1

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die gleichzeitige Verwendung weiblicher und männlicher Sprachformen verzichtet und das generische Maskulinium verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

2

Aus Platzgründen wird in der vorliegenden Arbeit nicht weiter auf Patientenlotsen im Allgemeinen eingegangen. Umfassende Informationen und Ergebnisse hierzu sind in der Studie zum Versorgungsmanagement durch Patientenlotsen des IGES Instituts zu finden (Braeseke et al., 2018).

3

Um Vereine in Nordrhein-Westfalen beim Aufbau neuer Schlaganfall-Rehasportgruppen zu unterstützen, hat die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe das Projekt „SPORTnachSCHLAG“ ins Leben gerufen. Neue Gruppen mit qualifizierter Übungsleitung werden gegründet und die Netzwerkentwicklung bindet die am Rehabilitationsprozess beteiligten Akteure ein.

Cover

Handbuch Schlaganfall-Lotsen

Leitfaden für die Einführung von Schlaganfall-Lotsen auf Basis des STROKE OWL-Projekts

Herausgegeben von

Dr. Michael Brinkmeier

Dr. Georg Galle

von

Victoria Teipen

Silke Bode



medhochzwei

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Bei der Herstellung des Werkes haben wir uns zukunftsbewusst für umweltverträgliche und wiederverwertbare Materialien entschieden.

ISBN 978-3-86216-882-8

© 2021 medhochzwei Verlag GmbH, Heidelberg

www.medhochzwei-verlag.de

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ePub: Reemers Publishing Services GmbH, Krefeld

