Titelseite
A. Göttersagen der älteren Edda
1. Der Seherin Ausspruch
2. Das Lied von Grimnir
3. Das Lied von Wafthrudnir
4. Odhins Rabenzauber
5. Das Wegtamslied
6. Loddfafnis-Lied
7. Odhins Runenlied
8. Das Harbardslied
9. Die Sage von Hymir
10 Ögirs Trinkgelag
11. Das Lied von Alwis
12. Skirnirs Fahrt
13. Groas Erweckung
14. Das Lied von Fiölswidr
15. Das Lied von Rigr
16. Das Hyndlalied
B. Heldensagen der älteren Edda
17. Das Lied von Wölundur
18. Das Lied von Helgi dem Sohne Hiörwards
19. Das erste Lied von Helgi dem Hundingstödter
20. Das andere Lied von Helgi dem Hundingstödter
21. Sinfiötlis Ende
22. Das erste Lied von Sigurd dem Fafnirstödter
23. Das andere Lied von Sigurd dem Fafnirstödter
24. Das Lied von Fafnir
25. Das Lied von Sigurdrifa
26. Bruchstück eines Brynhildenliedes
27. Das dritte Lied von Sigurd dem Fafnirstödter
28. Brynhildens Todesfahrt
29. Das erste Gudrunenlied
30. Mord der Niflunge
31. Das andere Gudrunenlied
32. Das dritte Gudrunenlied
33. Oddruns Klage
34. Die Sage von Atli
35. Das Lied von Atli
36. Gudruns Aufreizung
37. Das Lied von Hamdir
38. Gylfis Verblendung
39. Bragis Gespräche
40. Thors und Hrungnirs Kampf
41. Thors Fahrt nach Geirrödsgard
42. Lokis Wette mit den Zwergen
43. Die Niflungen und Giukungen
44. Menja und Fenja
45. Grottenlied
46. Hrolf Kraki
47. Högni und Hilde
Impressum
Die Edda
Karl Simrock
Allen Edeln gebiet ich Andacht,
Hohen und Niedern von Heimdalls Geschlecht;
Ich will Walvaters Wirken künden,
Die ältesten Sagen, der ich mich entsinne.
Riesen acht ich die Urgebornen,
Die mich vor Zeiten erzogen haben.
Neun Welten kenn ich, neun Äste weiß ich
An dem starken Stamm im Staub der Erde.
Einst war das Alter, da Ymir lebte:
Da war nicht Sand nicht See, nicht salzge Wellen,
Nicht Erde fand sich noch Überhimmel,
Gähnender Abgrund und Gras nirgend.
Bis Börs Söhne die Bälle erhuben,
Sie die das mächtige Midgard schufen.
Die Sonne von Süden schien auf die Felsen
Und dem Grund entgrünte grüner Lauch.
Die Sonne von Süden, des Mondes Gesellin,
Hielt mit der rechten Hand die Himmelrosse.
Sonne wuste nicht wo sie Sitz hätte,
Mond wuste nicht was er Macht hätte,
Die Sterne wusten nicht wo sie Stätte hatten.
Da gingen die Berather zu den Richterstühlen,
Hochheilge Götter hielten Rath.
Der Nacht und dem Neumond gaben sie Namen,
Hießen Morgen und Mitte des Tags,
Under und Abend, die Zeiten zu ordnen.
Die Asen einten sich auf dem Idafelde,
Hof und Heiligtum hoch sich zu wölben.
(Übten die Kräfte Alles versuchend,)
Erbauten Essen und schmiedeten Erz,
Schufen Zangen und schön Gezäh.
Sie warfen im Hofe heiter mit Würfeln
Und darbten goldener Dinge noch nicht.
Bis drei der Thursentöchter kamen
Reich an Macht, aus Riesenheim.
Da gingen die Berather zu den Richterstühlen,
Hochheilge Götter hielten Rath,
Wer schaffen sollte der Zwerge Geschlecht
Aus Brimirs Blut und blauen Gliedern.
Da ward Modsognir der mächtigste
Dieser Zwerge und Durin nach ihm.
Noch manche machten sie menschengleich
Der Zwerge von Erde, wie Durin angab.
Nyi und Nidi, Nordri und Sudri,
Austri und Westri, Althiofr, Dwalin,
Nar und Nain, Nipingr, Dain,
Bifur, Bafur, Bömbur, Nori;
Ann und Anarr, Ai, Miödwitnir.
Weigr, Gandalfr, Windalfr, Thrain,
Theckr und Thorin, Thror, Witr und Litr,
Nar und Nyradr; nun sind diese Zwerge,
Regin und Raswidr, richtig aufgezählt.
Fili, Kili, Fundin, Nali,
Hepti, Wili, Hannar und Swior,
Billingr, Bruni, Bildr, Buri,
Frar, Hornbori, Frägr und Loni,
Aurwangr, Jari, Eikinskjaldi.
Zeit ists, die Zwerge von Dwalins Zunft
Den Leuten zu leiten bis Lofar hinauf,
Die aus Gestein und Klüften strebten
Von Aurwangs Tiefen zum Erdenfeld.
Da war Draupnir und Dolgthrasir,
Har, Haugspori, Hläwangr, Gloi,
Skirwir, Wirwir, Skafidr, Ai,
Alfr und Yngwi, Eikinskjaldi.
Fialar und Frosti, Finnar und Ginnar,
Heri, Höggstari, Hliodolfr, Moin.
So lange Menschen leben auf Erden,
Wird zu Lofar hinauf ihr Geschlecht geleitet.
Gingen da dreie aus dieser Versammlung,
Mächtige, milde Asen zumal,
Fanden am Ufer unmächtig
Ask und Embla und ohne Bestimmung.
Besaßen nicht Seele, und Sinn noch nicht,
Nicht Blut noch Bewegung, noch blühende Farbe.
Seele gab Odhin, Hönir gab Sinn,
Blut gab Lodur und blühende Farbe.
Eine Esche weiß ich, heißt Yggdrasil,
Den hohen Baum netzt weißer Nebel;
Davon kommt der Thau, der in die Thäler fällt.
Immergrün steht er über Urds Brunnen.
Davon kommen Frauen, vielwißende,
Drei aus dem See dort unterm Wipfel.
Urd heißt die eine, die andre Werdandi:
Sie schnitten Stäbe; Skuld hieß die dritte.
Sie legten Looße, das Leben bestimmten sie
Den Geschlechtern der Menschen, das Schicksal verkündend.
Allein saß sie außen, da der Alte kam,
Der grübelnde Ase, und ihr ins Auge sah.
Warum fragt ihr mich? was erforscht ihr mich?
Alles weiß ich, Odhin, wo du dein Auge bargst:
In der vielbekannten Quelle Mimirs.
Meth trinkt Mimir allmorgentlich
Aus Walvaters Pfand! wißt ihr was das bedeutet?
Ihr gab Heervater Halsband und Ringe
Für goldene Sprüche und spähenden Sinn.
