Über das Buch

»Noch komischer als in der österreichischen Polit-Realität von Bussi-Chats und Liebesschwüren wird es nur, wenn Florian Scheuba sich einmischt. Lesen, lachen, lernen!« Bastian Obermayer, Frederik Obermaier (Süddeutsche Zeitung)

Hunderttausende Chat-Nachrichten auf einem Mobiltelefon aus dem nächsten Umfeld des mittlerweile zurückgetretenen österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz erschütterten im Herbst 2021 die Republik. Sie lösten ein politisches Erdbeben aus, das noch stärker nachwirkt als das berüchtigte »Ibiza«-Video. Gekaufte Medien, perfide Intrigen, schamloser Postenschacher und Korruption verschiedener Ausprägung treten darin zutage. Es ist ein Lügengebäude, das seinen zuvor stets auf Message Control bedachten Erbauern nun um die Ohren fliegt.
Der investigative Kabarettist Florian Scheuba hat sich auf eine so spannende wie satirische Spurensuche begeben. Was er dabei fand, ist ein von Nebelgranaten verdunkeltes Trümmerfeld, das so manche Überraschung aus dem Innenleben der türkisen Parteifamilie bereithält.

Florian Scheuba

Wenn das in die Hose geht, sind wir hin

Chats, Macht und Korruption. Eine Spurensuche

Mit einem Vorwort von Daniel Kehlmann

Paul Zsolnay Verlag

Daniel Kehlmann

Klarheit in absurden Zeiten

Der wehrhafte Aufklärer Florian Scheuba

Seitdem die Nachrichten immer mehr zur Unterhaltung werden, haben Unterhalter es auf sich genommen, Nachrichten zu überbringen. Im düsteren Amerika der Bush-Jahre gab es keine Fernsehsendung, die sich so sehr der Wahrheit verschrieben hatte wie die Late Show des Comedians Jon Stewart, dessen Markenzeichen eine bemerkenswerte Abwesenheit von Zynismus war. Stewart hatte Haltung, er hatte Meinungen, und wenn etwas seinen Ärger erregte, dann ließ er die Zuschauer an diesem Ärger teilhaben; die Wut nährte seinen Witz, und der Witz gab seiner Wut erst Schärfe.

In Jon Stewarts Sendung lernte eine Gruppe junger Leute ein Handwerk, das man journalistische Comedy nennen könnte — unter anderem Stephen Colbert, John Oliver und Trevor Noah, die dann in den noch dunkleren Trump-Jahren aus ihren Fernsehsendungen den politischen Wahnsinn, der sich Tag für Tag ereignete, kommentierend, deutend und informierend begleiteten. Als am 6. Januar 2021 ein von Trump aufgestachelter Mob das Kongressgebäude stürmte, zögerte Colbert in seiner Spätabendsendung nicht, den damals immerhin noch amtierenden Präsidenten einen Faschisten zu nennen. John Oliver wiederum treibt in Last Week Tonight die Vermischung von Information, Kommentar und Unterhaltung jede Woche weiter, als man es je für möglich gehalten hätte: Über zwanzig Minuten spricht er über so obskure Themen wie das Postwesen oder das Elektrizitätsnetz — und tut es mit solcher Verve und Komik, dass all das unter seiner Hand gesellschaftlich relevant und wichtig wird. Dennoch ist Last Week Tonight natürlich eine sehr lustige Sendung — es waltet darin die spezifische Komik der Klarheit, eine Intelligenzanreicherung des scheinbar banalen Materials, die einen daran erinnert, dass im Deutsch des neunzehnten Jahrhunderts das Wort »Witz« noch ein Synonym für Geist war.

Zu diesen Aufklärer-Kabarettisten und journalistischen Comedians gehört auch Florian Scheuba. In Amerika gibt es mehrere wie ihn, in Österreich hat er nicht seinesgleichen. Dass Scheuba witzig ist, ist selbstverständlich — wäre es anderes, er wäre nicht seit Jahrzehnten erfolgreich in seinem Beruf. Seine Hauptwaffe aber ist ein nie versagendes Gedächtnis. Was der Rest des Landes vergessen oder verdrängt hat, Scheuba weiß es noch genau, und zwar nicht nur von den Spitzen des Staates, sondern noch vom kleinsten Lokalpolitiker. Er studiert eben nicht bloß Medien und Meldungen, sondern auch Akten. Und diese werden in seinen Händen zur Mordwaffe.

