Verlag C.H.Beck
In einer kleinen Bibliothek in Zentralanatolien liegt – versteckt in einem falsch beschrifteten Schuber – ein uraltes Manuskript des lange verschollenen Endes von Tausendundeine Nacht. Diese sensationelle Entdeckung macht Claudia Ott mit ihrer meisterhaften Übersetzung erstmals der Öffentlichkeit zugänglich. Frei von allen europäischen Übermalungen und Ausschmückungen entführt sie den Leser in eine zauberhafte Welt der Paläste und Basare, der weisen Wesire und verschlagenen Händler, eine Welt voller erotischer Abenteuer und böser Streiche. Eine glänzende Hommage an einen vielfältigen, farbigen und multikulturellen Orient.
Stimmen zum ersten Teil von Tausendundeine Nacht
„Mal dramatisch, mal komisch, mal erotisch – immer jedoch von höchster Poetizität. Claudia Otts Übersetzung ist, zum Lesen wie zum Hören, ein wunderschönes Buch.“ Friedrich Niewöhner, Süddeutsche Zeitung
„Es gibt sie doch noch, die editorischen Überraschungen und verblüffenden Entdeckungen. … Und es tritt ein pralles, subtiles, gar nicht hausbacken-prüdes Kompendium, ein erotisches, vielsträngiges faszinierendes Hauptwerk der Weltliteratur zutage.“ Rheinischer Merkur
„Eine Hymne an die Macht des Erzählens, an die Macht der Literatur.“ Joachim Sartorius, Literaturen
„Sinnlich, exotisch, ohne die Ausschmückungen und Prüderien der letzten Jahrhunderte.“ SWR-Büchertalk
„Während frühere Übersetzer aus Scheherazades Geschichten oft artige Kindermärchen machten, bewahrt Ott viel vom Charakter der arabischen Vorlage.“ DER SPIEGEL
Claudia Ott, Arabistin, Übersetzerin und Musikerin, gehört international zu den führenden Kennern von Tausendundeine Nacht. Sie hat in Jerusalem und Tübingen studiert, an den Universitäten von Berlin und Erlangen gelehrt und geforscht und unterrichtet jetzt an der Universität Göttingen. Ihre deutsche Erstübersetzung des bisher ältesten Fragments von Tausendundeine Nacht, das den Anfang und die ersten 282 Nächte enthält, wurde von der Kritik gefeiert und avancierte schnell zum Bestseller (C.H.Beck, 2004, 11. Auflage 2011). Für diese Übersetzung erhielt Claudia Ott u.a. den Johann-Friedrich-von-Cotta-Preis. Aufsehen erregte ihre Entdeckung und Übersetzung einer mittelalterlichen andalusisch-arabischen Handschrift von 101 Nacht (Manesse, 2012). Bekannt ist sie auch durch ihre literarisch-musikalischen Programme und Erzählkonzerte.
Von Tieren und Menschen
Frau Pfau und die Ente
Das fromme Taubenpärchen
Die Versuchung des Einsiedlers in den Bergen
Die Leiche im Flussbett
Fuchs und Bär im Weinberg
Der Falke und das Rebhuhn
Der Kranke als Arzt
Die undankbare Schlange
Der König der Tiere
Der Fischvorrat
Der Sesamdieb
Wahre Freundschaft
Vom Fuchs, der den Raben zum Freund wollte
Der Floh und die Maus
Der Falke und die Raubvögel
Der selbstgefällige Spatz
Die List des Igels
Vom Bauern, der nicht säen wollte
Der Kaufmann und die zwei Betrüger
Die Frau des Metzgers
Die zerschnittenen Kleider
Der dumme Weber
Der Spatz als Wesir
Vom Marder, der das Goldhähnchen zum Freund wollte
Dressur wider die Natur
Der eifersüchtige Kranich
Der König und die Frankolinhühner
Die Elster als Schicksalsvogel
Witze über Geizhälse
Streiche des Schelmen Musabbid
Anekdoten von schlagfertigen Blinden, Schwerhörigen und anderen Versehrten
Was ist Glück?
Aschabs Abenteuer mit dem geizigen Gouverneur
Weitere Witze, Aussprüche und Schwänke
Ein Gespräch unter Frauen
Die Geschichte von König Schadbacht und seinem Wesir
Der Verliebte und sein Lehrer
Der Sänger und der Apotheker
Vom König, der den Kern der Dinge kannte
Der reiche Mann und sein armer Schwiegersohn
Das Vermächtnis des weisen Mannes
Vom Königssohn, der in ein Bild verliebt war
Der Tunnel zum Glück
Die Rätselfragen des Wesirs
Der Baum der Erkenntnis
Der König und der Steuereintreiber
Das salomonische Urteil
Der betrogene Einbrecher
Jesus und die drei Soldaten
Hilfe mit Hintergedanken
Wie die Hühner das Königreich retteten
Von einem, dem seine Vorsicht zum Verhängnis wurde
Wahre Gastfreundschaft
Der Irre und der Stadtstreicher
Künstlerpech des Kupplers
Die treue Frau des Mekkapilgers aus Nischapur
Das Mädchen mit dem aufgeschlitzten Bauch
Der Weber als Arzt
Die beiden Gauner, die sich gegenseitig betrogen
Der teuer verkaufte Esel
Der Betrüger und die Kaufleute
Der Falke und die Heuschrecke
Der König und die Frau des Kammerherrn
Der Turban mit den Brandflecken
Der hässliche Mann mit der hübschen Frau
Die Geschichte des hässlichen Mannes
Der König, der Frau und Kinder verlor und wiederfand
Salim und Salma
Der entrechtete Wesir
Sultan Baybars und die sechzehn Offiziere
Mord ohne Leiche
Der Fluch der guten Tat
Liebe auf den ersten Blick
Die schwangere Diebin
Die klugen Juristen
Der gefälschte Ehevertrag
Die Schatulle
Die zweite Tür
Das Fest der Einhändigen
Der Lohn der Prügel
Der Goldschatz
Schreck gegen Schreck
Die milde Gabe
Makabres Spiel
Ein windiger Dieb
Die dreiste Wette
Der Zeuge wider sich selbst
Das Krokodil als Retter
Rettung wider Willen
Des Königs eigene Geschichte
Das glückliche Ende
Das Lustschlösschen
Anhang
Karte
Nachwort
Erläuterungen zu Transkription und Aussprache
Glossar
Nachweis der Kalligraphien und Ornamente
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen,
zu dem wir unsere Zuflucht nehmen
Gott segne unseren Herrn Muhammad, seine Familie und seine Gefährten und schenke ihnen Frieden für immer und ewig und bis zum Tage des Jüngsten Gerichts. Amen, Amen!
Gott ist alles, was wir brauchen. Wie gut sorgt Er für uns! Es gibt keine Kraft und keine Stärke außer bei Gott, dem Erhabenen und Mächtigen.
Schahrasad, du beste Erzählerin
aller Zeiten! Lass uns aufregende
Geschichten über Vögel und Tiere
hören!
