Über das Buch:
„Wie oft soll ich denn noch sagen, dass es mir leidtut?“
Jeder macht mal einen Fehler. Doch manchmal reicht ein „Tschuldigung“ als Reaktion nicht aus. Unsere Beziehungen werden umso stabiler, je konsequenter wir bereit sind, um Vergebung zu ringen.
Fünf verschiedene Sprachen stehen uns dafür zur Verfügung – heilende Worte und praktische Taten, die neue Brücken schlagen in das verwundete Herz unseres Gegenübers.
Doch wie kommt meine Entschuldigung beim anderen auch wirklich an? Indem ich mein Bedauern ausdrücke, Schuld eingestehe, Wiedergutmachung anbiete, Besserung gelobe oder Vergebung erbitte? Entdecken und sagen Sie den Satz, auf den der andere so sehr wartet.
Mithilfe dieses Buches wird sich Ihr Wortschatz rapide erweitern!
Über den Autor:
Gary Chapmans Leidenschaft besteht darin, Menschen zu helfen, damit sie dauerhafte Beziehungen aufbauen können. Er ist der Autor der Bestsellerreihe Die 5 Sprachen der Liebe, Leiter des Beratungsinstituts Marriage and Family Life Consultants und hält auf der ganzen Welt Seminare.
6. Welche Sprache des Verzeihens spreche ich selber?
„Was ist für mich bei einer Entschuldigung wichtig?“
In den vorausgegangenen Kapiteln haben wir Sie mit den fünf Sprachen des Verzeihens bekannt gemacht – das sind fünf Arten, sich zu entschuldigen. Eine dieser fünf Sprachen ist Ihnen wichtiger als die restlichen. Sie vermittelt Ihnen deutlicher, dass der andere es mit seiner Entschuldigung ernst meint. Jede Art der Entschuldigung tut Ihnen irgendwie gut, aber wenn es nicht Ihre eigene, ganz persönliche Sprache ist, bleiben eher Zweifel, ob die Entschuldigung wirklich von Herzen ausgesprochen wurde. Wenn der andere aber mit Ihrer Sprache des Verzeihens auf Sie zukommt, fällt es Ihnen viel leichter, dem „Täter“ zu vergeben.
Deswegen ist es so wichtig, die eigene Sprache des Verzeihens herauszubekommen, aber nicht nur die eigene, sondern auch die der Menschen in Ihrer Umgebung. Erst dadurch sind Sie in der Lage, wirklich zu verzeihen und Vergebung anzunehmen.
Nachdem ich (Jennifer) das Prinzip der fünf Sprachen des Verzeihens verstanden hatte, ist auch meine Ehe besser geworden. Mein Mann ist eher ein Verstandesmensch, der es gewohnt ist, sachliche Debatten zu führen, und Sorgfalt ist eines seiner wichtigsten Lebensprinzipien. Inzwischen habe ich herausgefunden, dass er von mir hören möchte: „Ja, es war mein Fehler“, um ehrliche Reue zu spüren. Es ist ihm wichtig, dass ich mich zu meinem Fehler bewusst stelle und Verantwortung dafür übernehme. Für mich dagegen sind Gefühle von zentraler Bedeutung. Ich muss das emotionale Bedauern spüren, dass er mit mir mitleidet. „Es tut mir leid.“ Ja, das möchte ich hören. Im dreizehnten Jahr unserer Ehe lernen wir endlich, unsere Streitigkeiten abzukürzen, indem wir uns nicht in unserer eigenen, sondern in der Sprache des anderen entschuldigen.
Eine andere Sprache lernen
Was Gary und ich in unseren eigenen Ehen erlebt haben, gilt erfahrungsgemäß auch für alle anderen Zweierbeziehungen. Es kommt nicht so häufig vor, dass Mann und Frau genau dieselbe Sprache des Verzeihens sprechen. Und die Folge ist, dass Bekundungen des Bedauerns viel zu oft auf Widerstand stoßen, statt milde zu stimmen.
