Es war die CIA, mit der alles anfing, als sie ihn 1955 über Indonesien abwarfen. Mit einem Fallschirm, sehr viel Geld und dem Ziel, das Land endlich von Präsident Sukarno und den Kommunisten zu befreien. Doch dann kam alles ganz anders. Und er blieb. Bis heute, als sein Nachfolger kam, um seine Geschichte zu erzählen … diese Geschichte

Axel Weber verzaubert die Stadt Jakarta zu einer Traumkulisse, vor deren Hintergrund drei Geschichten des modernen Indonesiens den Protagonisten alles abverlangen.

Die Jakarta Trilogie ist Agentenroman, Krimi, Liebesgeschichte und journalistische Erzählung und verbindet auf brillante Weise die harten Fakten der Geschichte und der Stadt Jakarta mit der Fantasie einer neuen Stimme der deutschen Weltliteratur.

Bereits erschienen von Axel Weber:

People Business. Headhunter - die Jagd nach dem Placement

Sukarno und die Idee Indonesiens. Die Geschichte des indonesischen Nationalismus (Deutsche Ausgabe)

Sukarno and the idea of Indonesia. A history of Indonesian nationalism (English version, abridged)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Zitat auf S. → von Raymond Chandler: © Chandler, Raymond, The Long Goodbye, Penguin Random House UK 1953, S. 24.

Coverdesign: Sonja Kaminski, Grafikdesign/Kunst - https://www.sonja-kaminski.de/

© 2022 Weber, Axel - Alle Rechte, einschließlich des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten

“Schreiben ist Freiheit”

Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7543-7867-0

Für meinen Vater und meine Mutter

It is not the critic who counts, nor the man who points out how the strong man stumbles, or where the doer of deeds could have done them better. The credit belongs to the man who is actually in the arena, whose face is marred by dust and sweat and blood.

-- Teddy Roosevelt --

Die Jakarta Trilogie ist ein Werk der Fiktion, das sich an wahre, historische Begebenheiten und Personen anlehnt.

Darüber hinaus habe ich die Handlung und die handelnden Personen frei erfunden. Sie entsprechen nur der Vorstellungskraft meiner Fantasie.

Mit Ausnahme der bekannten Persönlichkeiten ist jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen nicht gewollt und wenn, dann rein zufällig.

Axel Weber
Frankfurt am Main, 2022

INHALTSVERZEICHNIS

Die Jakarta Trilogie:
Jakarta is for Lovers

DARREN

EINS

1955.

Verdammt lange her.

Beinahe ein ganzes Leben.

Auf jeden Fall sein ganzes Leben.

Als Agent.

So lange ist es her, seitdem Darren über Indonesien abgeworfen wurde. Sprichwörtlich. Und zwar von Uncle Sam. In geheimer Mission.

Central Intelligence Agency.

C.I.A.

Der umgebaute B-26 Bomber warf ihn über Ambon ab, als Sukarno die Vertreter der Non-Aligned Nations in Bandung in Empfang nahm. Der grüne Dschungel, das blaue Meer, die gelben Strände. Das Paradies rauschte unter ihm vorbei und kurze Zeit später rauschte er mit einem Affenzahn in Richtung Paradies.

Mit einem Fallschirm auf dem Rücken und 500.000 US-Dollar um seinen Bauch.

In Cash.

Sein erster Auslandseinsatz als Agent der Central Intelligence Agency.

Und sein einziger.

Stolz wie nie.

Er war 20 Jahre alt, grün hinter den Ohren und er hasste den Kommunismus. Sein Professor für Politikwissenschaften an der Cornell University hatte gesagt:

“There is a specter haunting this world. Now that the Nazis are history, the U.S.A. is called upon to fight an even bigger and mightier enemy. This enemy is deeply embedded in the minds and the weapons of the peoples of the East. This enemy is called Communism. We need to conquer it and vanquish it and destroy it, or it will do so with us.”

Bei diesem Professor hatte Darren erfolgreich als Bester seines Jahrganges den Abschluss gemacht. In einem dreiteiligen Anzug aus Tweed, einem Tumbler Bourbon in der Hand und einer Churchill im Mund hatte genau dieser Professor Darren dem Recruitment Agent der C.I.A. vorgestellt. Einem Alumni der Uni. An einem eisigen, verschneiten Wintertag in Upstate New York.

Es fiel ein Fuss Neuschnee an diesem Tag.

Es war kalt wie am Polarkreis.

“How would you like it if we dropped you on a warm and sunny beach in Southeast Asia, son?” hatte ihn der Mann im schwarzen Anzug und mit schwarzer Krawatte gefragt.

Irgendwie war er immer ihr Sohn.

Darren sah aus dem Fenster: Kälte und Schnee. Darren nickte.

“Your professor here tells me that you have a bright mind and a clear and loud voice for the mission of the U.S.A., to free the peoples of this world from Communism.”

Nichts hörte sich für Darren an diesem eiskalten Tag besser an als Sonne, Strand, Exotik.

Abenteuer.

Und er würde Dulles in seinem Vorhaben unterstützen, die Commies platt zu machen.

Sie zu vernichten.

Churchill hatte gesagt:

“We killed the wrong pig.”

Und damit gemeint, dass die Kommunisten genauso gefährlich waren wie die Nazis?

Was hatten die eigentlich vor?

Nord Korea?

Vietnam?

Die Chinesen?

Und nun auch noch: Indonesien!

Die beiden alten Männer stießen mit ihm und drei Gläsern Whisky an.

Darren hatte seinen ersten Job gelandet.

Ganz ohne eine Bewerbung zu schreiben.

Offizieller Arbeitgeber war die Civilian Air Transport mit Standort Taipei, eine Fluggesellschaft als Front Company der C.I.A. in Asien.

Einige Zeit später, nach Basic Training und Bootcamp in Virginia, saß er im Flieger nach Taiwan, von dort weiter auf die Philippinen.

Und Präsident Sukarno war nichts Besseres eingefallen, als alle Kommunisten ins Land zu einer Konferenz einzuladen.

Sogar Zhou Enlai war gekommen.

Das Reich der Mitte auf dem Vormarsch in Südostasien.

Ein No-Go.

Fallende Dominos sind okay, solange sie in das Lager von Uncle Sam fallen. Und Indonesien, mit seinen mehr als 100 Millionen Einwohnern, war bei weitem der größte Domino. Viel größer und viel schwerer als Vietnam. Wenn Indonesien den Kommunisten in die Arme fällt, dann verändert dies die Laufbahn der Erde.

Vietnam: peanuts.

The big prize: Jakarta.

Die Mission der Männer und Frauen der C.I.A.: Destabilisierung des Landes durch Stärkung der Rebellionen auf den Outer Islands, vor allem auf Sumatra und Ambon. Mit dem Ziel, dass sich führende Teile des indonesischen Militärs gegen Sukarno wenden.

Und ihn absetzen.

Oder töten.

Weil er ein Kommunist war.

Oder es werden könnte.

Oder so ähnlich.

Niemand wusste genau, was in Indonesien passiert, aber es war auf keinen Fall gut. Die U.S.A. würden sicherstellen, dass das neue Militärregime den Quatsch mit der Neutralität und dem Non-Aligned Movement lassen würde.