Denn weit und breit sah sie über die Welten all.
Ich sah Walküren weither kommen,
Bereit zu reiten zum Rath der Götter.
Skuld hielt den Schild, Skögul war die andre,
Gunn, Hilde, Göndul und Geirskögul.
Hier nun habt ihr Herians Mädchen,
Die als Walküren die Welt durchreiten.
Da wurde Mord in der Welt zuerst,
Da sie mit Geeren Gulweig (die Goldkraft) stießen,
In des Hohen Halle die helle brannten.
Dreimal verbrannt ist sie dreimal geboren,
Oft, unselten, doch ist sie am Leben.
Heid hieß man sie wohin sie kam,
Wohlredende Wala zähmte sie Wölfe.
Sudkunst konnte sie, Seelenheil raubte sie,
Übler Leute Liebling allezeit.
Da gingen die Berather zu den Richterstühlen,
Hochheilge Götter hielten Rath,
Ob die Asen sollten Untreue strafen,
Oder alle Götter Sühnopfer empfahn.
Gebrochen war der Burgwall den Asen,
Schlachtkundge Wanen stampften das Feld.
Odhin schleuderte über das Volk den Spieß:
Da wurde Mord in der Welt zuerst.
Da gingen die Berather zu den Richterstühlen,
Hochheilge Götter hielten Rath,
Wer mit Frevel hätte die Luft erfüllt,
Oder dem Riesenvolk Odhurs Braut gegeben?
Von Zorn bezwungen zögerte Thôr nicht,
Er säumt selten wo er Solches vernimmt:
Da schwanden die Eide, Wort und Schwüre,
Alle festen Verträge jüngst trefflich erdacht.
Ich weiß Heimdalls Horn verborgen
Unter dem himmelhohen heiligen Baum.
Einen Strom seh ich stürzen mit starkem Fall
Aus Walvaters Pfand: wißt ihr was das bedeutet?
Östlich saß die Alte im Eisengebüsch
Und fütterte dort Fenrirs Geschlecht.
Von ihnen allen wird eins das schlimmste:
Des Mondes Mörder übermenschlicher Gestalt.
Ihn mästet das Mark gefällter Männer,
Der Seligen Saal besudelt das Blut.
Der Sonne Schein dunkelt in kommenden Sommern,
Alle Wetter wüthen: wißt ihr was das bedeutet?
Da saß am Hügel und schlug die Harfe
Der Riesin Hüter, der heitre Egdir.
Vor ihm sang im Vogelwalde
Der hochrothe Hahn, geheißen Fialar.
Den Göttern gellend sang Gullinkambi,
Weckte die Helden beim Heervater,
Unter der Erde singt ein andrer,
Der schwarzrothe Hahn in den Sälen Hels.
Ich sah dem Baldur, dem blühenden Opfer,
Odhins Sohne, Unheil drohen.
Gewachsen war über die Wiesen hoch
Der zarte, zierliche Zweig der Mistel.
Von der Mistel kam, so dauchte mich
Häßlicher Harm, da Hödur schoß.
(Baldurs Bruder war kaum geboren,
Als einnächtig Odhins Erbe zum Kampf ging.
Die Hände nicht wusch er, das Haar nicht kämmt' er,
Eh er zum Bühle trug Baldurs Tödter.)
Doch Frigg beklagte in Fensal dort
Walhalls Verlust: wißt ihr was das bedeutet?
In Ketten lag im Quellenwalde
In Unholdgestalt der arge Loki.
Da sitzt auch Sigyn unsanfter Geberde,
Des Gatten waise: wißt ihr was das bedeutet?
Gewoben weiß da Wala Todesbande,
Und fest geflochten die Feßel aus Därmen.
Viel weiß der Weise, weit seh ich voraus
Der Welt Untergang, der Asen Fall.
Grässlich heult Garm vor der Gnupahöhle,
Die Feßel bricht und Freki rennt.
Ein Strom wälzt ostwärts durch Eiterthäler
Schlamm und Schwerter, der Slidur heißt.
Nördlich stand an den Nidabergen
Ein Saal aus Gold für Sindris Geschlecht.
Ein andrer stand auf Okolnir
Des Riesen Biersaal, Brimir genannt.
Einen Saal seh ich, der Sonne fern
In Nastrand, die Thüren sind nordwärts gekehrt.
Gifttropfen fallen durch die Fenster nieder;
Mit Schlangenrücken ist der Saal gedeckt.
Im starrenden Strome stehn da und waten
Meuchelmörder und Meineidige
(Und die Andrer Liebsten ins Ohr geraunt).
Da saugt Nidhöggr die entseelten Leiber,
Der Menschenwürger: wißt ihr was das bedeutet?
Viel weiß der Weise, sieht weit voraus
Der Welt Untergang, der Asen Fall.
Brüder befehden sich und fällen einander,
Geschwister sieht man die Sippe brechen.
Der Grund erdröhnt, üble Disen fliegen;
Der Eine schont des Andern nicht mehr.
Unerhörtes eräugnet sich, großer Ehbruch.
Beilalter, Schwertalter, wo Schilde krachen,
Windzeit, Wolfszeit eh die Welt zerstürzt.
Mimirs Söhne spielen, der Mittelstamm entzündet sich
Beim gellenden Ruf des Giallarhorns.
Ins erhobne Horn bläst Heimdall laut,
Odhin murmelt mit Mimirs Haupt.
Yggdrasil zittert, die Esche, doch steht sie,
Es rauscht der alte Baum, da der Riese frei wird.
(Sie bangen alle in den Banden Hels
Bevor sie Surturs Flamme verschlingt.)
Grässlich heult Garm vor der Gnupahöhle,
Die Feßel bricht und Freki rennt.
Hrym fährt von Osten und hebt den Schild,
Jörmungandr wälzt sich im Jötunmuthe.
Der Wurm schlägt die Flut, der Adler facht,
Leichen zerreißt er; los wird Naglfar.
Der Kiel fährt von Osten, da kommen Muspels Söhne
Über die See gesegelt; sie steuert Loki.
Des Unthiers Abkunft ist all mit dem Wolf;
Auch Bileists Bruder ist ihm verbündet.
Surtur fährt von Süden mit flammendem Schwert,
Von seiner Klinge scheint die Sonne der Götter.
Steinberge stürzen, Riesinnen straucheln,
Zu Hel fahren Helden, der Himmel klafft.
Was ist mit den Asen? was ist mit den Alfen?
All Jötunheim ächzt, die Asen versammeln sich.
Die Zwerge stöhnen vor steinernen Thüren,
Der Bergwege Weiser: wißt ihr was das bedeutet?
Da hebt sich Hlins anderer Harm,
Da Odin eilt zum Angriff des Wolfs.
Belis Mörder mißt sich mit Surtur;
Schon fällt Friggs einzige Freude.
Nicht säumt Siegvaters erhabner Sohn
Mit dem Leichenwolf, Widar, zu fechten:
Er stößt dem Hwedrungssohn den Stahl ins Herz
Durch gähnenden Rachen: so rächt er den Vater.
