörde Dienst taten, wurde indessen nicht als problematisch empfunden. Dieses grundlegende Werk zeigt, wer alles im Ministerium unterkam und welchen Einfluss das auf die Rechtspraxis hatte – nicht zuletzt bei der Strafverfolgung von NS-Tätern.

Die «Rosenburg» in Bonn war von der Gründung der Bundesrepublik bis 1973 der Sitz des Bundesministeriums der Justiz. 2012 setzte das Ministerium eine Unabhängige Wissenschaftliche Kommission ein, die den Umgang der Behörde mit der NS-Vergangenheit in den Anfangsjahren der Bundesrepublik erforschen sollte. Zu diesem Zweck erhielt die Kommission uneingeschränkten Aktenzugang. Dieses Buch präsentiert ihre Ergebnisse.

Zum «Geist der Rosenburg», so zeigt die Studie, trugen maßgeblich Beamte und Mitarbeiter bei, die zuvor im Reichsjustizministerium, bei Sondergerichten und als Wehrrichter tätig gewesen waren. Ihre Karrieren vor und nach 1945 zeichnet die Kommission ebenso nach wie die Belastungen, die dies für das Ministerium und den Inhalt seiner Politik darstellte. So wird unter anderem gezeigt, welche zentrale Rolle das Ministerium spielte, als 1968 Zehntausende von Strafverfahren gegen NS-Täter eingestellt wurden.

Über die Autoren

Manfred Görtemaker ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam. Bei C.H.Beck ist von ihm u.a. erschienen: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart (1999); Kleine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (2002).

Christoph Safferling ist Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Völkerrecht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Er hat Publikationen u.a. zur Völkerstrafrechtspolitik und zum Internationalen Strafrecht vorgelegt.

Beide Autoren sind Leitende Mitglieder der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission beim Bundesministerium der Justiz zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit.

INHALT

Einleitung

Das Rosenburg-Projekt

Untersuchungsgegenstände und Arbeitsweise der Kommission

Die Rolle der Justiz in der NS-Zeit und in der Bundesrepublik

Das Bundesministerium der Justiz

Amnestie und Verjährung

Die Taten und ihre Täter

ERSTER TEIL: Gründung, Aufbau und Entwicklung

I. Justiz unter der Besatzungsherrschaft

1. Die Gesetzgebung der Alliierten

Der Alliierte Kontrollrat

Spaltung der Vier-Mächte-Verwaltung

Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher

Die Entwicklung in der SBZ

Hilde Benjamin: Die «Rote Guillotine»

2. Der Nürnberger Juristenprozess

Allgemeine rechtliche Grundlagen

Der Prozess

Der Fall Schlegelberger

Der Fall Rothaug

Aussage Walter Roemer

Rezeption in der Bundesrepublik

Rezeption in der DDR

Fazit

3. Das Problem der Entnazifizierung

Entnazifizierung: Eine amerikanische Erfindung?

Der Fragebogen

Das Instrument der Spruchkammern

Die britische und französische Entnazifizierungspraxis

Die Politik des «Antifaschismus» in der SBZ

4. Die Landesjustizverwaltungen

Zwischen Kontrolle und Neuaufbau: Die alliierte Justizpolitik 1945–1949

Wiedereröffnung der deutschen Gerichte

Die Entstehung der Justizministerien in den Ländern

Bemühungen um die Entnazifizierung des Justizpersonals

Beginn der Verfolgung nationalsozialistischer Gewalttaten

II. Der Aufbau des BMJ 1949–1953

1. Die Gründungsväter: Thomas Dehler und Walter Strauß

Liberaler Demokrat und demokratischer Nationalist

Der «immerwährende Staatssekretär»

Auswandererhilfe für Juden und politisch Verfolgte

Nachkriegszeit

Die Wirtschaftsverwaltung der Bizone

Das Rechtsamt des Vereinigten Wirtschaftsgebiets

Dehler und Strauß im Parlamentarischen Rat

2. Das Bundesministerium der Justiz: Neubeginn oder Kontinuität?

Dehlers Weg ins Ministeramt

Die Idee eines «Verfassungsministeriums»

Dehlers persönliches Umfeld im BMJ

Konflikte mit Strauß

Auseinandersetzungen um die Verwendung der Bizonen-Mitarbeiter

Die Herkunft des Gründungspersonals im BMJ

Der Einfluss des Bundeskanzleramtes unter Hans Globke

Dehlers Umgang mit der NS-Belastung

Die NS-Belastung des BMJ 1949/50

Hans Winners und die Abteilung Z

3. Kennzeichen der Personalpolitik

«Persilscheine waren nicht zu vermeiden»

Geheimakten des Reichsjustizministeriums

Steigbügelhalter für die Renazifizierung?

