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Titel

ISBN 978-3-7475-0360-7
3. Auflage 2021

www.mitp.de
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Telefax: +49 7953 / 7189 – 082

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Übersetzung der englischen Originalausgabe:
Michael Freeman, The Photographers Eye Remastered, 10th Anniversary

First published in the United Kingdom in 2007 by

Übersetzung: Michael Schmithäuser, Marita Böhm, Claudia Koch
Lektorat: Katja Völpel

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INHALT

EINFÜHRUNG

KAPITEL 1: DER RAHMEN

Rahmendynamik

Rahmenform

Zusammenfügen und Erweitern

Beschneiden

Den Rahmen füllen

Platzierung

Den Rahmen unterteilen

Horizont

Rahmen in Rahmen

KAPITEL 2: DESIGNGRUNDLAGEN

Kontrast

Gestaltpsychologie

Balance

Dynamische Spannung

Motiv und Hintergrund

Rhythmus

Muster, Struktur, Ansammlung

Tiefe und Perspektive

Visuelle Gewichtung

Blick und Interesse

Starker und schwacher Inhalt

KAPITEL 3: GRAFISCHE UND FOTOGRAFISCHE ELEMENTE

Ein einzelner Punkt

Mehrere Punkte

Horizontale Linien

Vertikale Linien

Diagonale Linien

Kurven

Blicklinien

Dreiecke

Kreise und Rechtecke

Vektoren

Fokus

Bewegung

Moment

Optik

Belichtung

KAPITEL 4: KOMPOSITION MIT LICHT UND FARBE

Chiaroscuro: hell und dunkel

Farbkomposition

Farbbeziehungen

Gedeckte Farben

Schwarz-Weiß

KAPITEL 5: DIE INTENTION

Konventionell oder herausfordernd

Reaktiv oder geplant

Dokumentarisch oder expressiv

Einfach oder komplex

Eindeutig oder unklar

Verzögerung

Stil und Mode

KAPITEL 6: ENTSTEHUNGSPROZESS

Die Suche nach Ordnung

Die Jagd

Fallstudie: Japanischer Mönch

Repertoire

Reaktion

Vorahnung

Erkundung

Rückkehr

Konstruktion

Gegenüberstellung

Fotos gemeinsam präsentieren

Nachbearbeitung

Syntax

Index

Danksagung & Bibliografie

EINFÜHRUNG

„… wie man ein Bild aufbaut, woraus ein Bild besteht, wie die Formen zueinander stehen, wie Räume gefüllt werden, wie das Ganze zu einer Einheit wird.“

PAUL STRAND

Vor zehn Jahren wurde dieses Buch zum ersten Mal veröffentlicht, und die Tatsache, dass es immer noch erfolgreich ist, in so vielen Sprachen, zeigt wohl, dass die ursprüngliche Idee gut war. Es war anders als die Bücher, die ich bereits geschrieben hatte. Es gab zwei Dinge, die ich mit diesem Buch erreichen wollte. Erstens wollte ich die Sichtweise eines aktiven redaktionellen Fotografen darlegen, da ich es leid war, Artikel und Bücher von Leuten zu lesen, die am Rande standen und die Sache nicht so realistisch zu sehen schienen wie diejenigen, die als Fotografen arbeiteten und für die dies ihr Leben ausfüllte. In der Einleitung der ersten Auflage habe ich hier einen Strich gezogen. Ich schrieb, dass die Sicht eines scharfsinnigen Außenseiters völlig in Ordnung sei, und zitierte Roland Barthes, der als französischer Philosoph und Literaturtheoretiker gerne sagte: „Ich könnte mich nicht in die Truppe derer einreihen, … die sich mit der Fotografie beschäftigen – wie die Fotografen.“ Heute bin ich nicht mehr so entgegenkommend. Meiner Meinung nach ist die erste Qualifikation, um sinnvoll über eine kreative Tätigkeit zu schreiben, die, dass man sie selbst ausüben kann. Sonst läuft man Gefahr, Unsinn zu schreiben, auch wenn es ansprechender Unsinn ist.