Scheuba ist ein Mann der Aufklärung durch und durch. Nichts provoziert ihn so sehr wie Dummheit, speziell in Gestalt von Amuletten, lebendem Wasser, Homöopathie und alternativer Medizin. Durch das Debakel der Covid-Impfgegnerschaft haben wir alle gelernt, dass die Duldsamkeit gegenüber Mumpitz mehr Unheil verschuldet hat, als wir uns zuvor klargemacht haben; Scheuba aber, immerhin Erfinder des Ausdrucks »Esoterik-Verharmlosung«, wusste es schon lang und hat es uns immer wieder erklärt. Hätten wir ihm doch früher zugehört!

Und doch hat seine Kunst der multimedialen Gegenwartsanalyse in all ihren unterschiedlichen Ausformungen — Bühne, Podcast, Fernsehen, Glosse — nichts Pädagogisches. Manche Kabarettisten halten dem Publikum lehrhafte Vorträge, zu ihnen gehört Scheuba nicht, obgleich man aus seinem Vortrag viel lernt. Er ist ein perfekter Stimmenimitator, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn; er bildet das Seelenleben und die oft armselige Intelligenz seiner Objekte in der einfühlenden Parodie so nach, dass daraus die lebendigsten, komischsten Miniaturen entstehen.

Aber erst die Lektüre macht offenbar, wie fein Scheubas Texte gearbeitet sind. Es ist für die Arbeit eines Kabarettisten nicht zwingend notwendig, dass man auch beim Lesen laut lacht. Ein Qualitätskriterium ist es allemal.

Wer dieses Buch liest, wird Österreich sehr genau kennenlernen, das ist unvermeidlich. Wer dieses Buch liest, wird zornig werden, auch das ist schwer zu vermeiden, es ist auch erwünscht. Wer es liest, wird viel lachen und ist daher zu beneiden; nicht zu beneiden ist, wer darin vorkommt, doch von Scheuba bemerkt zu werden, ist eine Strafe, die noch keinen unverdient getroffen hat. Die Phrase, dass groteske Zeiten den Kabarettisten die Arbeit schwer machen, war ja nie korrekt; gute Kabarettisten gedeihen in absurden Zeiten, und die Gesellschaft braucht sie mehr denn je. So gestaltet sich nun einmal das Paradoxon des politischen Kabaretts: Natürlich sind wir entsetzt über die Skandale und Katastrophen, aber ein wenig freuen wir uns auch auf das, was die Kabarettisten diesem Material abgewinnen werden. Länder, in denen es mit rechten Dingen zugeht, haben gute Lebensqualität, aber schwaches Kabarett. Österreich hat phänomenales Kabarett. Österreich hat Florian Scheuba.

Einleitung

»Danke, dass wir das so offen besprechen können!«

Mit dieser Chat-Nachricht antwortete der ÖVP-Kabinettsmitarbeiter Michael Krammer am 6. Jänner 2017 auf eine Mitteilung des damaligen Generalsekretärs im Finanzministerium, Thomas Schmid. Die Mitteilung war eine Art Erinnerungsschreiben und tatsächlich von verblüffender Offenheit: »Vergiss nicht, Du hackelst im ÖVP-Kabinett. Du bist die Hure für die Reichen.«

Hätte ein politischer Gegner die Dienstleistungskompetenz der Österreichischen Volkspartei mit solchen Worten definiert, wäre die allgemeine Empörung über die darin zum Ausdruck gebrachte Unterkomplexität zu Recht groß gewesen.

Aus dem Mund des gefallenen türkisen Machthaberers und »Du-bist-Familie«-Freunds Thomas Schmid verstrahlt die Aussage jedoch eine bewundernswerte Bekenntnisbereitschaft, von der zunächst nur Krammer, nach ihrem öffentlichen Bekanntwerden im Dezember 2021 aber ganz Österreich beeindruckt war.

Ihre Quelle ist das von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beschlagnahmte Mobiltelefon Schmids. Sie ist darauf eine von mehr als 334.000 Chat-Nachrichten, deren vollständige Auswertung durch die Ermittler noch längere Zeit in Anspruch nehmen wird. Die strafrechtliche Relevanz von Schmids prostitutionalem Selbstverortungs-Reminder wird sich dabei im Zuge der Aufarbeitung der Steueraffäre um den Multimillionär und ÖVP-Unterstützer Siegfried Wolf weisen — einer der vielen Polit-Skandale, die seit Veröffentlichung des Ibiza-Videos im Mai 2019 die Republik Österreich erschüttern.