Dr. Robert Krawielicki: Ein Ausnahmefall?

Der Fall Kanter

Der Heidelberger Kreis

Die Kanzlei Achenbach und der Naumann-Kreis

4. Der Artikel 131: Schlussstrich-Mentalität im Öffentlichen Dienst

Entstehung im Parlamentarischen Rat

«Tausende Beamte rufen in ihrer Not»

Die Rolle des BMJ

Ein Gesetz für die alten Eliten

Adenauer und der Wunsch nach «Normalisierung»

Auswirkungen des G 131 und Personalübernahmen im BMJ

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum G 131

III. Der «Geist der Rosenburg»

1. Die Schatten der Vergangenheit

Die heile Welt der Rosenburg

Amnesie oder Amnestie?

«Eine harte Prüfung für viele»: Das Straffreiheitsgesetz vom Dezember 1949

Straffreiheit für NS-Täter: Das Amnestiegesetz von 1954

NS-Recht als Gnadenrecht des Bundes?

Die Braunbuch-Diskussion

Die Ausstellung «Ungesühnte Nazijustiz»

Ansätze zur Reform der Juristenausbildung

5. Die Zentrale Rechtsschutzstelle: Eine «Geheimabteilung» des BMJ?

Die Gründung der ZRS

Hans Gawlik: Eine fatale Wahl

Betreuungsarbeit «in aller Stille»

«Graue Eminenz» zum Schutz von Kriegsverbrechern?

Überführung ins Auswärtige Amt

«Zur Warnung an Kriegsverbrecher rechtlich verpflichtet»

3. Das Bundesjustizministerium im Wandel

Der Ulmer Einsatzgruppen-Prozess

Die Zentralstelle in Ludwigsburg

Fritz Schäffer, Ewald Bucher und die Verjährungsdebatte

Der Eichmann-Prozess

Die Spiegel-Affäre 1962

Fritz Bauer und die Auschwitz-Prozesse 1963–1968

Wandel in der Personalpolitik

Aufhebung der NS-Unrechtsurteile

Sozialdemokratische Justizpolitik nach 1966

ZWEITER TEIL: Abteilungen und Sachfragen

I. Die allgemeine Personalentwicklung 1949–1973

1. Auswertung der Personaldatenbank

Personelle Entwicklung und Qualifikationen

NS-Mitgliedschaften

Mitarbeiter Reichsjustizministerium

Kriegsteilnahme

Übernahme aus den Zonenverwaltungen und 131er

NS-Strafverfahren

2. Der weitere Geschäftsbereich des BMJ: Der Bundesgerichtshof

Die Aufgabenbereiche

Die Errichtung des BGH

Die Ära Weinkauff

Der zweite Präsident Heusinger

Gleichberechtigung von Mann und Frau

Der Umgang mit Entschädigungsansprüchen: Sinti und Roma

3. Der Geschäftsbereich des BMJ: Der Generalbundesanwalt

Das Personal des GBA

Die Ära Güde

Wolfgang Fränkel: «Schicksal, nicht Schuld …»?

Ludwig Martin: Das geringere Übel?