Und als die nächste Nacht gekommen war und König Schahriyar sich auf sein Lager zurückgezogen und seine Lust an seiner Gattin Schahrasad gestillt hatte, bis er fertig war, räusperte sich ihre Schwester Dunyasad. «Ach, Schwester», seufzte sie unter dem Bett hervor, «ich beschwöre dich bei Gott! Wenn du nicht schläfst, so erzähle uns doch eine deiner schönen Geschichten! Es soll aber eine sein, in der Vögel und Tiere sich unterhalten, so wie du es König Schahriyar dem Großen, dem König der Zeit, versprochen hast.» – «Einverstanden, liebe Schwester, mit Vergnügen!», antwortete sie. Und König Schahriyar fügte hinzu: «Schahrasad, du beste Erzählerin aller Zeiten! Lass uns aufregende Geschichten über Vögel und Tiere hören mit deiner beredten Zunge, die die schönsten Melodien singt!» – «Ich höre und gehorche, o König der Zeit», entgegnete sie und begann zu erzählen:
[Es ist mir zu Ohren gekommen,] o glücklicher König und Herr des rechten Urteils und der ruhmreichen Tat, dass die Überlieferer dieser Geschichte Folgendes behauptet haben sollen:
Man hat erzählt – doch Gott allein kennt das Verborgene, und nur Er, der Mächtige und Wohltätige, Freundliche und Barmherzige, weiß, was einst wirklich geschah in den längst vergangenen Geschichten der Völker –, dass es in alter Zeit und längst entschwundener Epoche und Vergangenheit einen Pfau gab, der sich mit seiner Frau einen Nistplatz am Ufer des Meeres gesucht hatte. Der Ort war von zahlreichen Löwen und anderen wilden Tieren bevölkert, dazu auch dicht bewaldet, und aus Angst vor den wilden Tieren flüchteten sich jener Pfau und seine Frau des Nachts stets auf einen der Bäume, die dort wuchsen, und kamen erst früh am nächsten Morgen wieder herunter, um tagsüber auf Nahrungssuche zu gehen. Dieses Leben führten sie so fort, doch wuchs dabei ihre Angst, und schließlich beschlossen sie, sich einen anderen Nistplatz zu suchen, an dem sie sich sicher fühlen konnten. Auf ihrer Suche entdeckten sie eine dicht bewaldete, fruchtbare Insel mit vielen Flüssen und Wasserstellen. Auf dieser Insel ließen die beiden sich nieder und aßen und tranken von ihr. Nachdem sie sich nun auf diese Art in Sicherheit gebracht hatten, bemerkten sie plötzlich eine Ente, die ganz verängstigt und verschreckt auf sie zukam, bis sie den Baum erreicht hatte, auf dem der Pfau und seine Frau saßen. Die Ente richtete ihre Augen in die Höhe, sah das Pfauenweibchen über sich und wurde ruhig. Die Pfauenhenne wiederum hegte nicht den geringsten Zweifel daran, dass jene Ente eine spannende Geschichte haben musste, und fragte sie nach ihrem Befinden. «Beschütze mich vor dem Menschen!», quakte die Ente. «Vorsicht und nochmals Vorsicht vor dem Sohne Adams!»
«Diese Ente hat wohl wirklich etwas Schreckliches erlebt», dachte der Pfau bei sich. «Sie hat gewiss eine spannende und aufregende Geschichte zu erzählen.» Da sagte die Ente zur Pfauenfrau: «Gott sei Dank dafür, dass Er durch deine Nähe meinen Kummer weggenommen und mit deiner Nachbarschaft meine Sorgen zerstreut hat. Ich bin zu dir gekommen, um dich um deine Freundschaft zu ersuchen. Komm also herunter zu mir, Frau Pfau, und hüpfe herab von deinem Baumwipfel, damit ich dir etwas von mir erzählen kann.»
Als die Ente ihre Rede beendet hatte, kam jene Pfauenhenne auf der Stelle zu ihr herunter. «Ahlan wa-Sahlan wa-Marhaban!», hieß sie sie willkommen. «Dir wird nichts Böses geschehen, vor dem Menschen bist du hier sicher. Von wo sollte der Adamssohn denn zu uns kommen, solange wir hier auf dieser Insel sind, mitten im wogenden, tosenden Meer, wo die Wellen aufeinanderschlagen? Vom Festland kann er uns nicht erreichen, und aus dem Meer kann er auch nicht auftauchen. Also sei froh, denn Angst und Schrecken sind von dir gewichen. Und jetzt erzähle mir, welcher Schicksalsschlag dich getroffen hat und was dir vom Menschen zugefügt wurde!»
«Du musst wissen, verehrte Frau Pfau», berichtete die Ente, «dass ich mein ganzes Leben auf dieser Insel verbracht und mich immer sicher und geborgen gefühlt habe, ohne jemals etwas zu erleben, das ich hätte hassen müssen. Als ich aber eines Nachts hier in der Nähe schlief, träumte ich von einem Menschen, der mit mir redete und ich mit ihm. Da hörte ich plötzlich eine Stimme. ‹Hüte dich vor dem Sohn Adams, Ente!›, warnte mich die Stimme. ‹Du darfst dich von seinen Worten und seiner süßen Rede nicht in die Irre führen lassen. Er täuscht dich nur, legt dir einen Hinterhalt und schmiedet listige Pläne gegen dich. Darum Vorsicht und nochmals Vorsicht vor seiner Bosheit, Tücke und Verschlagenheit! Denn mit ihm verhält es sich gerade so, wie es in diesem Vers beschrieben wird:
Erst gibt er dir von seiner Zungenspitze Süßes,
Dann hintergeht er dich gleichwie ein Fuchs.›
[Der Erzähler spricht:] ‹Es ist der Mensch›, fuhr die Stimme des Warners fort, ‹der mit List die großen Meerestiere aus der Tiefe emporlockt, mit Lehmkugeln auf Vögel schießt, Elefanten in die Grube stürzen lässt und mit seinem Lied sogar den Lindwurm zähmt. Vor diesem Adamssohn und seinen bösen Listen und Ränken sind weder Fische noch Vögel, weder wilde Tiere noch zahmes Hausvieh sicher, ja nicht einmal das Ungeziefer. Das ist alles, was ich über den Menschen gehört habe, ich habe es dir mitgeteilt, und damit Lebewohl. Salam!› Ich bin aus meinem Traum hochgeschreckt, liebe Schwester», erzählte die Ente weiter, «und war völlig verängstigt, verschreckt und eingeschüchtert wegen des Adamssohns. Ich fühlte mich durcheinander und ganz von Sinnen. Am Morgen war ich traurig und konnte mich danach den ganzen Tag lang nicht entspannen vor lauter Angst, der Mensch könnte mich argloses Tier heimtückisch überfallen oder Jagd auf mich machen. Als dann der Tag sich neigte, liebe Schwester, war ich mit meiner Kraft und meinem Mut am Ende. Nur wenig war mir noch von meiner Lebenslust geblieben, und meine Seele verlangte nach Essen und Trinken. Mit beklommenem Gemüt zog ich noch in derselben Stunde los.
