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Anonyma

Ganz oben

Aus dem Leben
einer weiblichen Führungskraft

Mit einem Vorwort
von Monika Schulz-Strelow

 

 

 

 

 

Verlag C.H.Beck

 


 

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Zum Buch

Ganz oben – wie fühlt sich das für eine Frau im Topmanagement an? Welche Erfahrungen macht sie, wenn sie es bis an die männerdominierte Spitze eines großen deutschen Wirtschaftsunternehmens geschafft hat? Was bedeutet es, sich als Frau in dieser Männerwelt zu behaupten?

«Das ungläubige Staunen, das ich erlebte, wenn ich etwas von meinen beruflichen Erfahrungen im Freundeskreis erzählte, ließ mich dieses Buch schreiben. Ich wollte davon berichten, wie sehr das obere Management noch von männlichem Denken geprägt ist. Manch ein Kapitel mag an Klischees erinnern, die als längst überholt gelten, die aber als Verhaltensformen in den heutigen beruflichen Männerreservaten in Deutschland gut überlebt haben.» Präzise, (selbst)ironisch und witzig zeigt das Buch auf, wo die Probleme liegen, die es Frauen in Deutschland so schwer machen, bis in die Führungsetagen der Unternehmen vorzudringen. Es bietet einen einzigartigen, aus eigenen Erfahrungen gewonnenen Einblick in das Sozialverhalten unserer Wirtschaftselite. Dieser autobiographische Bericht amüsiert, überrascht und schockiert.

Mit einem Vorwort von Monika Schulz-Strelow, Präsidentin von FidAR e.V., eine Initiative für mehr Frauen in die Aufsichtsräte, Berlin.

Über die Autorin

Die Autorin ist Topmanagerin in einem großen deutschen Unternehmen mit Milliardenumsatz. Sie schreibt anonym, weil sie negative Konsequenzen für ihre Karriere befürchtet.

Inhalt

Vorwort von Monika Schulz-Strelow

Weniger ist mehr. Über die düsteren Karriereaussichten attraktiver Blondinen

Fahrer dringend gesucht! Wenn im Weltbild des Chauffeurs die Topmanagerin gar nicht vorkommt

Verkehrte Welt. Warum für Sekretärinnen ein männlicher Chef das einzig Wahre ist

Unter tollen Hechten. Warum von weiblicher Selbstkritik in Beurteilungsgesprächen dringend abzuraten ist

Beichtgeheimnisse. Über meine Rolle als Kummerkasten

Wünsch dir was! Wenn fachliche Kriterien bei der Besetzung von Praktikantenstellen nur eine Nebenrolle spielen

Einsame Spitze. Warum die Partnersuche von Topmanagerinnen meistens ergebnislos verläuft

Feel it! Wenn Bauchentscheidungen betriebswirtschaftlich positiv zu Buche schlagen

Mittenmang. Warum in mir als Chefin kein Alphatier steckt

Vorsicht, Falle! Warum eine weibliche Führungskraft für die Herren Kollegen das «Mädchen für alles» bleibt

So lonely. Warum mich auf Geschäftsreisen meine Abenteuerlust verlässt

Ohne Belang? Warum die Herren beim Small Talk lieber unter sich sind

Gratwanderung. Warum weder Abstinenz noch exzessives Trinken für Frauen im Management eine Option darstellen

Achtung! Wilde Tiere! Wie ich in aggressiv geführten Verhandlungen mit meinen eigenen Waffen kämpfe

«Alles meins!» Über die Abhängigkeit des männlichen Selbstwertgefühls von Statussymbolen

Mensch bleiben. Vom Umgang mit «Humankapital»

Versuch vorläufig gescheitert. Über mein ergebnisloses Bemühen, der Uniformität des dunklen Zwirns einen eigenen Kleidungsstil entgegenzusetzen

Tonstörung. Gilt die Höflichkeitsordnung auch in der Führungsetage?