Gut 75 Prozent der befragten Paare hatten keine übereinstimmende Sprache des Verzeihens. Das ergab unsere Umfrage. Und bei 15 Prozent dieser Paare mit unterschiedlichen Sprachen war die Sprache des Partners die letzte Wahl. Wenn Sie sich also in Ihrer eigenen Sprache beim anderen entschuldigen, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich klein, auch die Sprache des anderen zufällig zu treffen. Wenn unsere Daten stimmen, müssen also drei von vier Paaren zum Sprachunterricht. Es müssen Sprachen gelernt werden, die man nicht von Haus aus spricht!
Wie man die eigene Sprache des Verzeihens identifiziert
Zunächst wollen Jennifer und ich Ihnen helfen, Ihre eigene Sprache des Verzeihens herauszufinden. Manchem mag es wie Jim gehen, der mir einmal erzählte: „Ich kenne meine eigene Sprache des Verzeihens nicht, weil meine Frau sich nie entschuldigt. Sie ist davon überzeugt, dass sie keine Fehler macht. Warum sollte sie sich also entschuldigen? Mein Vater dachte übrigens genauso. Er sagte immer: ,Entschuldigen bringt nichts. Bemühe dich, es richtig zu machen und blick nicht zurück.‘ Ich bin also das Entschuldigen überhaupt nicht gewohnt. Es ist ein ganz neuer Gedanke für mich. Aber ich muss zugeben, dass es mir gefiele, wenn sich meine Frau mal entschuldigen würde, wo sie mich doch ganz schön verletzen kann. Ich hätte nie gedacht, dass sie mit einem anderen Kerl eine Affäre haben würde. Ich glaube nicht, dass unsere Ehe überlebt, es sei denn, sie entschuldigt sich glaubwürdig.“
Seine Frau hatte ihn betrogen, und Jim erwartete eine Entschuldigung dafür. Und so fragte ich (Gary) ihn, was für ihn eine echte Entschuldigung beinhalten müsse.
„Ich möchte, dass sie ihren Fehler eingesteht. Sie muss zugeben, dass sie etwas falsch gemacht hat, und versprechen, es nie wieder zu tun.“
„Ich denke, wir wissen bereits, welche Sprache des Verzeihens Sie sprechen“, sagte ich.
„Welche?“, wollte Jim wissen.
„Der glaubwürdige Sinneswandel“, sagte ich und fuhr fort: „Ich denke, wenn Ihre Frau nur sagen würde: ,Ja, das war falsch‘, ohne Besserung zu versprechen, würde Ihnen das nicht genügen. Sie müssen spüren, dass sie ernsthaft bemüht ist, sich zu ändern. Wenn das nicht geschieht, fällt es Ihnen ausgesprochen schwer, ihr zu verzeihen. Ihnen ist am allerwichtigsten, dass sie es nicht mehr tut.“
„Ganz genau!“, rief er. „Nur dann würde ich ihr wirklich vergeben können.“
Frage 1: Was soll der andere sagen oder tun?
Mein Gespräch mit Jim illustriert eine Möglichkeit, die eigene Sprache des Verzeihens herauszubekommen. Stellen Sie sich folgende Frage: Was müsste der andere sagen oder tun, um mich zu bewegen, ihm zu verzeihen? Vielleicht fallen Ihnen erst einmal Dinge ein, die auf mehrere Sprachen hindeuten.
