Susanne Diehm, Prof. Dr. Jalid Sehouli, Dr. Adak Pirmorady
Gesund leben
Schreiben für Gesundheit und Lebensfreude
Ein Übungs- und Lesebuch nach den Konzepten von Susanne Diehm für die Online-Seminare der Stiftung Eierstockkrebs und Schreibseminare an der Frauenklinik der Charité
Als Anregung für Menschen mit chronischen Krankheiten und für die Weiterbildung als Schreibpädagog*in
mit den Autorinnen Barbara, Gika, Ilona, Laura, Nives und Uta
Edition SCHREIBERLEBNIS
Copyright: © 2021 Edition Schreiberlebnis Berlin, alle Autorinnen haben Copyright für jeweils ihren Text.
Druck und Verlag Printbook: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Cover-Foto: Dr. Adak Pirmorady
Foto Adak Pirmorady: Moritz Vennemann
sonstige Fotos: Karla Matthies und privat
Layout, Lektorat: KORRLAY – Iris van Beek
Printed in Germany
Edition Schreiberlebnis Berlin
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Herausgeberin Susanne Diehm reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Wie sagte es einer unserer Väter der Berliner Charité, der Arzt und Forscher Rudolf Virchow (1821-1902): ... dass die Medizin eine Einheitswissenschaft sein sollte, „die Summe alles Wissens vom Menschen“, die „summa medicinae“. Daher kommt der Krankheitsbekämpfung die gleiche Bedeutung zu wie der Gesundheitserhaltung und -stärkung. Kreatives Schreiben ist eine großartige Möglichkeit, mit sich und Anderen in Dialog zu gelangen und somit seine Widerstandsfähigkeit und seine Gesundheit insgesamt zu stärken.
Seit einigen Jahren führt Frau Susanne Diehm in unserer Universitäts-Frauenklinik an der Charité mit viel Sensitivität, Liebe und hoher Kompetenz die Kurse zum Kreativen Schreiben mit großem Erfolg durch. Damit war es mir möglich, das Konzept zum „Kreativen Schreiben“ nach unserer über 300-jährigen Geschichte der Charité als wichtiges Element unseres holistischen Verständnisses, der Krankheitsbekämpfung und der Gesundheitsstärkung erfolgreich zu etablieren. Das Feedback der Teilnehmerinnen ist großartig, auch die Translation auf andere Kliniken und Orte im Rahmen der Deutschen Stiftung Eierstockkrebs ist einzigartig und das Konzept aus unseren Programmen nicht mehr wegzudenken.
Das vorliegende Buch ist mehr als nur eine wunderbare Ergänzung zu dem erfolgreichen Buch: „Mit Schreiben zu neuer Lebenskraft“ (Kösel-Verlag/ München). Besonders die vielen praktischen Übungen eröffnen neue Horizonte – und das stets mit einer spürbaren Sensibilität, aber auch Leichtigkeit, die guttut.
Dieses Buch ist eine Weiterführung und stellt aufgrund der Erfahrung, der praktischen Umsetzung und des stetigen wissenschaftlichen interdisziplinären und interprofessionellen Dialogs einen wahren Meilenstein der Literatur des „Kreativen Schreibens“ dar, und dies schreibe ich als Arzt, Wissenschaftler und Schriftsteller.
Hierbei geht es mehr um den Prozess der Selbstreflektion, der Sichtbarkeit eigener Emotionen und Gedanken, aber auch das ist Literatur, das zeigen die vielen Geschichten in diesem Buch. Literatur ist es dann, wenn ein Werk Menschen zum (miteinander) Sprechen bewegt, mit sich selbst und mit anderen in den Dialog führt.
„Schreiben ist Tanzen,
Schreiben ist sich und andere berühren;
Schreiben ist Schweigen und Sprechen zugleich,
Schreiben ist Leben.“
Das bedeutet Schreiben für mich – und für Sie?
Und wie sagte es mein Freund und Mentor Wolfgang Kohlhaase: „Schreiben heißt jemandem schreiben. Man teilt, was man mitteilt und vermehrt dabei seinen Besitz.“
Das vorliegende Werk ist mit seinen 6 Modulen einzigartig, und fokussiert auf zentrale patienten-(menschen-)relevante Themen: Selbstbewusstsein, Ressourcen, Angst, Narben, Schmerz, Kostbare Momente. Überschriften, die den Menschen häufig lähmen und in eine ungewollte Stille versetzen. Die Übungen helfen, aus der Stille eine verständliche und schöne Melodie zu zaubern. Danke auch den vielen anderen Autorinnen für ihre wertvollen Beiträge, einige von ihnen sind wahre literarische Zeit- und Erlebnisdokumente.
Dieses grandiose Buch zum Anlass nehmend, möchte ich Sie ermutigen, sich auf die Möglichkeiten und auf die Kraft des Kreativen Schreibens einzulassen, Ihr Mut wird sicher belohnt.
„Bleistift, Papier und geschriebene Worte sind das Schießpulver des Geistes und der Seele!“
Schießen Sie mit diesem Buch los – setzen Sie es für Ihre Gesundheit ein!
