Leben
mit
Hitler
Verlag C.H.Beck
Er war der einsame, mit Deutschland verheiratete «Führer». So wollte es die NS-Propaganda. Tatsächlich hatte Adolf Hitler jedoch eine Geliebte, deren Existenz bis zur letzten Stunde des «Dritten Reiches» geheim gehalten wurde: Eva Braun. Wer war die Frau, die Hitler noch kurz vor seinem Untergang heiratete? Und was hieß es, mit einem der großen Verbrecher der Weltgeschichte zu leben? Heike B. Görtemaker ist allen noch vorhandenen Spuren dieser Beziehung nachgegangen und hat sie zu einer fesselnden Biographie zusammengefügt. Dabei entsteht zugleich ein verstörend anderer Blick auf Hitler.
Für gewöhnlich gilt Eva Braun als politisch naives, oberflächliches junges Mädchen, das in München und in der Scheinidylle des «Berghofs» nur eine unbedeutende Nebenrolle spielte. Doch was stimmt an diesem Bild? Mit detektivischem Spürsinn wird in diesem Buch die Lebensgeschichte der Frau an Hitlers Seite rekonstruiert, die aus einem kleinbürgerlichen Haushalt bis in den inneren Zirkel des NS-Machthabers führte und einen Tag nach der Hochzeit im Berliner «Führerbunker» mit dem gemeinsamen Selbstmord am 30. April 1945 endete. Welche Rolle spielte die Geliebte in Hitlers privatem Kreis? Über wie viel Einfluss verfügte sie? Und was wussten sie und die anderen Frauen der NS-Führer über die Verbrechen ihrer Männer? Heike B. Görtemaker ist diesen Fragen nachgegangen und zeichnet erstmals ein umfassendes Porträt der «Berghof»-Gesellschaft.
Die erste wissenschaftliche Biografie über Frau Hitler will das Bild vom dummen Blondchen an der Seite des Massenmörders korrigieren.
Klaus Wiegrefe, Der SPIEGEL
Mehr Annäherung an Eva Braun dürfte kaum möglich sein.
Sven Felix Kellerhoff, DIE WELT
Heike B. Görtemaker, Dr. phil., studierte Geschichte, Volkswirtschaft und Germanistik in Berlin und Bloomington (USA). Sie arbeitet heute als Historikerin in Berlin. Bei C.H.Beck ist von ihr erschienen: «Ein deutsches Leben. Die Geschichte der Margret Boveri» (2005).
Einleitung
Begegnung
1. Das Atelier Heinrich Hoffmann
Hausfotograf der NSDAP
«Herr Wolf»
Der private Treuhänder
2. München nach dem Ersten Weltkrieg
Stadt zwischen den Extremen
Alltag und politische Milieus
Die nationalsozialistische Bewegung
3. Die Familie Braun
Bürgerliche Normalität
Die dauerhafte Begleiterin: Margarete Braun
Schwester auf Abstand: Ilse Braun
4. An der Seite Hitlers zur Macht
Geliebte des «Führers» auf Distanz
Aufopferung oder Kalkül?
Einsamkeit im Vorhof der Macht
Gegenwelten
1. Frauen im Nationalsozialismus
Ideologie und Wirklichkeit
Magda Goebbels – First Lady des «Dritten Reiches»
Emmy Göring und Ilse Heß
Die Rolle Eva Brauns
Das «Tagebuch»
2. Führermythos oder Herr Hitler privat
Auf dem Parteitag in Nürnberg
Die unsichtbare Aufsteigerin
Ein «verlorenes Leben»?
Hitler und die Familie Braun
3. Die Mätresse und der innere Kreis
Albert und Margarete Speer
Karl und Anni Brandt
Martin Bormann
4. Leben auf dem Obersalzberg
Refugium und Machtzentrale
Der «Hofstaat»
Politik und private Geschäfte
Dr. Morell
Hermann Esser
«Hausherrin» des Berghofs 1936–1939
Reisen
Untergang
1. Isolation im Krieg
Kriegsausbruch
«Führerhauptquartier» Berghof
Der Niedergang beginnt
2. Der 20. Juli 1944 und seine Folgen
Reaktion des inneren Kreises
Trophäe für Eva Braun
Das Testament
3. Entscheidung für Berlin
Schlußoffensive
Leben unter Tage
Hochzeit und Ende im «Führerbunker»
4. Über den Tod hinaus
Schlußbemerkung
Anhang
Anmerkungen
Quellen- und Literaturverzeichnis
Bildnachweis
Personenregister
Als Eva Braun sich am 7. März 1945 in einem Kurierwagen von München nach Berlin chauffieren ließ, war sie im Begriff, ihre Geschichte zu Ende zu schreiben.[1] Diese hatte 1929 im Geschäft des Münchner Fotografen Heinrich Hoffmann begonnen, wo sie den Vorsitzenden der damals in Deutschland noch wenig erfolgreichen rechtsextremen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, Adolf Hitler, kennenlernte. Nun reiste sie gegen seinen Willen in die Hauptstadt, um gemeinsam mit ihm zu sterben.
Hitler hatte ihr befohlen, auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden zu bleiben, wo er ein großes Anwesen – seine «Bergfestung» – besaß. Denn Berlin war, vor allem nach den alliierten Luftangriffen vom 3. Februar, schwer zerstört; mehrmals täglich herrschte Luftalarm. Die sowjetische Rote Armee hatte bereits im Januar die Oder erreicht. Von Westen her näherten sich Amerikaner und Briten, unterstützt von zahlreichen Verbündeten. In der Reichskanzlei rechnete daher niemand mit dem Erscheinen Eva Brauns. Mit ihrer Ankunft, bemerkte Albert Speer später in seinen Erinnerungen, «zog bildlich und real ein Todesbote in den Bunker ein».[2] Tatsächlich trat sie damit aus dem Schatten ihres langjährigen Mätressendaseins heraus. Untrennbar ist ihr Name seither mit demjenigen Hitlers verbunden. Sie selbst wurde, durch ihr gemeinsames Ende, mit ihm zur Legende. War es das, was sie wollte?
Niemand, schreibt der britische Historiker Ian Kershaw, habe das 20. Jahrhundert stärker geprägt als Adolf Hitler. Unbestreitbar wirke bis heute die schockierende Erfahrung nach, daß selbst eine «moderne, fortschrittliche und kultivierte Gesellschaft» unvorstellbar schnell «in die Barbarei sinken» könne.[3] Der Name Hitler wurde damit zu einem Symbol. Weltweit verbindet man mit ihm Gewalt, Unmenschlichkeit, Rassismus, pervertierten Nationalismus, Völkermord und Krieg. Seitdem Hitler am 30. Januar 1933 von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt worden war und die NSDAP somit auf legale Weise an die Macht gelangte, gibt es zahllose Versuche, nicht nur die Strukturen der nationalsozialistischen Diktatur aufzuzeigen, sondern vor allem auch das «Phänomen» Hitler zu deuten.[4] Diese Diskussion dauert bis heute an.