Annika und Bill saßen bei mir im Büro, weil sie einen handfesten Ehekrach hinter sich hatten. Er hatte den Hochzeitstag vergessen und nicht daran gedacht, etwas Nettes dafür zu planen. Nachdem ich beiden eine Weile zugehört hatte, fragte ich Annika: „Was müsste Bill zu Ihnen sagen, damit Sie ihm vergeben können?“
„Er soll sagen, dass es ihm leidtut“, antwortete sie. „Ich glaube, er empfindet es gar nicht nach, wie sehr es mir wehgetan hat. Das möchte ich hören. Wie konnte er einen für uns so wichtigen Tag vergessen? Darüber hinaus würde ich mich freuen, wenn er sich etwas ausdenken würde, um es wiedergutzumachen – irgendeine eigene Idee entwickeln.“
„Sie haben gleich drei Dinge erwähnt“, sagte ich. „Sie möchten hören, dass es ihm leidtut, dass er für seinen Fehler geradesteht und dass er Wiedergutmachung leistet. Wenn Sie aber nur eins davon bekommen könnten, was würden Sie wählen?“
„Am wichtigsten wäre mir, dass er fühlt, wie sehr er mir wehgetan hat“, antwortete sie. „Ich glaube, er ist sich dessen gar nicht bewusst. Solche besonderen Tage sind für ihn lange nicht so wichtig wie für mich.“
Nun war offensichtlich, dass ihre persönliche Sprache des Verzeihens das Eingeständnis ist, dass er mitleidet. Sie wollte von Bill hören: „Mir ist klar geworden, wie sehr ich dich verletzt habe. Ich weiß, dass unser Hochzeitstag etwas sehr Wichtiges für dich ist. Wie konnte ich das nur vergessen! Es tut mir von Herzen leid.“ Würde er dann noch hinzufügen: „Ich will sehen, wie ich es wiedergutmachen kann“, so wäre das das Sahnehäubchen auf seiner Entschuldigung, und es würde einen Prozess in Gang setzen, an dessen Ende sie ihm sogar freudig vergeben könnte.
Frage 2: Was verletzt mich am meisten daran?
Eine weitere Frage hilft, um herauszubekommen, welche Sprache des Verzeihens Sie persönlich sprechen: Was ist so besonders verletzend an der Situation? Diese Frage hilft besonders dann, wenn der andere sich noch gar nicht entschuldigt hat oder es nur unbefriedigend getan hat. Kevin war von seinem Bruder Georg tief verletzt worden. Die beiden hatten immer ein besonders enges Verhältnis gehabt, sowohl brüderlich als auch freundschaftlich. Ein halbes Jahr zuvor hatte Georg von einem Arbeitskollegen einen Investment-Tipp bekommen, der sich bald auszahlte. Da erzählte er seinem Bruder die freudige Nachricht, doch zu seiner Überraschung reagierte der erbost: „Ich kann’s nicht glauben, dass du mich nicht eingeweiht hast! Wir sind doch Brüder. Warum hast du mir kein Sterbenswörtchen gesagt?“
„Ich hatte ja keine Ahnung, dass du Lust auf so was hast“, erwiderte Georg perplex.
„Was heißt hier ,keine Lust‘? Wer will nicht investieren, wenn er einen todsicheren Tipp kriegt! Da will doch jeder mitmachen!“
Der Schlagabtausch wurde immer heftiger und führte schließlich dazu, dass sich die Brüder drei Wochen nicht sahen. Schließlich ging Georg zu Kevin und wollte sich entschuldigen, aber Kevin reagierte wenig enthusiastisch. Zwar planten sie wieder gemeinsame Unternehmungen, aber die Beziehung war nicht mehr dieselbe wie früher. Eine Kluft hatte sich zwischen ihnen aufgetan. Ich traf sie eines Tages zufällig im Baseballstadion, und als sie mich sahen, sagte einer von ihnen: „Guten Tag, Dr. Chapman. Sie sind Seelsorger. Vielleicht können Sie uns helfen, unseren Konflikt zu bereinigen.“ Sie erklärten mir ihr Problem, und ich fragte darauf Kevin: „Was macht Ihnen am meisten an dieser Situation zu schaffen?“
„Dass Georg seinen Fehler nicht zugeben will. Wie kann man dem Bruder eine solche Chance entgehen lassen! Er sagt zwar, dass es ihm leidtut, wie es gekommen ist, aber er will nicht zugeben, dass sein Verhalten grundsätzlich falsch war. Das ist es, was mich am meisten verletzt.“
Ich sah Georg herausfordernd an, und der erwiderte: „Ich sehe das nicht als Fehlverhalten. Im Nachhinein tut’s mir natürlich leid, dass ich Kevin nicht eingeweiht habe, aber es war ja überhaupt nicht meine Absicht, ihm zu schaden. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er der Typ ist, der Geld anlegt, um zu spekulieren. Deshalb kam sein Protest für mich aus heiterem Himmel.“
„Sind Sie sich im Klaren, dass Ihr Verhalten Kevin verletzt hat?“, fragte ich.