Ihr
Prof. Dr. med. h.c. Jalid Sehouli
Mehr denn je gibt es heute Zugang zu Literatur, welche sich mit der Psyche des Menschen auseinandersetzt. Bücher über Achtsamkeit, Resilienz, Selbstbewusstsein, dem Kind in uns; auch findet die Beschäftigung mit der Psyche wieder mehr Zugang in die Medizin. Die „falschen Darmbakterien“ können Depressionen verursachen und die Haut ist eben Ausdrucksorgan für die Psyche; wenngleich schon lange bekannt, heute präsenter denn je. Die Psyche erlangt lange nach der Sage von „Amor und Psyche“ – in der die Psyche gemeinsam mit der größten Macht im menschlichen Sein spielerisch brilliert und auf eine Ebene gestellt wird – eine Renaissance. Das ist wichtig und gut, sollte jedoch nicht als Reservoir für das Theoretisieren eines Bereiches dienen, welcher erlebt werden will, welcher gelebt werden will.
Unsere Psyche ist komplex und wunderbar. Sie ist tückisch, wenn sie sich unserer bewussten Wahrnehmung entzieht. Sie ist wunderbar, wenn uns Abwehr durchs Leben trägt, wenn sie Erlebtes ungeschehen macht, Schmerz und Angst zu lindern weiß.
Dennoch ist es eine gesunde und aufrichtige Auseinandersetzung mit unserer Psyche, die uns zusätzliche Kräfte schenkt, zunächst vielleicht destabilisiert. Dann aber, wenn Klärung und Deutungen greifen, wenn wir ernüchtert beginnen uns neu kennen zu lernen, beginnen zu verstehen – Dieses so wertvolle Verstehen, welches uns so viel freier macht, wird in unserer so „scheuen“ Psyche, der man sich doch zaghaft, fast liebevoll zuwenden sollte, zu einer authentischen Welle.
Diese Welle ist Kraft, kann uns tragen, uns Ruhe schenken, uns beschützen. Diese Welle steht uns bei, wir stehen uns bei, weil wir uns verstehen – und das macht einen entscheidenden Unterschied in unserem Leben, in unserer Genesung, im Prozess des Alterns, in unseren Beziehungen, es macht einen Unterschied für uns selbst.
Dieses Verstehen unseres Selbst hat so viele unterschiedliche Wege. Eine Möglichkeit ist die Durchführung einer Gesprächstherapie, zu der im Wesentlichen die drei großen Richtungen Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologie und Psychoanalyse zu zählen sind. Zu den Kreativtherapien können alle erlebnisorientierten Therapieformen gezählt werden. Beispielsweise die Körperwahrnehmungs-, Musik- und Kunsttherapie sowie auch die Bibliotherapie, das Kreative Schreiben und etliche weitere erlebnisorientierte Therapieformen.
In diesem Buch und im Folgenden soll es um das Kreative Schreiben als einen bedeutenden Teil der Kreativtherapien gehen. Wie wirkt dieser komplexe Vorgang, in dem ein Teil vom Erlebenden transformiert wird in ein Wort, transformiert in einen Text, in einen Reim, in einen beliebigen Stil? Wie kann dieser Mechanismus funktionieren? Es ist banal und tiefgründig zugleich, es ist ein Algorhythmus. Es beginnt mit Aufregung, mit Vertrauensbildung und mit einem Platz in einer Gruppe, vor allem die Vertrauensbildung ist eine unumgängliche Voraussetzung. Diese Schritte dürfen nicht misslingen, sie sind die solide Basis für ein „geistiges Schweben“, ein freies Assoziieren, ein Fühlen ohne Grenzen und ohne Angst davor, es fließen zu lassen, es aus sich heraus und in das Wort, in den Text, in den Reim, in den Stil fließen zu lassen, frei von Angst vor Bewertung – mutig, genau diesen Teil von sich sichtbar zu machen, den man bis vor ein paar Minuten noch nicht kannte.
Beginnt der Prozess des Schreibens, so fließt er zuweilen unaufhaltsam, birgt Gefahren, Unbehagen, aber auch Magie oder einfach nur Liebe und Wertschätzung für sich und das Durchlebte, das nun beleuchtet und sichtbar gemacht werden darf. All das bedeutet das Kreative Schreiben für die, die sich ihm öffnen wollen. Die Schreibenden kommen ins Erleben, können – durch das Fühlen und die Fähigkeit des Gehirns, flexibel zu sein, seiner Neuroplastizität geschuldet – neue neuronale Verbindungen ausbilden und neue Erfahrungen verinnerlichen.
Durch das Schreiben kann die freie Assoziation bei den Schreibenden einsetzen. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Psychoanalyse und meint einen Zustand, in dem der Analysand in einem geschützten Raum seine Gedanken frei ausspricht, der Analytiker greift Pausen oder ein Innehalten des Analysanden auf. Auch während des Schreibens kann es zu solch einem vergleichbaren Gedankenfluss kommen, der Schreiber berührt unbewusste Anteile, diese dürfen, bevor sie zum ersten Mal verbalisiert werden, geschrieben werden – was für ein Prozess!