Da kommt geschritten Hlodyns schöner Erbe,
Wider den Wurm wendet sich Odins Sohn.
Muthig trifft ihn Midgards Segner.
Doch fährt neun Fuß weit Fiörgyns Sohn
Weg von der Natter, die nichts erschreckte.
Alle Wesen müßen die Weltstatt räumen.
Schwarz wird die Sonne, die Erde sinkt ins Meer,
Vom Himmel schwinden die heitern Sterne.
Glutwirbel umwühlen den allnährenden Weltbaum,
Die heiße Lohe beleckt den Himmel.
Da seh ich auftauchen zum andernmale
Aus dem Waßer die Erde und wieder grünen.
Die Fluten fallen, darüber fliegt der Aar,
Der auf dem Felsen nach Fischen weidet.
Die Asen einen sich auf dem Idafelde,
Über den Weltumspanner zu sprechen, den großen.
Uralter Sprüche sind sie da eingedenk,
Von Fimbultyr gefundner Runen.
Da werden sich wieder die wundersamen
Goldenen Bälle im Grase finden,
Die in Urzeiten die Asen hatten,
Der Fürst der Götter und Fiölnirs Geschlecht.
Da werden unbesät die Äcker tragen,
Alles Böse beßert sich, Baldur kehrt wieder.
In Heervaters Himmel wohnen Hödur und Baldur,
Die walweisen Götter. Wißt ihr was das bedeutet?
Da kann Hönir selbst sein Looß sich kiesen,
Und beider Brüder Söhne bebauen
Das weite Windheim. Wißt ihr was das bedeutet?
Einen Saal seh ich heller als die Sonne,
Mit Gold bedeckt auf Gimils Höhn:
Da werden bewährte Leute wohnen
Und ohne Ende der Ehren genießen.
Da reitet der Mächtige zum Rath der Götter,
Der Starke von Oben, der Alles steuert.
Den Streit entscheidet er, schlichtet Zwiste,
Und ordnet ewige Satzungen an.
Nun kommt der dunkle Drache geflogen,
Die Natter hernieder aus Nidafelsen.
Das Feld überfliegend trägt er auf den Flügeln
Nidhöggurs Leichen - und nieder senkt er sich.
***
König Hraudung hatte zwei Söhne: der eine hieß Agnar, der andere Geirröd. Agnar war zehn Winter, Geirröd acht Winter alt. Da ruderten Beide auf einem Boot mit ihren Angeln zum Kleinfischfang. Der Wind trieb sie in die See hinaus. Sie scheiterten in dunkler Nacht an einem Strand, stiegen hinauf und fanden einen Hüttenbewohner, bei dem sie überwinterten. Die Frau pflegte Agnars, der Mann Geirröds und lehrte ihn schlauen Rath. Im Frühjahr gab ihnen der Bauer ein Schiff und als er sie mit der Frau an den Strand begleitete, sprach er mit Geirröd allein. Sie hatten guten Wind und kamen zu dem Wohnsitz ihres Vaters. Geirröd, der vorn im Schiffe war, sprang ans Land, stieß das Schiff zurück und sprach: fahr nun hin in böser Geister Gewalt. Das Schiff trieb in die See, aber Geirröd ging hinauf in die Burg und ward da wohl empfangen. Sein Vater war eben gestorben, Geirröd ward also zum König eingesetzt und gewann große Macht.
Odhin und Frigg saßen auf Hlidskialf und überschauten die Welt. Da sprach Odhin: "Siehst du Agnar, deinen Pflegling, wie er in der Höhle mit einem Riesenweibe Kinder zeugt; aber Geirröd, mein Pflegling, ist König und beherrscht sein Land." Frigg sprach: "Er ist aber solch ein Neiding, daß er seine Gäste quält, weil er fürchtet es möchten zu viele kommen." Odhin sagte, das sei eine große Lüge; da wetteten die Beiden hierüber. Frigg sandte ihr Schmuckmädchen Fulla zu Geirröd und trug ihr auf, den König zu warnen, daß er sich vor einem Zauberer hüte, der in sein Land gekommen sei, und gab zum Wahrzeichen an, daß kein Hund so böse sei, der ihn angreifen möge. Es war aber eine große Unwahrheit, daß König Geirröd seine Gäste so ungern speise; doch ließ er Hand an den Mann legen, den die Hunde nicht angreifen wollten. Er trug einen blauen Mantel und nannte sich Grimnir, sagte aber nicht mehr von sich, auch wenn man ihn fragte. Der König ließ ihn zur Rede peinigen und setzte ihn zwischen zwei Feuer und da saß er acht Nächte. König Geirröd hatte einen Sohn, der zehn Winter alt war und Agnar hieß nach des Königs Bruder. Agnar ging zu Grimnir, gab ihm ein volles Horn zu trinken, und sagte, der König thäte übel, daß er ihn schuldlos peinigen ließe. Grimnir trank es aus; da war das Feuer so weit gekommen, daß Grimnirs Mantel brannte. Er sprach:
Heiß bist du, Flamme, zuviel ist der Glut:
Laß uns scheiden, Lohe!
Schon brennt der Zipfel, zieh ich ihn gleich empor,
Feuer fängt der Mantel.
Acht Nächte fanden mich zwischen Feuern hier,
Daß mir Niemand Nahrung bot
Als Agnar allein; allein soll auch herschen
Geirröds Sohn über der Goten Land.
Heil dir, Agnar, da Heil dir erwünscht
Der Helden Herscher.
Für einen Trunk mag kein Andrer dir
Beßre Gabe bieten.
Heilig ist das Land, das ich liegen sehe
Den Asen nah und Alfen.
Dort in Thrudheim soll Thôr wohnen
Bis die Götter vergehen.
Ydalir heißt es, wo Uller hat
Den Saal sich erbaut.
Alfheim gaben dem Freyr die Götter im Anfang
Der Zeiten als Zahngebinde.
Die dritte Halle hebt sich, wo die heitern Götter
Den Saal mit Silber deckten.
Walaskialf heißt sie, die sich erwählte
Der As in alter Zeit.
Sökkwabeck heißt die vierte, kühle Flut
Überrauscht sie immer;
Odhin und Saga trinken alle Tage
Da selig aus goldnen Schalen.
Gladsheim heißt die fünfte, wo golden schimmert
Walhalls weite Halle:
Da kiest sich Odhin alle Tage
Vom Schwert erschlagne Männer.
Leicht erkennen können, die zu Odhin kommen,
Den Saal, wenn sie ihn sehen:
Aus Schäften ist das Dach gefügt und mit Schilden bedeckt,
Mit Brünnen die Bänke bestreut.
Leicht erkennen können, die zu Odhin kommen
Den Saal, wenn sie ihn sehen:
Ein Wolf hängt vor dem westlichen Thor,
Über ihm dreut ein Aar.