Ich hatte den Berg gerade bis zur Mitte erstiegen, als ich an einem Höhleneingang einen großen gelben Löwen entdeckte, der noch nicht ganz ausgewachsen, aber schon stark und kräftig war. Der junge Löwe freute sich unbändig, als er mich sah. Offenbar gefielen ihm mein buntes Federkleid und meine freundliche Wesensart. ‹Komm näher!›, brüllte der Löwe mir entgegen, und als ich nahe herangekommen war, fragte er mich: ‹Wie ist dein Name?› – ‹Mein Name ist Ente, o Löwe des rechten Glaubens, und ich gehöre zum Geschlecht der Vögel›, gab ich zur Antwort. ‹Und nun sage du mir, aus welchem Grund du gerade jetzt an diesem Ort herumsitzt.› – ‹Der Grund dafür ist›, erwiderte der junge Löwe, ‹dass mein Vater, der alte Löwe, mich schon seit vielen Tagen mit mahnenden Reden vor dem Sohn Adams warnt, bis ich schließlich heute Nacht im Schlaf und süßen Schlummer von einem Menschen geträumt habe –›, und dann, meine Schwester, erzählte mir der junge Löwe dasselbe, was ich dir auch schon von mir erzählt habe.
[‹Und was ist deine Meinung dazu?›], fragte mich der Löwe, und ich erwiderte: ‹Du solltest dich dazu entschließen, den Adamssohn zu töten, und darfst von diesem Vorhaben nicht ablassen, denn ich fürchte um mein Leben und ängstige mich über die Maßen vor ihm. Jetzt ist auch deine Angst zu meiner Angst dazugekommen, und da du, der Sultan aller wilden Tiere, vor dem Menschen Angst hast, fürchte ich mich umso mehr.›
Mit diesen Worten, meine Schwester, habe ich den Löwen vor dem Adamssohn gewarnt, so lange, bis er sich von jenem Ort, an dem er bis dahin gesessen hatte, erhob und auf den Weg machte. Ich lief hinter ihm her, während er sein Löwengebrüll anstimmte und sich mit seinem Schweif den Rücken peitschte.
Der junge Löwe lief so vor sich hin, meine Schwester, und ich immer hinterher, bis wir zu einer Weggabelung gelangten, von wo aus wir eine Staubwolke erblickten, welche sich in einiger Entfernung erhoben hatte. Nach einer Weile legte sich der Staub und gab den Blick auf einen Esel frei, der herrenlos und nackt umherstreunte, wobei er mal mit den Hufen stampfte, mal ausschlug und Galoppsprünge vollführte, dann wieder sich im Staub der Erde wälzte. Als der Löwe ihn erblickte, stieß er ein gewaltiges Gebrüll in seine Richtung aus, und jener kam demütig herangeschlurft und küsste den Erdboden vor ihm.
‹Du dummes Tier!›, herrschte ihn der Löwe an. ‹Wie ist dein Name, und was ist der Grund dafür, dass du an diesen Ort gekommen bist? Und warum streunst du hier so verängstigt herum?› – ‹O Sohn des Sultans›, entgegnete der Esel, ‹mein Name ist Esel, und der Grund dafür, dass ich an diesen Ort gekommen bin, ist, dass ich mich in Angst und auf der Flucht befinde vor dem Menschen. Denn der Sohn Adams ist eine Heimsuchung und Plage!› – ‹Fürchtest du dich deshalb vor dem Menschen, weil er dich tötet oder als Beutetier zerreißt?›, wollte der Löwe wissen. ‹Nein, bei Gott, o Sohn des Sultans!›, gab der Esel zurück. ‹Ich habe keineswegs davor Angst, dass der Mensch mich töten oder als Jagdbeute zerreißen würde. Vielmehr fürchte ich, dass er mich überlistet und als Reittier gebraucht. Er hat nämlich ein Ding, das man Eselssattel nennt, das legt er mir auf den Rücken, und ein anderes Ding, das Gurt heißt, bindet er mir um den Bauch, und dann hat er noch etwas, das nennt er Schwanzriemen, das zieht er mir unter dem Schwanz fest, und etwas anderes, wozu er Trense sagt, schiebt er mir ins Maul. Dann greift er zu einem Stachelstock und schlägt mir damit Risse in die Flanken, lässt mich laufen, bis ich nicht mehr kann, und bürdet mir viel zu schwere Lasten auf. Wenn ich einmal stolpere, verflucht er mich, und sage ich I-ah, schimpft er mich aus. Wenn ich ihm zu langsam gehe, prügelt er auf mich ein und treibt mich mit dem Stachelstock, bis mir das Blut aus den Maulwinkeln rinnt und sich die Haut abschält von meinen Schultern und dem Widerrist. Und nach alldem baut er mir, sobald ich alt geworden bin, ein Packgestell aus Holz, das junge und alte Leute mit Wasserkrügen beladen, und lässt mich Abfallkörbe aus Palmblättergeflecht tragen, in denen sie ihren Müll wegschaffen. So lebe ich bei den Menschen in stetiger Erniedrigung, Schmach und Schande, mühe und plage mich ab, so lange, bis ich schließlich sterbe. Zu guter Letzt werfen sie mich auf den Abfallhaufen, wo mich die Hunde fressen. Gibt es ein härteres Los und ein schlimmeres Unglück als dieses?›
Nachdem ich, verehrte Frau Pfau, diese Rede gehört hatte, fröstelte es mich am ganzen Körper, und alle meine Glieder begannen zu schlottern aus Angst vor dem Adamssohn. Die Worte, die der Esel zu dem Junglöwen gesprochen hatte, fanden mein Gefallen und meine Zustimmung. Zitternd vor Erregung wandte ich mich an den jungen Löwen. ‹Bei Gott, mein Herr›, sprach ich zu ihm, ‹der Esel ist, was den Sohn Adams betrifft, im Recht, und ich kann ihn verstehen. Was dieser Esel dir erzählt hat, hat meine Angst vor dem Menschen noch verstärkt und meine Furcht noch größer werden lassen.›
‹Wohin bist du denn jetzt unterwegs, Esel?›, fragte der Löwe, und der Esel antwortete: ‹O Sohn des Sultans, ich habe vor Sonnenaufgang einen Menschen von ferne gesehen, und jetzt renne ich davon, weil ich so große Angst vor ihm habe. Seit heute früh irre ich umher, vielleicht dass ich ein Plätzchen finde, welches mir Schutz bietet vor dem Sohn Adams, diesem treulosen Betrüger!›
Während, liebe Schwester, dieser Esel mit dem jungen Löwen ins Gespräch vertieft war und der Esel sich schon von uns verabschieden und seiner Wege gehen wollte, erhob sich plötzlich eine Staubwolke vor uns. ‹I-ah!›, schrie der Esel, erhob ein ohrenbetäubendes Geschrei, heftete seinen Blick in Richtung Staubwolke, stellte beide Ohren auf und ließ einen lautstarken Furz fahren. Dazu stampfte er mit seinen Hufen auf die Erde.
Nach einer Weile verzog sich der Staub, und darunter tauchte ein tiefschwarzes Pferd auf mit Hufen wie Silberdirhams, einer Mähne gleich einem Diadem und einer Blesse wie das Flämmchen einer Lampe. Das Pferd hatte hübsche weiße Ringe an den Fesseln und ein klangvolles Wiehern. Es galoppierte, als hätte ihm jemand die Sporen gegeben, und rannte, bis es vor dem Junglöwen, dem Sohn des alten Löwen, zu stehen kam. Das Pferd küsste den Erdboden vor dem Löwen und grüßte ihn.