4. Das Bundesverfassungsgericht

Gründung und Wahl der Verfassungsrichter 1951

Willi Geiger: Der «heimliche Vorsitzende» des Zweiten Senats

Die weiteren Richter der ersten Stunde

Die Selbstemanzipation des Gerichts

II. Abteilungen und Karrieren im BMJ

1. Die Abteilung I: Bürgerliches Recht

Das Leitungspersonal

Umgang mit der NS-Belastung

Franz Massfeller: Die personifizierte Kontinuität im Familienrecht

Heinrich von Spreckelsen und Hermann Weitnauer

Der Skandal um Max Merten

2. Die Abteilung II: Strafrecht

Struktur und Mitarbeiter

Herkunft und NS-Belastung

Alle Fäden in Händen: Josef Schafheutle

Ernst Kanter: «Vertrauensmann der Militärjustiz»

«Kommunistische Angriffe»

Schafheutle und die NS-Vergangenheit

Die ungekrönte Ministerialkarriere: Eduard Dreher

3. Die Abteilung III: Wirtschaftsrecht

Struktur und Herkunft des Personals

Die Abteilungsleiter Günther Joël und Ernst Geßler

Thieracks persönlicher Referent im BMJ: Heinrich Ebersberg

4. Die Abteilung IV: Öffentliches Recht

Hohe Kontinuität in Struktur und Personal

NS-Belastung und personelle Entwicklung von 1950 bis 1973

Der Herrscher: Walter Roemer

«Bei keiner dieser Hinrichtungen zugegen»

«Mörder der Geschwister Scholl»

Vorwürfe von Simon Wiesenthal

Hermann Maassen und Kai Bahlmann

III. Das NS-Erbe und die Gesetzgebung in der Bundesrepublik

1. Die Strafrechtsreform

Wiederherstellung des Analogieverbots durch die Alliierten

«Bereinigung» des StGB und Gesamtreform

Diskussion über die Todesstrafe

Der strafrechtliche Schutz des Lebens

Strafbarkeit der Homosexualität

2. Das Staatsschutzstrafrecht nach 1949

Staatsschutz im NS-Staat

Reformen nach 1949

Der Einfluss des Grundgesetzes auf das Staatsschutzstrafrecht

Friedensverrat

Hoch- und Landesverrat

Neue Tatbestände: Staatsgefährdung

Prozessuale Besonderheiten des Staatsschutzstrafrechts

Die Reform 1968

3. Die Reform des Jugendstrafrechts

Das Reichsjugendgerichtsgesetz 1923

Der Weg zum RJGG 1943

Das Faktotum des Ministeriums: Karl Lackner

Das Jugendgerichtsgesetz von 1953

Die parlamentarischen Beratungen

Jugendstrafrechtspolitik auf der Rosenburg

4. Die «kalte Amnestie»: Parlamentarische Panne oder perfider Plan?

Das Einführungsgesetz zum Ordnungswidrigkeitengesetz von 1968

Sinn und Zweck eines Ordnungswidrigkeitenrechts

Auswirkungen auf die Verjährung

Die Vorahnung

Der Kampf vor dem Bundesgerichtshof

Die Entscheidung

Die Folgen der Katastrophe

Hat Dreher «gedreht»?

5. Streng geheim: Das V-Buch

Ein «Kriegsbuch» für den Notfall

«Ermächtigung mit Gesetzeskraft»: Das Versagen des BMJ als Hüterin der Verfassung

Tiefe Einschnitte in die Gerichtsverfassung

Das Geheimnis wird gelüftet

Umdenken unter Heinemann

Eine Notstandsregelung auf gesetzlicher Grundlage

6. Die Aufhebung der Erbgesundheitsurteile

Rassenhygiene und Vernichtung

Franz Massfeller: «Im Dienst einer großen Sache»

Die Entwicklung nach 1990

Entscheidung unter Schmidt-Jortzing

7. Die Wehrstrafgerichtsbarkeit: Verbotene Pläne alter Wehrmachtrichter

Das Netzwerk der Wehrmachtrichter

Ein neues Wehrstrafrecht für die Bundeswehr?

Das Wehrstrafgesetz

Die Flucht des BMJ aus der Verantwortung

Personalpolitik für die Wehrstrafgerichtsbarkeit: Joachim Schölz

Gesucht: Geeignete Wehrrichter

Das Ende

Schlussbetrachtungen

ANHANG

Anmerkungen

Einleitung

ERSTER TEIL

I. Justiz unter der Besatzungsherrschaft

II. Der Aufbau des BMJ 1949–1953

III. Der «Geist der Rosenburg»

ZWEITER TEIL

I. Die allgemeine Personalentwicklung 1949–1973

II. Abteilungen und Karrieren im BMJ

III. Das NS-Erbe und die Gesetzgebung in der Bundesrepublik

Schlussbetrachtungen

Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Ungedruckte Quellen

2. Zeitzeugen-Interviews

3. Gedruckte Quellen

4. Periodika

5. Ausgewählte Darstellungen

Abkürzungsverzeichnis

Bildnachweis

Personenregister

Fußnoten

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Abb. 1:  «Übernahme» des Landgerichts Dortmund durch die SA am 4. März 1933.