Thrymheim heißt die sechste, wo Thiassi hauste,
Jener mächtige Jote.
Nun bewohnt Skadi, die scheue Götterbraut,
Des Vaters alte Veste.
Die siebente ist Breidablick: da hat Baldur sich
Die Halle erhöht
In jener Gegend, wo der Greuel ich
Die wenigsten lauschen weiß.
Himinbiörg ist die achte, wo Heimdall soll
Der Weihestatt walten.
Der Wächter der Götter trinkt in wonnigem Hause
Da selig den süßen Meth.
Volkwang ist die neunte: da hat Freyja Gewalt
Die Sitze zu ordnen im Saal.
Der Walstatt Hälfte wählt sie täglich;
Odhin hat die andre Hälfte.
Glitnir ist die zehnte; auf goldnen Säulen ruht
Des Saales Silberdach.
Da thront Forseti den langen Tag
Und schlichtet allen Streit.
Noatun ist die eilfte: da hat Niördr
Sich den Saal erbaut.
Ohne Mein und Makel der Männerfürst
Waltet hohen Hauses.
Mit Gesträuch begrünt sich und hohem Grase
Widars Land Widi.
Da steigt der Sohn auf den Sattel der Mähre
Den Vater zu rächen bereit.
Andhrimnir läßt in Eldhrimnir
Sährimnir sieden,
Das beste Fleisch; doch erfahren Wenige,
Was die Einherier eßen.
Geri und Freki füttert der krieggewohnte
Herliche Heervater,
Da nur von Wein der waffenhehre
Odhin ewig lebt.
Hugin und Munin müßen jeden Tag
Über die Erde fliegen.
Ich fürchte, daß Hugin nicht nach Hause kehrt;
Doch sorg ich mehr um Munin.
Thundr ertönt, wo Thiodwitnirs
Fisch in der Flut spielt;
Des Stromes Ungestüm dünkt zu stark
Durch Walglaumir zu waten.
Walgrind heißt das Gitter, das auf dem Grunde steht
Heilig vor heilgen Thüren.
Alt ist das Gitter; doch ahnen Wenige
Wie sein Schloß sich schließt.
Fünfhundert Thüren und viermal zehn
Wähn ich in Walhall.
Achthundert Einherier ziehn aus je einer,
Wenn es dem Wolf zu wehren gilt.
Fünfhundert Stockwerke und viermal zehn
Weiß ich in Bilskirnirs Bau.
Von allen Häusern, die Dächer haben,
Glaub ich meines Sohns das gröste.
Heidrun heißt die Ziege vor Heervaters Saal,
Die an Lärads Laube zehrt.
Die Schale soll sie füllen mit schäumendem Meth;
Der Milch ermangelt sie nie.
Eikthyrnir heißt der Hirsch vor Heervaters Saal,
Der an Lärads Laube zehrt.
Von seinem Horngeweih tropft es nach Hwergelmir:
Davon stammen alle Ströme.
Sid und Wid, Sökin und Eikin, Swöll und Gunthro,
Fiörm und Fimbulthul,
Rin und Rennandi, Gipul und Göpul,
Gömul und Geirwimul.
Um die Götterwelt wälzen sich Thyn und Win,
Thöll und Höll, Grad und Gunthorin.
Wina heißt einer, ein anderer Wegswinn,
Ein dritter Diotnuma.
Nyt und Nöt, Nönn und Hrönn,
Slid und Hrid, Sylgr und Ylgr,
Wid und Wan, Wönd und Strönd,
Giöll und Leiptr: diese laufen den Menschen näher
Und von hier zur Hel hinab.
Körmt und Örmt und beide Kerlaug
Watet Thor täglich,
Wenn er reitet Gericht zu halten
Bei der Esche Yggdrasils;
Denn die Asenbrücke steht all in Lohe,
Heilige Fluten flammen.
Gladr und Gyllir, Gler und Skeidbrimir,
Silfrintopp und Sinir,
Gisl und Falhofnir, Gulltopp und Lettfeti:
Diese Rosse reiten die Asen
Täglich, wenn sie reiten Gericht zu halten
Bei der Esche Yggdrasils.
Drei Wurzeln strecken sich nach dreien Seiten
Unter der Esche Yggdrasils:
Hel wohnt unter einer, unter der andern Hrimthursen,
Aber unter der dritten Menschen.
Ratatöskr heißt das Eichhorn, das auf und ab rennt
An der Esche Yggdrasils:
Des Adlers Worte oben vernimmt es
Und bringt sie Nidhöggern nieder.
Der Hirsche sind vier, die mit krummem Halse
An der Esche Ausschüßen weiden:
Dain und Dwalin,
Duneyr und Durathror.
Mehr Würme liegen unter den Wurzeln der Esche
Als Einer meint der unklugen Affen.
Goin und Moin, Grafwitnirs Söhne,
Grabakr und Grafwölludr,
Ofnir und Swafnir sollen ewig
Von der Wurzeln Zweigen zehren.
Die Esche Yggdrasils duldet Unbill
Mehr als Menschen wißen.
Der Hirsch weidet oben, hohl wird die Seite,
Unten nagt Nidhöggr.
Hrist und Mist sollen das Horn mir reichen,
Skeggöld und Skögul,
Hlöck und Herfiötr, Hildur und Thrudr,
Göll und Geirölul;
Randgrid und Rathgrid und Reginleif
Schenken den Einheriern Äl.
Arwakr und Aswidr sollen immerdar
Schmachtend die Sonne führen.
Unter ihre Bugen bargen milde Mächte,
Die Asen, Eisenkühle.
Swalin heißt der Schild, der vor der Sonne steht,
Der glänzenden Gottheit.
Brandung und Berge verbrennten zumal,
Sänk er von seiner Stelle.
Sköll heißt der Wolf, der der scheinenden Gottheit
Folgt in die schützende Flut;
Hati der andre, Hrodwitnirs Sohn,
Eilt der Himmelsbraut voraus.
Aus Ymirs Fleisch ward die Erde geschaffen,
Aus dem Schweiße die See,
Aus dem Gebein die Berge, die Bäume aus dem Haar,
Aus der Hirnschale der Himmel.
Aus den Augenbrauen schufen gütge Asen
Midgard den Menschensöhnen;
Aber aus seinem Hirn sind alle hartgemuthen
Wolken erschaffen worden.
Ullers Gunst hat und aller Götter,
Wer zuerst die Lohe löscht,
Denn die Aussicht öffnet sich den Asensöhnen,
Wenn der Keßel vom Feuer kommt.
Iwalts Söhne gingen in Urtagen
Skidbladnir zu schaffen,
Das beste der Schiffe, für den schimmernden Freyr,
Niörds nützen Sohn.
Die Esche Yggdrasils ist der Bäume erster,
Skidbladnir der Schiffe,
Odhin der Asen, aller Rosse Sleipnir,
Bifröst der Brücken, Bragi der Skalden,
Habrok der Habichte, der Hunde Garm.