Der Westen brauchte Verbündete gegen den Kommunismus in Südostasien. Die PKI, die Partai Komunis Indonesia, hatte über drei Millionen Mitglieder. Sie war groß, stark und dominant. Ihr junger Anführer, Aidit, hatte zuvor im Exil die Feinde des Westens getroffen: Ho Chi Minh und Mao Zedong. Aidit stand ihnen ideologisch nah und er wollte diese Ideologie in sein Heimatland bringen. Mit Hilfe der von ihm herausgegebenen Zeitschrift “Bintang Merah” - Roter Stern - gelang es ihm, sich seiner Widersacher in der Partei zu entledigen. In den ersten freien, demokratischen Wahlen Indonesiens sollte die PKI zur viertstärksten Partei des Landes werden. Diese Entwicklung galt es aufzuhalten, bevor die PKI durch freie Wahlen an die Macht kam. Demokratie ist nur gut, solange den U.S.A. wohlgesonnene Regierungen an die Macht kommen.

Sukarno stand der PKI nah.

Zu nah.

Sie nannten dies “subversion by democracy”. Sie konnten den Asiaten einfach nicht zutrauen, an der Wahlurne das richtige Kreuz zu setzen. Die C.I.A. war sehr gerne bereit, Hilfe zu leisten.

In Washington, D.C., hatten sie Sukarno einen “Closet Communist” genannt: einen Kommunisten, der sein Coming Out noch nicht hatte.

Darren’s Rolle?

Mit einer halben Million US-Dollar im Gepäck den Einfluss der lokalen Militärs in Ambon sichern.

Darren’s Boss, Chief of the Southeast Asia Desk, hatte Darren in seinem texanischen Akzent gesagt:

“Bring ‘im down, son.”

Vernichte ihn, mein Sohn.

Der Texaner mit dem dicken Bauch und den Cowboystiefeln hatte die Gesichter führender kommunistischer Staats- und Regierungschefs an der Wand hängen: Mao Zedong, Ho Chi Minh, Walter Ulbricht, Nikita Khrushchev, Kim Il-Sung, Sukarno. Er lud Darren ein, mit ihm Bourbon zu trinken und Darts in ihre Gesichter zu werfen.

Die wenigsten blieben hängen.

Sie hatten Darren versprochen, dass die Kämpfer der MRA, der “Maluku Revolutionary Army”, ihn erwarten. Darren würde sie mit westlichen Mitteln und nachrichtendienstlicher Unterstützung zum Sieg gegen die Zentralregierung in Jakarta führen. Und ihnen helfen, die Kommunisten zu besiegen.

Darren als “king maker.”

Er würde in die Vereinigten Staaten als Held zurückkehren, als Kämpfer gegen die Roten in Asien. Er sah sich in einem offenen Cadillac durch den Konfettiregen die 5th Avenue in Manhattan hinunterfahren.

Neben ihm: der Präsident der U.S.A.

Sie würden ihn als Helden feiern.

Seine Karriere bei der C.I.A. könnte gar nicht schief gehen. Die C.I.A. lebte von den Helden aus Übersee. Ihr Ruf eilte ihnen voraus.

Darren wollte ein Held werden.

In Übersee.

Es stellte sich heraus:

Gut gedacht, schlecht gemacht.

Oder besser:

Schlecht gedacht, schlecht gemacht.

Keiner in der C.I.A. kannte Indonesien, sprach die Sprache, oder hatte irgendeine Ahnung, wie der Plan genau vonstatten gehen sollte. Alle vertrauten Darren, dem jungen Mann mit den blonden Haaren und blauen Augen, der Inkarnation des Bule, des weißen Ausländers. Er würde es richten, wenn er landete.

Nur hatte er, der junge Darren, noch weniger Ahnung von Spionage, Bestechung ausländischer Militärs und Anstachelung einer Revolution als alle anderen.

Und er sprach kein Wort Indonesisch.

Darren war froh, als er mit seinem Fallschirm am Boden landete ohne sich ein Bein oder einen Arm zu brechen. Oder beides.

Filmreif war die Landung am Strand, Darren mit Sand in den Augen und im Mund. Menschen in Uniform erwarteten ihn.

Die falschen, wie Darren herausfand.

Auf ihn warteten Sukarno’s Truppen. Die Leichen der Revolutionskämpfer lagen im Gebüsch. Mit vorgehaltenen Maschinenpistolen und einem Lächeln im Gesicht beendete das indonesische Militär seine Mission bevor sie losging. Da sein Land - die Vereinigten Staaten von Amerika - Indonesien nie den Krieg erklärt hatte, galt auch keine Genfer Konvention über Kriegsgefangene, schliesslich war er kein Kriegsgefangener. Die Indonesier hätten ihn an Ort und Stelle erschießen können: In ihren Augen war er ein Krimineller, vielleicht ein etwas dummer Agent des westlichen Imperialismus, der in ihr Land eindrang um lokale Beamte zu bestechen. Gegen die Zentralregierung und Präsident Sukarno - Sukarno! Und der so dumm war und eine Menge Cash mit sich führte.

Devisen.

In Cash.

Auf Ambon.

Geht’s noch?

Das Geld kam gut an und sie nahmen es ihm direkt nach der Landung ab. Mit einem Grinsen so dick wie eine Banane quer im Mund bedankten sie sich für das Geld bei ihm, als wäre Darren de Soto mit seinem Fallschirm als Überraschungsgast auf einer Geburtstagsfeier aus dem Himmel gefallen.

“Do you need a receipt?” fragte ihn ein indonesischer General, der sich laut lachend auf die Knie schlug, während die anderen Soldaten sich kaum halten konnten.

Die Indonesier waren klüger als die C.I.A. es angenommen hatte. Sie zeigten weder Wut noch Rache. Und vor allem: Sie behandelten Darren gut und wollten von ihm so viele Informationen wie möglich über die U.S.A., die C.I.A. und deren Pläne.

Niemand sagte Darren, wie es weiterging, was sie vorhatten. Sonne, Strand, Exotik - davon hatte Darren nun genug. Es war super heiß, er war am Strand gelandet, er verstand kein Wort der Sprache, die die Menschen um ihn herum sprachen. Linguistisch war Darren komplett isoliert, auch wenn sie ihn nie alleine ließen. Darren wurde nie gefesselt oder angekettet und konnte sich in dem Dorf, in dem sie ihn unter Hausarrest - oder besser: Dorfarrest - gestellt hatten, frei bewegen.

Diese Insel war sein Gefängnis.

Nicht, dass es etwas gab, wohin er hätte gehen können. Hinter ihm Reisfelder und eine Wand aus Dschungel. Vor ihm die flache Scheibe der Banda See.

Nichts am Horizont.

Keine Insel, kein Boot.

Er hatte keinen blassen Schimmer wo er war.

Die Männer im Dorf hatten permanent ein Auge auf ihn. Er war in einem Gefängnis ohne Mauern. Die Strände der Insel und die Wellen der Banda See glichen einer unüberwindbaren Gefängnismauer.

Nur wenn der Major kam, um ihn zu verhören, konnte er Englisch sprechen - und wurde verstanden. Der Major kam mit dem Helikopter. Anfangs täglich, dann mehrmals wöchentlich, dann immer seltener. Ansonsten sprach keiner der Einwohner des Dorfes Englisch - zumindest gab es niemand zu. Vielleicht lauschten sie ihm, wenn er in seinem Wahnsinn anfing, mit sich selbst zu sprechen.