Brüsseler Spitzen. Mein Auslandsjahr als Spießrutenlauf

«Ich bin doch nicht blöd!» Warum ich nicht alles nehme, was ich kriegen kann

Ene mene mu – und raus bist du! Warum die Quote für Frauen mit Karriereabsichten so wichtig ist

All they need is love. Vom Rahmenprogramm externer Tagungen, das vor allem die Herren erfreut

Siehe Anhang. Warum mein Partner nicht so recht ins Damenprogramm passen will

Sex fails. Warum es nur Frauen ohne jede Ausstrahlung bis nach ganz oben schaffen

Manege frei! Wie ich versuche, im Machtspiel meiner Kollegen zu bestehen

Majestätsbeleidigung. Verhandeln im Schwarzmeerraum

Ein Kind? Wenn sich die Familienplanung im Geheimen abspielt

Ein Kind! Wie ich verhindern will, dass der Nachwuchs unfreiwillig mein Karriereende einläutet

Zum Schluss

Vorwort
von
Monika Schulz-Strelow, Präsidentin FidAR e.V. – Frauen in die Aufsichtsräte

«Ganz oben» ist ein erstrebenswertes Ziel für geübte Bergbezwinger und auf der Karriereleiter; wenn nicht nur die Luft dort oben nicht so dünn wäre und manchen das freie Atmen schwerfällt und dies nicht nur wegen des fehlenden Sauerstoffs, sondern auch wegen der gelebten Führungsstile der vorwiegend von männlichen Managern besetzten «Gipfelpositionen».

Es gelten dort andere Gesetzmäßigkeiten. Frauen, wie die lieber anonym bleibende Autorin des vorliegenden Buches, wundern sich häufig, wie die beruflich ebenfalls sehr eingespannten Kollegen auch noch ausreichend Zeit für die immer noch weitverbreiteten Präsenzrituale und die subtilen Machtspielchen aufbringen. Da die deutschen Unternehmen nach wie vor weitgehend von Männern dominiert geführt werden, können sich solche teils anachronistisch anmutenden Verhaltensweisen, wie sie in diesem Buch beschrieben werden, noch unverändert als Managementstil halten. Die Frage, ob die hier skizzierten Situationen als Einzelfall einzustufen sind, würde ich gerne bejahen; doch vermute ich stark, dass in vielen Unternehmen die erlebte Arbeitswelt noch von vielen Ausgrenzungen dieser Art geprägt ist.

Welche Veränderungen in der Unternehmenskultur sind notwendig, damit eine Managerin, die Episoden aus ihrem Arbeitsalltag beschreibt, dies unter ihrem Namen veröffentlichen kann? Was hindert sie daran? Sind es die Konsequenzen innerhalb des Unternehmens, weil die Beschreibung der gelebten Führungskultur nicht immer schmeichelhaft für die Firma ist? Ginge es ihr besser, wenn sie auf der Führungsebene, auf der sie agiert, mehr Kolleginnen hätte, mit denen sie sich austauschen könnte? Würden sie und ihre Kolleginnen die Kommunikationskultur verändern können, sodass alle die gleiche Wertschätzung erfahren, unabhängig vom Geschlecht? Diese und weitere Fragen drängen sich mir beim Lesen auf.

Aus der Distanz wirkt die Beschreibung der verschiedenen Episoden aus dem Unternehmensalltag der Autorin so, als würden wir eine Zeitreise 30 Jahre rückwärts antreten. Gerne hätten wir ein anderes Bild vom modernen deutschen Unternehmen gespiegelt bekommen. Denn wir möchten doch bestätigt sehen, dass die vielen Untersuchungen und Erkenntnisse über effizientes Management, zum Beispiel die Vorteile von gemischten Teams, die die besten Eigenschaften der männlichen und weiblichen Mitglieder zum Einsatz bringen, in den Leitungsetagen umgesetzt wurden und zu deutlichen Veränderungen geführt haben. Hat Deutschland den Anschluss verpasst?