Im Vergleich dazu erscheint Eva Braun, die langjährige Freundin und spätere Ehefrau des «Leibhaftigen Bösen», als historisch bedeutungslos, «ein sehr blasser Schatten des Führers»[5], ja eine «Enttäuschung der Geschichte», wie Hugh Trevor-Roper schrieb – als Nichts. Grund dafür war die Vorstellung, Eva Braun habe «keine Rolle gespielt bei den Entscheidungen, die zu den schlimmsten Jahrhundertverbrechen führten», und sei nur Teil einer privaten Scheinidylle gewesen, die es Hitler vielleicht sogar ermöglicht habe, «das Grauen umso konsequenter» zu verfolgen.[6] So bleibt Eva Braun in den Hitler-Biographien stets eine Randfigur. Die wenigen Werke, die sich mit ihrer Lebensgeschichte befassen, stellen vor allem ihr vermeintlich tragisches «Frauenschicksal» in den Vordergrund und verzichten – sofern sie nicht überhaupt ideologisch geprägt sind – auf die Einordnung der Freundin Hitlers in ihr soziales, kulturelles und politisches Umfeld.[7]
Die Nichtbeachtung Eva Brauns als historische Figur erklärt sich nicht zuletzt aus dem in der Literatur vorherrschenden Hitler-Bild. Denn die Darstellung Hitlers als Mensch ist bis heute umstritten. Einige seiner Biographen behaupten sogar, es handele sich bei ihm um eine «Unperson». So konzedierte Joachim C. Fest ihm zu Beginn der siebziger Jahre zwar eine scheinbar erdrückende Machtfülle und eine «eigentümliche Größe», bemängelte andererseits aber seine individuelle Blässe, das Statuenhafte, Theatralische seiner Erscheinung, und bemerkte eine «Unfähigkeit zum Alltag».[8] Jahrzehnte später meinte auch Ian Kershaw, daß Hitlers «ganzes Wesen» in seiner Führerrolle aufgegangen sei, während ihm eine «persönliche», ja «tiefere» Existenz gefehlt habe; das Privatleben dieses mit einer «charismatischen Macht» von «außergewöhnlichem Zuschnitt» versehenen Despoten habe nur aus einer Abfolge «leere(r) Rituale» bestanden.[9] Selbst aus der Distanz von sechzig Jahren und der Überzeugung, die Geschichtswissenschaft habe den «Abgrund» des NS-Staates inzwischen «sorgfältig ausgemessen», blicken Historiker noch immer in die «Fratze des Monsters».[10]
Doch birgt diese Interpretation letztlich nicht die Gefahr, Hitlers Selbststilisierung zu erliegen, seine Person für zweitrangig zu erklären und ihn auf diese Weise zu entmenschlichen? Entrückt er damit nicht unserem selbstkritischen Verstehen? Schließlich hatte sein Minister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, unentwegt verbreiten lassen, der «Führer» opfere Privatleben und privates Glück dem deutschen Volk. Er stehe «über allen Sorgen und Unzulänglichkeiten des Alltags wie ein Fels im Meer».[11] Wird nun noch in der Rückschau eine Kunstfigur entworfen, die es den nachfolgenden Generationen erschwert, sich ihrer eigenen Geschichte zu stellen und das Wesen der nationalsozialistischen Diktatur zu begreifen?
Keinesfalls soll hier eine Überbetonung des Individuums in der Geschichtsschreibung gerechtfertigt werden. Es geht auch nicht darum, «Verständnis» für die private Seite eines Diktators zu zeigen, der als Luzifer in Person zu einem zweifelhaften Faszinosum geworden ist. Vielmehr bietet eine ernsthafte, quellenkritische Beschäftigung mit Eva Braun, die bisher von keinem Autor geleistet wurde, die Möglichkeit, eine neue Perspektive auf Hitler zu gewinnen, die auch zu dessen Entdämonisierung beitragen könnte.
Es stellt sich daher die Frage, wer diese Frau eigentlich war und welche Sicht sich durch sie auf den «Jahrhundertverbrecher» gewinnen läßt. Immerhin verband Eva Braun und Adolf Hitler eine über vierzehn Jahre währende Beziehung, die erst mit ihrem gemeinsamen Freitod endete. Zudem war dies für Hitler, wenn auch vor der deutschen Öffentlichkeit weitgehend verborgen, eine der wenigen engen persönlichen Bindungen zu einer Frau überhaupt. Vom äußeren Bild her – jung, blond, sportlich, attraktiv, lebenslustig – paßte Eva Braun ganz und gar nicht zu dem auf privaten Fotos ältlich und steif wirkenden Hitler mit seinem «Psychopathengesicht» (Joachim Fest). Eva Braun, so heißt es, liebte Mode, Film und Jazz, las Werke des nach 1933 in Deutschland verbotenen Oscar Wilde, reiste gern und trieb exzessiv Sport.[12] Ihr Leben entsprach damit kaum dem kleinbürgerlichen, von der nationalsozialistischen Ideologie propagierten Leitbild einer deutschen Frau, die vor allem Mutter zu sein und brav das Haus des Mannes zu hüten hatte. Was also verband Eva Braun mit Hitler? Welcher Art waren ihre Beziehungen zu den Männern des engsten Kreises um den NS-Führer, zu Göring, Speer oder Bormann? Welches Licht wirft das auf Hitler? Lebte er mit seiner Geliebten in einer privaten Gegenwelt, die sich fundamental von dem offiziell gezeichneten «Führerbild» unterschied? Oder ist eine solche Trennung nicht möglich? Gehörten, für Eva Braun wie für Hitler, beide Welten untrennbar zusammen?
Allem Anschein nach war Eva Braun eine durchschnittlich begabte junge Frau aus einem konventionellen, kleinbürgerlichen Elternhaus. Sie stach offenbar weder durch ihre Herkunft noch durch ihre Interessen besonders hervor. Als auffällig vermerkt wird allenfalls, daß es ihr an jeglicher Anteilnahme für das politische Zeitgeschehen gefehlt habe.[13] Eva Braun war demnach nicht weltgewandt und schillernd wie Magda Goebbels oder politisch einflußreich wie Annelies von Ribbentrop – die Tochter des Sektfabrikanten Otto Henkell –, und sie besaß auch nicht den Fanatismus Gerda Bormanns. Doch gerade das vermeintlich Gewöhnliche, Durchschnittliche ihrer Existenz fordert zu einer Rekonstruktion ihrer Geschichte heraus, da ihre «Normalität» in der sie umgebenden Atmosphäre des «Bösen» wie ein Anachronismus wirkt, der auch das Böse in anderem Licht erscheinen läßt.