Er hatte Angst. In der C.I.A. hatten sie ihm nie erzählt, dass er vom Feind gefangen genommen würde. Sie hatten ihm nur erzählt, dass er keine Angst haben müsse. Nun hatte er Angst. Was hatten sie ihm beigebracht?

Fear =

F ALSE

E VIDENCE

A PPEARING

R EAL

Das war es.

Seine Angst war keine Angst.

Alles nur Einbildung?

Er hatte Angst.

Anfangs versuchte Darren mit Strichen an der Wand seiner Hütte die Tage zu zählen, die er so verbrachte. Bald jedoch nahm der Wahnsinn der Tristesse unter der tropischen Sonne überhand. Die Nächte waren am schlimmsten: Einsamkeit, Hilflosigkeit und Heimweh suchten sein Herz und fanden es.

Darren sehnte sich nach einer Ausgabe von Robinson Crusoe: Er hätte in seiner Qual gerne einen Paten gehabt, der ihm die Richtung und Spiritualität gab, die ihm in den dunkelsten Stunden beinahe abhanden gekommen wären.

So vergingen die ersten Wochen.

Die Sonne prallte mit voller Wucht seit dem frühen Morgen auf das Dorf. Es gab keinen Kaffee, kein westliches Essen, nur Reis, Fisch, Hühnchen, Tofu, Tempeh, Gemüse.

Und scharfes Sambal Kecap: Chili in Soja Sauce.

Sehr scharf.

Jeden Tag.

Dreimal am Tag.

Er liebte das Essen.

Natürlich, frisch, gesund.

Kein Zucker, kein Fett.

Darren nahm einige Kilo ab.

Zwischen den Mahlzeiten arbeitete er auf den Reisfeldern, angelte und tötete zum ersten Mal in seinem Leben.

Mit seinen bloßen Händen.

Hühner.

Das Gefühl des Schlachtens verlieh ihm ein neues Bewußtsein seines Lebens und seiner Rolle.

Demut.

Reduzierung auf die Basics.

Manchmal kam ihm sein Gefängnis wie ein Kloster vor. Dann wurde er dankbar für das, was er erlebte und dass er es erleben durfte. Und nicht tot war.

Abends saß er am Strand und beobachtete den Sonnenuntergang.

Magisch.

Die Tropen.

Lange Nächte, heiße Tage.

Von Freundschaften konnte während seiner Gefangenschaft keine Rede sein. Darren, der Politologe von der Cornell University, der mit dem Anspruch in die C.I.A. eingetreten war, einen intellektuellen Kampf der Ideologien und Weltwirtschaftssysteme zu unterstützen,

- er, der wortgewandt, wie er nun einmal war, beim ideologischen Feind Spione rekrutieren wollte, die zum Sturz des Regimes in Jakarta führten,

- er, der den Menschen in diesem unzivilisierten Archipel die Vorteile des amerikanischen Kapitalismus zeigen wollte, ihnen den Spiegel vorhalten wollte, was sie alles falsch machten,

- er, der als stolzer Amerikaner die Welt besser machen wollte indem er die Welt amerikanischer machte -

ausgerechnet er wurde auf einer Insel gefangen gehalten, auf der sich die Menschen nicht weniger hätten um Ideologien und den Kapitalismus scheren können. Die meisten der Marhaen, der Bauern in seinem Dorf, konnten weder lesen noch schreiben. Viele hatten keine Zähne mehr. Sukarno war für sie eine göttliche Erscheinung, die ihnen Merdeka, Freiheit, gebracht hatte.

Auch wenn sie nicht wussten, was Merdeka für sie bedeutete.

Sie waren nicht frei von Arbeit, so viel war klar. Sie mussten immer noch an sieben Tagen in der Woche ihre Felder bestellen und fischen gehen, nur um genügend zum Essen zu haben.

Merdeka war für sie ein ungreifbares Konzept, mit dem sie nichts anfangen konnten. Sukarno war ihr Fürsprecher. Mit Sukarno konnten sie etwas anfangen.

Sukarno war gut.

Er hatte ihnen, den Marhaen, eine Stimme gegeben, er setzte sich für sie ein.

Auch die Kommunisten waren gut für sie, denn sie wollten mit der Landreform allen Marhaen Eigentum in Form von Feldern geben, um in einer Subsistenzwirtschaft unabhängig leben zu können.

Da war es wieder: Freiheit, Unabhängigkeit.

Merdeka!

Die Kommunisten standen für Unabhängigkeit. Dagegen hatten die Marhaen nichts einzuwenden.

Und was gaben ihnen die Amerikaner?

Bomben.

Tote Söhne, Brüder, Schwestern, Mütter und Väter. Die Amerikaner bombardierten ihr Land und hofften, dass die Indonesier sie liebten.

Spinnen die?

Nun mussten sie einen von ihnen auch noch mit durchfüttern. Und zu allem Überfluß schmeckte diesem Bule ihr Essen. Und unglaublich: Er wollte ihre Sprache lernen.

Darren hatte weder die linguistische Fähigkeit, mit seinen Nachbarn in einen Dialog einzusteigen, noch hätten sie ihn thematisch verstehen können, hätte er ihre Sprache gesprochen.

Der gemeinsame Nenner war die Arbeit, zu der er sich freiwillig meldete, denn er suchte den menschlichen Kontakt, die Nähe zu anderen Individuen und das Erfolgserlebnis, etwas erreicht zu haben. Auch wenn es nur das Steuern eines Büffels durch ein Reisfeld war und er bis zu seinen Knien im Sumpf versank. Darren wollte abends müde sein, gut schlafen, seine Misere vergessen, sich nicht wundern müssen, wo das Exfiltration Team der Agency blieb, um ihn aus dem Albtraum dieses Paradieses zu befreien.

Die C.I.A. hatte keine Ahnung, wo er war. Sie schickten Flugzeuge um nach ihm zu suchen.

Vergebens.

Schliesslich wurde ein Suchflugzeug der C.I.A. abgeschossen, die Insassen getötet.

Mehr vertrug Uncle Sam im geheimen Krieg gegen den Garuda nicht. Die C.I.A. erklärte Darren für M.I.A. - Missing In Action.

Sie stellten die Suche ein.

Sie gaben Darren auf.

Sie sagten es seinen Eltern.

Seine Eltern weinten.

Die Arbeit auf dem Feld veränderte Darren’s Körper: Er baute Muskeln auf.

Er lebte gesund.

Der Austausch mit den Männern beim Fischen, beim Schlachten und beim Bestellen der Reisfelder war freundlich und sie lachten immer, selbst wenn er mit dem Büffel alles falsch machte. Sie redeten in ihrer Sprache vor sich hin und auf ihn ein und Darren tat das Gleiche in seiner Sprache. Mit der Zeit verlor er jegliche Hemmnisse und brüllte die Männer morgens auf Englisch an:

“Na Du Vollidiot, wie hast Du geschlafen?”

Schließlich gesellte er sich zu den Frauen im Dorf, um das Kochen zu lernen. Die Frauen lachten, als er das Chilli zerstampfen wollte und sich dabei mit dem Stein auf den Fuss schlug. Er war sich nicht sicher, ob sie ihn auslachten, über ihn lachten oder einfach nur Mitleid hatten.

