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Ute Frevert

Vertrauensfragen

Eine Obsession der Moderne

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

C.H.Beck

 


 

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Zum Buch

«Vertrauen» – kaum ein Begriff hat in den letzten Jahren eine so rasante Aufmerksamkeits- und Erregungskonjunktur zu verzeichnen. Auf Wahlplakaten und in der Produktwerbung begegnen wir ihm, bei jeder Krise wird sein Verlust alarmierend beschworen.

Warum sprechen wir heute so viel und gern von Vertrauen? Woher kommt die Liebe zu diesem Gefühl und seinem Begriff? Ute Frevert zeichnet nach, wie und weshalb sich Vertrauen seit dem 18. Jahrhundert mehr und mehr in moderne Lebensverhältnisse einnistet. Überall werden Vertrauensfragen gestellt: in der Liebe ebenso wie unter Freunden und Kameraden, im Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern nicht anders als in der Arbeits- und Geschäftswelt. Besonders wichtig wird Vertrauen in der Politik, wo es besonders im 20. Jahrhundert eine bemerkenswerte Karriere erlebt: nicht nur als Vertrauensfrage im Parlament, sondern auch, mit inflationärer Tendenz, in der Kommunikation zwischen Bürgern und Politikern.

Über die Autorin

Ute Frevert ist Historikerin und Direktorin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Bei C.H.Beck sind von ihr erschienen: «Ehrenmänner. Das Duell in der bürgerlichen Gesellschaft» (1991), «Mann und Weib, und Weib und Mann. Geschlechter-Differenzen in der Moderne» (1995), und «Die kasernierte Nation. Militärdienst und Zivilgesellschaft in Deutschland» (2001)

Inhalt

I. Fragen, Begriffe, Bedeutungen

Vertrauensfragen, gegenwärtige und vergangene

Fragen an das Vertrauen

Das V-Wort

Gefühl oder Kalkül?

Warum und worin vertraut eine Oxforder Dame anno 2005?

Vertrauen als Gefühlshaltung

Historische Konjunkturen

II. Vertrauen lexikalisch: Spuren des Wandels

Gott als sichere Bank des Vertrauens: Irritationen des 18. Jahrhunderts

Die menschliche Herausforderung: Soziales Vertrauen im 19. Jahrhundert

Überdehnung und Versachlichung: Tendenzen des 20. Jahrhunderts

Vorläufige Bilanz

III. «Nie sollst Du mich befragen»: Liebe, Treue, Vertrauen

Elsas Geschichte

Vertrauens-Asymmetrien

Romantische Liebe

Ein neuer Gefühlscode: Literarische Modelle

Lohengrins Liebesverlangen

Richard Wagners Suche nach grenzenlosem Vertrauen

Autonomie und Seelenmischung

Arbeit am Gefühl

Offenheit und Geheimnis in der Eheberatung

Hochmoderne Verhältnisse: Hofreiters Untreue

Das Roulette der Interessen

IV. Freunde, Kameraden, Lehrer: Vertrauen im Nahverhältnis

Vertraute Freunde

Misstrauen und Treulosigkeit

Bund und Gemeinschaft

Kameradenvertrauen

Urvertrauen, Selbstvertrauen, Weltvertrauen

Pädagogisches Vertrauen

Reformpädagogik und Landerziehungsheime

Vertrauen à la Gerold Becker

Die Liebe zum Vertrauen

Emanzipation vom Vertrauen? 1968 und die Folgen

V. Vertrauens-Ökonomien

Kredit und Information

Netzwerke der Vertrauensbildung

Genossenschaften

Imagepflege im Bankensektor

Solidarität statt Vertrauen

Vertrauensmänner in der Arbeitswelt

«Mittler des Vertrauens»: Nationalsozialistische Vertrauensräte

Konsumentenvertrauen

Vertrauen als Werbewort

Markenvertrauen

Neue Vertrauenstechnologien für deregulierte Märkte

Demoskopische Vertrauensfragen

Vertrauen in der Krise

VI. Der Vertrauensstaat

Theorie und Praxis politischen Vertrauens in der Neuzeit

Absolutistische Treue-Verhältnisse

Volksliebe und ihre Bedingungen

Bürgervertrauen in Vormärz und Revolution

Vertrauen(smänner) in der Bürgergesellschaft

Tradition, Legalität, Charisma

Zwischen demokratischer Vertrauensdiktatur und Führer-Vertrauen

Postfaschistische Ent- und Verpflichtungen in der DDR

Bundesrepublikanische Vertrauensfragen

Chancen und Grenzen politischen Vertrauens

VII. Obsessive Fragen, kritische Antworten

Zuversicht oder Vertrauen?

Individualisierung und Emotionalisierung

Die Sprache des Vertrauens

Vertrauens-Spieler

Die Macht des Vertrauens

Dank

Bildnachweis

Anmerkungen

I. Fragen, Begriffe, Bedeutungen

Vertrauensfragen pflastern unseren Weg und lauern an jeder Ecke. Alle führen das V-Wort im Mund: Banken und Versicherungen werben ebenso um Vertrauen wie Handwerksbetriebe, Industrieunternehmen und Dienstleister. Abgeordnete und Politiker wollen sich damit schmücken, Freunde, Liebespartner und Familienmitglieder erheben darauf Anspruch. Ärzte und Rechtsanwälte empfehlen sich als vertrauenswürdig, und Meinungsforscher fragen regelmäßig nach, ob und wie viel Vertrauen wir in Institutionen, Branchen und Marken setzen.

In den meisten Fällen kommt Vertrauen als Appell daher: Vertrau mir! Ich meine es gut mit Dir. Du kannst mir vertrauen. Ich plaudere nichts aus. Oder es ist Teil persuasiver Kommunikation: Bayer – Im Vertrauen der Welt. Die Welt vertraut Bayer, folglich kannst Du es auch tun. SCHUFA – Wir schaffen Vertrauen. Also lege Dein Misstrauen ab; wir sammeln zwar Deine Daten, geben sie aber nur dem Partner Deines Vertrauens.

Selten, fast nie wird gesagt, was damit gemeint ist. Kaum jemand fragt nach: Was ist Vertrauen? Wofür steht es hier und anderswo? Was will jemand, der um mein Vertrauen bittet, ‹eigentlich› von mir? Warum appelliert er an mein Vertrauen und nicht an meinen Glauben, meine Zuversicht, meine Sympathie, mein Interesse oder meinen Eigennutz? Auch diejenigen, die zum Vertrauen aufrufen und darum werben, machen sich kaum je Gedanken darüber, warum sie gerade diesen Begriff und keinen anderen benutzen. Wer Marketingexperten darauf anspricht, erntet verlegenes Schulterzucken: Sorry, aber darüber haben wir noch nicht nachgedacht.

Vertrauen, scheint es, ist in unserer Alltagskommunikation derart ‹natürlich› und selbstverständlich, dass es nicht eigens erklärt oder begründet wird. Eben diese Selbstverständlichkeit steht im Folgenden zur Debatte. Aus dem fraglosen Vertrauen werden Vertrauensfragen: Wie kommt es, dass der Begriff so allumfassend im Gebrauch ist? Wer benutzt ihn mit welchen Absichten, Interessen und Zielen? Verändert sich seine Bedeutung mit den Kontexten, in denen er verwandt wird? Werden jene Nuancierungen zur Kenntnis genommen, vielleicht sogar reflektiert und manipuliert? Und bis wohin lässt sich diese Nutzung zurückverfolgen, seit wann und warum hat Vertrauen Konjunktur?