„Inzwischen weiß ich es“, antwortete Georg. „Aber es geschah ja nicht mit Absicht.“
„Sicher nicht. Aber lassen Sie mich trotzdem eine Frage stellen: Wenn Sie unabsichtlich jemand im Büro umrennen, der gerade mit einem Becher Kaffee kommt, und darauf Hemd, Hose und Teppich braun gefärbt sind, was würden Sie dann sagen?“
„Wahrscheinlich: ,Oh, Verzeihung. Wo habe ich nur meine Augen! Kann ich Ihnen helfen?‘ Und ich würde wahrscheinlich anbieten, die Reinigung für Hose, Hemd und Teppich zu bezahlen.“
„Aha! Selbst wenn es unabsichtlich war, würden Sie Verantwortung übernehmen und Wiedergutmachung anbieten!“
„Schon“, meinte Greg. „Immerhin habe ich ja den Kaffee verschüttet.“
Ich ließ ihm einen Augenblick zum Nachdenken, und dann sagte ich: „Kevins ,Kaffee‘ ist auch verschüttet worden, auch wenn es nicht Ihre Absicht war.“
„Hab verstanden“, sagte er nachdenklich. „Ich hätte aufmerksamer sein müssen an dem Tag, als ich den Tipp bekam. Vielleicht wäre ich dann doch auf die Idee gekommen, meinem Bruder davon zu erzählen, denn eigentlich mag ich ihn ja sehr. Die letzten Wochen ist’s mir auch gar nicht gut gegangen.“
Georg blickte hinüber zu seinem Bruder und sagte: „He, ich mag dich doch, alter Junge! Und ich hätte damals an dich denken sollen. Ich werde das Aktienpaket verkaufen und den Gewinn mit dir teilen.“
„Das musst du nicht“, erwiderte Kevin. „Du hast schon genug getan. Ich vergebe dir.“
Die Brüder fielen sich in die Arme, und ich freute mich umso mehr, an diesem Tag zum Baseball gegangen zu sein.
Hätte ich Kevin nicht gefragt, was ihm an der Situation am meisten zu schaffen gemacht hatte, hätte ich seine Sprache des Verzeihens nicht so schnell herausgefunden. Für ihn war am wichtigsten, dass Georg Verantwortung übernahm und zugab: Ja, ich habe etwas falsch gemacht. Es war Kevin nicht so wichtig, dass Georg Mitleid mit ihm hatte. Aber der Satz „Ich hätte damals an dich denken sollen“ sagte ihm, dass sein Bruder sich ausdrücklich zu seinem Fehler bekannte. Erst danach war er frei, ihm zu vergeben.
Später erfuhr ich, dass Georg das Aktienpaket tatsächlich verkauft und die Hälfte des Gewinns Kevin geschenkt hatte. Das war wieder das berühmte Sahnehäubchen, das nicht wirklich nötig ist. Aber es besiegelte die Versöhnung und heilte die Beziehung.
Frage 3: Welche Sprache benutze ich selber, wenn ich mich entschuldige?
Noch eine weitere Frage hilft weiter: Wenn ich mich bei anderen entschuldige, welche der fünf Sprachen des Verzeihens benutze ich dann spontan? Mit dieser Frage gehen wir davon aus, dass die Sprache, die Sie selber sprechen, auch die ist, die sie von anderen am liebsten hören wollen.
Lesen Sie, was Marie zu sagen hat: „Wenn ich mich bei anderen entschuldige, dann sollen sie in erster Linie erfahren, dass mir mein Fehler im tiefsten Innern leidtut. Ich wünschte mir, es wäre nie geschehen. Niemals hätte ich den anderen verletzen wollen, und schon gar nicht mit Absicht.“ Marie gibt offen zu, dass es ihr wehtut, einen Fehler gemacht zu haben, und so ist das Eingeständnis ihre persönliche Sprache des Verzeihens, die sie auch von anderen hören möchte.