Sie lachten immer.

Darren nahm das - wie bei den Männern - als gutes Zeichen. Er hatte bislang niemanden erzürnt, niemand hatte ihn physisch bedroht und er hatte immer genügend zu essen bekommen.

Enak - lecker, war das erste Wort, das er in ihrer Sprache lernte.

Wenn sie lachten zeigten sie ihm die Lücken zwischen ihren braunen Zähnen. Das Essen schmeckte ihm wahrhaftig und er wollte zumindest das Wissen über die Küche von der Insel mitnehmen, wenn er sie endlich verlassen würde.

Was er hoffte.

Dass er hier nicht sterben würde.

Manchmal war er sich nicht sicher, denn es gab absolut niemanden, mit dem er hätte sprechen können.

Außer wenn der Major kam.

“You Americans have no patience. The world is not revolving around you.”

“Doch,” sagte Darren, “meine Welt dreht sich um mich. Hast Du keine Eltern, die Dich vermissen?”

“Deine Eltern sollten sich schämen für Dich und das, was Du hier gemacht hast.”

Darren gelang es nicht, in den Gesprächen mit dem Major irgendwelche Informationen zu erhalten, was ihn erwartete. Oder Mitleid zu erzeugen, zumindest seine Eltern anrufen zu können. Oder die US-Botschaft.

Der Major war eine lachende, muskulöse Wand des Schweigens, wenn es um die Zukunft von Darren ging.

Darren prallte an ihr ab.

Die Wand des Schweigens verwundete ihn.

Er wunderte sich, was die US-Regierung, die C.I.A. und die Presse über sein Verschwinden berichten würden. Vermutlich wenig, denn seine Mission war:

Top secret.

Need to know only.

Sie hatten nicht einmal den Präsidenten - “Ike” - über die geheimen und völkerrechtswidrigen Missionen in Indonesien informiert. Auch wenn er sie angewiesen hatte, dass sie “all feasible covert means” anwenden müssen, um Indonesien vor dem Fall in das kommunistische Lager zu bewahren.

In diesem Fall war Darren in seinem Fallschirm mit Devisen und einem Revolver ein “covert means”.

Dulles hatte ihn autorisiert.

Ike hätte ihn nie springen lassen.

Was Darren schützte war, dass er nur das wusste, was ihn und seine Mission betraf. Dass die C.I.A. in Ambon Bomben abwarf, genauso wie in Sumatra, konnte er vermuten, hatte ihm aber niemand gesagt.

Need to know only.

Die C.I.A. hatte das Wissen über die Missionen unterteilt (“compartmentalised” - wie sie es im Jargon der Agency nannten), so dass kein Agent einen anderen verraten konnte.

Selbst unter Folter nicht.

Vor Folter hatte Darren Angst, als er merkte, dass der Major immer weniger Geduld hatte, die wenigen Infos, die bei jeder Befragung die gleichen blieben, nach Jakarta zu berichten.

Darren hatte nach einer Woche Verhöre den Informationsgehalt einer ausgequetschten Zitrone.

Er stellte für den Major keinen Wert dar.

Die Befragungen waren alles andere als ein nachrichtentechnischer Durchbruch für die Indonesier.

Es blieb bei der psychologischen Drohung der Möglichkeit der Anwendung der Folter. Aber die Indonesier folterten anders.

Sie ließen ihn auf dieser Insel verrotten.

Darren bemühte sich, so viele indonesische Worte zu lernen, wie er nur konnte. Ohne Buch, Papier und Lehrer war das schwierig, doch manches kam von selbst, wie “Pagi”, das ihm die Bauern jeden Morgen zuriefen und er zur Schlussfolgerung kam, dass dies “Morgen” meinen musste. Sein restliches Vokabular erstreckte sich auf landwirtschaftliche Begriffe wie “Kerbau” - Büffel, “Ayam” - Huhn, “Sawah” - Reisfeld und so weiter. Sein Leben war nicht nur in Realität das eines Bauern, sondern die Isolation stufte ihn auch intellektuell auf das Level eines Kerbau zurück. Er sehnte sich nach Seife, Bier und Abkühlung.

Und Pizza.

Und Hot Dogs. New York Style.

Und nach Negronis, trockenen Martinis und schönen Frauen in Abendkleidern, die gelangweilt an einer Bar in New York City saßen, ihre Beine übereinanderschlugen und Erdnüsse aus Georgia knackten. Er sprach jede Nacht in seinen Träumen eine andere von ihnen an und nahm sie mit nach Hause.

Und er sehnte sich nach Büchern.

Nach etwas zum Lesen, etwas für seinen Geist und seinen Kopf. Die Tage zogen sich sinnentleert in die Länge und es passierte nichts. Die Hitze ließ nicht nach, auch nicht, als die Regenzeit einsetzte. Dann war es nicht nur heiß, sondern auch nass. Das Wasser tropfte in seine Hütte aus Bambus und Bananenblättern. Mit ein paar Mäusen und Kakerlaken hatte er sich angefreundet. Er gab die Hoffnung nicht auf, dass die C.I.A. und die US-Regierung nach ihm suchen und ihn hier rausholen würden.

Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Auch bei einem Agenten der C.I.A..

Aus Tagen wurden Wochen, aus Wochen Monate. Die Monotonie machte den Alltag unerträglich, die Langeweile zermürbte seinen Geist. Nirgendwo gab es Papier, Stifte oder Radio. Darren befand sich im Hinterwasser des Hinterwassers.

Am Arsch der Welt.

Der letzte Platz, an dem die Zivilisation, wie Darren sie kannte, keinen Einzug gehalten hatte.

Vielen Dank für nichts. Seine Wut auf die C.I.A. stieg von Tag zu Tag, und Darren empfand die Enttäuschung, dass sie ihn nicht fanden und herausholten, als emotionalen Schock. Musste er als junger Mann nun seine besten Jahre auf dieser Insel verbringen?

Darren ging regelmäßig im warmen Wasser der Banda See schwimmen - auch, als die Regenzeit einsetzte und der Regen auf das warme Wasser fiel.

Die Bewohner des Dorfes waren Christen. Das war ihm klar geworden, als kein Muezzin fünf Mal am Tag zum Gebet rief. Die Lage verbesserte sich für ihn, als sich Weihnachten näherte. Er hätte es nicht bemerkt, wäre nicht einer der Dorfältesten zu ihm gekommen und hätte zu ihm “Merry Christmas” gesagt.

Er stellte Darren eine Flasche Bier Bintang auf den Tisch. Darren versuchte, auf Englisch mit ihm weiter zu sprechen und herauszufinden, ob an diesem Abend wirklich Weihnachten war.

Kein Wort kam zurück.

Eine Wand des Schweigens.

Weihnachten unter Palmen hatte sich Darren anders vorgestellt.

Dann passierte etwas, worauf Darren nicht vorbereitet war und nicht vorbereitet sein konnte. Der Blitz schlug in Form einer jungen, hübschen Frau ein. Die junge Dame beobachtete ihn, als er im Meer schwimmen ging, die Älteren beim Fischen unterstützte und half, mit den Wasserbüffeln des Dorfes Reis anzubauen. Darren hatte sich, so gut es ging, in das Dorfleben eingefunden.