Hinter solchen Vertrauensfragen steckt die Skepsis der Historikerin gegenüber Selbstverständlichkeiten. Weshalb soll gerade Vertrauen etwas ‹Natürliches›, schon immer und überall Gegebenes sein? Von der Liebe wissen wir mittlerweile, wie sehr sie von soziokulturellen Rahmungen abhängig ist und wie wenig das, was wir uns heute unter Liebe vorstellen, mit dem zu tun hat, was Bürger um 1900, Bauern um 1600 oder Adlige um 1100 darunter verstanden. Auch Gefühle wie Wut, Trauer oder Angst haben eine wechselvolle Geschichte und werden, wie Ethnologen überzeugend darlegen, je nach Kulturkreis unterschiedlich wahrgenommen und empfunden.

Dass Vertrauen in diesem Differenz-Panorama keine Ausnahme macht, zeigt ein winziges Beispiel. Das Wort gibt es in allen europäischen Sprachen, im Englischen sogar zweimal, als trust und confidence. Beide Begriffe werden laut Merriam-Webster synonym verwandt. Bekannt und verbreitet ist auch der Ausdruck confidence man oder kurz conman: Man findet ihn im Titel eines Romans von Herman Melville (The Confidence-Man: His Masquerade, von 1857) ebenso wie in der Übersetzung von Thomas Manns Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull (Confessions of FK, Confidence Man, von 1955). Ein conman ist also jemand, der sich das Vertrauen anderer erschleicht und es ausnutzt. Er ist damit eine negative Figur und keinesfalls vertrauenswürdig. Im Deutschen ist der Begriff ‹Vertrauensperson› (früher: ‹Vertrauensmann›) hingegen positiv besetzt; wir gehen davon aus, dass die Person das Vertrauen, das man ihr entgegenbringt, auch verdient.[1]

Vertrauensbegriffe sind folglich nicht überall gleich und können hier das Gegenteil von dem meinen, was sie dort bedeuten. Zweifellos wäre es reizvoll, solchen nationalen Abweichungen weiter nachzugehen und sie auf ihre Hintergründe und Ursachen zu befragen. Doch eine vergleichende Untersuchung zur historischen Semantik des Vertrauens ist nicht das, was dieses Buch bezweckt. Gerade weil Vertrauenskommunikation fundamental an Sprache und Rhetorik gebunden ist, beschränkt es sich überwiegend auf einen einzigen Sprachraum, den deutschen. Auf ihn beziehen sich die Fragen, die Vertrauen als Argument, als Forderung, als Praxis historisch-kritisch unter die Lupe nehmen.

Vertrauensfragen, gegenwärtige und vergangene

Dass die Durchleuchtung weit in die Geschichte zurückführt und bereits im 18. Jahrhundert beginnt, mag überraschen. Schließlich erscheinen Vertrauensfragen als Problem unserer Gegenwart. Wir verbinden sie zuallererst mit Politik, wo sie am klarsten definiert und am striktesten formalisiert sind. Das alphabetische Sachverzeichnis des Grundgesetzes verweist unter «Vertrauensfrage» auf Artikel 68: «Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen.» In der Geschichte der Bundesrepublik wurde die Vertrauensfrage bislang fünfmal gestellt; Kanzler Gerhard Schröder nutzte sie gleich zweimal, um seine rot-grüne Koalition auf Linie zu bringen. Wer einer Regierung auf Befragen das Vertrauen ausspricht oder verweigert, gibt damit zu Protokoll, dass er mit deren Politik entweder einverstanden ist und sie fortgesetzt sehen möchte oder eine Ablösung wünscht. Nicht mehr und nicht weniger.[2]

Vertrauensfragen sind auch außerhalb der Politik allgegenwärtig. Es sei, tönt es aus Industrie, Handwerk, Handel und Dienstleistungsgewerbe, eine Frage des Vertrauens, welche Ware ein Kunde kaufe und welche nicht. Dieses Vertrauen müsse gewonnen und hergestellt werden, und daran beteiligt sich im 20. Jahrhundert eine Armada von Marketing-Experten und Public-Relations-Managern. Jeder Kaufakt impliziert ihrer Meinung nach eine Vertrauensfrage: Vertraue ich darauf, dass das Produkt meine Erwartungen befriedigt? Ständig verfeinerte Methoden der Vertrauenswerbung sollen sicherstellen, dass Konsumenten die Frage positiv beantworten.

Älter als die Geschichte der Bundesrepublik oder das 20. Jahrhundert ist die Vertrauensfrage, die Lohengrin an Elsa richtete: «Nie sollst du mich befragen,/noch Wissens Sorge tragen,/woher ich kam der Fahrt,/noch wie mein Nam’ und Art!» Zweimal nimmt Richard Wagners Held, soeben in Brabant gelandet, der Fürstentochter das Gelöbnis ab, ihm solche Fragen nicht zu stellen. Zweimal gelobt sie es, hingerissen von der wundersamen Erscheinung eines edlen Ritters, der aus dem Nirgendwo zu ihrer Rettung herbeieilt. «Fast bewußtlos» vertraut sie sich seinem Schutz und Schirm an. Seinen Glauben an ihre Unschuld vergilt sie mit bedingungslosem Vertrauen. Zumindest verspricht sie es, öffentlich und vor Zeugen. Im Brautgemach jedoch hält sie es nicht länger aus. Sie bittet den Geliebten ihrerseits um Vertrauen – und darum, dass er ihr sein Geheimnis enthüllt.[3]

Auch hier geht es um Vertrauensfragen. Lohengrin fragt Elsa, ob sie ihm so unumschränkt vertraut, dass sie fortan und für immer auf jede Nachfrage verzichtet. Er verlangt von ihr absolutes Vertrauen, während er seine Herkunft und Identität für sich behält. Damit weckt er Misstrauen und Zweifel bei denen, die nicht an Wunder glauben möchten oder können. Selbst Elsa zeigt sich gegen jenen Zweifel nicht immun. Das fraglose Vertrauen, das er ihr abfordert, kann sie, trotz inniger Liebe und großer Dankbarkeit, nicht empfinden, nicht gewähren. Umgekehrt erkennt sie in Lohengrins Schweigen einen Mangel an Vertrauen und fühlt sich davon gedemütigt.

Vertrauensfragen, zeigen diese Beispiele, werden nicht erst heute gestellt, und es gibt sie augenscheinlich im persönlichen Nahverhältnis ebenso wie in der Welt der Wirtschaft und der Politik. Aber um welches Vertrauen geht es dabei? Ist Elsas Vertrauen in ihren Ehemann das gleiche wie das Vertrauen, das Verbraucher angeblich durch den Kauf einer Ware oder Dienstleistung bekunden? Wenn die Brabanterin einem Unbekannten Vertrauen schenkt und ihm das Ja-Wort gibt, hat das für ihr Leben, ihr Wohlbefinden und ihr Glück nicht größere Auswirkungen, als wenn jemand sich für eine bestimmte Auto- oder Kühlschrankmarke entscheidet? Selbst politische Vertrauensvoten sind, zumindest auf persönlicher Ebene, von geringerer Tragweite; weder hängen Gedeih und Verderb einzelner Abgeordneter davon ab, noch muss ein Kanzler, dem die Mehrheit das Vertrauen entzieht, den Kahn besteigen und tieftraurig von dannen fahren.