Umso dringender erscheint es, dass Unternehmen ihre eigene Unternehmenskultur auf den Prüfstand stellen, besonders wenn sie als Arbeitgeber interessant bleiben wollen für weibliche Talente. Junge Frauen schauen sich heute sehr viel genauer die Unternehmen an, bei denen sie sich bewerben. Von außen wirken die Unternehmen teils schon sehr aufgeräumt, transparent und offen – doch innerhalb der Mauern scheinen sich tradierte Verhaltensmuster noch weiter zu behaupten.

Die 2001 eingegangene freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, hat ihr Ziel deutlich verfehlt und nur marginale Veränderung gebracht. Auch die entscheidenden Gremien sind noch weiterhin männerdominiert. In den Aufsichtsräten der börsennotierten deutschen Unternehmen sind erst 15 % weibliche Aufsichtsräte vertreten, wobei die überwiegende Anzahl von den Vertreterinnen der Arbeitnehmerseite gestellt wird. So die nicht sehr ermutigenden Analysen und Rankings des Women on Board Index, mit dem FidAR e.V. seit fast zwei Jahren die Veränderung in der Zusammensetzung der Führungsgremien misst und veröffentlicht. Bei den Vorständen der 160 börsennotierten Unternehmen sieht es noch kritischer aus, da sind es gerade sechs Prozent weibliche Vorstände, die die Geschicke der Unternehmen mitbestimmen. Von den 160 Unternehmen befinden sich 47 noch in der komplett frauenfreien Zone, das heißt weder eine Frau im Aufsichtsrat noch im Vorstand.

Aber es gibt durchaus Verbesserungen. Nur dürften diese nicht vorrangig auf die Einsicht der Unternehmenslenker zurückzuführen sein. Es ist wohl eher der Druck der drohenden Quote, den FidAR und andere Frauenverbände, Teile der Politik, die EU-Kommission und die intensive Berichterstattung in den Medien unerschrocken mit aufgebaut haben. Zur deutlichen Beschleunigung der stärkeren Berücksichtigung von Frauen in Führungspositionen dürfte nur die vielfach geschmähte, in anderen europäischen Ländern jedoch erfolgreich eingeführte Quote beitragen.

Bei einer globalen wirtschaftlichen Vernetzung ist es für die Reputation deutscher Unternehmen nicht gerade förderlich, wenn Frauen in Spitzenpositionen weiter fehlen. Doch mit einigen Vorzeigefrauen ist es nicht getan. In manchen Unternehmen vernehmen wir fast ein leises, aber unüberhörbares Stöhnen «Jetzt haben wir Frauen in die Positionen gebracht, jetzt gebt Ruhe!» Aber ändert sich das Betriebsklima nicht, fehlen weiterhin Wertschätzung und Kollegialität, dann können sich Frauen auch ganz schnell wieder aus solchen Unternehmen verabschieden.

Um die neuen Herausforderungen der gemeinsamen Unternehmensentwicklung ernsthaft anzugehen, braucht es innovative Manager und mutige Frauen, die eine gemeinsame Sprache sprechen und sich auf gleicher Augenhöhe begegnen.

Viel Zeit bleibt den Unternehmen nicht mehr, denn der Kampf um die Talente wird härter und Frauen werden als «Wirtschaftsfaktor» immer bedeutsamer. Die dazu notwendigen Veränderungen müssen gewollt sein, von oben vorgegeben, vorgelebt und auf allen Ebenen umgesetzt. Wir brauchen Unternehmen, denen es wichtig ist, für Frauen akzeptable Rahmenbedingungen zu schaffen. Auch das gehört zum verantwortungsvollen Handeln. Und wir bauen auf starke Frauen, die ihre neue «Vorbildfunktion» ernst nehmen und sich dazu auch öffentlich bekennen. Daher wünsche ich mir, dass «Anonyma» ihr nächstes Buch unter ihrem Namen veröffentlichen wird. Auch könnten die positiven Veränderungen in der Unternehmenskultur so weitreichend sein, dass sie eine Fortsetzung des Buches überflüssig machen. Das wäre sehr wünschenswert – erscheint mir aber derzeit wenig realistisch. Trotzdem machen wir uns jetzt auf den Weg nach «Ganz oben»!