Lukas ist LKW-Fahrer: „Wenn ich mich entschuldige, gebe ich freiweg zu, dass ich etwas falsch gemacht habe. Das ist für mich dann eine echte Entschuldigung. Wenn du nicht Manns genug bist, dich zu deinem Fehler zu stellen, dann hast du dich auch nicht entschuldigt.“ Verantwortung – das ist das Stichwort für Lukas und auch seine Sprache des Verzeihens.
Anna berichtete: „Wenn ich mich bei anderen entschuldige, sollen sie wissen, dass ich es mit Gottes Hilfe nie, nie wieder tun will. Ich will damit unmissverständlich sagen, dass ich es absolut blöd finde, was ich gemacht habe, und mein Verhalten ändern will.“ Anna hört eine Entschuldigung wahrscheinlich am unmissverständlichsten mit Sprache vier, bei der es um den Sinneswandel geht. Man will sich alle Mühe geben, es nicht wieder zu tun.
Sind Sie zweisprachig?
Anhand dieser Fragen können Sie nun hoffentlich Ihre persönliche Sprache des Verzeihens bestimmen. Vielleicht sind es ja sogar zwei Sprachen, die Ihnen sehr unmissverständlich den Eindruck vermitteln, der andere entschuldigt sich von Herzen. Forschen Sie im inneren Zwiegespräch nach, ob die eine nicht doch wichtiger ist als die andere. Sollten Sie dabei zu keinem Ergebnis kommen, sind Sie eben zweisprachig. Das ist vollkommen in Ordnung. Sie machen es denen leichter, die sich bei Ihnen entschuldigen wollen.
Es kommt gar nicht so selten vor, dass nicht nur eine Sprache des Verzeihens im Vordergrund steht. Aber eine ist doch meistens ein bisschen wichtiger.
Detektivarbeit: Die Sprache des Verzeihens von anderen finden
Wie findet man die Sprache des Verzeihens von anderen heraus, mit denen man in Beziehung steht? Man könnte ihnen nahelegen, dieses Buch zu lesen und die oben genannten Fragen zu beantworten. Das wäre wahrscheinlich die einfachste Methode.
Wenn jedoch keine Bereitschaft vorhanden ist, ein Buch zu lesen, könnten Sie die gerade vorgestellten drei Fragen nehmen und individuell anpassen. Bitten Sie, eine Entschuldigung zu beschreiben, die der Betreffende bekommen hat, ohne damit zufrieden gewesen zu sein. Fragen Sie, was gefehlt hat. Was hätte der Schuldige sagen oder tun müssen? Sollten Sie selber Grund haben, sich bei jemand zu entschuldigen, so sagen Sie: „Ich weiß, dass ich dich verletzt habe. Unsere Beziehung ist mir aber sehr wichtig. Was soll ich dir also sagen oder was soll ich tun, damit es dir leichtfällt, mir zu vergeben?“ Je spontaner die Antwort ausfällt, desto sicherer können Sie sein, daran die persönliche Sprache des Verzeihens zu erkennen.
Eine Frau antwortete ihrem Mann auf diese Frage: „Ich sage dir was: Ich denke gar nicht daran, dir zu verzeihen, solange du deinen Fehler nicht eingestehst. Du tust immer so, als könntest du mir alles an den Kopf werfen, wenn’s nur als Scherz verpackt ist. Aber ich habe deine Scherze satt. Sie kränken mich, und ich werde dir nie verzeihen, bis du eingestehst, dass es nicht richtig ist, mit mir so umzugehen.“ Ihre Antwort offenbarte unmissverständlich ihre Sprache des Verzeihens: die Übernahme von Verantwortung.