Gone native.

Ob er es wollte oder nicht.

Kharolina änderte alles auf einen Schlag.

Sie war hübsch. Vor allem: gepflegt.

A city girl.

Mit Nagellack, engen Jeans und den Haaren in einem Ponytail wirkte sie im Dorf genauso deplatziert wie er. Zumindest bildete er sich dies ein.

In ihm machten sich Lust und Verlangen bemerkt, wie er sie seit seiner Ankunft nicht gespürt hatte. Unter seinem Sarong, zwischen den Beinen, erwachte er zu Leben.

Darren beobachtete sie, wie sie den Strand entlang schlenderte, mit ihren Füßen im Wasser, einer dunklen Sonnenbrille im Gesicht. Ihre schwarzen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden und sie präsentierte ihm den rundesten Kopf, den Darren je gesehen hatte. Sie sprach mit dem Dorfältesten. Er sprach sie an, bevor sie die Chance dazu hatte.

“Do you speak English?”

“Of course,” sagten ihre roten Lippen.

“I am Darren.”

“I know who you are. I am Kharolina. With a K and an h.”

“Nice to meet you, Kharolina, with a K and an h. It’s a pleasure to have you here.”

Dachte er wirklich, er wäre der Gastgeber?

War es wirklich eine Freude?

Sie war zu gut, um wahr zu sein.

Er wollte auf keinen Fall desperate klingen, auch wenn er es war.

Seine Haare und sein Bart hatten seit Monaten keine Schere gesehen. Sein braungebrannter Oberkörper war muskulös geworden und ließ Darren wie einen Surfer aus La Jolla wirken. Niemand hatte ihr gesagt, wie gut Darren aussah.

“It’s not pleasure, it’s business for me. How do you enjoy your little village?”

“Well, I must say that I have probably gone native, if not completely berserk, not that I was given any choice to do otherwise.”

Darren litt unter dem, was später als Stockholm Syndrom bekannt wurde. Wäre die Geschichte anders verlaufen, würde die Welt heute vom “Ambon Syndrom” sprechen.

“What are you doing here? You are not from here, are you?” sagte Darren. Er konnte die Freude über die Konversation in seiner Muttersprache nicht verbergen.

Er blühte auf.

Strahlte.

“Not by far.”

Sie lachte und schaute ihn an.

“Jakarta.”

“Jakarta. The capital.”

“Yes. Our Ibu Kota.”

Ein Ort der Magie und des Handels. Darren hatte Bilder von Jakarta gesehen. Das alte Batavia war die neue, stolze Hauptstadt der Republik Indonesien.

“Well, I am here to give you a voice. To speak your mind. To let the world know what you are thinking. Within means, that is. If you want.”

“Was soll das heißen?”

Sie lächelte ihn wieder an und ihr Gesicht verzauberte ihn. Sie war die schönste Frau der Welt. Oder hatte er nur so lange keine schönen Frauen gesehen?

“Ich bin von Antara, der staatlichen Presseagentur meines Landes. Ich bin die Liaison Offizierin zwischen Präsident Sukarno und der Agentur. Wir entscheiden, was berichtet wird und was nicht.”

Sie steckte sich ihre Sonnenbrille in den Mund und band sich ihren Pferdeschwanz neu.

“Und was möchtest Du berichten?”

Für Darren war Kharolina der politische Feind. Auch wenn ihre Erscheinung ihn wie ein Engel blendete. Darren fand schnell zu seiner rhetorischen Stärke zurück.

“Dass ein US-Agent im Sarong auf einer gottverdammten Insel Gefangener ohne Rechte ist, die Indonesier ihn jeden Tag demütigen und sie ihm noch nicht einmal Zugang zu einem Vertreter der US-Botschaft gewähren?”

“Im Meer zu baden und sich den ganzen Tag lang zu sonnen und nicht in einer Gefängniszelle mit hunderten anderer zu sitzen, die Dich fertig machen, weil Du ein Imperialist bist, das nennst Du Demütigung?”

Darren war natürlich klar, dass es besser war, sich auf seiner Insel frei zu bewegen, als in einer Gefängniszelle zu sitzen. Die Monate auf der Insel hatten dennoch einen profunden Einfluss auf seine Persönlichkeit. Der Verlust der eigenen Kleidung kam einem Verlust seiner Identität gleich. Er war so gekleidet wie die Bauern auch: Sarong, Hemd, Sandalen. Ein Strohhut gegen die Sonne. Er hatte nichts an sich was ihm gehörte. Sein Haar war verfilzt und lang. Seine Hütte stand auf einem Lehmboden; jede Garage in New York State war besser als das. Er war sich sicher, dass er stank. Nach Kerbau und Reisfeld. Keinen Menschen zu haben, mit dem er reden konnte, kein Buch, keine intellektuelle Betätigung. Das war Folter. Er wollte ihr all das sagen, all das um die Ohren hauen, ihr klar machen, was sie ihm antaten. Bevor er dazu kam, setzte sie nach:

“Ich dachte mehr in Richtung warum ein C.I.A.-Agent über Indonesien aus einem Flugzeug springt und 500 K US-Dollar” - und sie betonte die five hundred K - “im Handgepäck hat und dennoch kein Haus am Strand kaufen wollte. Nicht dass die Grundstückspreise hier so hoch wären.”

Darren wusste, dass Kharolina keine normale Journalistin war. Vermutlich Spionageabwehr. Wenn es so etwas in Indonesien gab. Er blickte in das Angesicht des Feindes.

“Oh. Oh. I get it. I get it. You let me boil in my own juices on this forsaken island, and when you think I am done, well, then they send you. You want to use me, you want to showcase me as a piece of decrepit Western imperialism that tried to bring down your president. And failed doing it. You want me to be the face of the West’s imperialist failure in Southeast Asia?”

Sie sah ihn an und verzog keine Miene.

“Deine Worte. Nicht meine.”

“Vergiß es.”

Sie widerte Darren an und er wäre gerne aufgestanden und gegangen, wenn er irgendwo hätte hingehen können.

Kharolina blieb ruhig. Sie hatte die Oberhand. Ihr gefiel sein nackter Oberkörper, braun und muskulös. Darren schämte sich seiner Nacktheit und Kleidung und dies ließ ihn schwach wirken.

Kharolina gefiel genau diese Schwäche.

“Sieh es mal von unserer Seite. Wir haben Deinem Land nichts getan. Und doch fliegt Ihr durch unseren Luftraum, bombardiert unser Land, tötet unschuldige Menschen und wollt Euch dann mit Eurer Währung einen Machtwechsel in unserem Land kaufen. Wenn das Deine Definition eines guten Imperialismus ist, dann möchte ich wissen, was Deine Definition eines schlechten Imperialismus ist. Nicht, dass Imperialismus jemals gut sein kann. Das steht nicht zur Debatte. Dein Land betreibt staatlichen Terrorismus gegen eine demokratisch gewählte Regierung.”