Es geht um Interventionen für Parteispender, mit Steuergeld gekaufte Medien, schamlosen Postenschacher, Korruption in verschiedenen Spielarten und ein Lügengebäude, das seinen zuvor stets auf Message Control bedachten Erbauern um die Ohren fliegt. In diesem, zwischendurch auch von propagandistischen Nebelgranaten verdunkelten, Trümmerfeld habe ich mich — ausgerüstet mit einer satirisch illuminierten Fackel der Aufklärung — in meinem Podcast »Scheuba fragt nach« sowie in Kommentaren für die Tageszeitung Der Standard und die Wochenzeitung Falter auf Spurensuche begeben. Humor ist dabei für mich in gewisser Weise eine Notwehrmaßnahme angesichts perfider Irrwitz-Attacken der Realität.

Mein »Danke, dass wir das so offen besprechen können!« geht an die Korruptionsstaatsanwaltschaft und jene Journalistinnen und Journalisten, die uns ehrlich wissen lassen, worüber es in einem funktionierenden Rechtsstaat Redebedarf geben muss.

Wer weiß, vielleicht werden in Zukunft auch die von den Enthüllungen Betroffenen auf mehr Offenheit setzen. Zum Beispiel Bundeskanzler Karl Nehammer, der vor kurzem bekannte, dass die ÖVP kein Korruptionsproblem hätte. Ein mutiges Geständnis, denn ein Bordell hat auch kein Sexualitätsproblem und mein Hund kein Schweinsohrenproblem.

Sogar bei Nehammers Vorvorgänger Sebastian Kurz sind erste Anzeichen erkennbar, die ein Leidsein des ständigen Täuschens und Tarnens andeuten. Im Interview in der Zeit im Bild 2 unmittelbar nach Bekanntwerden der Inseratenkorruptionsaffäre hatte man den Eindruck, als würde im Laufe des Gesprächs ein an ihm bisher völlig unbekannter Anflug von Scham in seinem Gesicht herausapern. So wie bei Schneeschmelze im Frühjahr erste grüne Flecken in der Wiese auftauchen, waren in seinem gewohnt makellosen Teint plötzlich immer mehr rote Flecken zu sehen.

Vielleicht sind ihm da gerade ein paar Chat-Nachrichten von Thomas Schmid eingefallen, zum Beispiel: »So weit wie wir bin ich echt noch nie gegangen.«

Vorstellbar wäre auch, dass Kurz in diesem Moment an eine andere SMS-Botschaft denken musste, in der Schmid zu dämmern scheint, dass dieses »weit wie wir … gegangen« auch ein »zu weit« gewesen sein könnte: »Wenn das in die Hose geht, sind wir hin.«

Das möchte ich gerne offen besprechen.

Gelöschte Kurznachrichten und ungelöschte Feuer

»U-Ausschuss ist für Mehrheit sinnlos«, verkündete eine Überschrift in der Sonntagsausgabe der Tageszeitung Kurier. Als Begründung dieser Schlussfolgerung wird eine Umfrage angeführt, laut der 76 Prozent der Befragten glauben, dass es »nach diesem U-Ausschuss in der Politik wieder so weitergehen wird wie vorher«.

Das ist ähnlich gewagt, als würde man aus dem Umfrageergebnis, »76 Prozent glauben, dass Tempolimits auch künftig missachtet werden«, die Schlagzeile zimmern, »Geschwindigkeitskontrollen sind für Mehrheit sinnlos«. Natürlich steckt hinter diesem journalistischen Manipulationsversuch eine Agenda. Es ist die gleiche, die den »Parlamentarischen Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen (ÖVP-FPÖ) Bundesregierung« abwechselnd als »Hickhack«, »Schlammschlacht«, »Ausschussware« oder »sinnloses Ritual ohne Erkenntnisgewinn« denunziert und sich am besten als »Zudeckungsjournalismus« beschreiben lässt.