Weniger ist mehr

Über die düsteren Karriereaussichten attraktiver Blondinen

Eine schöne und attraktive Frau zu sein gilt im Leben nicht unbedingt als Nachteil, für den beruflichen Aufstieg in die Führungsetagen deutscher Wirtschaftsunternehmen stellt sehr gutes Aussehen jedoch oft ein Hindernis dar.

Ich bin 1,75 m groß, nicht wirklich schlank und habe kurz geschnittenes, dunkles Haar. Ich finde mich durchaus nicht hässlich, entspreche aber mit meinem Aussehen nicht den klassischen oder stereotypen Kategorien weiblicher Schönheit. Das wird mir besonders dann bewusst, wenn ich mit Kolleginnen auf Dienstreise bin. Sind besonders hübsche Frauen darunter, drehen sich wildfremde Männer nach ihnen um, sprechen sie an, halten ihnen die Tür auf. Ich löse solche Reaktionen bei Männern in der Regel nicht aus und bleibe doch nicht unbemerkt. Meine 1,75 m Körperlänge und meine eher kräftige Statur sorgen dafür, dass man mich wahrnimmt. Ich falle durch meine Körperlichkeit auf, ohne bei fremden Männern sofort das Interesse an mir als Frau zu wecken. Anders ausgedrückt, sieht man in mir nicht primär die Frau, sondern mehr eine ernst zu nehmende, weil körperlich sehr präsente Person. Solche Einschätzungen laufen bei den Männern natürlich nicht bewusst ab; selbstverständlich würde keiner von ihnen behaupten wollen, eine große und starke Frau mehr ernst zu nehmen als eine, die eher klein und dünn ist. Und doch entspricht genau das der Wahrheit. Ich werde wahrgenommen, wenn ich einen Raum betrete, nicht weil ich ungewöhnlich schön bin, sondern weil ich durch meine Physiognomie auffalle.

Für meine Karriere war es ein unschätzbarer Vorteil, so auszusehen, wie ich aussehe. Dadurch, dass ich eher groß und nicht zu schmal bin, vermittle ich allein optisch, dass ich mich durchsetzen kann. Durch meine Körpergröße begegne ich den männlichen Kollegen im ganz konkreten Sinne auf Augenhöhe, ohne sie zu überragen. Das alles läuft ab, bevor überhaupt das erste Wort auf der inhaltlichen Ebene gewechselt wurde. Allein durch meine körperliche Beschaffenheit werde ich erst mal als gleichwertig ernst genommen, ohne auf der anderen Seite bei den meisten Männern an ihrem Selbstwertgefühl zu kratzen, was dann eintreten kann, wenn eine Frau sie alle überragt. Mit hohen Absätzen sieht es schon wieder anders aus. Bin ich dann größer als mein Gesprächspartner, schafft das eine unangenehme Atmosphäre. Man mag mich dann nicht. High Heels trage ich daher selten, was manchmal schade ist, denn auch ich interessiere mich durchaus für schöne Schuhe. Der dann kleinere Mann fühlt sich in meiner Anwesenheit nicht wohl. Ich merke das besonders, wenn kontrovers über etwas diskutiert wird. Er gibt dann häufig den dominanten Kollegen, der versucht, durch aggressives und lautes Gebaren den Raum zu erobern, der ihm körperlich nicht zufällt. Gerne bedient sich der kleinere Mann dann einer eindeutigen Körpersprache, er plustert sich auf, setzt den ausgestreckten Zeigefinger ein und verwendet harte Gesten. Eher schüchterne kleinere Männer vermeiden den direkten Blickkontakt mit mir.