Als der Löwe das Pferd erblickte, war er von dessen Größe und Kraft beeindruckt und erwiderte den Gruß. ‹Wie ist dein Name, erhabenes Tier?›, erkundigte er sich. ‹Und was ist der Grund dafür, dass du in dieser Wildnis herumstreunst?› – ‹O Sohn unseres Königs und Löwe des rechten Glaubens›, entgegnete das Pferd, nachdem es die Worte des jungen Löwen gehört hatte, ‹du musst wissen, dass mein Name Pferd ist. Was aber den Grund meines Herumstreunens betrifft, so bin ich auf der Flucht vor dem Sohn Adams.›
Der Löwe war über die Worte des Pferdes höchst erstaunt. ‹Bei Gott, das ist aber seltsam, mein Bruder!›, wunderte er sich und fügte hinzu: ‹Sag so etwas nicht, denn du schneidest mir damit das Herz entzwei! Du bist doch kräftig gebaut, von großer und breiter Statur, und da fürchtest du dich vor dem Menschen? Ich hatte mir gerade vorgenommen, den Sohn Adams zu stellen und es ihm heimzuzahlen. Zu Boden strecken wollte ich ihn, sein Fleisch fressen und sein Blut saufen und so die Ängste dieser armen und schwachen Ente besänftigen, damit sie in ihrer eigenen Heimat endlich sicher wohnen kann. Und da kommst du, zerschneidest mir das Herz und verhinderst, dass ich meinen Plan ausführen kann! Wenn der Mensch dich wirklich bezwungen hat, ohne Angst vor deinem Wuchs, deiner Größe und Breite zu haben – denn du könntest ihn ja mit einem einzigen Tritt oder Biss zu Tode befördern, und er hätte dir nichts entgegenzusetzen, sondern du würdest ihm den Kelch des Todes zu trinken geben …› – ‹Weit gefehlt!›, unterbrach ihn das Pferd lachend, als es den Löwen so reden hörte. ‹Daran ist gar nicht zu denken, Königssohn! Dem Sohne Adams bedeuten meine Größe und Breite nichts, darüber darfst du dich nicht täuschen lassen!› –
[Da übermannte] der Schlummer König Schahriyar den Großen, und seine Gattin hörte auf zu erzählen. «Ach, Schwester», sagte ihre Schwester Dunyasad zu ihr, «wie wunderbar ist deine Geschichte und wie schön und verlockend, köstlich und süß, kunstvoll, geistreich und außergewöhnlich!» – «Was wisst ihr schon davon», gab sie zurück, «verglichen mit dem, was ich euch morgen Nacht erzählen werde, wenn ich dann noch lebe und mich der König vom Tode verschont? Ich werde euch dann nämlich etwas noch Spannenderes erzählen als diese Geschichte, das wird noch viel köstlicher, vergnüglicher und aufregender sein …»
[Die achthundertundeinundachtzigste Nacht] |
Und als die nächste Nacht gekommen war, legte sich König Schahriyar der Große mit seiner Gattin Schahrasad auf das Lager, und sie schäkerten und spielten nach Herzenslust, freuten und labten sich aneinander. Nachdem der König sein Begehren an seiner Gemahlin Schahrasad befriedigt hatte, bis er fertig war, räusperte sich ihre Schwester Dunyasad. «Ach, Schwester!», seufzte sie unter dem Bett hervor. «Ich beschwöre dich bei Gott! Wenn du nicht schläfst, so erzähle uns doch eine deiner schönen Geschichten, mit der wir uns diese Nacht vertreiben können!» – «Einverstanden, liebe Schwester, mit Vergnügen!», antwortete sie. «Schahrasad!», setzte König Schahriyar hinzu. «Deine Geschichte soll aber die Fortsetzung dessen sein, was die Ente der Pfauenhenne über den Löwen und das Pferd erzählt hat!» – «Ich höre und gehorche, o König der Zeit», erwiderte Schahrasad.
Du musst wissen, o glücklicher König und Herr des rechten Urteils und der ruhmreichen Tat, dass [mir zu Ohren gekommen ist], die Überlieferer dieser Geschichte hätten behauptet, dass das Pferd dem Löwen ins Wort fiel: ‹Weit gefehlt! Daran ist nicht zu denken, Königssohn! Du darfst dich von meiner Größe und Breite und meinem kräftigen und gedrungenen Körper nicht täuschen lassen. Dem Menschen bedeutet das alles gar nichts! Denn in seiner Hinterlist, Gemeinheit und Tücke macht mir der Mensch etwas, zu dem man Spannstrick sagt, und etwas anderes, das Nasenknebel genannt wird. Ferner gräbt er für mich etwas im Boden ein, was bei den Menschen Maktuma heißt. Er sperrt mich in sein Gefängnis, wirft mir Spannstricke aus Palmfaserbast, die mit Filz und Haar umwickelt sind, um meine vier Beine und bindet meinen Kopf an einem hohen Pflock fest, so dass ich immer aufrecht stehen muss mit festgezurrten Fesseln, ohne mich niederlassen oder zum Schlafen hinlegen zu können. Wenn er auf mir reiten will, befestigt er etwas, das er Sporen nennt, an seinen Füßen, ein anderes Ding nennt er Peitsche, und auf den Rücken legt er mir etwas, zu dem er Sattel sagt und das er mit zwei Gurten unter meinen Achseln festmacht. Dann steckt er mir ein sogenanntes Zaumzeug ins Maul, und sobald er auf meinen Rücken gestiegen ist und sich in den Sattel geschwungen hat, nimmt er den Zügel in die Hand und schlägt mir damit auf die Schläfen, bis sie geschwollen sind. Er presst mir die Sporen in die Flanken, bis sie anschwellen und bluten, quält mich mit dem Knallen der Peitsche und brennt mir Brandzeichen auf. Kurzum: Er lässt in meinem Herzen Feuerflammen lodern. Ach, welche Pein muss ich bei ihm ertragen, o Sohn des Sultans, und wie viel Qualen, schon als junges Pferd! Doch frage nicht danach, o Sohn des Sultans, was ich vom Menschen erst erleide, nachdem ich alt geworden bin oder mein Rücken abgemagert ist. Dann nämlich verkauft er mich dem Müller, und der lässt mich Gerste und Weizen mahlen und nachts wie tags im Kreise laufen um die Mühle. Oder er verkauft mich an einen Gipser, bei dem ich in der Gipsmühle im Kreise laufen muss, Nächte und Tage hindurch. So laufe und gehe ich, bis meine Fußgelenke offen liegen, ich alt bin und mich der Staub bedeckt. Und hinterher verkauft der Adamssohn mich an die Metzger. Die schlachten mich, ziehen mir die Haut vom Leib, schneiden mir den Schweif ab und verkaufen ihn den Siebmachern. Mein Fett und Fleisch aber nehmen sie, bieten es auf den Tabletts der Straßenköche feil, und diese rufen mein Fleisch aus: He, Bruder!, hier gibt’s Pferdefleisch! Bruder, hier gibt’s fettes Fleisch! He, fett war das Tier! He, gut gemästet! He, so hübsch wie eine türkische Gazelle! He, Pferdefleisch! Unter solchen Rufen verkaufen sie mein Fleisch überall in der Stadt und ziehen damit durch die Straßen. Wenn am nächsten Tag noch etwas von mir übrig ist, werfen sie die Reste in einen großen Kochkessel, vermischen sie mit Esels- oder Maultierfleisch oder irgendwelchen anderen Fleischresten und zünden gewaltige Feuer aus getrocknetem Dung unter mir an, die die ganze Nacht hindurch brennen. Am nächsten Morgen gießen die Menschen meinen Bratensaft ab, erhitzen frisches Wasser, bis es sprudelnd kocht, gießen Fett darauf, das sie aus anderer Quelle besorgt haben, und richten mich so auf den Tabletts an. Sie garnieren mich mit Myrtenstängeln und Zitronenspalten und füllen mich in kleine Schälchen, manche Portionen mit Essig gewürzt, andere mit Knoblauch oder mit Senf. So verzehren die Söhne Adams mein Fleisch, und darum frage nicht, o Sohn des Sultans, was mir vom Adamssohn widerfährt!› Als der Löwe die Rede des Pferdes gehört hatte, wuchsen sein Zorn und seine Wut auf den Adamssohn. ‹Wann hast du den Adamssohn denn verlassen?›, fragte er das Pferd, und es antwortete ihm: ‹Um die Mittagszeit bin ich ihm weggelaufen, er ist mir gewiss auf der Spur!›