Am 30. April 1945 gegen 14.30 Uhr erhält Erich Kempka, seit 1932 Fahrer Adolf Hitlers, in der Garage im Keller der Berliner Reichskanzlei einen Anruf: Er möge etwa 200 Liter Benzin besorgen und zum Eingang des Führerbunkers in den Garten der Reichskanzlei bringen. Alles Weitere werde er dort erfahren. Als Kempka mit mehreren Männern, die ihm die Benzinkanister tragen, eintrifft, erklärt ihm SS-Sturmbannführer Otto Günsche, der «Führer» sei tot. Er, Günsche, habe den Auftrag, ihn sofort zu verbrennen, da Hitler nicht «in einem russischen Panoptikum ausgestellt» werden wolle. Beide begeben sich in den Bunker, wo Martin Bormann die Leiche Eva Brauns an Kempka weiterreicht. Sie hat ein dunkles Kleid an, das sich in der Herzgegend feucht anfühlt. Kempka trägt sie die Treppe zum Ausgang hinauf. Vor ihm gehen der Diener Heinz Linge und der Arzt Dr. Ludwig Stumpfegger mit dem Leichnam Hitlers. Es folgen Günsche, Bormann und Joseph Goebbels. Kurz vor 15 Uhr legen sie die beiden Leichen nebeneinander auf den flachen Boden in den Sand, übergießen sie mit fünf Kanistern Benzin und setzen sie in Brand. Die Männer stellen sich in den Bunkereingang und erheben, während die Leichen brennen, ein letztes Mal den Arm zum Hitlergruß. Als Artilleriegranaten auf dem Gelände einschlagen, ziehen sie sich schnell wieder in den Schutz des Bunkers zurück.[1]
Knapp sechzehn Jahre zuvor, im Oktober 1929, waren sich Hitler und Eva Braun im Atelier des Fotografen Heinrich Hoffmann zum ersten Mal begegnet. Hoffmann war nach dem Ersten Weltkrieg ein in München bekannter Presse- und Porträtfotograf, Verleger und überzeugter Nationalsozialist der ersten Stunde. Er leitete ein Atelier in der Amalienstraße 25, in der Nähe des Odeonsplatzes im Zentrum Münchens, das er «Photohaus Hoffmann» nannte und von wo aus er die Münchner Illustrierte Presse sowie Agenturen im In- und Ausland mit seinen Bildern belieferte. Hoffmann, dessen Vater ebenfalls Fotograf gewesen war und, so sagt man, den einzigen Sohn in seine Fußstapfen gezwungen habe, besaß seit 1909 ein eigenes Unternehmen in München.[1] Schon vor 1914 hatte er sich mit einem Bilderdienst – dem «Photobericht Hoffmann» – sowie Porträtaufnahmen auch in Künstlerkreisen einen Namen gemacht. Das Florieren seines Geschäftes jedoch verdankte er der NSDAP, als er nach dem Ersten Weltkrieg, den er als «ungedienter Landsturmmann» in einer «Fliegerersatzabteilung» an der französischen Front verbracht hatte, seine Arbeit in den Dienst der aufkommenden rechtsextremvölkischen Bewegung stellte.[2]
Wann und unter welchen Umständen Hoffmann zum ersten Mal Hitler begegnete, ist nicht mehr genau zu rekonstruieren. Hoffmanns Tochter, Henriette von Schirach, erklärte später, ihr Vater sei über den völkischen Dichter Dietrich Eckart mit Hitler in Kontakt gekommen. Hoffmann selbst gab in seinen Erinnerungen an, daß rein berufliche Gründe zu einem ersten Zusammentreffen geführt hätten, nachdem ihm eine amerikanische Bildagentur am 30. Oktober 1922 einhundert Dollar für eine Fotografie von Hitler geboten habe.[3] Die «amerikanische Presse», führte Hoffmann dazu bereits in einer 1947 entstandenen, unveröffentlichten Verteidigungsschrift aus, habe ihm seinerzeit «einen hohen Betrag für die erste Aufnahme Hitlers» geboten. Um dieses Geld «unter allen Umständen» zu bekommen, sei von ihm eine zufällig anmutende Begegnung eingefädelt worden, indem er Hermann Esser, einem Duzfreund Hitlers, dessen Hochzeit bevorstand, vorgeschlagen habe, das Hochzeitsessen am 5. Juli 1923 in seinem – Hoffmanns – Haus stattfinden zu lassen, um auf diese Weise Hitler, der einer der Trauzeugen gewesen sei, kennenzulernen.[4]
Tatsächlich war Hoffmann schon am 6. April 1920 – also ein halbes Jahr nach Hitler – in die Deutsche Arbeiterpartei (DAP) eingetreten, die im Januar des Vorjahres von Anton Drexler in München gegründet worden war und sich seit kurzem Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) nannte. Hoffmann verlegte nun die von dem radikalnationalistischen und antisemitischen Schriftsteller Dietrich Eckart, dem väterlichen Freund und Mentor Hitlers, herausgegebene Wochenschrift Auf gut deutsch, in der der erfolglose Dichter unter dem Slogan «Deutschland erwache» gegen die Weimarer Republik, den Bolschewismus und das Judentum hetzte.[5] Vieles spricht dafür, daß Hoffmann zuerst im Kreise seiner weltanschaulich Gleichgesinnten – darunter Eckart, Hitler und der Journalist Hermann Esser – Freundschaften schloß, bevor er sich auf vielfältige Weise für die NSDAP und insbesondere Hitler, ihren aggressivsten «Bierkelleragitator» und Vorsitzenden (seit dem 29. Juli 1921), nützlich machte.[6] Denn Hoffmann respektierte zunächst, trotz vielfältiger Anfragen, den Wunsch Hitlers, nicht fotografiert zu werden. So erschienen erstmals nach dem gescheiterten «Putsch» vom 9. November 1923, der Hitler zu deutschlandweiter Popularität verhalf, ihn aber auch ins Gefängnis brachte, von Hoffmann aufgenommene und vertriebene Porträts des Inhaftierten. Im Jahr darauf gab er eine Bildbroschüre mit dem Titel Deutschlands Erwachen in Wort und Bild heraus. 1926 gründete der umtriebige Hoffmann zusammen mit Hitler und dem gemeinsamen Freund und ersten Propagandaleiter der NSDAP, Hermann Esser, das reich bebilderte, wöchentlich erscheinende Parteiorgan Illustrierter Beobachter. Im gleichen Jahr druckte der Völkische Beobachter auf Vorschlag Hoffmanns erstmals Fotografien ab – selbstverständlich aus dessen eigenem Atelier.
Die NSDAP befand sich damit technisch auf der Höhe der Zeit. Noch wenige Jahre zuvor war es üblich gewesen, Kupferstiche oder Zeichnungen zur Illustration von Zeitungsberichten zu verwenden. Selbst in der New York Times erschienen erst seit 1922 regelmäßig Fotografien. Der Durchbruch des Fotojournalismus, den die Entwicklung der Kleinbildkamera 1925 ermöglichte, hatte gerade erst begonnen.[7] Im Gegensatz zu den USA, aber auch England oder Frankreich, wo die britische Tageszeitung The Daily Mirror und die französische Illustration schon 1907 einen täglichen bildtelegrafischen Dienst zwischen London und Paris eingerichtet hatten, verbreitete sich der Bilddruck in deutschen Tageszeitungen jedoch nur langsam.[8]
Zu Hoffmanns im Völkischen Beobachter veröffentlichten Bildern gehörte auch eine Serie, die Hitler auf dem ersten Reichsparteitag der NSDAP nach ihrer Neugründung in Weimar am 4. Juli 1926 erstmals mit ausgestrecktem Arm grüßend vor Tausenden vorbeimarschierenden Getreuen zeigte.[9] Mit Initiative und fotografischem Geschick setzte Hoffmann damit bereits in der Frühphase des Aufstiegs der NSDAP auf die Macht der Bilder – und auf den innerparteilich zunächst nicht unumstrittenen Vorsitzenden. Für Hitler und seinen sowohl nach außen als auch gegen parteiinterne Konkurrenten geführten Propagandafeldzug machte er sich dadurch bald unentbehrlich. Er wurde Hitlers «Leibfotograf».[10] Von nun an war der Führer der NSDAP kaum noch ohne Hoffmann anzutreffen. Ob auf Reisen, im Wahlkampf oder beim Mittagessen in Hitlers Münchner Lieblingslokal: Hoffmann war immer dabei.