Fragen an das Vertrauen

Angesichts derart diverser Vertrauenspraktiken und Vertrauensfolgen liegt die Frage nahe, ob es überhaupt einen einheitlichen, übergreifenden Begriff des Vertrauens geben kann. Wird sein Gehalt nicht überstrapaziert, seine Aussage belanglos, wenn er so verschiedene Beziehungen und Kontexte auf einen Nenner bringen will? Was eint das Vertrauen zwischen Liebenden und das Vertrauen, wie es das Parlament der Regierung und die Kundin ihrem Bäcker oder ihrer Bank entgegenbringen? Gibt es etwas Gemeinsames, oder überwiegen nicht doch die Unterschiede? Und gesetzt den Fall, dass der Begriff für Inkommensurables herhalten muss, lautet dann nicht die eigentliche V-Frage: Weshalb reden wir so viel und oft von Vertrauen, ohne klarzustellen, um was es sich dabei handelt? Was macht den Begriff derart attraktiv, dass seine Unschärfe nicht aneckt, möglicherweise sogar als Vorteil empfunden wird?

Die Frage, ob Vertrauen als analytischer Begriff taugt, um eine große Vielfalt sozialer Beziehungen und Praktiken zu beschreiben, steht am Anfang dieses Buches. Beantwortet wird sie erst am Ende. Dazwischen begeben wir uns auf einen historischen Erkundungsgang, der an wechselnde Orte der Vertrauenskommunikation führt. Wir kehren zurück in Elsas und Lohengrins Brautgemach und belauschen das verhinderte Liebespaar dabei, wie es seine Vertrauensfrage verhandelt. Wir folgen Pädagogen, die das Vertrauen ihrer Schüler zu gewinnen suchen. Wir spionieren in Werbeagenturen und Konzernen, die mit Vertrauensmanagement ihr Brot verdienen. Und wir hören Bürgern zu, die ihren politischen Repräsentanten Vertrauen schenken sollen und ihrerseits von der Obrigkeit Vertrauen fordern.

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Plakat der Volksinitiative «Volkswahl des Bundesrates», Schweiz 2013

Diese verdeckten Lauschangriffe dauern nicht lang; sie ähneln eher Stippvisiten als jenen ausgedehnten Besuchen, wie sie aus aristokratisch-bürgerlichen Familien des 18. und 19. Jahrhunderts überliefert sind (und dort nicht immer nur Freude und Wohlgefallen bereiteten). Aber sie reichen aus, um ein weites Panorama von Vertrauensbeziehungen, Vertrauenspraktiken und Vertrauensdiskursen aufzuspannen und abzustecken. Es ist nicht nur sachlich breit angelegt, sondern auch zeitlich tief gestaffelt. Im Unterschied zu soziologischen, politologischen und ökonomischen Ansätzen geht es einer historischen Spurensuche um Dynamik und Wandel. Vertrauen ist nicht statisch: Es wechselt seine Form und Bedeutung, ebenso wie sich seine Träger, Makler und Gegenstände verändern. Wann wer wie wofür um Vertrauen bittet, Vertrauen einfordert oder um Vertrauen angerufen wird, ist in ständiger Bewegung. Gleich bleiben genau genommen nur das Wort ‹Vertrauen› und dessen relationaler Bezug: Zum Vertrauen gehören (mindestens) zwei.

Das V-Wort

Worte jedoch sind nicht nur parole parole, leicht dahingesagt und rasch wieder vergessen. Worte, zum Begriff geronnen, sind wie Leuchttürme.[4] Sie vermitteln Orientierung und Halt. Sie setzen Markierungen im Bereich des Sagbaren und ziehen Grenzen. Als Bausteine der Sprache fügen sie sich einem sozialen Skript ein, das überindividuelle Gültigkeit beansprucht und ständig wiederholt wird. Wer eine Mitteilung macht und sie in Worte kleidet, folgt nicht nur seinen persönlichen Vorlieben. Er folgt vor allem, wie Ludwig Wittgenstein hervorgehoben hat, kollektiv geteilten «Gepflogenheiten» und «Gebräuchen». Letztere sind Bedingungen dafür, dass die Mitteilung ankommt. Das gilt auch und besonders für die Mitteilung von Empfindungen. Selbst wenn jemand seine innersten Gefühle aussprechen oder aufschreiben möchte, greift er auf Worte zurück, deren Bedeutung nicht frei verfügbar ist und deshalb von Dritten verstanden werden kann.

Worte haben aber nicht allein die Fähigkeit, einen Sachverhalt zu beschreiben. Sie können ihn zugleich formen und umformen. Wittgenstein zeigt das am Beispiel des Schmerzempfindens. «Ein Kind hat sich verletzt, es schreit; und nun sprechen ihm die Erwachsenen zu und bringen ihm Ausrufe und später Sätze bei. Sie lehren das Kind ein neues Schmerzbenehmen». Dieses wortreiche Benehmen gibt der wortlosen, unmittelbaren und ‹privaten› Empfindung des Schmerzes einerseits eine mitteilbare Gestalt. Andererseits richtet es sie auf Folgehandlungen aus, erlaubt Anschlusskommunikation. Und es verändert ihre Qualität und Intensität.[5]

Auf den Zusammenhang zwischen begrifflicher Benennung und Empfindung weisen Wissenschaftler seit langem hin. Von Blaise Pascal stammt das Bonmot, man verliebe sich, indem man viel über die Liebe rede. Der Code der Liebe, spitzte Niklas Luhmann unter Verweis auf Pascals Zeitgenossen François de La Rochefoucauld zu, ermutige Menschen, «entsprechende Gefühle zu bilden».[6] 1767 stellte Gotthold Ephraim Lessing in seiner Hamburgischen Dramaturgie Regeln auf, wie Schauspieler durch die sprachliche und körperliche Nachahmung von Gefühlsäußerungen solche Empfindungen bei sich selber auf- und hervorrufen könnten. Dafür zollte ihm der experimentelle Psychologe Wilhelm Wundt noch ein Jahrhundert später Anerkennung. Dass, wie Wundt bestätigte, «der Ausdruck selbst die Gemüthsbewegung herbeiführt», hatte im Übrigen auch Charles Darwin beobachtet.[7] Das derzeit so beliebte Lachyoga baut darauf auf: «Wir lachen nicht, weil wir glücklich sind – wir sind glücklich, weil wir lachen.»[8]