Als zweites wollte ich alle Hinweise auf die Ausrüstung rauswerfen und mich ganz darauf konzentrieren, wie man ein Bild zusammensetzt. Das war es schließlich, womit ich die meiste Zeit verbrachte, wie so ziemlich jeder arbeitende Fotograf, den ich kannte. Unglaublicherweise gab es trotz der explosionsartigen Zunahme der Popularität der Fotografie einen völligen Mangel an Texten zu diesem Thema. Aus irgendeinem Grund sprachen die professionellen Fotografen nicht über Komposition. Hielten sie es für eine Art Betriebsgeheimnis? War es etwas, das sie wirklich nicht artikulierten, nicht einmal sich selbst gegenüber? Der ungarische Fotograf André Kertész behauptete, dass alles, was er mache, von Anfang an „absolut perfekt komponiert“ sei, was nach Hybris klingt. Doch dann sagte er, dass das nicht sein Verdienst sei – „Ich wurde so geboren“. Das hilft auch keinem wirklich weiter.

Erinnern Sie sich daran, dass sich Profis zu einer Zeit, als sie ausschließlich die oberen Gefilde der Fotografie bevölkerten, für etwas Besonderes hielten? Ihre Arbeitgeber, die Zeitschriften und Werbeagenturen, gaben ihnen und ihrem Publikum dieses Gefühl. Und es ergab auch geschäftlich Sinn, das Privileg zu beanspruchen, ein seltenes Talent zu besitzen. Ja, ich war daran beteiligt und wir alle haben es gebilligt. Für Fotografen war das „the right stuff“, wenn Sie so wollen, und nicht die Ausrüstung. Es war eine Art privates Wissen, das nicht verbreitet werden durfte, es sei denn, es diente der Publicity des Fotografen.

Dieses Wissen, oder eher dessen Ergebnis, ist die Komposition. Doch wie wichtig ist Komposition? Angesichts des Wenigen, was damals dazu geschrieben wurde, könnte man denken: nicht sehr wichtig. Schließlich gibt es andere Zutaten, die ein Bild ausmachen. Da wäre das Motiv an sich und wie interessant und ungewöhnlich es ist. Dann das Timing, die Lichtqualität, das Gefühl für Farbe oder Schwarzweiß. Und immer natürlich die Ausrüstung, angefangen bei Kamera und Objektiven und weit darüber hinaus – ein Besuch auf einer riesigen Foto-Messe – damals wie heute – wird bei Ihnen bestimmt den Eindruck hinterlassen, dass die Kamerahersteller die eigentlichen Schöpfer ausgezeichneter Bilder sind.

Als aktiver Fotograf war das Organisieren all der Dinge, die ins Bild passen müssen, das, was mich beim Fotografieren die meiste Zeit beschäftigte – und das tut es immer noch. Ich vermutete, dass dies auch bei meinen Kollegen der Fall war, aber wir sprachen untereinander nicht darüber. Ein üblicheres Thema war, wie wir es geschafft hatten, an ein bestimmtes Motiv heranzukommen – die Versuche und Triumphe, einen schwierigen Ort zu erreichen, eine schwer fassbare Person dazu zu bringen, einem Porträt zuzustimmen, einen besonderen Zugang zu haben. Doch der Ruf beruhte darauf, was man mit dem Bild machte, sobald man diesen besonderen Zugang oder Blickwinkel hatte, und wie einfallsreich man war. Wofür wir eigentlich angestellt waren und was uns den nächsten Auftrag einbrachte, war, wie wir das Ganze individuell im Bild zusammensetzten. Bildredakteure und Artdirektoren schätzten Zuverlässigkeit und Effizienz, aber sie wollten auch von den Bildern überrascht und unterhalten werden. Der einflussreiche Alexey Brodovitch, von 1934 bis 1958 Art-Direktor von Harper‘s Bazaar, war für seine Anweisung an die Fotografen berühmt: „Verblüfft mich!“

Dies ist also mein Argument für die Komposition und ihre absolut zentrale Rolle in der Fotografie. Es ist auch das Argument, warum ich dieses Buch überhaupt geschrieben habe, und obwohl das Wort selbst ein wenig plump und trocken ist, geht es darum, dass der Fotograf die Kontrolle hat. Es ist das Einzige, was Sie und mich in die Lage versetzt, das Chaos vor der Kamera zu einem tatsächlichen, ansprechenden Foto zu organisieren. Das war schon immer so und wird auch immer so sein.