Der Entschluß, beruflich ganz auf Hitler und die NSDAP zu setzen, zahlte sich allerdings erst in den folgenden Jahren aus. 1929 verschafften die anstehenden Landtagswahlkämpfe und Massenveranstaltungen dem Unternehmen Hoffmann zunehmend Aufträge. Dazu zählte der viertägige Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg vom 1. bis 4. August mit einem spektakulären Aufmarsch von 60000 SA- und SS-Mitgliedern ebenso wie der gemeinsame Auftritt von Hitler und dem Pressezaren und Vorsitzenden der Deutschnationalen Volkspartei, Alfred Hugenberg, im Münchener Zirkus Krone für ein Volksbegehren gegen den «Young-Plan» am 26. August. Überdies konnte die NSDAP in diesem Jahr erstmals Wahlerfolge verbuchen. Hatte es bei den Reichstagswahlen im Jahr zuvor, am 20. Mai 1928, noch so ausgesehen, als würden die Nationalsozialisten, die lediglich einen Stimmenanteil von 2,6 Prozent verbuchen konnten, wieder in Bedeutungslosigkeit versinken, zeigte der Trend bei den Landtags- und Kommunalwahlen 1929 eindeutig nach oben.[11] Vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Weltwirtschaftskrise und dem Anstieg der Zahl der Erwerbslosen auf 3,32 Millionen gewann die NSDAP sowohl in Sachsen als auch in Baden und Bayern Mandate hinzu. In Thüringen erhöhte sich ihr Stimmenanteil sogar von 4,6 auf 11,3 Prozent.
Angesichts dieser Zahlen ist es kein Zufall, daß Hoffmann, der jetzt 44 Jahre alt war, ausgerechnet im Herbst 1929, zu Beginn der Weltwirtschaftskrise, mit seinem Betrieb expandierte. Schließlich profitierte er sowohl von den wachsenden Aufträgen der NSDAP als auch von der zunehmenden Inanspruchnahme durch Hitler selbst. Im übrigen hatten Fotoagenturen damals ohnehin Konjunktur, da mehr und mehr Zeitungen ihre Berichte nun mit Fotografien illustrierten. Die Nachfrage nach aktuellen Fotos aus der ganzen Welt stieg daher unaufhörlich. Aus Hoffmanns kleinem, in einem Hinterhof in der Schellingstraße 50 versteckten Handwerksbetrieb entwickelte sich jetzt ein florierendes Unternehmen, das nach dem Umzug des Geschäfts in die Amalienstraße 25 im September 1929 nunmehr als «NSDAP-Photohaus Hoffmann» figurierte. Kurz vor der Neueröffnung wurden sogar neue Mitarbeiter angeworben. Zu ihnen gehörte auch die 17jährige Eva Braun.[12]
Im «Photohaus Hoffmann» stand Eva Braun, so scheint es, zumeist «hinter der Ladentheke». Allerdings sind die Angaben darüber, was sie dort tatsächlich machte, widersprüchlich. So erklärte Henriette von Schirach, die es als Tochter Hoffmanns und gleichaltrige Freundin Eva Brauns eigentlich hätte wissen müssen, in ihren Erinnerungen an einer Stelle, Braun sei «Lehrling im Fotolabor» ihres Vaters gewesen, um an einem anderen Ort zu bemerken, sie habe «im Fotoladen» ihres Vaters «Rollfilme» verkauft.[13] Tatsächlich traf beides zu. Eva Braun, so teilte Heinrich Hoffmann später mit, sei bei ihm «Anfängerin und kaufmännische Hilfskraft» gewesen und habe «im Büro, im Verkauf und auch im Laboratorium» gearbeitet. Ab 1933, nachdem Braun im Betrieb «mehr eingeführt» gewesen sei, habe sie sich dann ausschließlich «photographisch beschäftigt».[14]
Fotografin war damals schon ein angesehener und begehrter Frauenberuf. Das Metier war jung und modern, und viele Frauen lockte die Vorstellung, einmal Mode- oder Porträtfotografin zu werden. Vor allem die Mode interessierte auch Eva Braun. Zunächst aber galt es, bei Hoffmann den Umgang mit der Kamera und das Entwickeln von Bildern zu lernen. Von Anfang an gehörte es ebenfalls zu ihren Aufgaben, für Hoffmann und seine Kunden kleinere Besorgungen zu machen und im Verkauf zu arbeiten. Schließlich bot – neben der Pressefotografie – die aufkommende Amateurfotografie einen stetig wachsenden Absatzmarkt. So offerierte das «Photohaus Hoffmann» nicht nur die Ausführung von Fotoarbeiten, sondern auch die für das Fotografieren notwendige, nunmehr für jeden leicht zu handhabende Ausrüstung. Des weiteren waren Bilder und Postkarten eigener Produktion im Angebot, deren Vertrieb, erinnerte sich Baldur von Schirach, der spätere Reichsjugendführer der NSDAP und Schwiegersohn Heinrich Hoffmanns, ebenfalls von Eva Braun betreut wurde.[15] Zu den bevorzugten Motiven Hoffmanns zählten dessen Parteigenossen von der NSDAP, vor allem aber die Porträts ihres Vorsitzenden Adolf Hitler.
Eva Braun begegnete Hitler vermutlich im Oktober 1929, wenige Wochen nach ihrem beruflichen Einstieg, zum ersten Mal.[16] Sie soll an jenem Tag über ihre eigentliche Arbeitszeit hinaus im Geschäft geblieben sein, um Papiere zu ordnen, als Hoffmann ihr einen «Herrn Wolf» vorstellte und sie bat, für sich selber sowie für ihn und seinen Bekannten Bier und Leberkäse aus einer nahegelegenen Gastwirtschaft zu besorgen. Während des anschließenden gemeinsamen Essens habe der Fremde sie «ständig mit den Augen» verschlungen und ihr später angeboten, sie «in seinem Mercedes nach Hause zu bringen», was sie jedoch abgelehnt habe. Schließlich sei Eva Braun vor dem Verlassen des Ateliers von ihrem Chef Hoffmann gefragt worden: «Hast du denn nicht erraten, wer dieser Herr Wolf ist? Schaust du nie unsere Fotos an?» Und nach ihrer Verneinung habe Hoffmann geantwortet: «Es ist der Hitler, unser Adolf Hitler.»[17]
Diese Schilderung findet sich in der ersten, 1968 von dem türkischamerikanischen Journalisten Dr. Nerin Emrullah Gün veröffentlichten Biographie über Eva Braun. Demnach soll Eva Braun einer ihrer Schwestern – vermutlich Ilse, der ältesten – von dieser ersten Begegnung mit Hitler erzählt haben, die 1929 «an einem der ersten Freitage im Oktober», also entweder am 4. oder am 11. August, stattgefunden habe. Doch wie glaubwürdig ist Gün, dessen Werk bis heute ausgiebig zitiert wird und der den Anschein erweckt, als habe ihm Eva Braun selbst ihre Geschichte in die Feder diktiert? Von wem und unter welchen Umständen erhielt er seine Informationen? Und wie ist seine eigene, durchaus schillernde Persönlichkeit zu bewerten?