Was folgt daraus für Vertrauen? Wie steht es um die formierende und transformierende Kraft des Wortes? Welches ‹Benehmen› wird damit assoziiert? Und verbirgt sich hinter dem Wort immer dasselbe Benehmen, hinter dem Benehmen immer dasselbe Wort? Nach Wittgenstein sind Worte und Begriffe zwar elastisch und biegsam, besitzen aber stets auch eine «Grundlage in der objektiven Realität». Der Philosoph bezog das konkret auf Vertrauen und Misstrauen, die ohne eine solche Grundlage «nur von pathologischem Interesse» seien. Die Brauchbarkeit von Begriffen für sprachliche Mitteilungen ergebe sich gerade daraus, dass sie ungeachtet ihrer Elastizität die Bindung an Wirkliches nicht aufgäben, also nicht «beliebig und widerstandslos deformiert werden können».[9]

Das bedeutet, dass ein Begriff wie Vertrauen einerseits auf etwas Wirklichem beruht und Verhältnisse abbildet, die es entweder schon gibt oder geben soll. Andererseits bringt er diese Wirklichkeit, zumindest teilweise, auch selber hervor: Er erzeugt, verstärkt, bekräftigt das, was mit Vertrauen gemeint und gefühlt wird. Diese Zuschreibung funktioniert, anders als beim Prinzip Lachyoga, jedoch nicht automatisch. Wer von Vertrauen spricht und ein ‹Vertrauensbenehmen› an den Tag legt, verspürt dabei nicht immer, nicht sofort und nicht unmittelbar ein warmes, wohliges Gefühl. Er kann auch so tun als ob, um dem Gegenüber seinerseits Vertrauen einzuflößen. Vertrauenskommunikation spielt sich nicht im luftleeren Raum ab. Sie basiert auf einem positiv konnotierten Vorverständnis von Vertrauen, auf Sprach- und Gefühlsregeln, die beide, Vertrauensgeber und Vertrauensnehmer, kennen und beachten. Dass Täuschung und Verrat überhaupt möglich sind, setzt voraus, dass es so etwas wie Vertrauen als ‹Gebrauch› und ‹Gepflogenheit› gibt. Sein gesellschaftlicher Kurswert wird geradezu dadurch bestätigt, dass Trittbrettfahrer Vertrauen für ihre Zwecke nutzen und einsetzen, ohne an dessen Produktion teilzunehmen oder dazu beizutragen.

Gefühl oder Kalkül?

Wie kommt es eigentlich, dass Vertrauen einen positiv-friedvollen Beiklang hat, während Misstrauen mit Konflikt, Stress und unangenehmer Spannung verbunden wird? Ist Vertrauen überhaupt ein Gefühl, und wie kann man ihm auf die Schliche kommen? Wie lässt sich seine Wertschätzung messen?

Was den emotionalen Gehalt von Vertrauen betrifft, scheiden sich daran die wissenschaftlichen Geister. Für Anhänger der rational choice-Theorie kommt Vertrauen ohne Gefühl aus. Sie definieren Vertrauen, als Voraussetzung kooperativer Beziehungen, durch den wechselseitigen Bezug auf die Interessen derer, die kooperieren wollen oder müssen. Ich vertraue jemandem, weil ich vernünftigerweise annehmen darf, es liege in dessen Interesse, meine Interessen ernst zu nehmen. Wenn der andere die Beziehung fortsetzen möchte, ist er gut beraten, meine Belange in seinem Verhalten und Handeln zu berücksichtigen. In dieser Lesart ist Vertrauen pure Berechnung und Kalkulation, jedenfalls kein ‹bloßes› Gefühl.[10]

Wer hingegen die Gefühlsqualität von Vertrauen betont, schließt damit Kalkül oder wechselseitige Interessenwahrung als Motivationsbasis nicht grundsätzlich und von vornherein aus. Die Vorstellung, Gefühle seien komplett irrational, bar jeder Vernunft und Verstandesleistung, kann als widerlegt gelten. Psychologen und Neurowissenschaftler verweisen stattdessen auf die enge Koppelung emotionaler und kognitiver Prozesse. So wie fast jeder kognitive Vorgang emotional gefärbt sei, gehen in Gefühle und Intuitionen immer auch Wahrnehmungen, Abwägungen und Urteile ein.[11]

So verstanden formt sich Vertrauen vor dem Hintergrund von Erfahrungen und Einstellungen, die sowohl individuell gewonnen als auch kollektiv verbürgt sind. Wenn ich jemandem vertraue, tue ich das in der Regel anhand bestimmter Vorinformationen. Diese beziehe ich aus seiner Selbstpräsentation, die als vertrauenswürdig erscheint, aus Berichten anderer, von mir geschätzter Personen, oder aus vorgängigen Begegnungen und Erlebnissen. In meine Einschätzung fließen bereits gesellschaftliche Wertungen ein: Wer meines Vertrauens würdig ist, beurteile ich nicht nach eigenem Gusto, sondern aufgrund sozialer Normen und Konventionen. Darüber hinaus lasse ich mich vom allgemeinen ‹Zeitgeist› leiten. Je nachdem, wie und woher er gerade weht, signalisiert er mir, ob es gut oder schlecht, angebracht oder inopportun ist, Vertrauen zu schenken, ob ich besser auf der Hut sein und kein Risiko eingehen soll, oder ob ich mich im Umgang mit Freunden, Fremden, Geschäftspartnern etwas trauen kann. Bewege ich mich in einem sozialen Milieu, das auf Offenheit und Zugänglichkeit Wert legt, bin ich vermutlich eher bereit, misstrauische Regungen zu zügeln, als wenn mich eine Kultur des Verdachts umgibt oder gar beherrscht. Vertrauen ist also, zusammengefasst, gleichermaßen ein Erfahrungs- und Gestimmtheitsbegriff.

Aber Vertrauen hat auch mit Erwartungen und Hoffnungen zu tun, mit Wünschen, die sich auf Zukünftiges richten. Wenn ich vertraue, so deshalb, weil ich mir davon etwas erhoffe, das ich auf anderem Wege nicht, oder zumindest nicht so schnell und einfach, bekommen kann. Vertrauen ist eine Investition, eine «riskante Vorleistung», wie Luhmann es nennt, die Früchte tragen soll.[12] An Vertrauen binde ich zwei Erwartungen: Erstens, dass es nicht enttäuscht wird und dass der Vertrauensnehmer sich so verhält, wie ich es möchte oder wie er es versprochen hat. Zweitens soll sein Verhalten meine eigenen Handlungsmöglichkeiten erweitern und optimieren. Wenn ich, um ein vertrautes Beispiel anzuführen, mein Kind einem Babysitter anvertraue, gehe ich zum einen davon aus, dass der Babysitter sich verantwortungsvoll um das Kind kümmert und es vor Schaden bewahrt. Zum anderen gewährt mir sein Einsatz die Freiheit, ins Kino zu gehen oder mit Freunden zu feiern – Dinge, die mir Freude bereiten und die ich ohne Babysitter nicht tun könnte.

Wo und wie aber kommen Gefühle bei solchen Vertrauensoperationen ins Spiel? Sind die Erfahrungen und Erwartungen, die darin eingehen, etwas anderes als kühle Berechnung und abwägendes Interessenkalkül? Lässt sich Vertrauen nicht doch schlüssig mit den Mitteln einer Theorie rationaler Entscheidung begreifen? Dagegen spricht dreierlei: die starke normativ-moralische Aufladung des Begriffs, seine Konnotation von Wohlgefühl und Aufgehobensein und die stets mitschwingende Erwartungsunsicherheit, die nur durch eine emotional grundierte Haltung oder Einstellung übersprungen werden kann.