Sollte Ihnen klar geworden sein, dass Sie einen Mitmenschen beleidigt haben, könnten Sie die weiter oben genannte Frage 2 individuell anpassen. Beispielsweise so: „Ich weiß, dass ich etwas falsch gemacht habe. Ich merke es dir doch an. Es tut mir weh, dass ich dir wehgetan habe. Sag mir, was dich dabei am meisten verletzt hat.“
Die dritte Frage ist eher grundsätzlicher Natur, die Sie auch stellen können, ohne dass akut etwas vorgefallen ist. So könnten Sie sagen: „Ich habe gerade ein Buch über das Verzeihen gelesen. Dazu möchte ich deine Meinung erfahren. Wenn du dich bei jemand entschuldigst, was ist dann deiner Meinung nach das Wichtigste an dieser Entschuldigung? Wenn du willst, kann ich dir die fünf Aspekte des Entschuldigens aus dem Buch nennen.“
Ist Ihr Gegenüber offen, so erzählen Sie, was Sie gelesen haben. Falls nicht, hören Sie einfach nur zu. Sie erfahren wahrscheinlich auch so die Sprache des Verzeihens, die der andere spricht.
William, ein 35-jähriger Geschäftsmann, bekam diese Frage von einem Kollegen gestellt, und seine Antwort lautete: „Für mich gehört zu einer echten Entschuldigung, dass der andere erfährt, wie mies man sich selber als Schuldiger fühlt, weil man ihn so schlecht behandelt hat.“ Konkret erinnerte sich William an eine Begebenheit, als er sich bei seiner Tochter dafür entschuldigte, zu spät gekommen zu sein, um ihren ersten Soloauftritt am Klavier mitzuerleben.
„Als ich ihr enttäuschtes Gesicht sah, sagte ich zu ihr: ,Ich weiß, wie viel es dir bedeutet hat, und ich fühle mich schrecklich, weil ich die Gelegenheit verpasst habe, deinen Auftritt mitzuerleben. Ich weiß, dass du ganz wunderbar Klavier spielst, und ich bin der Dumme, weil ich dich nicht gehört habe. Ich hoffe, dass du mir vergibst und mir eine zweite Chance lässt. Ich liebe dich, deine Schwester und Mama doch mehr als alles in der Welt.‘ Ich umarmte sie und sie weinte. Ich war sicher, dass sie mir vergeben wollte, denn ich tat alles, um ihr zu vermitteln, wie weh es mir selber tat. Es ist keine Entschuldigung, wenn man sich nicht wegen seiner Tat schrecklich fühlt.“
Die Antwort dieses Vaters macht deutlich, dass für ihn das Eingeständnis tiefen Bedauerns die Sprache des Verzeihens ist.
Drei Fragen, die helfen, bei anderen die Sprache des Verzeihens zu ermitteln
1. Denken Sie darüber nach, wie der Betreffende sich bei Ihnen entschuldigt hat. Welche Sprache des Verzeihens kam vor, was fehlte?
2. Wenn Sie jemanden beleidigt haben, dann sagen Sie dem Betreffenden: „Es tut mir leid, was ich getan habe, aber sage mir doch, was dich am meisten schmerzt an dem, was ich dir angetan habe?“
3. Falls die Antwort nicht aussagekräftig genug ist, fragen Sie darüber hinaus: „Was sollte ich tun oder sagen, um es dir leichter zu machen, mir zu vergeben?“
Für die ganze Familie
Beziehen Sie auch einmal die ganze Familie mit ein, um gegenseitig die jeweilige Sprache des Verzeihens zu ermitteln. Beginnen Sie mit den Eltern, und erst später werden auch noch die Kinder dazugeholt (sofern sie alt genug sind und sich dafür interessieren). Nehmen Sie sich als Ehepaar Zeit, und schreiben Sie auf, welche Sprache des Verzeihens Ihnen jeweils liegt. Notieren Sie die restlichen, nach Bedeutung geordnet. Schreiben Sie darüber hinaus auf, welche Sprache des Verzeihens Sie beim Partner vermuten – und auch hier vielleicht die anderen in der entsprechenden Reihenfolge.