Sie kreuzte ihre schlanken Beine und Darren sah ihre rot lackierten Fußnägel in den Sandalen. Sie provozierte ihn, ob sie es wusste oder nicht; vermutlich wusste sie es. Er konnte ihr Parfüm riechen. Einen süßlichen Duft, den er seit Monaten nicht mehr in seiner Nase gehabt hatte. Ihr Duft zog ihn an und machte sie unwiderstehlich. Gleichzeitig schämte er sich seines Zustandes. Kharolina musterte seinen Körper, der kein Gramm Fett an sich hatte. Nur Muskeln.

Es folgte ein Augenblick des Schweigens in dem sich ihre Blicke kreuzten und aneinander hängen blieben. Da war etwas in ihren Augen, eine Öffnung in ihre Seele. Sie ließ Darren tief in sie hineinblicken. Sie öffnete sich ihm und zeigte ihm ihr Herz. Darren wusste, dass dies der Augenblick war, in dem sie sich in ihn verliebte.

Denn er tat es auch.

Ihre Augen verrieten sie.

Sie sprachen Bände.

Sie war nicht so stark, wie sie es vorgab.

Sie war eine junge Frau mit der Sehnsucht nach der großen Liebe.

“Du, Deine Regierung, Ihr seid die Täter, die Schuldigen. Wir sind das Opfer. Indonesien ist das Opfer. Unser Präsident verteidigt uns gegen Menschen wie Euch.”

Darren ertappte sich, wie er sie anstarrte, ihren Mund anstarrte und sich machtlos fühlte. Er konnte ihr nicht widerstehen.

Egal, was sie sagte.

Er genoss, dass sie da war.

Kharolina ging es genauso.

Egal, was er sagte.

Sie genoss, dass er da war.

Kharolina saß vor ihm, ihr dunkles Haar wehte im Wind des Meeres, welches hinter ihr flach wie eine Scheibe dem Horizont Konkurrenz machte. Er hätte sie gerne bei der Hand genommen und wäre mit ihr am Strand spazieren gegangen, hätte sie gerne im Bikini gesehen, wie sie mit ihm im Wasser spielte. Er fing an zu träumen.

Sukarno war clever, wenn er diese Frau schickte, um sein Gehirn zu waschen. Keiner in Darren’s Situation kann ihr widerstehen. Sie werden mich instrumentalisieren, dachte Darren.

Sukarno war der Meister, der Strippenzieher, der Dalang, der es verstand, die Masse der Menschen hinter sich zu bringen. Nun war Darren an der Reihe, der gefangene C.I.A.-Agent. Es war klar, dass Sukarno alles unternehmen würde, den größtmöglichen politischen Nutzen aus der Gefangenschaft eines C.I.A.-Agenten zu schlagen.

Wo war das Exfiltration Team?

Holt mich hier raus bevor ich keine Kraft mehr habe, dem Feind zu widerstehen.

“Ihr seid Kommunisten. Oder wollt welche werden. Dein Land unterstützt den Kampf gegen den Kommunismus nicht. Das können wir nicht zulassen.”

Kharolina lächelte ihn an. Keine von Darren’s Beschuldigungen blieb an ihr haften.

Ihr Lächeln entmachtete ihn.

Er hätte sie am liebsten an Ort und Stelle geküßt.

“Ich sehe, wie gut die Propaganda Deiner Regierung bei Dir wirkt. Ihr habt jegliche Objektivität verloren. Und wer glaubt Ihr zu sein, anderen Ländern vorzuschreiben, was deren Menschen und Präsidenten sagen oder denken sollen?”

Das Fragezeichen in ihrem Satz war der Punkt für ihre Unterhaltung. Kharolina stand auf. Im Gegensatz zu Darren hatte sie einen anderen Ort, an den sie gehen konnte.

Ihre Jeans saßen wie in einer Werbung von Levi’s.

Zwei Soldaten mit Maschinengewehren holten Kharolina ab und gingen mit ihr zu einem Geländewagen ohne Dach und Fenster. Kharolina drehte sich um.

“Denke über mein Angebot nach.”

“Habe ich eine Wahl?”

Sie schüttelte ihren Kopf und sagte:

“Nur wenn Du jetzt sterben willst.”

Er schluckte. Niemand hatte ihn bislang mit dem Tod bedroht. Auch die Soldaten nicht. Und nun kam dieser Engel und stellte ihn vor die Wahl: das Gesicht der gescheiterten C.I.A.-Mission zu werden.

Oder zu sterben.

Als ob er nicht mit ihr und für sie alles tun würde. Nur um diese verdammte Insel endlich zu verlassen.

“Ich komme morgen wieder.”

Darren saß da, schaute ihr hinterher, auf ihre Beine und ihren Po in den Jeans. Und er wusste nicht, wie ihm geschah. Nur dass sein Kapitel auf dieser verdammten Insel hoffentlich bald zu Ende ging. Was auch immer sie von ihm wollten, er hielt es hier keine Minute länger aus. Er wollte weg.

Was folgte war die schlimmste Nacht seines Lebens.

Darren drehte sich auf seiner Matratze in der kleinen Hütte auf seiner Insel und schlief keine Minute. Er wägte die Unwägbarkeiten seiner Mission gegeneinander ab und legte sie wie Sauerstoff auf eine Waage, in der Hoffnung, dass diese ihm die richtige Antwort auf seine Frage geben würde:

Was soll ich tun?

Darren wägte drei Szenarien gegeneinander ab. Da war zum einen die Möglichkeit, dass die Indonesier ihn zwar bedrohten, aber nicht ermorden würden. Warum, nach so vielen Monaten in der Einsamkeit dieser Insel, sollten sie das tun? Vielleicht würden sie ihn sofort oder irgendwann der C.I.A. übergeben. Das hieße, Darren würde nach der Gefangenschaft beim Feind als Held in die U.S.A. zurückkehren. Eine Parade im Konfettiregen auf der 5th Avenue neben dem Präsidenten der U.S.A., Dwight D. Eisenhower, wäre in diesem Falle nicht unwahrscheinlich.

Eine andere Alternative war, dass die Agency ihn mit einem Exfil-Team von seiner Insel befreite. Das war hier leichter als irgendwo sonst. Darren hatte keine Militärinstallationen wahrgenommen. Ein paar Sikorsky Helikopter hätten leichtes Spiel und genügend Firepower, um die Insel platt zu machen, am Strand zu landen und Darren in Freiheit zu bringen.

Und dann war da das andere Szenario, das Szenario, das ihm Angst machte und lange Nächte in Albträume verwandelte: Was, wenn ihn weder die Indonesier auslieferten noch die C.I.A. nach ihm suchte und sie ihn wirklich umbringen? Und er, der junge Darren, zu einem Bauernopfer des Krieges zwischen den Mächten dieser Welt würde, zum toten Spielball der Präsidenten und der unterschiedlichen Ansichten der gerechten Systeme für diese Welt?

Wie lange war er nun schon auf dieser Insel?

Was, wenn sie ihn auf der Insel verrotten und verdummen lassen? Ist das nicht so etwas wie Mord? Mord an seinem Leben, seiner Freiheit? An alle dem, für das Darren steht und gekämpft hat, immer noch kämpfen würde, wenn sie ihn nur ließen?