Heißt das nun, dass die Fähigkeit, sich in einem von Männern geprägten beruflichen Umfeld durchsetzen zu können, an eine bestimmte körperliche Statur gekoppelt ist? Wie verhält es sich mit Frauen, die Karriereabsichten verfolgen und vielleicht nur 1,60 m groß sind? Ich verstehe es eher so, dass eine gewisse Größe und Statur auf dem Weg in die Führungsetage einen Vorteil bedeuten, den man sich als Frau nicht erkämpfen muss. Er stellt so etwas wie ein Startkapital dar, das förderlich sein kann auf dem Weg nach oben. Für kleine oder sehr große Frauen bedeutet das nicht, dass ihnen die Karriere nur aufgrund ihrer Statur versagt bleiben muss. Vor allem kleinere Frauen müssen sich anders behaupten und versuchen, den fehlenden rein körperlichen Eindruck ihrer Person durch ein entsprechend durchsetzungsstarkes Verhalten auszugleichen. Sehr große Frauen haben hingegen häufig das Problem, sich unbewusst kleiner machen zu wollen. Ich habe sehr große Frauen erlebt, die eine Art Buckelhaltung entwickelt haben, um das männliche Gegenüber nicht nonverbal zu brüskieren, indem sie ihm signalisieren: «Ich bin größer als du.» Ihr Körper wird zu einem Fragezeichen verformt, dessen Wirkung desaströs ist. Eine extrem große Frau, die sich körperlich verbiegt, um damit von den Männern gemocht zu werden, kann sich sicher sein, im Beruf nicht voranzukommen. Im Hinblick auf ihre Außenwirkung ist eine aufrechte Körperhaltung wichtig, um zu signalisieren, dass sie sich nicht versteckt und sich durchsetzen kann. Das Problem, dass sich viele Männer in ihrer Gegenwart körperlich unwohl fühlen, wird sie hingegen nicht lösen können. Dabei ist dieses Problem kleiner Männer grundsätzlich nicht auf die Gegenwart sehr großgewachsener Frauen beschränkt. Viele unterdurchschnittlich kleine Männer werden sich neben viel größeren Männern ebenfalls nicht gut fühlen, zu denen sie im Gespräch immer hochschauen müssen. Nur ist dieses Empfinden im Verhältnis zu größeren Frauen sehr viel intensiver und schwieriger. Ein kleiner Mann mag sich durch einen hochgewachsenen Mann in gewisser Weise weniger maskulin fühlen, durch eine sehr große Frau als Gegenüber empfindet er das doppelt stark. Ich glaube nicht, dass es bei den männlichen Führungskräften einen bestimmten Typ Mann gibt, der durch seine Statur und Körpergröße geradezu prädestiniert dafür ist, in der Unternehmenshierarchie nach oben zu steigen. Im Grunde sind die Männer, die an der Spitze deutscher Industrieunternehmen stehen, äußerlich recht verschieden, wenn auch extrem kleine oder außergewöhnlich große Männer seltener vertreten sind. Für Frauen gilt das so nicht. Hinsichtlich ihrer Statur ist ihr Spielraum kleiner. Eine gewisse Körpergröße hilft ihnen, Karriere zu machen. Ist sie nicht da, muss ihr Auftreten das kompensieren. Meine eigene Körpergröße hat mir insofern geholfen, dass die Männer in der Regel nicht zu mir hochschauen müssen und mich doch als sehr präsent wahrnehmen.