Während der junge Löwe mit dem Pferd so ins Gespräch vertieft war, liebe Schwester», seufzte die Ente, «tauchte plötzliche eine Staubwolke auf. Nach einer Weile verzog sich der Staub, und darunter erschien ein großes, wütendes Kamel. Es röhrte, schäumte und sabberte und stampfte mit den Füßen auf die Erde, dabei bewegte es sich in unsere Richtung. Der Löwe glaubte – da er sah, wie groß, lang, breit und kräftig es war –, es handele sich um den Sohn Adams, und wollte ihm schon entgegenstürzen, doch ich», erzählte die Ente weiter, «hielt ihn zurück. ‹O Sohn des Sultans!›, sagte ich zu ihm. ‹Das ist nicht der Adamssohn, auf den du dich stürzen wolltest, sondern es ist ein Kamel, und mir scheint, es ist auf der Flucht vor dem Adamssohn, genau wie wir!›
Während ich, meine liebe Schwester, mit dem Löwen diese Worte wechselte, war das Kamel bei ihm angelangt, küsste den Erdboden vor ihm, wünschte ihm Segen und entbot ihm seinen Gruß. Der junge Löwe erwiderte den Gruß und hieß das Kamel mit allen Ehren willkommen. ‹Was hat dich an diesen Ort geführt?›, erkundigte er sich dann. ‹Und aus welchem Grund hast du uns aufgesucht?› – ‹Ich komme als Flüchtling vor dem Menschen›, war seine Antwort. ‹Du mit deiner enormen Statur, deinen hohen Beinen, breiten Flanken und langen Maulwinkeln, mit deiner ganzen Größe, Breite, deinem Wuchs und deiner massigen Gestalt hast vor dem Menschen Angst?›, wunderte sich der Löwe. ‹Bei Gott, du könntest ihn mit einem einzigen Tritt zu Tode bringen!›
‹O Sohn unseres Sultans›, gab das Kamel zurück, ‹das Sprichwort sagt: Wie leicht ist doch der Krieg für die Zuschauer! Du musst wissen, mein Herr, dass der Sohn Adams verschlagen, listig und heimtückisch ist und Verstand besitzt. Nichts außer dem Tod kann den Menschen bezwingen! Mir zieht der Sohn Adams einen Ring durch die Nase, befestigt ein Seil daran, legt mir ein Halfter um den Kopf, und dann übergibt er mich den jüngsten seiner Kinder. So zieht mich ein kleiner Junge an einem Seil herum, und ich muss ihm folgen, trotz aller meiner Größe und Kraft! Die schwersten Lasten bürden mir die Menschen auf und schicken mich auf lange Reisen, sie treiben mich an und nehmen meine Dienste bei Nacht und bei Tag in Anspruch. Und wenn ich ein altes Kamel geworden bin oder mir etwas gebrochen habe, legt der Sohn Adams auf meine Gesellschaft keinen Wert mehr, sondern verkauft mich an den Metzger beim Bab al-Futuh. Der Metzger schlachtet mich, verkauft meine Haut an die Gerber und mein Fleisch an die Köche oder die Hackfleischverkäufer, die mein mageres Fleisch zu drei auf zehn Teile mit anderen Zutaten vermischen. Also frage nicht, o Sohn des Sultans, was ich vom Adamssohn erleiden muss!›
‹Und wann hast du den Adamssohn verlassen, Kamel?›, erkundigte sich der junge Löwe. ‹Zur Zeit des Sonnenuntergangs, mein Herr!›, war die Antwort. ‹Und ich vermute, dass er gleich hier sein wird, sobald ich wieder weg bin. Darum – mit deiner Erlaubnis, o Sohn des Sultans – lass mich durch die Wüsten und Einöden ziehen, auf weichem Boden, leichten Wegen und durch unwegsames Geröll.› – ‹Warte noch ein kleines Weilchen, liebes Kamel›, hielt der Löwe es zurück, ‹damit du selbst sehen kannst, wie ich ihn zerschmettere, mich auf ihn stürze, ihm den Kopf vom Körper reiße, seine Knochen zerquetsche, sein Blut saufe und dir eine Mahlzeit bereite von seinem Fleisch!› – ‹Gott behüte, dass ich noch länger warte, o Sohn des Sultans›, widersprach ihm das Kamel, ‹ich habe, bei Gott, vielmehr Angst um dich, Königssohn, jetzt, da der Adamssohn unser Gebiet betreten und seinen Fuß auf unseren Heimatboden gesetzt hat.› Und das Kamel erhob seine Stimme und sprach die folgenden Verse:
‹Betritt der Unterdrücker einen Ort,
So müssen die Bewohner eilends fort.›
Das Kamel und der Junglöwe waren gerade in ihr Gespräch vertieft, liebe Schwester», fuhr die Ente fort zu erzählen, «als sich plötzlich eine Staubwolke erhob. Nach einer Weile verzog sich der Staub und gab den Blick auf einen Scheich frei.»
[Da übermannte der Schlummer] König Schahriyar den Großen, und seine Gemahlin hörte auf zu erzählen. «Ach, Schwester», sagte ihre Schwester Dunyasad zu ihr, «wie wunderbar ist deine Geschichte und wie schön und gut und süß und außergewöhnlich, geistreich, spannend und glänzend!» – «Was wisst ihr schon davon», erwiderte sie, «verglichen mit dem, was ich euch morgen Nacht erzählen werde, wenn ich dann noch lebe und mich König Schahriyar der Große vom Tode verschont? Dann nämlich erzähle ich euch etwas noch Spannenderes als die heutige Geschichte, das wird noch viel aufregender, köstlicher und vergnüglicher sein …»
[Der Erzähler spricht:] Und in der folgenden Nacht, nachdem sich König Schahriyar der Große auf sein Lager zurückgezogen und seine Lust an seiner Gattin Schahrasad gestillt hatte, bis er fertig war, räusperte sich ihre Schwester Dunyasad. «Ach, Schwester!», seufzte sie unter dem Bett hervor. «Ich beschwöre dich bei Gott! Wenn du nicht schläfst, so erzähle uns doch eine deiner schönen Geschichten, mit der wir uns diese Nacht vertreiben können!» – «Einverstanden, liebe Schwester, mit Vergnügen!», antwortete sie. «Schahrasad!», setzte König Schahriyar der Große hinzu. «Deine Geschichte soll aber die Fortsetzung dessen sein, was die Ente der Pfauenhenne über den Junglöwen erzählt und was dieser mit dem Scheich erlebt hat, der gerade zu ihm gekommen ist.» – «Ich höre und gehorche, o König der Zeit und Herrscher der Epoche und Lebenszeit», sagte sie.