Suchte sein Arbeitgeber, die Central Intelligence Agency, noch nach ihm oder hatten sie ihn bereits aufgegeben? Sie hatten ihm gesagt, dass die Agency nie einen Agenten aufgibt, aber manchmal verleugneten sie aus Selbstschutz die Existenz eines Agenten. Gefangenschaft sei bei seinem Einsatz auf den Molukken sehr unwahrscheinlich (die Freunde der C.I.A. erwarteten ihn ja am Strand), so der dicke Texaner vor seinem Abflug, also brauchte er sich auch keine schlaflosen Nächte zu machen.

Die er nun hatte.

Denn was machte er, wenn Kharolina und der Hochverrat sein einziges Ticket weg von der Insel waren?

Die C.I.A. hatte acht lange Monate Zeit gehabt, ihn zu finden. Jeden Tag hat Darren den Himmel nach Flugzeugen abgesucht und war bereit, seine Hütte abzufackeln um auf sich aufmerksam zu machen. Er hatte das Rauchen angefangen, nur um an Streichhölzer zu kommen.

Nie sah er ein Flugzeug oder einen Helikopter am Himmel, außer den von Kharolina.

Es war beinahe so, als hatten sie die Insel unter einem Schutzschirm versteckt und für die Aufklärungsflugzeuge seines Landes unsichtbar gemacht.

Darren schmiedete in dieser Nacht seinen Plan, den Plan der sein Leben änderte: Er würde Kharolina benutzen, um nach Jakarta zu gelangen. Und von dort weiter in die US-Botschaft und in Sicherheit.

Es war kurz vor Sonnenaufgang als Darren mit einem sandkorn-großen Gefühl der Hoffnung einschlief.

Sie kam am nächsten Tag wieder. Die beiden Soldaten flankierten sie mit ihren Gewehren in dem Geländewagen ohne Dach und Fenster wie den Papst.

“Selamat pagi, Kharolina.”

“We are going to take a little trip today.”

Der “little trip” entpuppte sich als Fahrt mit dem Geländewagen zu einem Helikopter, als Flug im Helikopter zu einer Militärbasis und als Langstrecke in einer Antonov nach Jakarta. Der Flug dauerte mehrere Stunden. Die Soldaten beobachteten ihn. Einmal gaben sie ihm Nasi Goreng und eine Flasche Wasser. Es war dunkel als sie auf der Halim Air Force Base landeten. Darren war zum ersten Mal in seinem Leben in Jakarta.

“Du wirst zum Friseur gehen und wir werden Dich in Batik einkleiden. Dann triffst Du Präsident Sukarno.”

Darren’s Mund stand offen. Er starrte Kharolina an.

“Mach Dir keinen Kopf.”

Darren machte sich einen Kopf.

Mehrere sogar.

Er sollte den Mann treffen, den er aus dem Amt jagen sollte, ermorden sollte?

Den Feind in Person?

Das Gesicht, auf das er mit Bourbon in seinem Glas Darts geworfen hatte?

Würde er seine Mission erfüllen und Sukarno ermorden können? Und wie würde er nach der Ermordung entkommen?

“Wir fahren in das Gästehaus des Außenministeriums. Meine Kollegen werden auf Dich aufpassen. Ich habe ein Zimmer neben Deinem. Du brauchst nicht auf dumme Gedanken zu kommen. Alles was Du machst kann die Situation nur schlimmer machen. Sie werden Dich erschießen, wenn Du fliehen willst.”

“Warte. Ich muss mit Dir sprechen.”

Sie zögerte.

“Was habt Ihr vor? Was soll das alles?”

Sie lächelte ihn an.

Sie hatte gewonnen.

Er war eingeknickt.

“Lass’ uns zusammen abendessen,” sagte sie.

ZWEI

An diesem Abend nahm Kharolina ihn an der Hand. Jakarta war der brüllende Gegensatz zur flüsternden Gefangeneninsel, die Opiumhöhle der Versuchung, nicht nur geografisch weit weg vom einsamen Traumstrand an dem das Land so ursprünglich und unberührt war wie nirgendwo sonst. Die Stadt war ein gigantisches open air Restaurant mit Garküchen und Händlern und Menschen, wo immer er hinsah.

Die Straßen und Grachten zerteilten die holländische Altstadt in symmetrische Blöcke voll dichter Vegetation. Für Darren aus dem Big Apple war the Big Durian mit seinen historischen Gebäuden das Fenster in die Vergangenheit europäischer Kolonialmächte in Asien. Dunkelheit fiel schnell und die Lichter der Stadt verwandelten Jakarta zu dem verheißungsvollen Ort, wie nur der Orient sie hervorbringen kann. Die Exotik der Nacht machte Darren zu einem Marco Polo. Seine Augen klebten an der Kulisse der Stadt und ihren Menschen. Kharolina hielt seine Hand. Der Militärjeep bahnte sich seinen Weg durch die Trauben der Menschen, der Fahrräder und Tiere wie durch einen Dschungel. Der Fahrer setzte die Hupe des Geländewagens wie eine Machete ein. Die Soldaten machten Kharolina und Darren die kleine Tür auf, und die beiden besuchten ein traditionell javanisches Restaurant mitten in Jakarta. Hinter den Mauern leuchteten Fackeln und begrüßten Kharolina und Darren mit ihrem Spiel des Lichts. Darren hatte so etwas noch nie gesehen und glaubte, dass dies nur eine Filmkulisse in Hollywood sein könnte.

Tropischer Garten.

Javanischer Pavillon.

Sie waren die einzigen Gäste. Die Banyan-Bäume und die mannshohen Bananenstauden verschlangen die Wachen wie fleischfressende Pflanzen, der Gamelan spielte seine Melodie als Soundtrack des Abends.

Ihr Kebaya aus Seide und der goldene Sarong machten sie zum schönsten Wesen, das er je gesehen hatte. Das Essen kam, ohne dass Kharolina es bestellt hatte: Rendang, Gado-gado, Nasi Goreng, Rawon, Kerupuk. Die Kellnerin brachte Es Teh Manis in kleinen Flaschen.

Ihr Gespräch war zweigeteilt, wenn nicht zwiegespalten. Kharolina hatte eine offizielle Agenda, mit der sie Darren klar machte, dass weder er noch sie freiwillig hier waren. Es gab eine politische Agenda, die sich um Darren drehte. Er war der ausländische Spion, der Gefangene ihres Landes. Präsident Sukarno hatte einen Plan für Darren. Ihre Augen verrieten sie und mit ihren Fragen bohrte sie in eine Richtung, die nichts mit der offiziellen Linie ihrer Regierung zu tun hatte.

“Präsident Sukarno nimmt die C.I.A. ernst, aber nicht ernst genug, um in Angst und in Schock zu verfallen. Die Holländer haben Präsident Sukarno inhaftiert und exiliert und Malaria hat ihn krank gemacht. Er hat alle Hürden genommen um sein Land in die Freiheit zu führen. Kein Geheimdienst dieser Welt kann dies ändern.”

Sie schaute ihm in die Augen. Das Restaurant wurde leise, die Geräusche der Stadt verschwanden in der Dunkelheit.

“Auch Du nicht.”

“Danke für die Wertschätzung.”

“Das liegt nicht an Dir.”

“Woran denn?”

“Es sind Kräfte an der Macht, die größer sind als Du und ich.”

“Ich weiß nicht, ob ich das verstehe.”

“Das musst Du auch nicht.”

“Warum lachst Du?”