Neben der Körpergröße hat die Schönheit einen erheblichen Einfluss auf die Karriereaussichten einer Frau. Ist Schönheit hilfreich oder nicht auf dem Weg nach oben? Ich habe oft miterlebt, nach welchen Kriterien männliche Führungskräfte Praktikumsplätze vergeben. Vermittelte eine Bewerberin über ihr Foto den Eindruck, ausnehmend sexy zu sein, wurde sie Mitbewerbern mit vergleichbarer Eignung vorgezogen, und ihre Anwesenheit löste unter den Männern der Abteilung eine freudige Dauererregung aus, wenn denn das Foto nicht zu viel versprochen hatte. Schönheit hilft sicher – bei der Besetzung von Praktikanten- oder Traineestellen. Da hört es dann aber auch schon auf, denn ein besonders schönes Aussehen stellt oft ein Hindernis dar für Frauen, die wirklich Karriere machen wollen. In dem Unternehmen, in dem ich tätig bin, arbeitete eine junge Frau, die schlank, blond und besonders attraktiv war. Ihre Anziehungskraft auf viele Männer war offensichtlich, und diese hielten mit ihrem Urteil über sie nicht zurück: «Nimm du sie in deine Abteilung, dann darf ich auch mal, denn in der eigenen Abteilung kommt das nicht gut» war eine von vielen sexistischen Bemerkungen, die unverhohlen geäußert wurden. Man umgab sich gerne mit der hübschen blonden Frau, doch ich habe starke Zweifel, ob es ihr je gelingen kann, bis in die Führungsetage eines Unternehmens aufzusteigen. Das «Problem» von auffallend schönen Frauen ist es, von den Männern auf den optischen Eindruck reduziert zu werden und bei ihnen andere Wünsche zu wecken, die mit der Tätigkeit im Unternehmen nicht das Geringste zu tun haben. Man sieht in einer sehr schönen Frau ein potenzielles Objekt der sexuellen Begierde und denkt daher bei ihrem Anblick nicht an ihre fachliche Kompetenz. Es hat den Anschein, als ob viele Männer schöne Frauen immer noch auf ihre körperliche Attraktivität reduzieren (wollen). Ihr Anblick und ihre Anwesenheit lösen bei Männern gemeinhin Gedanken aus, die mit den beruflichen Anforderungen in keiner Verbindung stehen. Eine sehr hübsche Frau muss es also schaffen, diese Gedanken beim Mann quasi zu neutralisieren, indem sie den Fokus des Mannes allein auf die Kompetenzebene zieht. Frauen, deren Schönheit oder Weiblichkeit weder positiv noch negativ auffällt, bei denen sich Männer körperlich nicht herausgefordert fühlen, haben es viel leichter, Karriere zu machen. Sie können sofort ihre Kompetenz in den Vordergrund stellen. Eine Frau, die von den männlichen Kollegen als gänzlich unattraktiv oder etwa burschikos eingestuft wird, hat hingegen ebenfalls große Schwierigkeiten, in die Chefetage aufzusteigen. Ganz offensichtlich löst ihr Äußeres bei den Männern intuitiv eine ablehnende Haltung aus. Ich erkläre mir das dadurch, dass Männer sich diese Frauen immer auch als potenzielle Sexualpartner vorstellen und diese Vorstellung für sie derart prägend ist, dass sie die Ablehnung auf den beruflichen Bereich übertragen. Um ein außergewöhnlich schönes Äußeres im Umgang mit männlichen Kollegen in den Hintergrund zu drängen, braucht es sehr viel Kompetenz. Je attraktiver eine Frau ist, desto weniger Kompetenz wird ihr vom Mann erst mal zugetraut.

Nun kann man sich natürlich fragen, ob alle Frauen genug unternehmen, um dieser Falle zu entgehen, die sie auf ein Objekt der Begierde ihrer männlichen Kollegen reduziert. Ich beobachte oft, dass Frauen eine gewisse Koketterie im persönlichen Umgang mit Männern an den Tag legen und ihre Weiblichkeit bewusst in den Vordergrund spielen. Vermutlich gefällt es ihnen, umworben zu werden, sich bewundert zu fühlen und sich vielleicht auch von anderen Frauen abzuheben, denen einen solche Aufmerksamkeit nicht zuteilwird. Die eigene Attraktivität kann von der Frau unter Umständen auch als Mittel eingesetzt werden, sich inhaltliche Zustimmung zu besorgen. Wer sein Frausein aber auf diese Art und Weise betont, kann nicht damit rechnen, auf der Karriereleiter ganz weit nach oben zu steigen, bezahlt man es doch mit einem Verlust an fachlicher Anerkennung. Frauen, die sich darauf dauerhaft einlassen, riskieren, ebenso dauerhaft nicht ernst genommen zu werden. Dabei ist es für eine schöne Frau nicht einfach, auf Avancen von Männern so zu reagieren, dass sie ihre eigenen Interessen wahrt. Eine brüske Zurechtweisung ist ebenso ausgeschlossen wie ein Sich-Einlassen auf die Annäherungsversuche, und reagiert sie frech, kann das bei Männern erotisierend wirken. Ihre einzige Möglichkeit ist es, konsequent auf der Kompetenzebene zu bleiben und zu hoffen, dadurch auf Dauer anders wahrgenommen zu werden.