Gün arbeitete während des Zweiten Weltkrieges in der Presseabteilung der türkischen Botschaft in Budapest. Kurz vor Kriegsende, am 12. April 1945, wurde er verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau eingeliefert, nachdem die Geheime Staatspolizei seine Festnahme wegen angeblicher Deutschfeindlichkeit angeordnet hatte. Zwei Wochen später, am 29. April 1945, wurde er dort, wie alle anderen Insassen, von Truppen der 7. US-Armee aus seiner Haft befreit. Gün, der sich nun der Einfachheit halber Gun nannte, lebte danach in den USA und schrieb später ein Buch über den Mord an Präsident John F. Kennedy, das vermutlich dazu führte, daß der amerikanische Geheimdienst CIA ihn verdächtigte, als Mitglied der Kommunistischen Partei in die Ermordung des Präsidenten verwickelt gewesen zu sein, und ihn beschuldigte, in Europa Spionage betrieben und Dokumente gefälscht zu haben.[18]
Mitte der sechziger Jahre reiste Gun anläßlich einer Jubiläumsfeier zur Befreiung des Konzentrationslagers Dachau durch die Alliierten in die Bundesrepublik. Bei dieser Gelegenheit organisierte er offenbar Treffen mit der Familie Eva Brauns sowie anderen, früheren Mitgliedern des engeren Kreises um Hitler. Franziska Braun, die Mutter Eva Brauns, suchte er in ihrem Haus im bayerischen Ruhpolding auf. Darüber hinaus befragte er die Schwestern Ilse und Gretl sowie Eva Brauns beste Freundin Herta Schneider. Gun erhielt damals Zugang zu privaten Fotografien und Briefen Eva Brauns, die in seinem Buch erstmals veröffentlicht wurden. Allerdings fehlen genaue Angaben über die Herkunft seiner Informationen, die Übergänge zwischen frei erfundenen Anekdoten sowie tatsächlichen Angaben der befragten Zeitzeugen sind fließend und für den Leser nicht nachvollziehbar. So berichtete Ilse Heß, die Ehefrau von Rudolf Heß, in einem Brief an Albert Speer vom 25. Juni 1968, Gun, «der Verfasser des Buches über das Everl», habe «wochenlang» bei ihr in Hindelang gewohnt, da er nun beabsichtige eine Biographie über ihren Mann zu schreiben; nach seinem «Lieblingsausdruck» nenne sie ihn nur noch «Mr. I pay all».[19] Die Bemerkung zeugte von geringem Respekt, da Gun offenbar wenig Hintergrundwissen besaß und Ilse Heß seine Absichten für nicht seriös hielt. Die Vermutung liegt indessen nahe, daß der Journalist im Jahr zuvor auch bei der Familie Braun logierte, als er für sein Buch über Eva Braun recherchierte. Einen Beleg dafür gibt es jedoch nicht.
Somit ist der Ablauf der ersten Begegnung zwischen Eva Braun und Hitler nicht sicher verbürgt, auch wenn die Geschichte sich womöglich so abgespielt hat, wie Gun sie schildert. Weshalb Hoffmann seinem neuen Lehrling den prominenten Parteifreund unter dem Decknamen «Wolf» präsentierte, den Hitler im übrigen seit langem, vor allem auch auf Reisen selbst gern verwendete, ist allerdings unklar.[20] Möglicherweise wollte er damit einer nervösen oder gar hysterischen Reaktion der jungen Frau entgegenwirken. Nicht zu verhindern war freilich die offenbar spontan vorhandene gegenseitige Anziehung. Denn von nun an bedachte der immerhin bereits 40jährige Hitler die 17jährige Eva Braun bei jedem Besuch im Atelier mit Komplimenten und kleinen Geschenken.
Derlei Besuche ließen sich für Hitler mühelos bewerkstelligen. Denn das «Photohaus Hoffmann» an der Ecke Amalienstraße/Theresienstraße befand sich direkt über dem «Café Stefanie», einem beliebten Ziel der führenden NSDAP-Politiker, das bis zum Ersten Weltkrieg Treffpunkt der Schwabinger Bohème mit Gästen wie Heinrich Mann, Erich Mühsam, Eduard Graf von Keyserling und Paul Klee gewesen war. Die Reichshauptgeschäftsstelle der Partei lag nur eine Querstraße entfernt, in der Schellingstraße 50, wo sich, wenige Häuser weiter, auch Redaktion und Druckerei des Völkischen Beobachters niedergelassen hatten. Das Haus in der Schellingstraße 50 war zuvor von Heinrich Hoffmann und seiner Familie bewohnt worden. Die «Werkstätten» Hoffmanns befanden sich nebenan. Dort fotografierte er Hitler, Göring und andere Parteigrößen.[21] In der Schellingstraße lag ebenfalls die von Hitler und seinen Parteifreunden häufig aufgesuchte «Osteria Bavaria», das älteste italienische Restaurant Münchens, das noch heute unter dem Namen «Osteria Italiana» existiert. Henriette von Schirach beschrieb das Lokal als «kühles kleines Weinhaus mit einem in pompejanischem Rot gemalten Höfchen, das mit römischen Kacheln und Mosaiken geschmückt ist, und einem ‹Tempel›, das heißt einer Nische mit zwei Säulen davor», die für Hitler freigehalten worden sei. Dessen spätere Sekretärin Traudl Junge bemerkte allerdings, der Stammplatz des NS-Führers sei der «ungemütlichste Tisch ganz hinten in der Ecke» gewesen.[22]
Tatsächlich aß er selten allein. Zu Hitlers ständigen Begleitern seit den frühen zwanziger Jahren zählte nicht nur Heinrich Hoffmann, sondern auch der Deutsch-Amerikaner Ernst F. Sedgwick Hanfstaengl,[23] der 1931 zum Auslandspressechef der NSDAP ernannt wurde. Als jüngerer Bruder des Kunstverlegers Edgar Hanfstaengl, der 1907 den Familienbetrieb «Kunstverlag Franz Hanfstaengl» übernommen hatte, war er bis Ende des Ersten Weltkrieges Leiter der New Yorker Filiale des Verlages gewesen und anschließend nach München zurückgekehrt. Weiterhin gehörten Adolf Wagner, der mächtige Gauleiter von München-Oberbayern – genannt der «Despot von München» –, der Diener Julius Schaub, Christian Weber, ein «rundbäuchiger ehemaliger Pferdehändler» (Joachim Fest) und Duzfreund, sowie Hermann Esser, ein Gründungsmitglied der NSDAP, von Goebbels der «kleine Hitler» genannt, zum alten Münchner Kreis um Hitler. Dazu kamen der junge Martin Bormann, seit 1927 NSDAP-Mitglied, und Otto Dietrich, seit 1931 Reichspressechef der NSDAP, sowie SS-Oberstgruppenführer Joseph (Sepp) Dietrich, Max Amann und Wilhelm Brückner, SA-Obergruppenführer und seit 1930 Chefadjutant Hitlers.[24]