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Abb. 2: Dr. Franz Schlegelberger (2. v.l.), von 1931 bis 1941 Staatssekretär im Reichsjustizministerium und 1941/42 kommissarischer Reichsjustizminister, war der ranghöchste Angeklagte im Nürnberger Juristenprozess 1947. Das Bild zeigt ihn bei der Übergabe der Amtsgeschäfte an den neuen Reichsjustizminister Dr. Otto Georg Thierack am 26. August 1942. Im Bild links der Präsident des Volksgerichtshofs, Dr. Roland Freisler, rechts der neue Staatssekretär im Reichsjustizministerium, Dr. Curt Rothenberger.

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Abb. 3:  Die Rosenburg in Bonn-Kessenich, von 1950 bis 1973 Hauptsitz des Bundesministeriums der Justiz.

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Abb. 4: Bundesjustizminister Dr. Thomas Dehler 1949.

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Abb. 5: Dr. Willi Geiger, bis 1951 Persönlicher Referent Dehlers und Leiter des Verfassungsreferats im BMJ. Ab 1951 Senatspräsident am Bundesgerichtshof und gleichzeitig von 1951 bis 1977 Richter des Bundesverfassungsgerichts. Hier eine Aufnahme aus dem Jahr 1951.

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Abb. 6: Dr. Walter Strauß, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz 1949–1963.

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Abb. 7: Dr. Hans Winners, hier eine Aufnahme aus der Personalakte des Reichsjustizministeriums. Als Leiter der Abteilung Z war er bis 1976 für die Personalpolitik im BMJ mitverantwortlich.

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Abb. 8: Dr. Werner Best.

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Abb. 9: Dr. Ernst Achenbach.

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Abb. 10:  Von 1963 bis 1968 fanden in Frankfurt am Main drei sogenannte «Auschwitzprozesse» statt, in denen SS-Männer des nationalsozialistischen KZ Auschwitz angeklagt waren. Hier ein Foto aus dem ersten Prozess von 1963 bis 1965.

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Abb. 11:  Bundesjustizminister Dr. Gustav Heinemann und Staatssekretär Prof. Dr. Horst Ehmke nach der Regierungsbildung der Großen Koalition im Dezember 1966.

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Abb. 12: Der Buchumschlag des Kommentars zum Blutschutz- und Ehegesundheitsgesetz von 1937, an dem Franz Maßfeller, damals Mitarbeiter im Reichsjustizministerium und später Referatsleiter Familienrecht im BMJ, mitwirkte.

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Abb. 13:  Max Merten werden zu Prozessbeginn im Gerichtssaal in Athen im März 1959 die Handschellen abgenommen.

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Abb. 14:  Der langjährige Leiter der Abteilung Strafrecht im Bundesjustizministerium, Dr. Josef Schafheutle.

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Abb. 15: Dr. Eduard Dreher, im Dritten Reich Erster Staatsanwalt am Sondergericht Innsbruck, im BMJ Generalreferent für die «Große Strafrechtsreform» und Unterabteilungsleiter Abteilung Strafrecht.

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Abb. 16:  Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern an Dr. Ernst Geßler, den Leiter der Abteilung Handels- und Wirtschaftsrecht im BMJ, anlässlich seiner Verabschiedung durch Bundesjustizminister Gerhard Jahn am 31. März 1970.

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Abb. 17: Walter Roemer, von 1950 bis 1968 Leiter der Abteilung Öffentliches Recht im Bundesministerium der Justiz.

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Abb. 18: Dr. Richard Jaeger (CSU), von 1965 bis 1966 Bundesminister der Justiz.

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Abb. 19: Der CDU-Abgeordnete Prof. Ernst Benda am 10. März 1965 während der Debatte im Deutschen Bundestag über die Verjährung von NS-Morden.