Es steht außer Frage, dass dieser Ausschuss wie eine Bühneninszenierung wirkende Momente bietet, die mitunter an Gerichtsdrama, Boulevardkomödie oder absurdes Theater erinnern. Aber nach persönlichem Besuch der trotz zehneinhalb Stunden Aufführungsdauer durchaus kurzweiligen Sitzung am 24. Juni 2020 kann ich sagen: Auch wenn diese Veranstaltung Showelemente enthält, ist sie deshalb noch lange keine reine Show.

Tatsächlich lieferte der Ausschuss Erkenntnisse und Einsichten in Hülle und Fülle. Denn neben den dort vorgelegten Dokumenten und Ermittlungsergebnissen waren auch die Aussagen, Nicht-Aussagen und Aussageverweigerungen der damit Konfrontierten überaus aufschlussreich.

Zum »sinnlosen Ritual« wurde die Sache an diesem Tag nur an Stellen, an denen die ÖVP-Abgeordneten Wolfgang Gerstl und Klaus Fürlinger ihre Fragen an ihre als Auskunftspersonen vorgeladenen Parteikollegen Sebastian Kurz und Thomas Schmid stellten. Diese angeblichen Fragen ließen nur selten einen Wunsch nach Informationsgewinn erkennen und begannen mit ausufernden Einleitungen in der Art von »als Bundeskanzler hat man ja relativ viel zu tun …« Das erinnerte an das Zeitschinden beim Fußball, mit dem Unterschied, dass die Akteure hier keine Verwarnung durch das Schiedsrichterteam zu fürchten haben. Im Wechselspiel mit Sebastian Kurz gemahnte das Geplauder dann an manchen Stellen sogar an das absurde Ballgeschiebe der berüchtigten »Schande von Gijón« von 1982, als bei der Fußballweltmeisterschaft die Nationalmannschaften von Österreich und Deutschland unter Beweis stellten, dass sich Spielstände, die eine Win-win-Situation für die gegeneinander antretenden Teams darstellen, extrem ungünstig auf die Attraktivität des Spiels auswirken.

Umso überraschender, dass ausgerechnet aus der ÖVP-Delegation im Verlauf noch eine wahrhaft neuartige Erkenntnis gekommen ist. Als Oppositionsvertreter wieder einmal vergeblich versuchten, dem trägen Erinnerungsvermögen von Kurz auf die Sprünge zu helfen, rief der Abgeordnete Gerstl dazwischen: »Der Kanzler will davon nichts wissen, das heißt auch, er weiß nichts davon.«

Sebastian Kurz war also nicht nur — wie von ihm vor dem Ausschuss geschildert — sehr eifrig beim Löschen seiner SMS-Nachrichten. Er besitzt auch die übermenschliche Fähigkeit, Inhalte aus seinem Gedächtnis willentlich zu entfernen. Eine faszinierende Begabung, die ihm im Lauf weiterer Ermittlungen bestimmt noch nützlich sein wird. Gleiches galt für seine Aussage »Strache hat mir mehr SMS geschrieben, als ich lesen kann«. Die damit angedeutete Kommunikationsstrategie »ungelesen gelöscht« ersparte nicht nur lästiges Nachfragen, sondern wirkte angesichts des Absenders auch menschlich nachvollziehbar.

Dass Message Control genauso für sein eigenes Gedächtnis gilt, bewies Kurz auch mit anderen Aussagen: »Anscheinend ist das im Regierungsprogramm, aber ich kenn mich da nicht im Detail aus.« »Mir übergeben laufend irgendwelche Personen irgendwelche Papiere.« Oder, besonders elegant, im Zusammenhang mit hinterfragungswürdigen Parteispenden: »Ich habe nie nach Spenden gefragt, sondern mich dafür bedankt.«

Bemerkenswert war seine Antwort auf die Frage, ob er mit Thomas Schmid befreundet sei, dem Chef der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG), die die Beteiligung der Republik an wichtigen börsennotierten Unternehmen verwaltet: »Wir sind nicht gemeinsam in die Schule gegangen und auch nicht gemeinsam auf Urlaub gefahren.« Eine interessante Wortwahl, denn abgesehen davon, dass dies wohl für keinen Menschen einen Freundschafts-Hinderungsgrund darstellt, wird diese Antwort später von Schmid in die umgekehrte Richtung wortgleich wiederholt.