Eva Braun wurde von Hitler allerdings nur gelegentlich eingeladen – zum Essen oder auch zu Ausfahrten in die Gegend um München, ins Kino oder in die Oper. Hitler habe, erinnerte sich Henriette von Schirach an den Beginn der Bekanntschaft zwischen dem Freund ihres Vaters und Eva Braun, «so reizende Komplimente machen» können: «Darf ich Sie in die Oper einladen, Fräulein Eva? Sehen Sie, ich bin immer von Männern umgeben, da weiß ich das Glück zu schätzen, mit einer Frau zusammen zu sein.» Wer habe da «schon widerstehen» können?[25] Obwohl die Beziehung zunächst eher oberflächlich gewesen zu sein scheint, ließ Hitler, so heißt es, das Mädchen alsbald überprüfen. Martin Bormann, dessen Trauzeuge Hitler kurz zuvor gewesen war, sei bereits 1930 damit beauftragt worden, festzustellen, ob die Familie Braun «arisch» sei, das heißt keine jüdischen Vorfahren besitze.[26] Bormann, mittlerweile in den Obersten Führungsstab der SA aufgestiegen, sollte nach 1933 bis zum Tod Hitlers zu dessen engsten Vertrauten zählen.[27]
Eva Braun im «Photohaus Hoffmann» auf dem Schreibtisch posierend (1930)
Eva Braun, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal volljährig war, ahnte von der Sondierung Bormanns vermutlich nichts. Es ist gut vorstellbar, daß dem jungen Mädchen die Prominenz ihres neuen Bekannten imponierte und sie sich auch für dessen politische Ideen offen zeigte. Nicht überliefert ist, ob sie selbst oder ihre Eltern antisemitische Positionen vertraten. Da Ilse Braun, die vier Jahre ältere Schwester, als Sprechstundenhilfe für einen jüdischen Arzt arbeitete, mit dem sie auch eng befreundet war, scheint es von seiten der Familie keinerlei ideologische Vorbehalte gegeben zu haben. Fotografien Eva Brauns aus ihren ersten Arbeitsjahren im Fotogeschäft Hoffmanns zeigen zudem ein sehr kindlich wirkendes junges Mädchen, das sich offenbar selber gerne fotografieren ließ und sich ohne Scheu in den Büroräumen in Positur setzte.[28] Ihre Beziehung zu Hitler soll bis 1932 rein «platonisch» geblieben sein. Heinrich Hoffmann erklärte dazu in seinen 1955 in London und 1974 in deutscher Übersetzung erschienenen Erinnerungen mit dem Titel Hitler, wie ich ihn sah, seine Angestellte habe die Beziehung zwar forciert und herumerzählt, «Hitler sei in sie verliebt und es würde ihr bestimmt gelingen, ihn zur Heirat zu bringen». Diesem sei jedoch ein «intensiveres Interesse» zunächst nicht anzumerken gewesen. [29] Tatsächlich offenbaren Hoffmanns Beobachtungen den Unterschied zwischen einer jungen, eben dem Teenageralter entwachsenen Frau und einem schon etwas in die Jahre gekommenen Junggesellen. Während sie spontan und überschwenglich ihre Gefühle kundtat, legte er Wert auf äußerste Verschwiegenheit.
Die gegenseitige Vertrautheit zwischen Hitler und Hoffmann – unabdingbar bei langen Sitzungen im Fotoatelier und bezeugt durch unzählige Porträtaufnahmen, auf denen Hitler ungehemmt posierte – erstreckte sich auch auf das Privatleben.[30] Henriette von Schirach erinnerte sich später, daß ihre Familie 1929 eine «ungemein moderne Wohnung in Bogenhausen» bezogen habe, «in die Hitler gern» gekommen sei. Dort habe er Spaghetti gegessen, mit «etwas Muskat, die Tomatensoße extra, nachher Nüsse und Äpfel», und nach dem Essen auf dem Klavier phantasiert.[31] Bei Hoffmann und seiner Familie, so Albert Speer in seinen Erinnerungen, habe sich Hitler «wie zu Hause» gefühlt. Im Garten der Villa des Fotografen in München-Bogenhausen konnte er sich, wie Speer im Sommer 1933 beobachtete, ohne jede Förmlichkeit bewegen, «sich in Hemdsärmeln auf den Rasen» legen oder aus einem «Band von Ludwig Thoma» vorlesen.[32]
Hitler beim Einstudieren von Rednerposen, fotografiert von Heinrich Hoffmann (1926)
Zu diesem Zeitpunkt waren Hoffmann und Hitler schon seit mindestens einem Jahrzehnt befreundet. Bei Hoffmann, seiner ersten Ehefrau Therese (Lelly) und ihren Kindern, berichtete später dessen Schwiegersohn Baldur von Schirach, habe Hitler «Familienleben» kennengelernt und sei dort wie ein Familienmitglied aufgenommen worden.[33] Der Fotograf und die Seinen bildeten gleichsam den Kern des privaten Kreises um den unverheirateten NS-Führer. Nach dem frühen Tod Therese Hoffmanns 1928 scheint die Bindung zwischen den beiden Männern sogar noch enger geworden zu sein. So gehörten – auf Wunsch Hitlers – während der vielen Reisen im Dienst der aufstrebenden NSDAP nicht nur Hoffmann selbst, sondern oftmals auch dessen Tochter Henriette zur Begleitmannschaft, um die Männerrunde mit jugendlicher Frische aufzulockern.[34] Familienfeste, wie die Konfirmation des Sohnes Heinrich im März 1931, die Hochzeit der Tochter Henriette im darauffolgenden Jahr oder die Wiederverheiratung Hoffmanns im April 1934, wurden gemeinsam gefeiert. Mehr noch: Die Hochzeiten wurden von Hitler in seiner Wohnung am Prinzregentenplatz ausgerichtet.[35]
Auch auf dem Obersalzberg und in Berlin war Hoffmann als ständiger Gefährte präsent.[36] Der Fotograf, der nie ein Staats oder Parteiamt bekleidete, genoß eine Vertrauensstellung – und damit eine Machtposition –, um die ihn Parteigrößen wie Goebbels oder Bormann beneideten und die ihm bis 1944 einen fast unbeschränkten Zugang zu Hitler erlaubte. Andere, wie der Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung der Reichsleitung der NSDAP, Otto Wagener, störten sich daran, daß Hitler mitunter «geheimste Dinge im Kreise seiner engeren Begleitung» besprach und er, Wagener, «manchmal etwas entscheidend Wichtiges ganz zufällig vom Fotografen Hoffmann zu hören bekam».[37]
Doch weshalb wählte Hitler ausgerechnet Hoffmann, der bekannt dafür war, ein äußerst trinkfester Genußmensch und eine Stimmungskanone zu sein und von seinem Charakter und seinen Lebensgewohnheiten her eigentlich gar nicht zu ihm passte, zu seinem Intimus und ständigen Begleiter? Die Frage ist deshalb von Bedeutung, weil hier eine Analogie zum Verhältnis Hitlers zu Eva Braun besteht, die ja auch weder vom äußeren Erscheinungsbild noch vom Temperament her mit ihrem Geliebten übereinzustimmen schien. Hoffmann und Hitler verbanden die gemeinsame Erfahrung des Ersten Weltkrieges, nationalistischantisemitische Überzeugungen, eine kleinbürgerliche Herkunft und der frühe Wunsch, Künstler zu werden. Entscheidend für den Stellenwert des «Leibfotografen» waren jedoch dessen von Anfang an bekundete absolute Treue und Loyalität gegenüber Hitler. So hielt sich Hoffmann strikt an alle Fotografier- oder Veröffentlichungsverbote, die ihm auferlegt wurden, und retuschierte seine Bilder je nach Anweisung. [38] Hitler wiederum sorgte dafür, daß die Position seines persönlichen Bildberichters bis zum Schluß mehr oder weniger inoffiziell blieb und dieser damit in einem von ihm jederzeit kontrollierbaren Abhängigkeitsverhältnis verharrte.