Umschlaggestaltung: Wachter Kommunikationsdesign, St. Martin

Titelbild: Alexander Chaikin/shutterstock.com

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Geleitwort

Vorwort

1 Einleitung

2 Versorgungssituation von Schlaganfall-Patienten in Deutschland

3 Das Projekt STROKE OWL

4 Umsetzung des Care und Case Management-Prozesses

4.1 Prozessschritte anhand des CM-Regelkreises

4.2 Qualitätsmanagement

4.2.1 Qualitätszirkel

4.2.2 Fallsupervisionen

4.2.3 Überwachung der Dateneingabe

4.3 Weiterbildung und Qualifizierung zum Schlaganfall-Lotsen

4.4  Rahmenempfehlung für die Implementierung von Schlaganfall-Lotsen

4.4.1 Organisationsebene

4.4.2 Schlaganfall-Lotsen-Ebene

4.5 Netzwerkarbeit

4.6 Evaluation

5 Serviceleistungen der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe

6 Ausblick

Literatur

Danksagung

Herausgeber- und Autorenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

BAR

Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation

BMC

Bundesverband Managed Care

BÄK

Bundesärztekammer

CM

Case Management

DGCC

Deutsche Gesellschaft für Care und Case Management

DGN

Deutsche Gesellschaft für Neurologie

DSG

Deutsche Schlaganfall Gesellschaft

DQR

Deutscher Qualifikationsrahmen

G-BA

Gemeinsamer Bundesausschuss

ICP

Integrated Care Pathways

KIS

Krankenhausinformationssystem

KVWL

Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe

MD

Medizinischer Dienst

MDK

Medizinischer Dienst der Krankenversicherung

MOCA

Motivational Case Management

OWL

Ostwestfalen-Lippe

SOAG

Selbstorganisierte Arbeitsgruppen

SL

Schlaganfall-Lotsen

Stiftung

Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe

SUP

Supervision

SGB

Sozialgesetzbuch

TIA

transitorische ischämische Attacke

Geleitwort

Das „Handbuch Schlaganfall-Lotsen“ ist im Rahmen eines Modellvorhabens (STROKE OWL) entstanden. Es soll ein Leitfaden sein für Interessierte, insbesondere aber für Fachkräfte, Leitungen und Verantwortliche, die ihrerseits vorhaben oder planen, das Modell zu implementieren. Klar ist, dass gemachte Erfahrungen nur eingeschränkt übertragbar sind, zumal das Modell der Schlaganfall-Lotsen nicht trivial ist. Es ist orientiert am Care und Case Management, einem Handlungsansatz, der sich besonders dafür eignet, komplexe und mehrdimensionale „Fälle“ (also unübersichtliche und herausfordernde Situationen) zu managen. In der Praxis geht es darum, Menschen, die von einem Schlaganfall betroffen sind (Patient:in und Angehörige) durch den Dschungel der Hilfen zu lotsen, ihnen eine Wegeleitung anzubieten und für sie eine verlässliche Ansprechperson zu sein. Diese professionelle Aufgabe ist im Einzelfall aber nur zu bewerkstelligen, wenn gleichzeitig ein (interdisziplinäres) Versorgungsnetz in der Region entsteht. Daher wird sowohl von Care (Versorgungsgestaltung) als auch von Case Management (Fallsteuerung) gesprochen. Zur Erfüllung der Aufgaben ist eine umfassende Kompetenz der Lotsen und deren Anstellungsträger erforderlich.

In dem Handbuch werden die einzelnen Schritte und Prozessketten vorgestellt und erläutert. Was muss geklärt werden, wer ist alles einzubeziehen, wie können andere Akteure eingebunden werden, welche Methoden, welche Instrumente sind wichtig? Den Autorinnen ist es gelungen, theoretisch fundiert und praxisnah so wenig wie möglich, aber so viel wie notwendig, zu Papier zu bringen, um das Lotsen-Modell anschaulich darzustellen.

Wenn Sie das Buch gelesen haben, stellen Sie fest, dass es kein Rezeptbuch ist, aber Sie wissen, was zu tun ist und haben eine Vorstellung davon, wie die Lotsentätigkeit aussehen könnte und was Sie und Ihre Organisation alles benötigen. Lassen Sie sich inspirieren – es braucht qualitativ gute Umsetzungen, damit Patient:innen so begleitet und unterstützt werden, dass sie (wieder) Lebensqualität und Teilhabe erfahren.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.

Prof. Dr. Peter Löcherbach
Katholische Hochschule Mainz
Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Care und Case Management (DGCC)

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

Patientenlotsen sind mittlerweile praxisfest. Viele Projekte, insbesondere im Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses, greifen die Idee des Care und Case Management auf und wenden diese auf Indikationen oder Lebenslagen an. Der Diskurs über die Verankerung von Lotsen in unserem Gesundheits- und Sozialsystem hat deutlich Fahrt aufgenommen und mittlerweile die Politik erreicht. Wir dürfen davon ausgehen, dass in dieser Wahlperiode grundlegende Beschlüsse zur Einführung von Lotsen gefasst werden, vielleicht sogar in Form eines Lotsengesetzes. Die politischen Entscheider werden sich dabei an den Ergebnissen und Empfehlungen der herausragenden Lotsenprojekte orientieren.

STROKE OWL gehört zu den großen und sehr sichtbaren Innovationsfondsprojekten. Mit den Schlaganfall-Lotsen in Ostwestfalen-Lippe will eine ganze Region zeigen, wie eine optimale Versorgung von Schlaganfall-Betroffenen aussehen kann, und dies mit einer sehr pragmatischen Grundhaltung. Mit diesem „Handbuch Schlaganfall-Lotsen“ halten Sie diesen in Papier geronnenen Pragmatismus in den Händen, und das auch noch evidenzbasiert und qualitätsorientiert. Unser Handbuch hat zuvorderst den Zweck, dass Sie das durch STROKE OWL erzeugte Wissen benutzen, um nach der Kochbuch-Methode auch in Ihrer Region Schlaganfall-Lotsen auf den Weg zu bringen. Aber wir freuen uns auch, wenn Sie es, allein mit sympathischem Interesse lesen; es ist keine Zeitverschwendung.

Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe hat ein klares Ziel: Zum Ende des Jahrzehnts hat jede und jeder von einem Schlaganfall Betroffene Zugang zu einem Schlaganfall-Lotsen. Das werden wir schaffen. Helfen Sie mit, dieses Ziel noch schneller zu erreichen!