Mein Antlitz sahen nun der Sieggötter Söhne,
So wird mein Heil erwachen:
Alle Asen werden Einzug halten
Zu des Wüthrichs Saal,
Zu des Wüthrichs Mahl.
Ich heiße Grimr und Gangleri,
Herian und Hialmberi,
Theckr und Thridi, Thudr und Udr,
Helblindi und Har.
Sadr und Swipal und Sanngetal,
Herteitr und Hnikar,
Bileigr, Baleigr, Bölwerkr, Fiölnir,
Grimur und Glapswidr.
Sidhöttr, Sidskeggr, Siegvater, Hnikudr,
Allvater, Walvater, Atridr und Farmatyr;
Eines Namens genüge mir nie
Seit ich unter die Völker fuhr.
Grimnir hießen sie mich bei Geirrödr,
Bei Asmund Jalk;
Kialar schien ich, da ich Schlitten zog;
Thror dort im Thing;
Widr den Widersachern;
Oski und Omi, Jafnhar und Biflindi,
Göndlir und Harbard bei den Göttern.
Swidur und Swidrir hieß ich bei Söckmimir,
Als ich den alten Thursen trog,
Und Midwitnirs, des mären Unholds, Sohn
Im Einzelkampf umbrachte.
Toll bist du, Geirrödr, hast zuviel getrunken,
Der Meth ward dir Meister.
Viel verlorst du, meiner Liebe darbend:
Aller Einherier und Odhins Huld.
Viel sagt ich dir: du schlugst es in den Wind,
Die Vertrauten trogen dich.
Schon seh ich liegen meines Lieblings Schwert
Vom Blut erblindet.
Die schwertmüde Hülle hebt nun Yggr auf,
Da das Leben dich ließ:
Abhold sind dir die Disen, nun magst du Odhin schauen:
Komm heran, wenn du kannst.
Odhin heiß ich nun, Yggr hieß ich eben,
Thundr hab ich geheißen.
Wakr und Skilfingr, Wafudr und Hroptatyr,
Gautr und Jalkr bei den Göttern,
Ofnir und Swafnir: deren Ursprung weiß ich
Aller aus mir allein.
König Geirröd saß und hatte das Schwert auf den Knieen halb aus der Scheide gezogen. Als er aber vernahm, daß Odhin gekommen sei, sprang er auf und wollte ihn aus den Feuern führen. Da glitt ihm das Schwert aus den Händen, der Griff nach unten gekehrt. Der König strauchelte und durch das Schwert, das ihm entgegenstand, fand er den Tod. Da verschwand Odhin und Agnar war da König lange Zeit.
***
Odhin:
Rath Du mir nun, Frigg, da mich zu fahren lüstet
Zu Wafthrudnirs Wohnungen;
Denn groß ist mein Vorwitz über der Vorwelt Lehren
Mit dem allwißenden Joten zu streiten.
Frigg:
Daheim zu bleiben, Heervater, mahn ich dich
In der Asen Gehegen,
Da vom Stamm der Joten ich stärker keinen
Als Wafthrudnirn weiß.
Odhin:
Viel erfuhr ich, viel versucht ich,
Befrug der Wesen viel;
Nun will ich wißen wie's in Wafthrudnirs
Sälen beschaffen ist.
Frigg:
Heil denn fahre, heil denn kehre,
Heil dir auf deinen Wegen!
Dein Witz bewähre sich, da du, Weltenvater,
Mit Riesen Rede tauschest. -
Fuhr da Odhin zu erforschen die Weisheit
Des allklugen Joten.
Er kam zu der Halle, die Ims Vater hatte;
Eintrat Yggr alsbald.
Odhin:
Heil dir, Wafthrudnir! In die Halle kam ich
Dich selber zu sehen.
Zuerst will ich wißen ob du weise bist
Und ein allwißender Jote.
Wafthrudnir:
Wer ist der Mann, der in meinem Saal
Das Wort an mich wendet?
Aus kommst du nimmer aus unsern Hallen,
Wenn du nicht weiser bist.
Odhin:
Gangradr heiß ich, die Wege ging ich
Durstig zu deinem Saal.
Bin weit gewandert, des Wirths, o Riese,
Und deines Empfangs bedürftig.
Wafthrudnir:
Was hältst du und sprichst an der Hausflur, Gangradr?
Nimm dir Sitz im Saale:
So wird erkannt wer kundiger sei,
Der Gast oder der graue Redner.
Gangradr
Kehrt Armut ein beim Überfluß,
Spreche sie gut oder schweige.
Übeln Ausgang nimmt Übergeschwätzigkeit
Bei mürrischem Manne.
Wafthrudnir:
Sage denn, so du von der Flur versuchen willst,
Gangradr, dein Glück,
Wie heißt der Hengst, der herzieht den Tag
Über der Menschen Menge?
Gangradr:
Skinfaxi heißt er, der den schimmernden Tag zieht
Über der Menschen Menge.
Für der Füllen bestes gilt es den Völkern,
Stäts glänzt die Mähne der Mähre.
Wafthrudnir:
Sage denn, so du von der Flur versuchen willst,
Gangradr, dein Glück,
Den Namen des Rosses, das die Nacht bringt von Osten
Den waltenden Wesen?
Gangradr:
Hrimfaxi heißt es, das die Nacht herzieht
Den waltenden Wesen.
Mehlthau fällt ihm am Morgen vom Gebiß
Und füllt mit Thau die Thäler.
Wafthrudnir:
Sage denn, so du von der Flur versuchen willst,
Gangradr, dein Glück,
Wie heißt der Strom, der dem Stamm der Riesen
Den Grund theilt und den Göttern?
Gangradr:
Ifing heißt der Strom, der dem Stamm der Riesen
Den Grund theilt und den Göttern.
Durch alle Zeiten zieht er offen,
Nie wird Eis ihn engen.
Wafthrudnir:
Sage denn, so du von der Flur versuchen willst,
Gangradr, dein Glück,
Wie heißt das Feld, wo zum Kampf sich finden
Surtur und die selgen Götter?
Gangradr:
Wigrid heißt das Feld, da zum Kampf sich finden
Surtur und die selgen Götter.
Hundert Rasten zählt es rechts und links:
Solcher Walplatz wartet ihrer.
Wafthrudnir:
Klug bist du, Gast: geh zu den Riesenbänken
Und laß uns sitzend sprechen.
Das Haupt stehe hier in der Halle zur Wette,
Wandrer, um weise Worte.
Gangradr:
Sage zum ersten, wenn Sinn dir ausreicht
Und du es weist, Wafthrudnir,
Erd und Überhimmel, von wannen zuerst sie
Kamen? kluger Jote!
Wafthrudnir:
Aus Ymirs Fleisch ward die Erde geschaffen,
Aus dem Gebein die Berge,
Der Himmel aus der Hirnschale des eiskalten Hünen,
Aus seinem Schweiße die See.