[Die achthundertundzweiundachtzigste Nacht] |
Du musst wissen, o glücklicher König und Herr des rechten Urteils und der ruhmreichen Tat, dass [mir zu Ohren gekommen ist], die Überlieferer dieser Geschichte hätten behauptet, dass die Ente zur Pfauenhenne sagte: «Liebe Schwester! Nach einer Weile verzog sich der Staub und gab den Blick auf einen Scheich frei. Er war kurzgewachsen und hatte zarte, dunkle Haut. Auf seiner Schulter trug er einen Korb mit Zimmermannswerkzeug und auf dem Kopf eine Unterlage, auf der acht Bretter lagen. In der Hand hielt er einen Knotenstock. Der Scheich ging zügigen Schritts auf den jungen Löwen zu. Als ich ihn erblickte, meine Schwester, fiel ich um vor Schreck und Angst. Der Löwe aber sprang sofort auf, eilte ihm einige Sprünge weit entgegen und stellte sich ihm in den Weg. Dabei peitschte er mit dem Schweif und fletschte seine Reißzähne. Als der Mensch sah, wie ihm der Löwe den Weg verstellte, erkannte er, was dieser im Sinn hatte. Noch schneller als zuvor kam er auf den Löwen zu, und als er ihn erreicht hatte, küsste er den Erdboden vor ihm, lachte dem Löwen ins Gesicht und sprach mit klarer und beredter Zunge: ‹O mächtiger König, dessen Arme einen weiten Klafter spannen! Gott möge allem, was du erstrebst, Erfolg verleihen und deine Kräfte stärken. Er erhöhe deinen Stand, vermehre deine Macht und lasse dich über deine Feinde triumphieren. Möge Gott dich ans Ziel deiner Wünsche leiten und dir das Paradies als Unterkunft bereiten. Oh bitte, beschütze mich vor dem, der mir mit Tücke schaden will und seine Bosheit auf mich laden will, denn ich finde keinen Helfer und keinen Beistand als dich!› Nach diesen Worten brach der Zimmermann vor dem Löwen in Tränen aus, seufzte und klagte.
Als jener Löwe seine Klage vernommen und seine Tränen gesehen hatte, bekam er Mitleid mit ihm. ‹Ja, ich beschütze dich›, versprach er ihm. ‹Aber wer ist es denn, der dir so übel mitgespielt hat, und wer bist du, o wildes Tier? Denn ich habe wahrhaftig noch nie im Leben ein hübscheres Geschöpf als dich gesehen und noch keine süßere Zunge gehört als die deine. Wie also ist dein Name?› – ‹Mein Name ist Zimmermann, o Herr der wilden Tiere›, gab der Zimmermann zurück, ‹und was denjenigen angeht, vor dem ich mich fürchte, weil er mir Unrecht tat, so ist es der Sohn Adams. Morgen Vormittag schon wird er hier bei dir sein.›
Als der junge Löwe den Zimmermann das sagen hörte, verfinsterte sich sein Gesicht. Er begann zu schnauben und zu fauchen und stieß einen Schrei aus. ‹Wehe über den Sohn Adams!›, brüllte er. ‹Wann wird mich Gott endlich mit ihm zusammentreffen lassen? Ich werde mich, bei Gott, heute Nacht nicht schlafen legen, sondern bis zum Morgen wachen und nicht eher zu meinem Vater zurückkehren, als bis ich mein Ziel erreicht habe und mir gelungen ist, was ich mir vorgenommen habe! Mein Bruder›, wandte sich der Löwe nun an den Zimmermann, ‹ich sehe dich nur kurze Schritte machen. Ohne deine Gefühle verletzen zu wollen, verehrter Zimmermann: Ich glaube kaum, dass du mit den wilden Tieren Schritt halten kannst.›
‹Du musst wissen, Königssohn›, erklärte ihm der Zimmermann, ‹dass ich gerade unterwegs bin zum Wesir deines Vaters, des Löwen des rechten Glaubens – möge Gott, der Allmächtige, ihm zum Sieg verhelfen –, nämlich zu dem siegreichen Zerstörer, dem Herrn des Reißzahns und der Klaue, dem Gepard. Ihm ist von einigen wilden Tieren zugetragen worden, der Adamssohn habe seinen Fuß auf diesen Boden gesetzt, da hat er Todesangst vor dem Menschen bekommen und hat ein wildes Tier als Boten zu mir geschickt, damit ich ihm eine Hütte bauen soll, in der er wohnen und in die er sich verkriechen kann und die seinen Feind vor ihm zurückhält, so dass nie wieder ein Mensch zu ihm vordringen kann. Diese Bretter hier habe ich für ihn mitgebracht.›
Den jungen Löwen ergriff bei diesen Worten die Eifersucht auf den Gepard. ‹Ich bitte dich bei meinem Leben›, beschwor er den Zimmermann, ‹baue aus diesen Brettern zuerst eine Hütte für mich, bevor du dem Gepard eine baust. Wenn du mit der Arbeit an meiner Hütte fertig bist, kannst du zum Gepard weitergehen und ihm alles bauen, was er verlangt.› – ‹O Herr der wilden Tiere›, antwortete der Adamssohn, also der Zimmermann, nachdem er die Worte des Löwen gehört hatte, ‹ich kann für dich nichts bauen, ehe ich nicht dem Gepard seine Hütte fertiggestellt habe. Danach komme ich zu dir, stehe dir zu Diensten und werde dir eine Hütte bauen, die dir Schutz bietet vor deinem Feind.› – ‹Bei Gott, mein Bruder›, herrschte ihn der Löwe an, ‹ich lasse dich nicht einen Schritt von hier weggehen, bevor du mir nicht diese Hütte baust!›
Mit diesen Worten machte der Löwe einen Satz auf den Zimmermann zu, um seine Forderung zu unterstreichen. Da er es scherzhaft meinte und sich einen Spaß mit dem Zimmermann erlauben wollte, hob er seine Pranke und schlug ihm den Zimmermannskorb von der Schulter, doch erwischte er den ganzen Zimmermann und der Scheich stürzte, von der Wucht des Schlages getroffen, rücklings zu Boden, wobei das Werkzeug, das im Korb gewesen war, nach allen Seiten auseinanderflog.