Warum und worin vertraut eine Oxforder Dame anno 2005?

Ich möchte diese emotionale Balancierung an einem konkreten Beispiel verdeutlichen. Im Februar 2005 fuhr ich vom Londoner Flughafen Heathrow mit dem Bus nach Oxford, wo ich einen Vortrag über Vertrauen halten sollte. Vor mir saß eine Dame mittleren Alters, die alsbald ein Gespräch mit dem Busfahrer anknüpfte. Nachdem sie das Wetter und die Verkehrsverhältnisse abgehandelt hatten, verständigten sich die zwei über die Schlechtigkeit der Welt, in der selbst einfache moralische Grundsätze nichts mehr gälten. Zum Beweis erzählte die Dame von einem Erlebnis, das ihr jüngsthin in Oxford widerfahren sei. Es war in den Abendstunden, als ein Mann, ebenfalls mittleren Alters, sie auf der Straße ansprach. Er war distinguiert gekleidet, trug ein feines Tweed-Jackett, Hemd mit Manschettenknöpfen und Krawatte mit Nadel. Sein Akzent war ebenso makellos wie sein Auftreten gewinnend. Beides wies ihn als Mitglied der gebildeten oberen Mittelschicht aus. Dieser Mann nun berichtete der Dame von seinem Missgeschick: Er habe das Auto in einer Tiefgarage geparkt und den Schlüssel unglücklicherweise mitsamt der Brieftasche im Wagen eingeschlossen. Da er an diesem Abend unbedingt nach London zurückfahren müsse, bleibe ihm nichts anderes übrig, als den Zug zu nehmen. Ob sie ihm vielleicht, so peinlich das auch für ihn sei, das Fahrgeld leihen könne? Natürlich würde er es ihr sogleich rückerstatten; er bäte in diesem Fall um ihre Adresse und gab ihr im Gegenzug seine Visitenkarte. Selbstredend half die freundliche Dame dem höflichen Herrn aus der Patsche. Das Geld aber sah sie nie wieder, und die Visitenkarte entpuppte sich als Fälschung.

Diese Geschichte aus dem wirklichen britischen Leben zeugt nicht nur von der Schlechtigkeit der Welt. Sie leuchtet auch die emotionalen Anteile von Vertrauensbeziehungen aus. Warum vertraut die Dame dem Herrn und gibt ihm das Geld, um das er sie bittet? Eigentlich hat sie nichts davon: Sie erwartet keine Zinsen und keine Anschlusskommunikation. Dass aus der Begegnung eine lebenslange Freundschaft werden könnte, ist höchst unwahrscheinlich und kommt als Vertrauensmotiv nicht in Frage. Auch ein Reziprozitätskalkül ist so gut wie ausgeschlossen. Wäre die Frau irgendwann selber in der misslichen Lage, jemanden um Hilfe bitten zu müssen, stünde jener Mann aus London wohl kaum zur Verfügung. Allerdings könnte die Frau von einer allgemeinen Reziprozitätserwartung ausgehen: Falls sie je in einer ähnlichen Situation wäre, würde sie sich freuen, wenn ihr jemand Vertrauen schenkte und Geld vorstreckte. Das zu erwarten setzt voraus, dass die Gesellschaft, in der sie sich bewegt, Vertrauen prinzipiell positiv bewertet und belohnt. Wenn jemand, der Vertrauen schenkt, der Sympathie Dritter (nicht nur der Vertrauensnehmer) gewiss sein kann, wird er eher dazu neigen, entsprechend zu handeln und mögliche Vorbehalte hintanzustellen, als wenn er dafür Hohn oder Vorwürfe erntet.

Offenbar hat sich unsere Oxforder Dame von einer solchen positiven Grundeinstellung zum Vertrauen leiten lassen. Sie erlaubte es ihr, großzügig und hilfsbereit aufzutreten und sich dabei wohlzufühlen. Einem Menschen, der in Not ist, uneigennützig beizuspringen, gilt nicht nur als allseits geschätzte Tugend. Mitgefühl und Mitleid sind darüber hinaus Quellen selbstbezüglicher Wonnen, wie schon Jean-Jacques Rousseau wusste. «Das Mitleid ist süß», notierte er 1762, «denn wir versetzen uns zwar an die Stelle des Leidenden, empfinden aber zugleich die Freude, nicht so zu leiden wie er.»[13] Die Dankbarkeit dessen, dem Mitgefühl und Vertrauen zuteilwerden, trägt zu Freude und Wohlbefinden ebenfalls nicht unerheblich bei.

Doch selbst wenn die mitfühlende Dame aus ihrem Vertrauensbeweis eine emotionale Gratifikation ziehen konnte, handelte sie nicht ohne doppelten Boden. Denn zuvor hatte sie sich durchaus ein Urteil über die Vertrauenswürdigkeit des Londoner Herrn gebildet. Es beruhte, wie aus ihrer Erzählung klar hervorging, auf äußeren Markierungen: auf Kleidung, Sprache, Benehmen. Alles wies den Herrn als Angehörigen einer sozialen Schicht aus, die in der britischen Gesellschaft hoch angesehen ist und von der niemand, erst recht nicht ihresgleichen, erwartet, dass sie stiehlt und betrügt. Hätte der Mann löchrige baggy jeans und eine schmutzige Jacke getragen, mit Cockney-Akzent gesprochen und auch sonst nicht den richtigen Ton getroffen, hätte er das Geld wohl niemals bekommen. Die Ähnlichkeit der Lebensverhältnisse und das Prestige sozialer Distinktion weckten ein Vertrauen, das die Dame andernfalls nicht aufgebracht hätte.[14]

Aber warum hat sie nicht genauer nachgeforscht? Weshalb hat sie sich das Auto in der Tiefgarage nicht zeigen lassen? Hätte sie sich nicht durch einen Telefonanruf bei der Londoner Adresse vergewissern können und sollen, dass die Angaben des Mannes zu seiner Person und ihre eigenen Vorannahmen korrekt waren? Diese Fragen und Aktionen, die sich nach der Theorie rationaler Entscheidung geradezu aufdrängen, zeigen besser als alles andere, warum Vertrauen damit nicht angemessen erfasst wird. Dass jene Nachforschungen und Vergewisserungen viel Zeit und Mühe gekostet und möglicherweise auch keine hundertprozentige Sicherheit gewährt hätten, ließe sich zwar noch innerhalb des Modells abbilden. Ökonomen verweisen in diesem Zusammenhang gern darauf, dass Vertrauen die Transaktionskosten mindere und Ausgaben spare, also ökonomisch günstig sei.[15] Auf unseren Fall aber trifft das nicht zu, denn die durch Vertrauen erzielte Kooperation lag nicht unbedingt im Interesse der Dame; sie zog daraus keinen Nutzen oder Gewinn und hätte gut darauf verzichten können.