Gangradr:
Sag mir zum andern, wenn der Sinn dir ausreicht
Und du es weist, Wafthrudnir,
Von wannen der Mond kommt, der über die Menschen fährt,
Und so die Sonne?
Wafthrudnir:
Mundilföri heißt des Mondes Vater
Und so der Sonne.
Sie halten täglich am Himmel die Runde
Und bezeichnen die Zeiten des Jahrs.
Gangradr:
Sag mir zum dritten, so du weise dünkst
Und du es weist, Wafthrudnir,
Wer hat den Tag gezeugt, der über die Völker zieht,
Und die Nacht mit dem Neumond?
Wafthrudnir:
Dellingr heißt des Tages Vater,
Die Nacht ist von Nörwi gezeugt.
Des Mondes Mindern und Schwinden schufen milde Wesen
Die Zeiten des Jahrs zu bezeichnen.
Gangradr:
Sag mir zum vierten, wenn dus erforscht hast
Und du es weist, Wafthrudnir,
Wannen der Winter kam und der warme Sommer
Zuerst den gütgen Göttern?
Wafthrudnir:
Windswalir heißt des Winters Vater,
Und Swasudr des Sommers.
Durch alle Zeiten ziehn sie selbander
Bis die Götter vergehen.
Gangradr:
Sag mir zum fünften, wenn dus erforscht hast
Und du es weist, Wafthrudnir,
Wer von den Asen der erste, oder von Ymirs Geschlecht
Im Anfang aufwuchs?
Wafthrudnir:
Im Urbeginn der Zeiten vor der Erde Schöpfung
Ward Bergelmir7 geboren.
Drudgelmir war dessen Vater,
Örgelmir sein Ahn.
Gangradr:
Sag mir zum sechsten, wenn du sinnig dünkst
Und du es weist, Wafthrudnir,
Woher Örgelmir kam den Kindern der Riesen
Zuerst? allkluger Jote.
Wafthrudnir:
Aus den Eliwagar fuhren Eitertropfen
Und wuchsen bis ein Riese ward.
Dann stoben Funken aus der südlichen Welt
Und Lohe gab Leben dem Eis.
Gangradr:
Sag mir zum siebenten, wenn du sinnig dünkst
Und du es weist, Wafthrudnir,
Wie zeugte Kinder der kühne Jötun,
Da er der Gattin irre ging?
Wafthrudnir:
Unter des Reifriesen Arm wuchs, rühmt die Sage,
Dem Thursen Sohn und Tochter.
Fuß mit Fuß gewann dem furchtbaren Riesen
Sechsgehäupteten Sohn.
Gangradr:
Sag mir zum achten, wenn man dich weise achtet,
Daß du es weist, Wafthrudnir,
Wes gedenkt dir zuerst, was weist du das älteste?
Du bist ein allkluger Jötun.
Wafthrudnir:
Im Urbeginn der Zeiten, vor der Erde Schöpfung
Ward Bergelmir geboren.
Des gedenk ich zuerst, daß der allkluge Jötun
Im Boot geborgen ward.
Gangradr:
Sag mir zum neunten, wenn man dich weise nennt
Und du es weist, Wafthrudnir,
Woher der Wind kommt, der über die Waßer fährt
Unsichtbar den Erdgebornen.
Wafthrudnir:
Hräswelg heißt der an Himmels Ende sitzt
In Adlerskleid ein Jötun.
Mit seinen Fittichen facht er den Wind
Über alle Völker.
Gangradr:
Sag mir zum zehnten, wenn der Götter Zeugung
Du weist, Wafthrudnir,
Wie kam Neördr aus Noatun
Unter die Asensöhne?
Höfen und Heiligtümern hundert gebietet er
Und ist nicht asischen Ursprungs.
Wafthrudnir:
In Wanaheim schufen ihn weise Mächte
Und gaben ihn Göttern zum Geisel.
Am Ende der Zeiten soll er aber kehren
Zu den weisen Wanen.
Gangradr:
Sag mir zum eilften, wenn der Asen Geschicke
Du weist, Wafthrudnir,
In Heervaters Halle was die Helden schaffen
Bis die Götter vergehen?
Wafthrudnir:
Die Einherier alle in Odhins Saal
Streiten Tag für Tag;
Sie kiesen den Wal und reiten vom Kampf heim
Mit Asen Äl zu trinken,
Und Sährimnirs satt
Sitzen sie friedlich beisammen.
Gangradr:
Sag mir zum zwölften, wenn der Götter Zukunft
Du alle weist, Wafthrudnir,
Von der Joten und aller Asen Geheimnissen
Sag mir das Sicherste,
Allkluger Jötun.
Wafthrudnir:
Von der Joten und aller Asen Geheimnissen
Kann ich Sicheres sagen,
Denn alle durchwandert hab ich die Welten,
Neun Reiche bereist ich bis Nifelheim nieder;
Da fahren die Helden zu Hel.
Gangradr:
Viel erfuhr ich, viel versucht ich,
Befrug der Wesen viel.
Wer lebt und leibt noch, wenn der lang besungne
Schreckenswinter schwand?
Wafthrudnir:
Lif und Lifthrasir leben verborgen
In Hoddmimirs Holz.
Morgenthau ist all ihr Mal:
Von ihnen stammt ein neu Geschlecht.
Gangradr:
Viel erfuhr ich, viel versucht ich,
Befrug der Wesen viel.
Wie kommt eine Sonne an den klaren Himmel,
Wenn diese Fenrir fraß?
Wafthrudnir:
Eine Tochter entstammt der stralenden Göttin
Eh der Wolf sie würgt:
Glänzend fährt nach der Götter Fall
Die Maid auf den Wegen der Mutter.
Gangradr:
Viel erfuhr ich, viel versucht ich,
Befrug der Wesen viel.
Wie heißen die Mädchen, die das Meer der Zeit
Vorwißend überfahren?
Wafthrudnir:
Drei über der Völker Vesten schweben
Mögthrasirs Mädchen,
Die einzigen Huldinnen der Erdenkinder,
Wenn auch bei Riesen auferzogen.
Gangradr:
Viel erfuhr ich, viel versucht ich,
Befrug der Wesen viel.
Wer waltet der Asen des Erbes der Götter,
Wenn Surturs Lohe losch?
Wafthrudnir:
Widar und Wali walten des Heiligtums,
Wenn Surturs Lohe losch.
Modi und Magni sollen Miölnir schwingen
Und zu Ende kämpfen den Krieg.
Gangradr:
Viel erfuhr ich, viel versucht ich,
Befrug der Wesen viel.
Was wird Odhins Ende werden,
Wenn die Götter vergehen?
Wafthrudnir:
Der Wolf erwürgt den Vater der Welten:
Das wird Widar rächen.
Die kalten Kiefern wird er klüften
Im letzten Streit dem starken.
Gangradr:
Viel erfuhr ich, viel versucht ich,
Befrug der Wesen viel:
Was sagte Odhin ins Ohr dem Sohn
Eh er die Scheitern bestieg?