Der Löwe brach in Gelächter aus. ‹Wehe dir, Zimmermann!›, lachte er. ‹Bist du wirklich so schwach? Hast du denn keine Kraft? Bei Gott, du bist entschuldigt dafür, dass du dich vor dem Sohn Adams fürchtest!›
Der Scheich aber hatte sich bei seinem Sturz auf den Rücken eine Schramme zugezogen und war nun über die Maßen zornig, verbarg dies aber vor dem Löwen, weil er so große Angst vor ihm hatte. Stattdessen setzte er sich kerzengerade auf, lachte dem Löwen ins Gesicht und verkündete: ‹Jawohl, mein Herr, ich baue dir die Hütte.›
Und der Zimmermann nahm auf der Stelle die Bretter zur Hand, die er bei sich hatte, vermaß den Löwen und zimmerte die Hütte zusammen. Er passte sie wie eine Gussform seinen Maßen an; ihre Tür ließ er offen stehen. Die Hütte hatte er nämlich in Form einer Kiste gebaut mit einer großen Öffnung darin. Er hatte eine Platte als Deckel dafür angefertigt und zahlreiche Löcher hineingebohrt, aus denen er angespitzte Holznägel hervorstehen ließ. ‹Mein Herr›, lud der Zimmermann den Löwen ein, ‹tritt ein in diese Hütte und nimm Maß, ob sie dir passt.›
Der junge Löwe freute sich über die Maßen darüber. Er trat an jene Öffnung heran und fand sie zu eng. ‹Zieh deine Arme und Beine an, und krieche auf den Knien hinein!›, forderte der Zimmermann ihn auf. Das tat der Löwe und zwängte sich in die Kiste hinein. Sein Schweif aber hing hinten heraus. Der Löwe wollte wieder rückwärts hinauskriechen, doch da rief der Adamssohn, also der Zimmermann: ‹Gemach, verehrter Herr Löwe! Hab noch ein wenig Geduld mit mir!› Mit diesen Worten wickelte er den Schweif des Löwen auf und presste ihn mit Gewalt in die Kiste. Dann verschloss er eiligst und geschwind die Öffnung mit der Platte, setzte Loch über Loch und schlug mit dem Hammer die Nägel in das Brett. Diese drangen ins Innere der Kiste und bohrten sich dem Löwen in die Flanken.
‹Wehe dir, Zimmermann!›, jaulte der Löwe auf. ‹Was ist das für eine enge Hütte, die du mir da gebaut hast? Lass mich hier heraus!› – ‹Falsch gedacht! Daraus wird nichts!›, frohlockte der Scheich, der Zimmermann. ‹Was passiert ist, ist passiert. Es ist wie in dem Sprichwort: Das kummervollste Herzeleid ist die Reue über die Vergangenheit. Du wirst, bei Gott, nie wieder hier herauskommen, und es gibt auch keinen Weg zu deiner Rettung mehr.› Und unter lautstarkem Gelächter fügte jener alte Zimmermann hinzu: ‹Hereingefallen, Eichelhäher! Du warst der böseste der Vögel und hast dich in den Käfig locken lassen.›
‹Mein Bruder›, winselte der junge Löwe, ‹was hältst du mir da für eine bittere, hässliche Rede?› – ‹Du Hund der freien Wildbahn›, höhnte der Scheich, der Zimmermann, zurück, ‹du musst wissen, dass du genau in die Falle gegangen bist, vor der du dich gefürchtet hast und vor der du dich schützen wolltest. Das Schicksal und die Vorsehung haben dich mir in die Hände gespielt, und deine Vorsicht hat dir nichts genützt!›
Als der junge Löwe seine Worte gehört hatte, liebe Schwester, erkannte er, dass dies der Adamssohn war, vor dem man ihn im Traum und auch im Wachen gewarnt hatte. Daran konnte kein Zweifel und nicht die geringste Ungewissheit mehr bestehen. Und nun bekam ich Angst um mein Leben», fuhr die Ente fort, «und zwar gewaltige, fürchterliche Angst, die kaum noch zu steigern war, und ich rannte, so schnell ich konnte, davon. Aus einiger Entfernung beobachtete ich, meine Schwester, wie neben der Holzkiste, in der der junge Löwe, der Sohn des Königs der Tiere, gefangen saß, der Mensch mit bloßen Händen eine tiefe Grube aushob, die Kiste in diese Grube stürzte und sie dort anzündete und verbrannte. Da wurden meine Angst und Furcht noch größer, liebe Schwester. Puh, hier bin ich nun, seit zwei Tagen schon auf der Flucht vor dem Sohn Adams, ständig in Angst und Schrecken vor ihm, und nun lebe wohl. Salam!»
Als die Pfauenhenne diese Rede der Ente gehört hatte, wunderte sie sich über ihre Erzählung und ihre aufregende Geschichte. «Liebe Schwester», sagte sie zu ihr, «sei gewiss, du bist vor dem Sohn Adams sicher, weil wir hier auf einer Insel mitten im Meer sind, die für den Menschen unzugänglich ist. Schon lange leben wir in Sicherheit auf dieser Insel. Also entschließe dich dazu, bei uns wohnen zu bleiben, bis Gott – gepriesen sei Er, der Erhabene! – die Feinde fortgejagt und dir und uns das Leben leichter gemacht hat.» – «Ich habe Angst davor, dass mich nachts jemand überfällt», wandte die Ente ein, «denn keiner, der vor dem Schicksal flüchtet, wird ihm entkommen.» – «Genau deshalb solltest du bei uns bleiben», riet ihr die Pfauenfrau. «Du wirst das Gleiche besitzen und das Gleiche tun wie wir.» Und sie fuhr fort, der Ente zuzureden, bis diese sich beruhigte und sich niederließ.
«Ach, liebe Schwester», seufzte die Ente, «du weißt ja, wie unruhig und rastlos ich bin. Hätte ich dich nicht hier sitzen sehen, so wäre ich niemals geblieben, um mich hier niederzulassen, sondern wäre aus diesem Gebiet weiter geflüchtet in ein anderes.» – «Es steht etwas auf unserer Stirn geschrieben, das wir erfüllen müssen», sprach da die Pfauenhenne. «Wer kann uns beschützen, und wer wird uns retten, wenn unser letztes Stündlein einmal schlägt? Keine Seele stirbt, bevor sie nicht ihr täglich Brot ganz aufgezehrt und ihre Lebenszeit voll ausgekostet hat.»
So waren sie gerade in ihr Gespräch vertieft, als sich plötzlich eine Staubwolke vor ihnen erhob. Die Ente schrie auf und rannte hinunter zum Meer. «Hab Acht, hab Acht!», quakte sie. «Lass mich ziehen, ich will fliehen vor dem Schicksal und der Vorsehung!»
Die Staubwolke aber hatte gewaltige Ausmaße, und unter ihr kam eine Antilope zum Vorschein. Als die Ente und die Pfauenfrau sie erblickten, wandte sich diese an die Ente: «Ach, Schwester! Das, was du da gesehen und wovor du dich gefürchtet hast, ist eine Antilope! Sieh her, da kommt sie auf uns zu, und wir brauchen keine Angst vor ihr zu haben, denn Antilopen fressen nur Gräser und andere Pflanzen, die in der Erde wachsen. Und ebenso wie du zur Gattung der Vögel gehörst, gehört auch diese Antilope zum Geschlecht der Wildtiere. Also beruhige dich und mache dir keine Sorgen, denn Sorgen zehren nur den Körper aus.»
Frau Pfau hatte kaum zu Ende gesprochen, als die Antilope schon bei ihr war. Sie war gekommen, um Schatten unter dem Baum zu suchen. Als die Antilope die Pfauenhenne und die Ente sah, begrüßte sie die beiden. «Ich bin erst heute auf diese Insel gekommen», sagte sie dann. «Noch nie zuvor habe ich ein fruchtbareres Weideland gesehen oder einen Ort, der besser geeignet wäre, um dort zu wohnen und sich heimisch zu fühlen.»