Frauen dürfen auch in großen Industrieunternehmen schön sein – wenn sie es schaffen, dass der Mann, wenn er mit ihnen spricht, nicht an «Frau» denkt, sondern er darüber nachdenkt, was sie sagt. Mit Männern zu flirten oder zweideutige Anspielungen zu machen ist einer sehr attraktiven Frau nicht anzuraten, der Mann könnte es als Einladung betrachten, ihr auf eine andere Ebene zu folgen, die das Karriereende für sie bedeuten kann. Ich kann mir als eine Frau, die dem Stereotyp «Traumfrau» nicht entspricht, im Gespräch mit den Männern in dieser Hinsicht mehr erlauben, ich kann verbal weiter gehen als andere, da ich diese Ebene durch mein Aussehen bei ihnen nicht anspreche.

Nun ist nicht jede Schönheit natürlich. Wenn man einmal davon absieht, dass extrem körperbetonte oder nachlässige Kleidung ebenso wie wenig seriös wirkende Haarfarben und Frisuren für Männer und Frauen, die in Wirtschaftsunternehmen beschäftigt sind, grundsätzlich nicht zur Disposition stehen, ist doch der Fall denkbar, dass sich eine Frau ihre Haare hellblond färben möchte, einfach, weil es ihr gefällt. Ich habe selbst feststellen können, dass sich das Verhältnis der Männer mir gegenüber allein durch eine hellblonde Haarfarbe veränderte. Ich erinnere mich gut an eine Begegnung mit einem Kollegen, der mich begrüßen wollte und dann mitten im Satz stockte, mich von oben bis unten musterte und kaum noch in der Lage war, ein normales Gespräch mit mir zu führen. Er bemerkte, wie hübsch ich doch aussähe, dass mir der Aufenthalt im Ausland offenbar guttue und ich mich doch sehr verändert hätte. Nie war dieser Kollege so häufig in meinem Büro wie in den folgenden Tagen …

Hellblond, tiefschwarz, feuerrot sind Haarfarben, die Männerphantasien wecken können. Auch die Haarlänge kann eine Rolle spielen. Entscheidet man sich für langes Haar und will trotzdem ganz nach oben, muss man sein Verhalten wiederum so steuern, dass der optische Eindruck in den Hintergrund tritt. Gleiches gilt natürlich auch für Frauen, die von Natur aus eine als attraktiv empfundene Haarfarbe haben. Hellblonde Frauen müssen einfach mehr Kräfte mobilisieren. Im Gegensatz zum privaten Leben haben sie es im Beruf schwerer, nicht leichter. Kleidung und Haare können Ausdruck eines eigenen Stils sein, auf den man nicht verzichten muss, wenn man in einem Unternehmen der deutschen Wirtschaft als Frau Karriere machen möchte. Je weiter man sich aber äußerlich dem Idealbild annähert, das viele Männer sich von Frauen machen, desto schwerer und kraftaufwendiger ist der Weg.

In meiner Firma gab es einen Fall, in dem eine attraktive Frau aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz für einen vakanten Posten in Frage gekommen wäre. Ihr Vorgesetzter war von ihren Fähigkeiten durchaus überzeugt, aber er hat die Frau trotzdem nicht vorgeschlagen mit dem Argument, sie lenke nur die ganzen Männer der Abteilung ab und werde darüber hinaus von diesen nicht ernst genommen, denkbar schlechte Voraussetzungen für eine Führungskraft.