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© 2022 Sabine Wöger

Illustration: Sabine Wöger

Veröffentlichung: Wolfgang Wöger

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7557-3236-5

„Die Zärtlichkeit ist keineswegs [...] eine
Sublimierung des Sexualtriebes, sie ist vielmehr unmittelbarer
Ausdruck der Nächstenliebe und kommt sowohl in
körperlichen wie auch in nicht-körperlichen Formen
der Liebe vor.“
(Fromm, 2008, S. 68)

Inhalt

Liebe Lesende dieses Büchleins,

das Bedürfnis nach partnerschaftlicher Zärtlichkeit und Intimität wird auch dann verspürt, wenn Menschen schwer erkrankt sind und sie erhebliche Einbußen des Sexuallebens und -verhaltens, und somit der Lebensqualität, erfahren. Gemäß meiner Erfahrung wird diese Thematik seitens der Erkrankten, ihren Partner*innen und ebenso der Betreuenden durchweg tabuisiert, obwohl erotische und sexuelle Empfindungen auch in den Tagen der Krankheit heilsam auf Körper und Psyche wirken. In diesem Büchlein wird zunächst auf frühkindlich geprägte Bindungsstile und sozialisationsbedingte Prägungen eingegangen, da sie einen wesentlichen Einfluss auf den späteren Umgang mit krankheitsbedingten Herausforderungen in der Paarbeziehung haben. Einige Krankheitsbilder, die mit sexuellen Störungen einhergehen, werden dargelegt, und Betroffene kommen zu Wort. Die wertvollen psychotherapeutischen Zugänge von Viktor Frankl und Erich Fromm, sie verstehen die Sexualität als eine von mehreren Ausdrucksformen der Liebe und rücken andere Dimensionen in den Vordergrund, werden erläutert. Bevor ein Auszug verfügbarer medikamentöser und mechanischer Hilfsmittel beschrieben wird, werden Wege zur Ermöglichung von Intimität, auch im stationären Kontext, aufgezeigt. Das Büchlein richtet sich an Betroffene und an Betreuende von Schwerkranken gleichermaßen. Es hat vor allem eines zum Ziel: die Tabuisierung dieses Themas aufzuheben, um offen und wahrhaftig darüber zu reden.

Pucking, im Februar 2022

Der Einfluss resilienter Faktoren auf den
Umgang mit Krankheit

Der Wunsch nach Bindung ist ein biologisch determiniertes Grundbedürfnis, das über die gesamte Lebensspanne hinweg von zentraler Bedeutung für die Bewältigung von Krisen und Herausforderungen ist. Je nachdem, wie sehr in einem Menschen das innerseelische Ressourcenpotenzial in den ersten Lebensjahren und im Laufe der späteren Sozialisation ausgebildet wurde, kann er ein Leben ohne Sexualleben eher akzeptieren und eine überwiegend lebensbejahende Haltung den krankheitsbedingten Umständen zum Trotz einnehmen. Das Gefühl von Sicherheit wird durch einen feinfühligen zwischenmenschlichen Kontakt vermittelt. Auf Basis von Bindungserfahrungen im frühen Lebensalter werden innere (mentale) Arbeitsmodelle ausgebildet, die der Person später als Ressource im Umgang mit Krisen und Herausforderungen, beispielsweise bei schwerer Erkrankung, zur Verfügung stehen. Beschrieben werden vier Modelle der Bindung: sicher gebundene Personen, unsicher-vermeidend gebundene, unsicherambivalent und desorganisiert gebundene Personen mit unverarbeiteten Traumatisierungen (Mauer et al., 2014, S. 70–72). Der Kinderpsychia