Besprechen Sie die Ergebnisse mit dem Partner. Sagen Sie, was Sie für die eigene Sprache des Verzeihens halten. Überlegen Sie gemeinsam, wann Sie sich beim anderen erfolgreich entschuldigt haben und wann Ihre Entschuldigung weniger glaubwürdig geklungen hat. Sprechen Sie darüber, wie Sie sich in Zukunft noch verständlicher machen, sobald eine Entschuldigung nötig wird. Damit haben Sie eine Grundlage für eine gute Kultur des Verzeihens in Ihrer Beziehung gelegt.
Dann beziehen Sie noch Ihre Kinder mit ein. Auch sie sollen ihre vermutete Sprache des Verzeihens notieren und die anderen nach Wichtigkeit geordnet auflisten. Lassen Sie sie die Sprachen von Eltern und Geschwistern schätzen.
Alle fünf Sprachen sprechen
Wir möchten nicht missverstanden werden. Sie sollen nicht ausschließlich die eine bevorzugte Sprache Ihres Gegenübers bedienen. Jede Sprache des Verzeihens hat für sich ihren Stellenwert. Die eine, besondere muss zwar zuallererst benutzt werden, aber die anderen können zusätzlich Wirkung erzielen. Nur ohne die wichtigste klingen die anderen nicht optimal glaubwürdig. Wenn Sie die Sprache des Verzeihens von Ihrem Gegenüber noch nicht kennen, so setzen Sie sicherheitshalber alle ein. Wenn Sie das mit Engagement tun, klingt das wie Musik in den Ohren des anderen und Ihre Entschuldigung kommt glaubwürdig an.
Glaubwürdigkeit ist der Schlüssel
Eine Entschuldigung soll zum Ausdruck bringen, dass einem etwas an der ungetrübten Beziehung zum anderen liegt. Sie ebnet den Weg zu Vergebung und Versöhnung. Unser Wunsch ist es deshalb, dass dieses Buch dazu beitragen möge, immer mehr Menschen in die Lage zu versetzen, die Versöhnung untereinander so erfolgreich wie möglich zu betreiben.
Sollten Sie nach einer Entschuldigung das Gefühl haben, sie sei beim anderen nicht durchgedrungen, können Sie eine Methode einsetzen, die wir Ihnen hier vorstellen wollen. Einen oder zwei Tage später, nachdem Sie sich entschuldigt haben, sagen Sie zu dem Betreffenden: „Wie würdest du die Ernsthaftigkeit meiner Entschuldigung von vorgestern auf einer Skala von eins bis zehn bewerten?“ Antwortet der andere mit einem Wert, der kleiner als zehn ist, fragen Sie nach: „Was könnte ich noch tun, um die Zehn zu erreichen?“ Die Antwort gibt Ihnen die nötigen Informationen, die Sie brauchen, um die Versöhnung so erfolgreich zu betreiben, dass am Ende die Vergebung steht.
Ein Mann stellte seiner Frau diese Frage und erhielt als Antwort: „Etwa sieben“, worauf er fragte: „Was könnte ich tun, damit ich auf zehn komme?“
„Irgendwie glaube ich schon, dass du’s ernst meinst, aber du hast nicht eingestanden, dass es dein Fehler war. Ich frage mich, ob du dein Verhalten damit begründest, dass ich dir zuvor etwas angetan habe. Ich bin nicht fehlerlos, das weiß ich, aber ich denke nicht, dass dir irgendetwas davon als Vorwand dienen kann, mich so zu behandeln. Ich bin mir eben nicht sicher, ob du das nicht doch so siehst.“
Ihr Mann hörte zu, nickte zustimmend und sagte dann: „Ich kann nachvollziehen, dass du so denkst. Aber du sollst wissen: Ich weiß, dass ich falsch gehandelt habe. Es gibt keine Entschuldigung für mein Vorgehen. Ich trage allein die Verantwortung dafür. Du hast keinerlei Schuld daran. Es tut mir leid, und ich hoffe nur, dass du mir eines Tages vergeben kannst.“
Mit dieser Aussage verbesserte der Mann die Aussicht auf Vergebung ganz erheblich.