Tatsächlich war Hoffmann nicht nur Parteigenosse, Freund und Fotograf, sondern auch eine Art Vermittler, ja privater Botschafter Hitlers, wobei sich Propagandaarbeit, Privatleben und später auch kunstpolitische Aktivitäten überschnitten. So war es das Haus Hoffmanns, in dem Hitler ungezwungen und verborgen vor der Öffentlichkeit Eva Braun zum Nachmittagstee oder Abendessen treffen konnte.[39] Und es war Hoffmann, dem Hitler seine Freundin anvertraute, wenn sie ihn unter der Obhut des «offiziellen Photographen der NSDAP» bei Parteiveranstaltungen, von Uneingeweihten unbemerkt, begleitete. Auch finanzielle Transaktionen, die Eva Braun betrafen – beispielsweise der Kauf eines Hauses – ließ Hitler in den ersten Jahren über Hoffmann abwickeln. Gleichzeitig betraute er ihn mit politischen Aufgaben, die weit außerhalb des Bereichs der Propagandafotografie lagen und für die Hoffmann keinerlei Sachkenntnis besaß. So durfte dieser 1937 zur Verblüffung und Verärgerung mancher Zeitgenossen die Exponate für das prestigeträchtige Münchner «Haus der Deutschen Kunst» auswählen und danach sogar die ständige Leitung der dort alljährlich stattfindenden «Großen deutschen Kunstausstellung» übernehmen. Hoffmann gehörte nun zu Hitlers persönlichen Kunstberatern und Kunstaufkäufern, wobei er Kunstraub im großen Stil betrieb. Die Mitgliedschaft in der von Goebbels im Mai 1938 gegründeten «Kommission der Verwertung der Produkte entarteter Kunst» sowie die Verleihung des Professorentitels im Juli 1938 waren Ausdruck der Vertrauensstellung, die er genoß.[40]
Während der Kriegsvorbereitungen gegen Polen und anläßlich der dafür forcierten Unterzeichnung eines Nichtangriffspaktes mit der UdSSR ernannte Hitler seinen Vertrauten sogar zum Sondergesandten und schickte ihn in der Delegation des Außenministers Joachim von Ribbentrop am Abend des 22. August 1939 mit nach Moskau. Hoffmann brüstete sich später damit, daß er dieses Ereignis nicht nur fotografieren, sondern vor allem Hitler über Stalin und dessen Begleitung Bericht erstatten sollte.[41] Letzteres hatte seinen Grund nicht zuletzt darin, daß Hoffmann als Zuträger von Gerüchten für Hitler unentbehrlich geworden war. Das loyale Faktotum würde in Moskau ungehindert überall zugegen sein können und ihn über das Verhalten aller Anwesenden – auch der deutschen Seite – mit Informationen versorgen. «Beobachten und die Ohren offen halten», lautete also Hoffmanns Auftrag. Es ist daher kaum verwunderlich, daß Ribbentrop nachträglich andeutete, Stalin habe dessen «Aktivitäten» mißbilligt.[42] In Wirklichkeit dürfte die Gegenwart Hoffmanns auch Ribbentrop und dem deutschen Botschafter Friedrich Werner Graf von der Schulenburg nicht behagt haben.
Es hieße daher, Hoffmanns Bedeutung zu unterschätzen, wollte man ihn lediglich als «Unterhalter» abtun, der «Narrenfreiheit» besessen und – im Gegensatz zum «Führer» – von Politik nichts verstanden habe, so daß Hitlers Gespräche mit ihm über Politik nutzlos gewesen seien.[43] Hoffmann selbst hat dieser Behauptung Vorschub geleistet, indem er sich in seinen Nachkriegserinnerungen selbstverständlich als unpolitischer Mensch darstellte.[44] Während seines Entnazifizierungsverfahrens 1947/48, als er von der Presse als einer der «raffgierigsten Parasiten der Hitlerpest» bezeichnet wurde und es für ihn darum ging, vor Gericht größtmögliche Distanz zum NS-System glaubhaft zu machen, um die eigene Existenz zu retten, stellte er seine eigene Rolle sogar in ein noch bescheideneres Licht. In einer unveröffentlichten Verteidigungsschrift aus dem Jahr 1947 beteuerte er, mit Hitler «politische Themen vermieden» zu haben, da dieser bald dem «schlechten Einfluß» anderer erlegen und für «Ratschläge aus Familienkreisen» unempfänglich gewesen sei. Seine «Aufgabe», so Hoffmann, habe vor allem darin bestanden, sich für die Erfüllung der Wünsche anderer bei Hitler einzusetzen. Dem Vorwurf der Anklage, führender Bildpropagandist der NSDAP gewesen zu sein, begegnete er mit dem Hinweis, daß sein Name in den offiziellen NS-Nachschlagewerken nicht aufgeführt gewesen sei und es zudem das Amt eines «Reichsbildberichterstatters» gar nicht gegeben habe.[45]
Das stimmte sogar: Eine offizielle Position unter dieser Bezeichnung existierte nicht. Dennoch führte Hoffmann seit 1933, nachdem er auch mit einer Filiale in Berlin vertreten war – «Presse Hoffmann», Kochstraße 10 –, offenbar aus eigenem Antrieb in seiner Korrespondenz den Titel «Reichsbildberichterstatter der NSDAP (Mitglied des Reichsverbandes der Deutschen Korrespondenz- und Nachrichtenbüros e. V.)». In München besaß er jetzt neben seinem «Photohaus» noch das Geschäft «Der braune Photoladen» in der Barer Straße 10 sowie den «Verlag nationalsozialistischer Bilder» in der Theresienstraße 74.[46] Mit seinen – von Hitler zensierten – Bildbänden, die unter Titeln wie Hitler in seinen Bergen (1935), Hitler, wie ihn keiner kennt (1936), Hitler abseits vom Alltag (1937) oder Hitler erobert das deutsche Herz (1938) in Millionenauflagen erschienen, erfüllte Hoffmann eine wichtige Funktion innerhalb der «Führerpropaganda». Hoffmann allein prägte mit seinen vermeintlichen «Schnappschüssen» eines Insiders das «private Führerbild» und stilisierte Hitler in den ersten Jahren seiner Kanzlerschaft zum «Vater der Nation», indem er eine Nähe des «Führers» zu den «Volksgenossen» suggerierte, die nicht bestand. Die Tatsache, daß er weder ein Reichsamt bekleidete noch eine Parteikarriere anstrebte, sondern unmittelbar, auf Treu und Glauben, an Hitler gebunden blieb, bildete gleichsam die Voraussetzung für sein einzigartiges Betätigungsfeld. Im Rückblick, unter dem Druck der Entnazifizierungsbehörden, schien es daher naheliegend zu erklären, die Beziehung zu Hitler habe rein «privaten Charakter» gehabt. Auch Hoffmanns Ausrede, lediglich seine «Angestellten» hätten den Titel des Reichsbildberichterstatters «gelegentlich angewandt», ist nur vor dem Hintergrund des Urteils der Münchner Spruchkammer vom Januar 1947 zu verstehen, das ihn der Gruppe der «Hauptschuldigen» zuordnete und zehn Jahre Arbeitslager sowie Vermögenseinzug verhängte.[47]