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KAPITEL I: DER RAHMEN

Fotografien entstehen innerhalb eines räumlichen Kontexts, und dieser Kontext ist der Sucherausschnitt. Dieser Rahmen kann bis zum finalen Foto unverändert bleiben oder nachträglich manipuliert werden. In jedem Fall haben die natürlichen Grenzen des Fotos, nahezu immer rechteckig, großen Einfluss auf das Arrangement des Inhalts.

Fotos können schon während der Aufnahme innerhalb des vorgegebenen Rahmens komponiert oder für späteren Beschnitt/Vergrößerung angelegt werden. Die meisten 35-mm-Analogfotografien erfuhren schon während des Auslösens eine strikte finale Komposition.

Unterstrichen wurde diese Tatsache oft durch die bewusste Abbildung der Filmränder im fertigen Abzug – eine Form, um „Hände weg!“ zu sagen, sobald der Auslöser betätigt wurde. Quadratische Formate (Seite 13–17) sind weniger geeignet für eine ansprechende Komposition und werden meist als Ausgangsmaterial für Ausschnitte verwendet. Großformate wie 4 × 5 und Planfilm bieten genug Material, um Ausschnitte ohne sichtbaren Auflösungsverlust zu erzeugen, und finden deshalb hauptsächlich in der kommerziellen Fotografie Verwendung.

In der digitalen Fotografie werden die Formatgrenzen durch Aneinanderreihen mehrerer Aufnahmen für Großbilder und Panoramen gesprengt (siehe Seite 18–19).

In der traditionellen Fotografie, wo das finale Bild meist während des Auslösens komponiert wird, spielen Rahmengrenzen und Bildfläche eine noch wichtigere Rolle als in der Malerei. Während ein Gemälde sozusagen aus dem Nichts entsteht, ist eine Fotografie ein Arrangement aus bereits vorhandenen Dingen, Szenen und Ereignissen. Ein Bild wird in seinem Rahmen platziert, sobald der Fotograf die Kamera hebt und durch den Sucher blickt.

Bei schnellen, aktiven Shootings wie der Straßenfotografie ist der Rahmen die Bühne, auf der das Bild stattfindet. Wenn man sich mit der Kamera am Auge bewegt, dringen Objekte in den Rahmen ein und beginnen eine sofortige Interaktion mit diesem. Das letzte Kapitel dieses Buchs beschreibt die ständig wechselnde Interaktion zwischen Blick und Bildgrenzen. Selbst bei der intuitiven Fotografie ist dieses Zusammenspiel überaus komplex. Bei statischen Motiven wie Landschaften bleibt genug Zeit, sich Gedanken über den Rahmen zu machen. Aktive Motive lassen dem Fotografen dagegen kaum Zeit zum Nachdenken.

Der richtige Umgang mit dem Rahmen erfordert fundierte Kenntnisse von Designgrundlagen und Erfahrungswerte durch häufiges Fotografieren.

Daraus ergibt sich der Blick des Fotografen – eine Art „Rahmenvision“, die ständig Szenen aus dem Leben als potenzielle Bildmotive wahrnimmt.

Woraus sich diese Betrachtungsweise zusammensetzt und wie sie optimiert werden kann, erfahren Sie im ersten Kapitel dieses Buchs.

RAHMENDYNAMIK

Der Rahmen ist die Bühne für das Bild. In der Fotografie ist das Format dieses Rahmens zunächst durch den Sucherausschnitt festgelegt, es lässt sich aber bei Bedarf später verändern und verfeinern. Unterschätzen Sie jedoch ungeachtet der späteren Bearbeitungsmöglichkeiten (siehe Seite 58–61) niemals den Einfluss der Suchergrenzen auf die Bildkomposition.