Dr. Michael Brinkmeier
Vorstandsvorsitzender Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe

Gütersloh, im September 2021

1 Einleitung

Die Einführung von Patientenlotsen in das deutsche Gesundheitswesen wird eine der wichtigsten Innovationen in der Versorgung von Patientinnen und Patienten1 der 2020er-Jahre sein. Das wird schon heute in den Zwischenbilanzen zu den Innovationsfonds-Projekten deutlich, in denen die Lotsen eine herausragende Stellung einnehmen (Engehausen, 2021). Die Patientenbeauftragte der Bundesregierung geht dementsprechend in ihrem Geleitwort zu einer Anfang 2021 erschienenen Bilanz zum Innovationsfonds gezielt auf die neue Versorgungsform der Patientenlotsen ein und schreibt, dass diese künftig „einen wichtigen Beitrag dazu leisten können, die Gesundheitskompetenz zu stärken sowie die Behandlungsergebnisse und damit letztlich die Gesundheit und die Lebensqualität der Menschen zu verbessern“ (Claudia Schmidtke).

Der Schlaganfall ist eines der großen Krankheitsbilder, bei denen Lotsen Betroffenen und deren Angehörigen eine wichtige, in der Regel sogar unverzichtbare Unterstützung bieten. Die hohe gesellschaftliche Relevanz des Schlaganfalls wird anhand von wenigen Daten und Fakten deutlich. In Deutschland und in den westlichen Industrienationen zählt der Schlaganfall zu den häufigsten Erkrankungen und steht hier an dritter Stelle der Todesursachen. Im Jahr 2016 starben in Deutschland 56.000 Menschen an einer zerebrovaskulären Erkrankung, zu denen als wichtigstes Krankheitsbild der Schlaganfall gehört. Die Überlebenden weisen häufig schwere Behinderungen sowie massive Funktionseinschränkungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens auf. Viele Erkrankte sind von bleibenden Symptomen betroffen. Diese äußern sich in Lähmungen, Sprachstörungen, kognitiven Beeinträchtigungen und Depressionen. Der Schlaganfall ist damit hauptursächlich für dauerhafte Behinderung und Pflegebedürftigkeit im Erwachsenenalter.

Ziel des STROKE OWL-Projekts der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe ist die Verbesserung der Nachsorge für Schlaganfall-Betroffene. Hier bestehen seit Jahrzehnten die größten Defizite in der Versorgung von Schlaganfall-Patienten. Im Gesundheitswesen fehlen bis heute fallbezogene Ansprechpartner, die Patienten und Angehörige nach dem Schlaganfall begleiten und für eine begrenzte Zeit beratend und koordinierend zur Seite stehen. Die zahlreichen Unterstützungsangebote, die unser Gesundheitssystem ohne Zweifel bereits heute bietet, sind in der Regel nicht bekannt und können von den in der akuten Situation überforderten Betroffenen nicht ohne Hilfe erschlossen werden. Erst der Lotse gibt die notwendige Orientierung in der Komplexität der Anforderungen und Angebote, mit denen sich die Patienten im Alltag konfrontiert sehen.

Das Schlaganfall-Lotsen-Projekt STROKE OWL ist eines von zahlreichen Patientenlotsen-Projekten, die es schon heute deutschlandweit gibt. Mit der Größe und Strahlkraft, die das Projekt in den vergangenen Jahren entfaltet hat, gehört es unbestritten zu den herausragenden Lotsenprojekten mit der größten Aufmerksamkeit, insbesondere auch bei den politischen Entscheidungsträgern. Im Jahr 2020 hat der Bundesverband Managed Care [BMC] eine Befragung von Lotsenprojekten durchgeführt. An dieser Umfrage haben sich insgesamt 38 Modellprojekte beteiligt, in denen bereits heute ca. 75.000 Patienten Leistungen von Patientenlotsen erhalten. Der vielfältige Unterstützungsbedarf durch Lotsen zeigt sich beim Leistungsumfang: In nahezu allen Projekten informieren sie über Versorgungsleistungen, koordinieren unterschiedliche Versorgungsangebote, unterstützen bei der Inanspruchnahme von Leistungen und halten Therapie- und Versorgungsmaßnahmen nach. Im Bereich des Sozialrechts beraten die Lotsen über die Leistungen von gleich drei Sozialgesetzbüchern, dem SGB V (Gesetzliche Krankenversicherung), SGB XI (Soziale Pflegeversicherung) und SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe) (Brinkmeier, 2020b; Galle & Brinkmeier, 2021). Dabei werden die Patientenlotsen in den verschiedensten Fachrichtungen und Indikationen eingesetzt. Neben den Lotsen in den Schlaganfall-Projekten gibt es sie vor allem in der Geriatrie, Onkologie, bei psychischen Erkrankungen sowie zahlreichen weiteren Einsatzgebieten, wie z. B. Kardiologie, Osteoporose, Demenz, Parkinson, Adipositas oder Suchterkrankungen.

Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe hat die im STROKE OWL-Projekt entwickelte Lotsenintervention bereits heute über die Modellregion Ostwestfalen-Lippe hinaus in vielen weiteren Städten und Regionen in Deutschland etablieren können. So gibt es Stand September 2021 Schlaganfall-Lotsen in Hanau, Recklinghausen, Marl, Düsseldorf, in Ansbach und Erlangen, die nach dem STROKE OWL-Lotsenpfad arbeiten. Aus weiteren Regionen in Deutschland und Europa erreichen die Stiftung immer mehr Anfragen, wie auch dort künftig Schlaganfall-Lotsen in die Versorgung implementiert werden können. Der Bedarf ist vorhanden.

In unserem „Handbuch Schlaganfall-Lotsen“ sind die vielfältigen Erfahrungen, die wir in der vierjährigen Laufzeit des STROKE OWL-Projekts dank der Förderung durch den Innovationsfonds sammeln konnten, in kompakter Form zusammengefasst. Für ein Ausrollen der Lotsenintervention müssen Werkzeuge, wie Handbücher, Leitfäden, Schulungen und Multiplikatoren, vorhanden sein, um die Innovation erfolgreich in die Fläche tragen zu können. Die Guidelines für den deutschlandweiten Transfer in die Regionen finden Sie in diesem Handbuch.

Entsprechend dem Auftrag des Innovationsfonds an die Projekte setzen wir damit Standards und schaffen die Grundlagen dafür, dass es einheitliche Vorgaben und Richtlinien bei der Implementierung von Schlaganfall-Lotsen gibt. Diese Standardisierung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um einerseits für künftige Leistungserbringer Prozesse und Strukturen verbindlich zu definieren und andererseits den Kostenträgern die Sicherheit zu geben, dass die aufgewendeten finanziellen Mittel entsprechend wissenschaftlich gewonnener Erkenntnisse und evaluierter Standards investiert werden.

Bei der Setzung neuer Standards im Bereich der Schlaganfall-Versorgung kann die 1993 von Liz Mohn gegründete Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe auf langjährige Erfahrungen zurückblicken. Die Einführung von Stroke Units, also Schlaganfall-Akutstationen, in Deutschland wurde maßgeblich von der Stifterin vorangetrieben. Deutschlandweit existieren Stand heute mehr als 330 Stroke Units. Das Zertifizierungsverfahren für diese Stationen wurde gemeinsam mit der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft entwickelt und ist heute der anerkannte Standard in der Akutversorgung bei Schlaganfall und weltweit vorbildlich.

Die Einführung einer flächendeckenden Versorgung von Schlaganfall-Patienten durch Schlaganfall-Lotsen wird ein weiterer Meilenstein für Patienten und deren Angehörige sein. Die seit Jahrzehnten bekannten Defizite in der Nachsorge können auf diese Weise endlich überwunden werden. Das vorliegende „Handbuch Schlaganfall-Lotsen“ soll dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Dr. Georg Galle,
Leiter in der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe für das Innovationsfonds-Projekt „STROKE OWL – Schlaganfall-Lotsen für Ostwestfalen-Lippe“