Dass die Oxforderin keine detektivische Kleinarbeit betrieb, hat folglich nichts mit Zeitersparnis zu tun. Es ergibt sich vielmehr aus dem emotionalen Gehalt von Vertrauenshandlungen. Diese sind immer riskant, und das wissen beide, Vertrauensgeber wie Vertrauensnehmer. Wer das Risiko eingeht, macht sich verletzbar und gibt sich ein Stück weit in des anderen Hand. Wird das Vertrauen enttäuscht oder gar wissentlich verraten, beschädigt dies sowohl das Selbstgefühl als auch das soziale Kapital des Vertrauensgebers. Er erscheint als dumm, verführbar und vertrauensselig, als Narr, dem man ungestraft eine Nase drehen kann. Andererseits muss derjenige, der Vertrauen schenkt, darauf achten, sein Gegenüber nicht durch zu viel Kontrolle und Nachprüfung zu kränken. Wer sein Risiko auf Gedeih und Verderb minimieren möchte und den Vertrauensnehmer deshalb nach Strich und Faden durchleuchtet, mindert damit möglicherweise die Chancen für eine effektive Kooperation und schadet sich selber. Der Vertrauensnehmer, dessen Vertrauenswürdigkeit so massiv in Zweifel gezogen wird, mag sich in seinem Stolz verletzt und in seiner Würde beschämt fühlen (sofern er nicht, wie der Londoner Gentleman, von vornherein falsch spielt). Der Vertrauensgeber wiederum stellt sich als misstrauisch und kleinkrämerisch dar, das Gegenteil eines großzügigen Menschen. Darunter leidet nicht nur das Bild, das er sich von sich selber macht, sondern auch das, welches er dem anderen und seiner sozialen Umwelt von sich zeigt: Konstitutionell misstrauische Menschen gelten gemeinhin nicht als Sympathieträger, mit denen man gern und oft Umgang pflegt.

Vertrauen als Gefühlshaltung

In eine Vertrauenskommunikation sind somit, das hat der aus dem britischen Leben gegriffene Fall gezeigt, zahlreiche Gefühle involviert, die sich nicht auf einer Matrix rationaler Entscheidung abbilden lassen. Zugleich kann man Vertrauen auch selber als Gefühl oder besser: als Gefühlshaltung, als affektive Einstellung deuten.[16] Dafür sprechen zum einen die Selbstbeschreibungen derer, die Vertrauen empfinden und dies als positive, wohlige, freudige Erfahrung schildern. Dafür sprechen zum anderen neuere Experimente mit dem Hormon Oxytocin. Der menschliche Körper schüttet dieses Hormon bei freundlichen Interaktionen aus, etwa bei als angenehm erachteten Hautkontakten. Oxytocin vermindert erwiesenermaßen die Aktivität der Amygdala, jener Gehirnregion, in der vor allem Angst registriert und verarbeitet wird. Angst ist eng mit Misstrauen verbunden, während die Abwesenheit von Angst Vertrauen ermöglicht. Die gezielte Einnahme von Oxytocin führt nun dazu, dass Menschen ihr ‹Vertrauensbenehmen› ändern, was in sogenannten Vertrauensspielen experimentell überprüft wird. Hier können diejenigen, die vertrauensvoll miteinander kooperieren, höhere Gewinne erzielen als andere, die das nicht tun. Spieler, denen das Angst reduzierende Hormon verabreicht wird, entscheiden sich signifikant häufiger dafür, Vertrauen zu schenken, als andere, die lediglich Placebos erhalten.[17]

Solche Experimente, wie sie von neurowissenschaftlich arbeitenden Psychologen und Ökonomen in den letzten Jahren mit wachsender Begeisterung durchgeführt werden, haben den Charme, dass sie Gefühle augenscheinlich dingfest machen, lokalisieren und messen können.[18] Allerdings geht dies mit erheblichen Einbußen einher, was die Reichweite und Prägnanz der Befunde betrifft. Das experimentelle Setting erlaubt es in der Regel nicht, normale, in vorgängige Zusammenhänge und soziale Interaktionen eingebettete Verhaltensweisen zu analysieren. Gefühlsempfindungen werden vielmehr künstlich erzeugt und aufgezeichnet. Da die Versuche reproduzierbar sein müssen, gilt jede unkontrollierte Intervention von außen als Störfall, das Artefakt einer homogenen Probandenpopulation und stillgestellter sozialer Räume als Normalfall.

Von alltagstauglichem Verhalten und seinen emotionalen Motiven bleibt man damit sehr weit entfernt. Gerade Vertrauen ist als Gefühlshaltung oder affektive Disposition von Bedingungen und Kontexten abhängig, die experimentell weder produziert noch in ihrer Komplexität nachgeahmt und kontrolliert werden können. Ob jemand vertrauensvoll oder misstrauisch agiert, hat im Übrigen nicht allein mit der jeweils konkreten Situation zu tun. In die Entscheidung zu vertrauen gehen Erfahrungen ein, die je nach individueller Lebensgeschichte und Sozialisation stark variieren. Vertrauen ist kein simpler Reiz-Reaktions-Mechanismus, sondern es will gelernt und erprobt werden, von klein auf und mit zahllosen Rückkoppelungsschleifen. Wer in seinem Vertrauen oft getäuscht worden ist, verhält sich anders als jemand, dem solche unangenehmen Erlebnisse bislang erspart blieben.

Auch die Gestimmtheit der sozialen Umgebung, ihr expliziter oder impliziter Vertrauenscode, spielt eine Rolle. Wenn ein Kind oder Jugendlicher in einer Familie, Nachbarschaft oder Gesellschaft aufwächst, die Vertrauenshandlungen eher abwehren als begrüßen, färbt das auf die eigenen affektiven Einstellungen ab. Nicht immer sind diese Haltungen eindeutig und konsistent. Die Großmutter des Schriftstellers Isaak Babel, eine ungebildete Frau aus kleinsten Verhältnissen, schärfte ihm immer wieder ein, sich nur auf sich selber zu verlassen: «Glaub nicht an die Menschen. Hüte dich vor Freunden. Gib ihnen kein Geld. Gib ihnen nicht dein Herz.» Den Großvater hielt sie ihm als warnendes Beispiel vor Augen: Er, der «nur an die Menschen» glaubte, hatte Geld und Verstand darüber verloren. «Die Männer unserer Familie waren stets zu vertrauensselig und in ihrem Tun zu unbedacht gewesen. Wir hatten niemals Glück gehabt.» Auch der Vater, ein später zu Wohlstand gelangender Händler, legte diese Vertrauensseligkeit an den Tag. Er trat Menschen ohne Argwohn und Vorbehalt gegenüber und bezahlte teuer dafür: «Er kränkte die Leute mit den Bezeigungen seiner naiven Liebe. Das konnten ihm die Leute nicht verzeihen und betrogen ihn.» Babel Junior, 1894 in Odessa geboren, zog daraus die Konsequenz, Abstand zu halten und Menschen nicht mit schrankenlosem Vertrauen zu überfordern und zu beschämen.[19]

Dass der gesellschaftliche Kurswert von Vertrauen in einer Stadt wie Odessa um 1900 nicht gerade hoch war, muss nicht überraschen. Vor allem deren jüdische Bewohner taten gut daran, auf der Hut zu sein. Der russische Staat ging nicht besonders sanft und großzügig mit ihnen um. Sie durften sich nur in eigens markierten Regionen ansiedeln und unterlagen vielfältigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Beschränkungen. Das Gymnasium, in das Babel schließlich aufgenommen wurde, akzeptierte lediglich fünf Prozent jüdische Schüler. Dabei ging es nicht durchweg um Bestnoten. Obwohl der lernbegabte Isaak die Vorprüfungen mit Bravour ablegte, wurde ihm im ersten Anlauf ein Junge aus der reichen Ephrussi-Familie vorgezogen; dessen Vater hatte 500 Rubel Bestechungsgeld gezahlt. Selbst die eigene Bildungsleistung, von der Großmutter eindringlich angemahnt, gewährte also keine Sicherheit des Fortkommens. Für Vertrauen war in dieser Konstellation kein Platz, weder als Erfahrung noch als Gestimmtheit oder als Erwartung an künftiges Verhalten.