Das war aber auch die einzige Gemeinsamkeit der zwischen Souveränität und Überheblichkeit oszillierenden Performance des Kanzlers und dem darauf folgenden, stellenweise nahezu tölpelhaften Auftritt Schmids. Während Kurz sein Eröffnungsstatement als freies Referat mit gelegentlichem Blick auf einen Spickzettel hielt, las Schmid stammelnd von einem Blatt Papier ab, wobei er nervös seine Finger knetete und dabei wirkte wie ein ob seiner heillosen Überforderung sich in Trotzigkeit flüchtender Schüler bei der Entscheidungsprüfung. Den aufschlussreichsten Kommentar dazu lieferte der Ausschussvorsitzende und ehemalige ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka, indem er minutenlang sein Gesicht in beiden Händen vergrub.

Tatsächlich hatte die Befragung Schmids etwas von einer Prüfung. Wiederholt legte er bei Kompetenzfragen zu seinen diversen Aufsichtsratstätigkeiten eine erschütternde Ahnungslosigkeit an den Tag. Als ihm der SPÖ-Abgeordnete Jan Krainer eine E-Mail vorhielt, aus der hervorging, dass die Zurücknahme eines für Online-Glücksspiel ungünstigen Gesetzesentwurfs trotz zuvor gegenteiliger Behauptung Schmids sehr wohl auf genau dessen Anweisung erfolgte, kam auch noch die Demütigung des »Beim-Schummeln-erwischt-Werdens« dazu.

Vergleichbares Ungemach drohte zuvor Sebastian Kurz nur für eine Schrecksekunde, als der Neos-Mandatar und ehemalige Herausgeber der Wiener Tageszeitung Kurier, Helmut Brandstätter, rief: »Herr Kurz hat die Unwahrheit gesagt, und wenn er will, können wir das gern vor Gericht austragen.« Die folgende Debatte über politische Interventionen bei der Neubesetzung der Kurier-Chefredaktion wurde jedoch von dem nicht einmal mehr um den Anschein von Unbefangenheit bemühten Ausschussvorsitzenden Sobotka abgewürgt.

Dennoch brachte auch dieses vermeintlich ergebnislose Zwischenspiel im Nachhinein Erkenntniswert. Denn schon bei der nächsten, durch eine Klopause Sobotkas erzwungenen, Unterbrechung war zu sehen, wie schwer erträglich es für Sebastian Kurz ist, sich ungeliebt zu fühlen. Sofort stürmte er zu Brandstätter, um von diesem Verständnis zu erheischen. Auf ähnliche Weise hatte er in der Unterbrechung zuvor schon auf die ihn harsch kritisierende Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper eingeredet. Und nach Ende seiner Befragung wählte er ausgerechnet Falter-Chefredakteur Florian Klenk und mich — ja, wir haben schon das eine oder andere Mal kritische Worte über ihn geäußert — für ein, mit dem vorangestellten Code »das ist jetzt Hintergrund«, als vertraulich deklariertes Gespräch, in dem er um Verständnis für seine Sicht der Dinge warb. Weil ich dadurch für ein paar Minuten selbst zum Mitwirkenden einer Inszenierung wurde — mein Rollenname lautete wohl »unbotmäßiger österreichischer Innenpolitik-Berichterstatter« —, fühlte ich mich selbstredend an das Veröffentlichungsverbot des Besprochenen gebunden. Das meiner Meinung nach Spannendste hatte der Kanzler ohnehin an anderer Stelle zu den im Raum befindlichen Journalisten gesagt: »Ich lege für niemanden meine Hand ins Feuer.« Anders als seine SMS-Nachrichten wird Kurz dieses Feuer nicht einfach löschen können. Es wunderte mich nicht, wenn wir in den kommenden Wochen und Monaten genauer erfahren, für wen Kurz seine schützende Hand besonders rasch aus den Flammen zurückziehen wird. Als Fazit dieses Tages im U-Ausschuss würde ich beispielsweise als Thomas Schmid nicht unbedingt davon ausgehen, dass es für mich »nach diesem U-Ausschuss in der Politik wieder so weitergehen wird wie vorher«. Und vielleicht müssen auch manche Berichterstatter noch erkennen, dass Zudecken eine unzulängliche Form der Großbrandbekämpfung ist.

Mit meiner Vermutung bezüglich Schmids beruflicher Zukunft bin ich richtig gelegen. Was ich damals aber noch nicht ahnen konnte, war, dass die Aussagen von Kurz an diesem Tag Gegenstand juristischer Ermittlungen werden sollten.