Die Motive, die Hoffmann nach Kriegsende veranlassten, seine politische Rolle im NS-System unkenntlich zu machen, könnten ihn auch dazu bewogen haben, sein Wissen über das Privatleben Hitlers für sich zu behalten. Denn die Beziehung Hitlers zu Eva Braun, die ja in Hoffmanns Fotohandlung ihren Ausgang genommen hatte, war ebenfalls Gegenstand des Spruchkammerverfahrens von 1947, in dem ihm vorgeworfen wurde, durch das Verhältnis seiner jungen Angestellten zum NSDAP-Vorsitzenden «an politischer Macht gewonnen» zu haben. Von Hoffmann war somit kaum zu erwarten, daß er für die Nachwelt Licht in das Dunkel der Beziehung zwischen Hitler und Eva Braun bringen würde. Vielmehr ging es für ihn darum, vor Gericht Unkenntnis und Distanz glaubhaft zu machen. So sprach er von einer «höchst unromantischen Bekanntschaft» und schwieg über die Art seines eigenen Umgangs mit Eva Braun und ihrer Familie.[48]
Über die Frage, ob letztlich Hoffmann, wie im Nachhinein oft behauptet wurde, für die Anbahnung der Verbindung zwischen Eva Braun und Hitler verantwortlich war, kann deshalb nur spekuliert werden. Es ist auch undurchsichtig, in welchem persönlichen Verhältnis er sowie seine zweite Ehefrau Erna zur Freundin seines prominenten Freundes standen, die zwar offiziell nicht existierte, aber dennoch eine spezielle Rolle im Leben Hitlers spielte. Immerhin deutet die Tatsache, daß Brauns jüngere Schwester Gretl später ebenfalls eine Angestellte Hoffmanns wurde, auf eine gewisse Verantwortlichkeit für die finanzielle Absicherung der beiden Frauen hin. Wie Bilder von der zweiten Hochzeit Gretl Brauns im Jahr 1950 zeigen, riß diese Verbindung auch nach Kriegsende nicht gänzlich ab.[49] In den 1955 veröffentlichten Erinnerungen Hoffmanns bleibt die Darstellung der Ereignisse um Eva Braun allerdings eigentümlich skizzenhaft. Dies mag nicht zuletzt daran gelegen haben, daß das Entnazifizierungsverfahren gegen Hoffmann erst kurz vor seinem Tod am 16. Dezember 1957 endgültig eingestellt wurde. Hoffmanns Memoiren müssen deshalb als Versuch eines (Mit-)Täters gelesen werden, sich von jeder Schuld reinzuwaschen.[50]
Als Eva Braun im Herbst 1929 Hitler in München begegnete, befand sich die bayerische Landeshauptstadt bereits fest im Griff der NSDAP. Seit ihrer Neugründung 1925 hatte sich die Mitgliederzahl der Partei mehr als verdreifacht. Die NSDAP war nun in Bayern nicht länger eine von vielen völkischnationalen Bewegungen, sondern hatte innerhalb von vier Jahren sämtliche rivalisierende Organisationen aus dem Feld geschlagen. Im gesamten Reich trat sie bei Landtagswahlen an und verbuchte auch hier erste Erfolge. Doch obwohl Hitler, ihr Vorsitzender und erfolgreichster Agitator, bereits deutschlandweit Aufmerksamkeit erregt hatte und am 16. November 1928 erstmals vor 16.000 Menschen im Berliner Sportpalast aufgetreten war, lag seine Machtbasis nach wie vor in München. Hier, in seiner Lieblingsstadt, war er seit Jahren eine Attraktion. Wöchentlich füllte er Biersäle, wie das Hofbräuhaus, mit Tausenden von Zuhörern. Darüber hinaus war ihm mit dem 4. Parteitag der NSDAP vom 1. bis 4. August 1929 in Nürnberg erstmals ein Propagandaspektakel gelungen, dem bald viele weitere folgen sollten.[1]
Weshalb nun waren die Nationalsozialisten ausgerechnet in Bayern so erfolgreich? Was bildete dort nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg den Nährboden für einen übersteigerten Nationalismus sowie antidemokratisches und antisemitisches Gedankengut? Eine Erklärung dafür liegt in der Art und Weise, wie sich der in der Endphase des Krieges anbahnende durchgreifende politische Systemwechsel im Königreich Bayern vollzog. Bekanntlich erfolgte der Umsturz, die deutsche Revolution von 1918, zuerst in der bayerischen Landeshauptstadt. Sie verlief hier zudem radikaler und dauerte länger als anderswo im Deutschen Reich. Noch vor dem Ende der Kampfhandlungen, am 7. November, vier Tage bevor in einem Eisenbahnwaggon nahe der nordfranzösischen Stadt Compiègne offiziell der Waffenstillstand vereinbart wurde, führten Kriegsmüdigkeit, soziales Elend und eine damit einhergehende politische Radikalisierung zu einem schnellen Ende der jahrhundertealten, bayerischen Monarchie der Wittelsbacher. König Ludwig III. floh nach einer von Kurt Eisner, einem jüdischen Journalisten und radikalen Sozialisten, angeführten Massenkundgebung aus München – zwei Tage vor dem Sturz Kaiser Wilhelms II. in Berlin und der Abschaffung der Monarchie im gesamten Deutschen Reich. Für die radikalen Rechten in Bayern war dies die Geburtsstunde der sogenannten «Dolchstoßlegende». Das Dunstbild, von Juden und Kommunisten im eigenen Land «verraten» worden zu sein und deshalb den Krieg verloren zu haben, sollte sich die nationalsozialistische Propaganda gegen den «jüdischen Bolschewismus» wenige Jahre später erfolgreich zunutze machen.[2]
Es folgte eine provisorische Revolutionsregierung unter Eisner, der nun den Vorsitz des eilig gebildeten Rates der Arbeiter, Soldaten und Bauern übernahm, die mit der Losung «Es lebe der Frieden! Nieder mit der Dynastie!» antrat und den «Freistaat Bayern» sowie die «demokratische und soziale Republik Bayern» ausrief. Die neue Regierung erwies sich jedoch, nachdem sie laut Eisner «den alten Plunder der Wittelsbacher Könige hinweggefegt» hatte, als komplett unfähig.[3][4][5]