Historische Konjunkturen

Lässt sich Babels Odessa verallgemeinern? Steht es für spezifische gesellschaftliche, politische, ökonomische Strukturen und Konstellationen, die Vertrauen als affektive Einstellung behindern und unterbinden? Diese Frage lenkt die Aufmerksamkeit auf die historische Kontingenz und Variabilität von Vertrauen. Vertrauen ist keineswegs immer gleich und überall im Überfluss vorhanden. Es ist kein unveränderliches Kapital, aus dem sich Menschen nach Herzenslust bedienen können. Ob sie es schenken und annehmen (ohne sich, wie die Kunden von Babel Senior, ‹gekränkt› zu fühlen), hängt von vielen Faktoren ab. Sie sind um 1900 im multiethnischen Odessa andere als im rheinisch-katholischen Köln oder in einer sizilianischen Kleinstadt. Orte und Nachbarschaften bilden eigene Konventionen des Vertrauens oder Misstrauens aus und reagieren damit auf besondere Traditionen und Herausforderungen.

Vertrauenskulturen sind jedoch nicht nur räumlich differenziert. Sie zeigen auch zeitlich andere Signaturen. Der Vorfall, der sich 2005 in Oxford ereignete, wäre zweihundert Jahre früher nicht denkbar gewesen: Ein bürgerlicher Mann hätte damals eine Frau nicht um Geld gebeten. Umgekehrt hätte die Frau sich nicht auf ein Gespräch mit einem Wildfremden eingelassen, geschweige denn ihm ohne Vermittlung vertrauenswürdiger Dritter ihr Ohr und Portemonnaie geliehen. Vertrauenskommunikation funktionierte um 1800 anders als heute, weil die Verhältnisse, unter denen Vertrauen gewährt und angenommen wurde, andere waren und weil somit auch die Menschen nach anderen Regeln und Gepflogenheiten handelten. Vertrauen reflektiert eine soziale Beziehung und Praxis. Damit folgt es sozialen Spielregeln, die von Ort zu Ort, von Zeit zu Zeit, von Gruppe zu Gruppe, von Handlungsfeld zu Handlungsfeld verschieden sind.

Trotzdem gibt es einen übergreifenden Trend, der im Untertitel dieses Buches anklingt. Wenn Vertrauensfragen als Obsession der Moderne gedeutet werden, heißt das, dass moderne Gesellschaften, wie sie seit dem späten 18. Jahrhundert zunächst in Teilen Europas und Nordamerikas entstehen, Vertrauen zu einem Leitmotiv sozialen Handelns erheben. Mit zunehmender Wucht und Leidenschaft rücken sie Vertrauen ins Zentrum individueller und kollektiver Selbstbeschreibungen. Wer heute im world wide web nach dem Stichwort Vertrauen sucht, sieht sich mit einer Flut von Daten und Informationen konfrontiert, die stündlich größer wird. Das gilt zwar, könnte man einwenden, für alles und jedes, was sich im Internet tummelt. Dennoch scheint Vertrauen einen besonderen Aufmerksamkeits- und Werbewert zu besitzen; das Leipziger Projekt zum Deutschen Wortschatz ordnet es denn auch einer sehr hohen «Häufigkeitsklasse» zu.[20] Es taucht in immer neuen Verbindungen und Kontexten auf, als «textiles Vertrauen» ebenso wie als Vertrauen in Kaffeesorten, Versicherungen, Automarken. Es gibt einen Vertrauensindex, den der Verband führender PR-Agenturen aufstellt und der das jeweils aktuelle Konsumentenvertrauen in Marken, Unternehmen oder online-Versandhäuser zu messen vorgibt.[21] Wirtschaftsnahe Forschungsinstitute konzipieren ein Vertrauensbarometer, das der «empirischen Durchdringung und Systematisierung des Vertrauens» in der «sozioökonomischen Praxis» dienen soll.[22] Auch außerhalb der Wirtschaft wird regelmäßig nach Vertrauen gefragt, wenn Meinungsforscher repräsentative Daten zum Vertrauen in gesellschaftliche und politische Institutionen erheben. Ihre Ergebnisse werden von Politik und Medien aufmerksam beobachtet und kommentiert; schwankende oder gar sinkende Vertrauenswerte führen zu Irritationen und rufen nicht selten Panik hervor.

Diese Vertrauensobsession ist nicht ganz so neu, wie es scheinen mag. Sie lässt sich, mit wechselnden Konjunkturen und Schwerpunkten, bis zum Anfang der Moderne zurückverfolgen. Die Karriere der Vertrauensfragen begann im 18. Jahrhundert, setzte sich im 19. mit gesteigerter Intensität fort und erlebte im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts einen Höhepunkt. Das heißt nicht, dass Vertrauen zuvor überhaupt kein Thema war. Das Wort ist viel älter, sih fertrûen gab es, als Verb, schon im Althochdeutschen.[23] Der Spruch Traw/Schaw Wem betitelte ein illustriertes Flugblatt, das 1633 in Straßburg erschien und über die Falschheit der Welt Klage führte: «Einem Juden bey seinem Eyd» sei ebenso wenig zu vertrauen wie «einem Krämer bey seim Gewissen».[24] Und auch Niccolò Machiavelli warnte Il Principe 1513 vor «zu großem Vertrauen», das ihn unvorsichtig werden lasse, aber auch vor «zu großem Mißtrauen», das ihn «unerträglich» mache. Dennoch war in einer Epoche, die List und Betrug im Dienste der Staatsräson zunehmend als legitime Herrschaftsmittel eines Fürsten gelten ließ, eher Misstrauen denn Vertrauen angesagt.[25]

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Bildpostkarte, um 1905

Vertrauen und Misstrauen waren also auch in der Vormoderne keine unbekannten oder ungebräuchlichen Erfahrungen und Begriffe. Aber erst im späten 18. Jahrhundert erwarb Vertrauen jenen durch und durch positiven Nimbus, der ihm bis heute anhaftet. Das hat, wie zu zeigen sein wird, viel mit den gesellschaftlichen Umbrüchen, politischen Neuerungen und wirtschaftlichen Entwicklungen zu tun, die Europa seit der Französischen Revolution erlebte. Erst durch sie konnte Vertrauen zu einer Signatur der Zeit werden. Lange bevor die Vertrauensfrage in der politischen Verfassungssprache verankert und als solche lexikonfähig wurde, sahen sich Menschen mit Vertrauensfragen aller Art konfrontiert. Mittlerweile wird der Begriff so inflationär verwendet und extensiv aufgerufen, dass seine Konturen zu verschwimmen drohen. Das, was heute mit Vertrauen gemeint ist, geht weit über das hinaus, was Zeitgenossen um 1800 darunter verstanden. Doch zehrt es nach wie vor von dem, so die These, was damals als Kern einer Vertrauensbeziehung identifiziert und auratisch aufgeladen wurde.