Wafthrudnir:
Nicht Einer weiß was in der Urzeit du
Sagtest dem Sohn ins Ohr.
Den Tod auf dem Munde meldet' ich Schicksalsworte
Von der Asen Ausgang.
Mit Odhin kämpft ich in klugen Reden:
Du wirst immer der Weiseste sein.
***
Allvater waltet, Alfen verstehn,
Wanen wißen, Nornen weisen,
Iwidie nährt, Menschen dulden,
Thursen erwarten, Walküren trachten.
Die Asen ahnten übles Verhängnis,
Verwirrt von widrigen Winken der Seherin.
Urda sollte Odhrärir bewachen,
Wenn sie wüßte so großem Schaden zu wehren.
Auf hub sich Hugin den Himmel zu suchen;
Unheil fürchteten die Asen, verweil er.
Thrains Ausspruch ist schwerer Traum,
Dunkler Traum ist Dains Ausspruch.
Den Zwergen schwindet die Stärke. Die Himmel
Neigen sich nieder zu Ginnungs Nähe.
Alswidr läßt sie oftmals sinken,
Oft die sinkenden hebt er aber empor.
Nirgend haftet Sonne noch Erde,
Es schwanken und stürzen die Ströme der Luft.
In Mimirs klarer Quelle versiecht
Die Weisheit der Männer. Wißt ihr was das bedeutet?
Im Thale weilt die vorwißende Göttin
Hinab von Yggdrasils Esche gesunken,
Alfengeschlechtern Idun genannt,
Die Jüngste von Iwalts ältern Kindern.
Schwer erträgt sie dieß Niedersinken
Unter des Laubbaums Stamm gebannt.
Nicht behagt es ihr bei Nörwis Tochter,
An heitere Wohnung gewöhnt so lange.
Die Sieggötter sehen die Sorge Nannas
Um die niedre Wohnung: sie geben ihr ein Wolfsfell.
Damit bekleidet verkehrt sie den Sinn,
Freut sich der Auskunft, erneut die Farbe.
Wählte Widrir den Wächter der Brücke,
Den Giallarertöner, die Göttin zu fragen
Was sie wiße von den Weltgeschicken.
Ihn geleiten Loptr und Bragi.
Weihlieder sangen, auf Wölfen ritten
Die Herscher und Hüter der Himmelswelt.
Odhin spähte von Hlidskialfs Sitz
Und wandte weit hinweg die Zeugen.
Der Weise fragte die Wächterin des Tranks,
Ob von den Asen und ihren Geschicken
Unten im Hause der Hel sie wüsten
Anfang und Dauer und endlichen Tod.
Sie mochte nicht reden, nicht melden konnte sies:
Wie begierig sie fragten, sie gab keinen Laut.
Zähren schoßen aus den Spiegeln des Haupts,
Mühsam verhehlt, und netzten die Hände.
Wie schlafbetäubt erschien den Göttern
Die Harmvolle, die des Worts sich enthielt.
Jemehr sie sich weigerte, je mehr sie drängten;
Doch mit allem Forschen erfragten sie nichts.
Da fuhr hinweg der Vormann der Botschaft,
Der Hüter von Herians gellendem Horn.
Den Sohn der Nal nahm er zum Begleiter;
Als Wächter der Schönen blieb Odhins Skalde.
Gen Wingolf kehrten Widrirs Gesandte,
Beide von Forniots Freunden getragen.
Eintraten sie itzt und grüßten die Asen,
Yggrs Gefährten beim fröhlichen Mal.
Sie wünschten dem Odhin, dem seligsten Asen,
Lang auf dem Hochsitz der Lande zu walten;
Den Göttern, beim Gastmal vergnügt sich zu reihen,
Bei Allvater ewiger Ehren genießend.
Nach Bölwerks Gebot auf die Bänke vertheilt,
Von Sährimnir speisend saßen die Götter.
Skögul schenkte in Hnikars Schalen
Den Meth und maß ihn aus Mimirs Horn.
Mancherlei fragten über dem Male
Den Heimdal die Götter, die Göttinnen Loki,
Ob Spruch und Spähung gespendet die Jungfrau -
Bis Dunkel am Abend den Himmel deckte.
Übel, sagten sie, sei es ergangen,
Erfolglos die Werbung, und wenig erforscht.
Nur mit List gewinnen ließe der Rath sich,
Daß ihnen die Göttliche Auskunft gäbe.
Antwort gab Omi, sie Alle hörten es:
"Die Nacht ist zu nützen zu neuem Entschluß.
Bis Morgen bedenke Wer es vermag
Glücklichen Rath den Göttern zu finden."
Über die Wege von Walis Mutter
Nieder sank die Nahrung Fenrirs.
Vom Gastmal schieden die Götter entlaßend
Hroptr und Frigg, als Hrimfaxi auffuhr.
Da hebt sich von Osten aus den Eliwagar
Des reifkalten Riesen dornige Ruthe,
Mit der er in Schlaf die Völker schlägt,
Die Midgard bewohnen, vor Mitternacht.
Die Kräfte ermatten, ermüden die Arme,
Schwindelnd wankt der weiße Schwertgott.
Ohnmacht befällt sie in der eisigen Nachtluft,
Die Sinne schwanken der ganzen Versammlung.
Da trieb aus dem Thore wieder der Tag
Sein schön mit Gestein geschmücktes Ross;
Weit über Mannheim glänzte die Mähne:
Des Zwergs Überlisterin zog es im Wagen.
Am nördlichen Rand der nährenden Erde
Unter der Urbaums äußerste Wurzel
Gingen zur Ruhe Gygien und Thursen,
Gespenster, Zwerge und Schwarzalfen.
Auf standen die Herscher und die Alfenbestralerin;
Die Nacht sank nördlich gen Nifelheim.
Ulfrunas Sohn stieg Argiöl hinan,
Der Hornbläser, zu den Himmelsbergen.
***
Die Asen eilten all zur Versammlung
Und die Asinnen all zum Gespräch:
Darüber beriethen die himmlischen Richter,
Warum den Baldur böse Träume schreckten?
(Ihm schien der schwere Schlaf ein Kerker,
Verschwunden des süßen Schlummers Labe.
Da fragten die Fürsten vorschaunde Wesen,
Ob ihnen das wohl Unheil bedeute?
Die Gefragten sprachen: "Dem Tode verfallen ist
Ullers Freund, so einzig lieblich."
Darob erschraken Swafnir und Frigg,
Und alle die Fürsten sie faßten den Schluß:
"Wir wollen besenden die Wesen alle,
Frieden erbitten, daß sie Baldurn nicht schaden."
Alles schwur Eide, ihn zu verschonen;
Frigg nahm die festen Schwür in Empfang.
Allvater achtete das ungenügend,
Verschwunden schienen ihm die Schutzgeister all.
Die Asen berief er Rath zu heischen;
Am Mahlstein gesprochen ward mancherlei.)
Auf stand Odhin, der Allerschaffer,
Und schwang den Sattel auf Sleipnirs Rücken.