Es kommt während des Schreibens des Weiteren zur Ressourcenaktivierung, sofern Erinnerungen berührt werden, Momente die bereits überwunden worden sind, Momente, die als unüberwindbar galten. Auch kommen Copingstrategien zum Einsatz. Eine Folge von vielen kleinen mutigen Schritten, die wir bereit sind zu gehen.
Dieses Buch setzt sich nach einem theoretischen Teil mit den Themen „Selbstbewusstsein“, „Ressourcen – Natur“, „Angst“, „Schmerz“, „Narben“ und „Kostbare Momente“ auseinander. Gewählt wurden diese Themen basierend auf den Stadien seelischer Schmerzen, die eine Person durchleben kann. Die Themen greifen hierbei sowohl die negativ besetzten Themen, wie Angst, als auch die positiv konnotierten, wie Ressourcen oder kostbare Momente auf. Diese Diversität brauchen wir, um eine ganzheitliche Verarbeitung möglich zu machen. In der Entsagung entsteht die Veränderung, und das Herausbilden unserer Stärken ist notwendig, um in die Akzeptanz zu kommen, d. h. um sein zu dürfen ohne das Gefühl, etwas an uns muss sich verändern.
So kann schreibend aus Resignation Kraft und Überwindung entstehen, eine wertvolle Möglichkeit, die wir nutzen sollten, um Heilungsprozesse zu unterstützen, ganzheitlich gesund und präventiv Kräfte generierend leben zu können, so wie es uns Nives, Ilona, Laura, Barbara, Uta und Gika in diesem Buch vormachen. Mutig, stark und zugleich sensibel verletzlich geben sich diese Frauen der Herausforderung hin.
Ich bewundere Euch dafür und folge Eurem Pfad.
Dr. Adak Pirmorady
Ich freue mich, dass Sie das Schreiben für Gesundheit und Lebensfreude entdeckt haben. Als Schreibtherapeutin, die gemeinsam mit Professor Dr. Sehouli – unter Supervision von Dr. Adak Pirmorady – das Schreiben an die Kliniken brachte, bin ich begeistert, wenn unsere Bewegung wächst und diese so therapeutisch wirkende Hilfe gut angenommen wird. Dankbar bin ich, dass ich unser im Team entwickeltes Konzept und Buch an mehr als einem Dutzend Unikliniken mit onkologischem Schwerpunkt vorstellen durfte; in vielen Aktionen gemeinsam mit Professor Sehouli und der Europäischen Künstlergilde für Medizin und Kultur www.eukmk.eu haben wir den Boden dafür bereitet, dass das Schreiben als ernst zu nehmende künstlerische Therapie stärker beachtet wird. Das Schreiben für Gesundheit und Lebensfreude ist die überwiegend an der Charité Frauenklinik entwickelte Methode, sich schreibend nicht nur zu entlasten, sondern sich gleichzeitig zu stärken. Für viele der Patientinnen waren die Schreibseminare der erste Schritt in die Kreativität. Denn wer erst einmal zu schreiben beginnt, verändert sein Leben.
Susanne Diehm
Gründe dafür, dass das Schreiben – übrigens eine kostengünstige und einfache Methode – überall in Kliniken genutzt werden sollte, gibt es viele. Es hilft vor allem, Krankheit und Krise besser zu verarbeiten. Psychoonkolog*innen und Leiter*innen von Selbsthilfegruppen verstehen mehr und mehr, dass „in den Ausdruck kommen“ eine wichtige Funktion bei Überlastung und Stress darstellt und künstlerische Therapien dabei eine wichtige Rolle spielen. Professor Sehouli ist sogar der Meinung, dass vor einer OP oder Chemo, spätestens aber danach, parallel zu den medizinischen Interventionen eine begleitende Kreativtherapie angeboten werden sollte … Und als Autor ist er natürlich ein Fan insbesondere des Schreibens.
Mit dem Buch „Mit Schreiben zu neuer Lebenskraft“ (Diehm/Michaud/Sehouli) hat es begonnen: Im Team haben Jutta Michaud und ich das Gesundheitsfördernde Kreative Schreiben an unterschiedlichen Institutionen entwickelt und konnten es dank Professor Sehouli an der Frauenklinik der Charité etablieren. Damit wir dem wachsenden Bedarf gerecht werden und auch unsere individuellen Schwerpunkte entwickeln konnten, sind Jutta Michaud und ich seit 2019 in unterschiedlichen Bereichen aktiv. Das Schreiben an der Charité und in den Schreibinaren für die Stiftung Eierstockkrebs wurde zum Schreiben für Gesundheit und Lebensfreude.
Es gibt grundlegende Themen, die bei der konstruktiven Verarbeitung von Krankheit eine Rolle spielen:
Angst
Schmerzen
Ungewissheit
Akzeptanz
Lebensfreude
Lebensqualität