[Da überraschte] das Morgengrauen Schahrasad, und sie hörte auf zu erzählen. «Ach, Schwester», sagte ihre Schwester Dunyasad zu ihr, «wie wunderbar ist deine Geschichte und wie schön und verlockend!» – «Was wisst ihr schon davon», entgegnete sie ihr, «verglichen mit dem, was ich euch morgen Nacht erzählen werde, wenn ich dann noch lebe und mich der König verschont? Das wird noch aufregender und noch spannender, köstlicher und lustiger sein! Doch Gott – gepriesen sei Er, der Erhabene! – kennt die Verhältnisse der Menschen am besten …»
[Die achthundertunddreiundachtzigste Nacht] |
Und als die nächste Nacht gekommen war, sagte Dunyasad zu ihrer Schwester Schahrasad: «Ach, Schwester, ich beschwöre dich bei Gott! Wenn du nicht schläfst, so erzähle uns deine Geschichte zu Ende!» – «Mit Vergnügen!», antwortete sie.
[Es ist mir zu Ohren gekommen,] o glücklicher König, dass die Antilope sagte: «Noch nie zuvor habe ich einen Ort gesehen, der geeigneter wäre, um dort zu wohnen und sich heimisch zu fühlen.» Und sie bot den beiden ihre Freundschaft an. Die Ente bemerkte ihre ehrliche Gesinnung, watschelte auf sie zu und begrüßte sie herzlich. «Wir haben gesehen, dass du die Seelenfreundschaft liebst», sagte sie zu ihr. «Darum wünschen wir uns, mit dir zusammenzuleben.» Und so verbündeten sie sich und schworen einander ewige Freundschaft. Von da an teilten sie mit der Antilope ihr Essen und Trinken und ihre Schlafplätze. So lebten sie in Sicherheit, aßen und tranken, bis eines Tages ein Schiff bei ihnen vorüberkam, das auf dem Meer in die Irre gefahren war. Es ankerte in ihrer Nähe. Die Menschen gingen von Bord, verteilten sich über die Insel und sahen die Versammlung der drei Tiere: der Antilope, der Pfauenhenne und der Ente. Als die Pfauenfrau die Menschen sah, hüpfte sie auf den Baum und flog davon. Die Antilope lief hinaus in die Steppe. Nur die Ente blieb bestürzt und gelähmt vor Angst zurück, und die Menschen ließen nicht von ihr ab, ehe sie sie gefangen hatten. «Alle meine Vorsicht hat mir nichts genützt gegen das Schicksal und die Vorsehung!», klagte die Ente, während die Menschen sie als Jagdbeute auf ihr Schiff trugen.
Als die Pfauenhenne sah, was der Ente zugestoßen war, entschloss sie sich, jene Insel zu verlassen. «Wie ich sehe, lauert das Unglück auf jedermann», dachte sie bei sich. «Wäre dieses Schiff nicht gekommen, so hätten die Ente und ich uns niemals trennen müssen. Ach, sie war doch mein beste und treueste Freundin!» Damit erhob sie sich in die Luft und flog hinüber zu der Antilope. Als diese sie sah, beglückwünschte sie sie zu ihrer wohlbehaltenen Ankunft und fragte sie nach der Ente. «Sie ist gefangen worden», jammerte Frau Pfau, «und die Trennung von ihr hat mir mein Leben bitter werden lassen und das Wohnen auf der Insel verleidet.» Und sie brach in Tränen aus und weinte bitterlich. [Dann erhob sie die Stimme zu den Versen:]
Chafif
«Mir zerschneidet der Tag der Trennung das Herz, drum
Möge Gott nun das Herz der Trennung zerschneiden!
Wafir
Ich wünschte, die Vereinigung käme wieder,
Damit ich ihr sagen kann, was die Trennung tat.»
Es wird berichtet: Nun ergriff auch die Antilope großer Kummer. Anschließend aber gelang es ihr, die Pfauenfrau von ihrem Entschluss, dass sie fortziehen müsse, abzubringen, und so lebte die Antilope fortan mit der Pfauenhenne auf der Insel in Sicherheit. Die beiden fühlten sich glücklich und geborgen, genossen ihr Leben, aßen und tranken, doch waren sie noch immer traurig, weil sie sich von der Ente trennen mussten.
[Da überraschte] das Morgengrauen Schahrasad, und sie hörte auf zu erzählen. «Ach, Schwester», sagte ihre Schwester Dunyasad zu ihr, «wie köstlich ist deine Geschichte und wie schön und verlockend!» – «Was wisst ihr schon davon», entgegnete sie ihr, «verglichen mit dem, was ich euch morgen Nacht erzählen werde, wenn ich dann noch lebe und mich der König verschont? Das wird noch aufregender und noch viel spannender sein als das. Doch Gott – gepriesen sei Er, der Erhabene! – kennt die Verhältnisse der Menschen am besten.»
[Die achthundertundvierundachtzigste Nacht] |
Und als die nächste Nacht gekommen war, sagte Dunyasad zu ihrer Schwester Schahrasad: «Ach, Schwester, ich beschwöre dich bei Gott! Wenn du nicht schläfst, so erzähle uns deine Geschichte zu Ende!» – «Einverstanden, mit Vergnügen!», antwortete sie.
[Es ist mir zu Ohren gekommen,] o glücklicher König, dass die Antilope zu der Pfauenhenne sagte: «Ach, Schwester! Ich habe nun verstanden, dass die Menschen, die aus dem Schiff zu uns heraufgekommen sind, schuld sind an unserer Trennung von der Ente und an deren Tod. Darum sei vorsichtig, verstecke dich vor ihnen, und nimm dich in Acht vor der Tücke des Adamssohns und seiner Hinterlist, mit der er dich zu fassen versucht!» – «Und ich weiß ganz gewiss», widersprach ihr die Pfauenfrau, «dass nichts anderes sie umgebracht hat als ihr Versäumnis, Gott zu loben und zu preisen. Ich hatte sie darauf auch schon hingewiesen und zu ihr gesagt: ‹Ich habe Angst um dich, weil du kein Gotteslob sprechen willst. Denn alles, was Gott – gepriesen sei Er, der Erhabene! – erschaffen hat, lobt und preist Ihn ohne Unterlass, und wer es vergisst, der wird dafür bestraft.» – «Gott möge dich trösten», wünschte ihr die Antilope, als sie das hörte, und ging sofort daran, Gott zu loben und zu preisen und nicht einen Augenblick lang davon abzulassen. Man sagt, dass das Gotteslob der Antilope so lautete: «Gepriesen sei der Weltenrichter, der Allgewaltige, der Herr der Herrlichkeit!»
[Da überraschte] das Morgengrauen Schahrasad, und sie hörte auf zu erzählen. «Ach, Schwester», sagte ihre Schwester Dunyasad zu ihr, «wie köstlich ist deine Geschichte und wie schön und süß und gut und verführerisch!» – «Was wisst ihr schon davon», entgegnete sie ihr, «verglichen mit dem, was ich euch morgen Nacht erzählen werde, wenn ich dann noch lebe und mich der König verschont? Das wird noch spannender sein …»
[Die achthundertundfünfundachtzigste Nacht] |