Nach Nifelheim hernieder ritt er;
Da kam aus Hels Haus ein Hund ihm entgegen,
Blutbefleckt vorn an der Brust,
Kiefer und Rachen klaffend zum Biß,
So ging er entgegen mit gähnendem Schlund
Dem Vater der Lieder und bellte laut.
Fort ritt Odhin, die Erde dröhnte,
Zu dem hohen Hause kam er der Hel.
Da ritt Odhin ans östliche Thor,
Wo er der Wala wuste den Hügel.
Das Wecklied begann er der Weisen zu singen,
(Nach Norden schauend schlug er mit dem Stabe
Sprach die Beschwörung Bescheid erheischend)
Bis gezwungen sie aufstand Unheil verkündend.
Wala.
Welcher der Männer, mir unbewuster,
Schafft die Beschwerde mir solchen Gangs?
Schnee beschneite mich, Regen beschlug mich,
Thau beträufte mich, todt war ich lange.
Odhin.
Ich heiße Wegtam, bin Waltams Sohn.
Wie ich von der Oberwelt sprich von der Unterwelt.
Wem sind die Bänke mit Baugen (Ringen) bestreut,
Die glänzenden Betten mit Gold bedeckt?
Wala.
Hier steht dem Baldur der Becher eingeschenkt,
Der schimmernde Trank, vom Schild bedeckt.
Die Asen alle sind ohne Hoffnung.
Genöthigt sprach ich, nun will ich schweigen.
Wegtam.
Schweig nicht, Wala, ich will dich fragen
Bis Alles ich weiß. Noch wüst ich gerne:
Welcher der Männer ermordet Baldurn,
Wird Odhins Erben das Ende fügen?
Wala.
Hieher bringt Hödr den hochberühmten,
Er wird der Mörder werden Baldurs,
Wird Odhins Erben das Ende fügen.
Genöthigt sprach ich, nun will ich schweigen.
Wegtam.
Schweig nicht, Wala, ich will dich fragen
Bis Alles ich weiß. Noch wüst ich gerne:
Wer wird uns Rache gewinnen an Hödur,
Und zum Bühle bringen Baldurs Mörder?
Wala.
Rindur im Westen gewinnt den Sohn,
Der einnächtig, Odhins Erbe, zum Kampf geht.
Er wäscht die Hand nicht, das Haar nicht kämmt er
Bis er zum Bühle brachte Baldurs Mörder.
Genöthigt sprach ich, nun will ich schweigen.
Wegtam.
Schweig nicht, Wala, ich will dich fragen
Bis Alles ich weiß. Noch wüst ich gerne:
Wie heißt das Weib, die nicht weinen will
Und himmelan werfen des Hauptes Schleier?
Sage das Eine noch, nicht eher schläfst du.
Wala.
Du bist nicht Wegtam wie erst ich wähnte,
Odhin bist du der Allerschaffer.
Odhin.
Du bist keine Wala, kein wißendes Weib,
Vielmehr bist du dreier Thursen Mutter.
Wala.
Heim reit nun, Odhin, und rühme dich:
Kein Mann kommt mehr mich zu besuchen
Bis los und ledig Loki der Bande wird
Und der Götter Dämmerung verderbend einbricht.
***
Zeit ists zu reden vom Rednerstuhl.
An dem Brunnen Urdas
Saß ich und schwieg, saß ich und dachte
Und merkte der Männer Reden.
Von Runen hört ich reden und vom Ritzen der Schrift
Und vernahm auch nütze Lehren.
Bei des Hohen Halle, in des Hohen Halle
Hört ich sagen so:
Dieß rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst.
Steh Nachts nicht auf, wenn die Noth nicht drängt,
Du wärst denn zum Wächter geordnet.
Das rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst.
In der Zauberfrau Schooß schlaf du nicht,
So daß ihre Glieder dich gürten.
Sie bethört dich so, du entsinnst dich nicht mehr
Des Gerichts und der Rede der Fürsten,
Gedenkst nicht des Mals noch männlicher Freuden,
Sorgenvoll suchst du dein Lager.
Das rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst.
Des Andern Frau verführe du nicht
Zu heimlicher Zwiesprach.
Das rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst.
Über Furten und Felsen so du zu fahren hast,
So sorge für reichliche Speise.
Dem übeln Mann eröffne nicht
Was dir Widriges widerfährt:
Von argem Mann erntest du nimmer doch
So guten Vertrauns Vergeltung.
Verderben stiften einem Degen sah ich
Übeln Weibes Wort:
Die giftige Zunge gab ihm den Tod,
Nicht seine Schuld.
Gewannst du den Freund, dem du wohl vertraust,
So besuch ihn nicht selten,
Denn Strauchwerk grünt und hohes Gras
Auf dem Weg, den Niemand wandelt.
Das rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst.
Guten Freund gewinne dir zu erfreuender Zwiesprach;
Heilspruch lerne so lange du lebst.
Altem Freunde sollst du der erste
Den Bund nicht brechen.
Das Herz frißt dir Sorge, magst du keinem mehr sagen
Deine Gedanken all.
Das rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst.
Mit ungesalznem Narren sollst du
Nicht Worte wechseln.
Von albernem Mann magst du niemals
Guten Lohn erlangen.
Nur der Wackere mag dir erwerben
Guten Leumund durch sein Lob.
Das ist Seelentausch, sagt Einer getreulich
Dem Andern Alles was er denkt.
Nichts ist übler als unstät sein:
Der ist kein Freund, der zu Gefallen spricht.
Das rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst.
Drei Worte nicht sollst du mit dem Schlechtern wechseln:
Oft unterliegt der Gute,
Der mit dem Schlechten streitet.
Schuhe nicht sollst du noch Schäfte machen
Für Andre als für dich:
Sitzt der Schuh nicht, ist krumm der Schaft,
Wünscht man dir alles Übel.
Das rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst.
Wo Noth du findest, deren nimm dich an;
Doch gieb dem Feind nicht Frieden.
Das rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst.
Dich soll Andrer Unglück nicht freuen;
Ihren Vortheil laß dir gefallen.
Das rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst.
Nicht aufschaun sollst du im Schlachtgetöse:
Ebern ähnlich wurden oft Erdenkinder;
So aber zwingt dich kein Zauber.
Willst du ein gutes Weib zu deinem Willen bereden
Und Freude bei ihr finden,
So verheiß ihr Holdes und halt es treulich:
Des Guten wird die Maid nicht müde.
Sei vorsichtig, doch seis nicht allzusehr,
Am meisten seis beim Meth
Und bei des Andern Weib; auch wahre dich
Zum dritten vor der Diebe List.
Mit Schimpf und Hohn verspotte nicht
Den Fremden noch den Fahrenden.
Selten weiß der zu Hause sitzt
Wie edel ist, der einkehrt.
Laster und Tugenden liegen den Menschen
In der Brust beieinander.
Kein Mensch ist so gut, daß nichts ihm mangle,