II. Vertrauen lexikalisch: Spuren des Wandels

Um Vertrauen auf seine Bedeutung und historischen Semantiken zu befragen, bedarf es aussagekräftiger Quellen. Einen ersten Eindruck vermitteln Lexika. Das mag verwundern. Was können Wörterbücher über Vertrauen erzählen? Sie enthalten doch lediglich Begriffsbestimmungen, kurze und knappe Definitionen, vielleicht noch Synonyme oder Kontrastwörter. Erfährt man daraus etwas über die Art und Weise, wie Menschen Vertrauen gelebt und empfunden haben?

Die Skepsis verschwindet, wenn man sich das Genre der Enzyklopädien, Lexika und Wörterbücher genauer anschaut. Besonders die frühen Werke zeichnen sich durch ausführliche Erörterungen zu den jeweiligen Stichwörtern aus. Sie zitieren Referenzliteratur, verweisen auf benachbarte Sachverhalte, diskutieren gegensätzliche Deutungen und Meinungen. Sie nennen Beispiele und stellen das Wort in einen pragmatischen Kontext. Sie geben Einblicke, wie es in bestimmten Situationen von welchen Sprechern verwendet wird, und machen auf semantische Schattierungen aufmerksam.

Solche Einblicke und Informationen sind nicht arbiträr. Lexika geben nicht die Meinung eines Einzelnen wieder, sondern führen das jeweils verfügbare Wissen kondensiert zusammen und verbreiten es in möglichst klarer, allgemeinverständlicher Diktion. Die Gattung des Konversationslexikons, wie sie im 19. Jahrhundert, mit wichtigen Vorläufern im achtzehnten, entsteht, wendet sich an ein breites gebildetes Publikum. Es ist weniger an Fachdiskussionen interessiert als an relevanten Kenntnissen, die die Orientierung in einer sich rasch verändernden Welt erleichtern.

Die Veränderung spiegelt sich auch in den Lexika selber. Zum einen gibt es immer mehr davon. Im deutschen Sprachraum tritt neben die bekannten verlegerischen Großprojekte eines Brockhaus oder Meyer eine Vielzahl kleinerer und speziellerer Wörterbücher: Es erscheinen ein Damen-Conversations-Lexikon, ein Wörterbuch für philosophisch Interessierte und, mit Herders Conversations-Lexikon, eine Enzyklopädie mit betont katholischem Einschlag. Zum anderen wälzen sich die hier vermittelten Informationen in schneller Folge um. Unaufhörlich werden Artikel umgeschrieben, neu geschrieben, hinzugefügt. Allein der Brockhaus bringt es im 19. Jahrhundert auf vierzehn, oft grundlegend revidierte Auflagen. Die Geschwindigkeit, mit der neues Wissen erzeugt und verarbeitet wird, ist, gemessen an älteren Epochen, atemberaubend.

Für die historische Frage nach Vertrauen hat das einen unschätzbaren Vorteil. Mit den Enzyklopädien steht eine Textgattung zur Verfügung, die mehr als zweieinhalb Jahrhunderte alt ist und die sich auf dem Lesermarkt behauptet hat. Dass ihr Wikipedia seit kurzem den Rang abläuft, spricht nicht gegen die Gattung, sondern belegt, wie unverzichtbar sie nach wie vor ist, wenn auch in veränderter, den technischen Möglichkeiten und sozialen Partizipationswünschen angepasster Form. Wenn man nun das, was in dieser Gattung zu Vertrauen und benachbarten Begriffen zu lesen ist, übereinanderlegt und vergleicht, erhält man einen eindrucksvoll differenzierten Überblick über die Gedanken, die sich Menschen seit Mitte des 18. Jahrhunderts über Vertrauen gemacht haben: über das, was es ist und nicht ist, über seinen Nutzen und Schaden, über sein Maß und Übermaß, über seinen Sinn und Zweck. Und man erkennt, dass sich dabei einiges verändert hat.

Gott als sichere Bank des Vertrauens: Irritationen des 18. Jahrhunderts

Vertrauen, definierte Johann Heinrich Zedlers Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste 1746, «ist eine Freude über dem Guten, was man zu erhalten gedencket». Es sei mehr als Hoffnung, aber weniger als Gewissheit. Sicheres Vertrauen gebe es nur unter «wahren Christen» in ihrem Verhältnis zu Gott. Hier sei Vertrauen frei von Zweifeln und wohl begründet, habe es doch «seinen Grund in der Erkänntniß der Vollkommenheiten dessen, von dem man etwas gutes erwartet. Solche Vollkommenheit beruhet darinnen, daß derjenige, auf den man sein Vertrauen setzet, nicht nur könne, sondern auch wolle helffen.» Jene Großzügigkeit des Wollens lasse sich mit Gewissheit nur bei Gott finden; Menschen hingegen seien in ihren Neigungen «gar veränderlich». Selbst diejenigen, von denen wir meinen, dass sie uns wohlgesinnt seien und helfen wollten, könnten sich anders entscheiden.

Der erste längere Eintrag zu Vertrauen, der in deutschsprachigen Lexika zu finden ist, äußerte sich also skeptisch bis pessimistisch.[1] Begründet und belastbar sei Vertrauen allein gegenüber Gott, lautete die Hauptthese. Sie strukturierte nicht nur den allgemeinen Eintrag, dessen vier Spalten sich zu zwei Dritteln mit theologischem Vertrauen und Bibelstellen beschäftigten. Sie zeigte sich darüber hinaus in einem zehnspaltigen, also mehr als doppelt so langen Vertiefungsartikel, der einzig und allein dem «Vertrauen auf Gott» gewidmet war. Darin wurden theologische Feinheiten ausgebreitet sowie philosophische Meinungsdispute in großer Ausführlichkeit vorgestellt und kommentiert. Der allgemeine Text blieb demgegenüber karg und knapp. Auf säkulare Beispiele verzichtete er fast ganz, mit einer Ausnahme: Er erwähnte das Vertrauen zwischen Arzt und Patient als Exempel begründeten und heilsamen Vertrauens unter Menschen. Wer seinem Arzt vertraue, beschleunige den Gesundungsprozess: «Fällt das Vertrauen weg, so haben die Medicamente schon die halbe Krafft verlohren. Denn das gute Vertrauen des Patienten erhält das Gemüth in Ruhe, und trägt zur Genesung nicht wenig bey. Durch Mißtrauen hingegen wird das Gemüth beunruhiget, und im Cörper selbst mancherley Unordnungen angerichtet, wodurch die Würckung der Arzney sehr gehindert wird.»

Abgesehen davon warnte der Autor davor, «auf die Hülffe anderer Menschen» zu vertrauen. Denn oft würden «diejenigen,