“Präsident Sukarno ist auch ein Lebemann.”

“Was soll das heißen?”

“Dass es ihm immer auch um die schönen Dinge im Leben geht.”

“Zum Beispiel?”

“Kunst, Literatur, Malerei.”

“Und?”

“Und Frauen.”

Ihre Augen bohrten einen Tunnel in seine Augen und sie suchte nach der Bestätigung, dass er endlich verstand, worauf sie hinaus wollte.

“Vor allem Frauen.”

“Worauf willst du hinaus?”

War er wirklich so verklemmt, oder sah er den Wink mit dem Zaunpfahl nicht? Sie bemerkte, wie seine Augen ihren Körper abtasteten und wie Darren den Blick abwand, als sie seine Augen suchte.

“Zu Hause, in New York, hast Du ein schönes Ding?”

“Ein schönes Ding? Was meinst Du?”

Mein Gott, dachte sich Kharolina.

“Eine Freundin? Eine Frau?”

“Warum willst Du das wissen?”

“Warum nicht?”

Sie winkte der Kellnerin und sie brachte mehr süßen Tee. Darren überlegte und war unsicher, ob das der Augenblick war. Darren als Doppelagent, bis er einen Weg hatte, die US-Botschaft zu erreichen.

Der einzige Weg: Kharolina zu benutzen, sie zu lieben, sie zu manipulieren, bis sie ihn freilassen würden. Darren war sich nicht sicher. Die einzige Möglichkeit, es heraus zu finden war, sie zu fragen. Er trank den süßen Tee, stellte das Glas auf den Tisch und legte seine Hand auf ihre. Ihre langen, schlanken Finger mit den roten Nägeln machten keine Bewegung weg von ihm. Ihr Gesicht zeigte keine Empörung.

Es zeigte Erleichterung.

“Was ist, wenn ich nicht zurück will? Wenn ich in Indonesien bleiben will?”

Ihre Hand drehte sich um. Sie hielten sich nun ihre Hände auf dem Tisch und die Finsternis des tropischen Gartens an diesem Abend verschlang sie.

Sie ließ ihn nicht los.

“Was ist, wenn ich bei Dir bleiben will?”

Sie schaute ihn an.

Er schaute ihr in die Augen.

Tief.

Sehr tief.

Bis er im Brunnen ihrer Augen auf ihre Seele fiel wie auf ein weiches Kissen.

“Bist Du Dir sicher?”

“So sicher wie ich mir noch nie in meinem Leben war.”

Das würde alles ändern. Darren, der gefangene C.I.A.-Agent würde nach seiner Gefangenschaft nicht in sein Heimatland zurückkehren wollen, dachte Kharolina mit ihrem Kopf in den Wolken. Ihr Lächeln verwandelte sich in ein Lachen.

“Bist Du Dir sicher?”

Er nickte.

Antara, die nationale Presseagentur, könnte dies als nationale Propaganda ausschlachten. Es gäbe keine größere Demütigung für die C.I.A. und die Feinde ihres Landes.

“Ja, ich bin mir sicher. Sehr sicher.”

Sie mochte ihn.

Sehr sogar.

Vielleicht zu viel.

Sie fühlte etwas, das sie noch nie in ihrem Leben vorher gefühlt hatte.

Sie war glücklich.

Wirklich glücklich.

Sie war verliebt.

Kharolina fing an zu träumen.

Sie besuchten ein Wayang Kulit, ein javanisches Schattenspiel und hörten dem Gamelan zu. Sie aßen Sate Kambing mit Erdnusssauce. Darren verschlang die Fleischspieße aus Ziegenfleisch, die am Rande der Vorstellung von fliegenden Händlern über offenem Feuer gebraten wurden, als hätte er nicht zu Abend gegessen. Die Stimme des Dalang, des Puppenspielers, erzählte in lauten, abgehackten Worten die Geschichte des Kampfes von Gut und Böse, der nie ein klarer Gegensatz von Schwarz und Weiß war. Die Linien verschwammen und aus dem Graubereich heraus entstand die Energie die in dieser Stadt und ihren Menschen loderte wie Lava unter dem Ring des Pazifiks.

Darren wischte sich mit einer Serviette den Mund und die Finger ab. Chinesische Händler dominierten den Norden Jakarta’s. Sie nutzten die Nähe zum Hafen um Waren umzuschlagen. Hier gab es Schweinefleisch und Alkohol. Der alte holländische Stadtkern war nicht weit weg und sie schlenderten gemeinsam durch die Altstadt. Die beiden Soldaten folgten ihnen. Darren hatte sie gefragt, ob sie einen Spaziergang machen möchte und sie hatte den Wachen zugerufen,

“Ayo, jalan-jalan.”

Kommt, lasst uns spazieren gehen.

Nun überquerten sie die Grachten in der heißen javanischen Nacht und sprachen außerhalb der Reichweite der beiden Soldaten. Für Darren war es der romantischste Abend in seinem Leben. Er tat etwas Verbotenes - er bandelte mit dem Feind seines Landes an. Zumindest wollte er, dass Kharolina das glaubte. Das Schlimme war: Es fühlte sich richtig gut an, und vor allem fühlte es sich mit ihr richtig gut an. Dieser Abend verwischte die Linie zwischen Freund und Feind, zwischen Ost und West, zwischen Kommunisten und Kapitalisten wie eine Welle eine Burg aus Sand. Darren sah die Armut Jakarta’s vor sich und der Unterschied zu seiner Heimat in New York hätte größer nicht sein können. Darren verstand, dass es nicht um Kommunisten und Kapitalisten ging, sondern um das Recht der Völker, in Frieden und in Freiheit zu leben. An diesem Abend lebte Darren das erste Mal in seinem Leben wirklich. Er hörte auf seine Gefühle und seinen Bauch, atmete die stinkende Luft dieser Stadt ein als hätte er noch niemals in seinem Leben geatmet und seine Augen erlagen dem Spiel der Lichter ihrer Dunkelheit. Darren verliebte sich nicht nur in Kharolina. Er verliebte sich in Jakarta, die Stadt und ihr Chaos, ihre Menschen und ihren Willen, zu überleben. Er liebte die Energie die Jakarta zu einem Ort der Sehnsucht machte.

Die fliegenden Händler, die Javaner und die Chinesen, das holländische Erbe, der Islam und die Mystik Javas, der Duft des Essens, des Weihrauchs, die Opiumhöhlen. Jakarta ergriff ihn und mit Jakarta das Fieber, das seinen Kopf einwickelte und nicht mehr los ließ.

Was wenn er hier blieb? Wohin würde ihn sein Weg führen? Darren hatte keine Lust mehr darauf, für seine Regierung - die ihn auf seiner Gefängnisinsel im Stich gelassen hatte - eine Revolution anzustacheln und ein Regime zu Fall zu bringen.

“Wie können wir das machen?”

“Du musst Dir sicher sein, dass Du das willst. Wirklich willst.”

Sie pausierte und verlieh ihrer Aussage Nachdruck.

“Denn es gibt kein zurück. Sie werden Dich nicht gehen lassen. Wenn Du mit Präsident Sukarno spielst, wird er Dich verrotten lassen. Dann wird die Erinnerung an Deine Insel das schönste in Deinem Leben sein.”

“Dessen bin ich mir bewusst.”