Die meisten Kameras bieten durch den Sucher einen hellen, rechteckigen Blick auf die Welt, umgeben von Dunkelheit, sodass die Präsenz des Rahmens deutlich gefühlt wird. Selbst wenn Sie einen anderen Ausschnitt geplant haben, werden Sie sich intuitiv von den Grenzen des Sucherausschnitts beeinflussen lassen.

Die verbreitetste Bildfläche sehen Sie oben rechts: einen horizontal ausgerichteten Rahmen im Seitenverhältnis 3:2. Dabei handelt es sich um das meistverwendete Kameraformat. Obwohl bereits ein leerer Rahmen eine gewisse Dynamik aufweist, kommt diese nur bei sehr minimalistischen Aufnahmen zum Tragen. Normalerweise bestimmen die Linien, Formen und Farben des Motivs die Dynamik der gesamten Aufnahme.

Je nachdem, wie der Fotograf sein Motiv behandelt, können die Bildgrenzen einen mehr oder weniger starken Einfluss auf die Bildinhalte ausüben. In den Beispielen auf diesen Seiten üben die horizontalen und vertikalen Grenzen sowie die Ecken einen starken Einfluss auf das Design der Fotografien aus. Sie wurden als Referenz für die diagonalen Linien im Bild verwendet, und die daraus entstandenen Winkel tragen ungemein zur Dynamik der Bilder bei.

Diese Aufnahmen demonstrieren anschaulich, wie stark sich der Rahmen auf den Bildinhalt auswirken kann. Doch letztlich ist diese Interaktion von den Absichten des Fotografen abhängig. Sie können ein Motiv nahezu losgelöst von den Bildgrenzen aufnehmen, wodurch der Rahmen an Bedeutung verliert. Vergleichen Sie selbst die Fotos auf diesen beiden Seiten mit der weniger formellen Aufnahme einer Straße im indischen Kalkutta auf Seite 165.

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DER LEERE RAHMEN
Das bloße Vorhandensein eines leeren Rahmens ruft Reaktionen des Auges hervor. Im Schema rechts sehen Sie eine von vielen Möglichkeiten der Interaktion. Der Blick fixiert die Mitte, driftet nach oben links, wieder hinunter und nach rechts. Dabei registriert das Auge entweder durch periphere Wahrnehmung oder durch direktes Fixieren die scharfen Ecken des Rahmens. Die dunkle Umgebung des Suchers verstärkt diese Wahrnehmung.

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AUSRICHTUNG
Eine ganz einfache und effiziente Möglichkeit für die Bildinteraktion mit dem Rahmen ist die Ausrichtung einer oder zweier Linien mit den Rahmenkanten. Im Fall dieses Wolkenkratzers verhindert die Ausrichtung der oberen und rechten Linien die visuelle Unordnung, die zwei Ecken mit purem Firmament erzeugen würden.

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DIAGONALE SPANNUNG
Der dynamische Eindruck dieser Weitwinkelaufnahme resultiert in der Interaktion der diagonalen Linien mit dem rechteckigen Rahmen. Obwohl die diagonalen Linien eine unabhängige Richtung und Bewegung aufweisen, erzeugen sie in Bezug auf den rechteckigen Rahmen eine spürbare Spannung im Bild.

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ABSTRAKTION DURCH ÜBERSCHNEIDUNG
Diese Aufnahme einer Kirche in New Mexico bricht bewusst mit den Regeln der Bildkomposition, um eine interessante Abstraktion zu erzeugen. Eine konventionelle Aufnahme hätte sowohl die Ober- als auch die Unterseite des Gebäudes präsentiert. Hier sollen jedoch die Geometrie und die Strukturen in den Vordergrund gestellt werden, was durch die Überschneidung mit den Rahmengrenzen hervorragend gelingt. Dadurch wird der Realismus aus dem Bild entfernt, sodass das Auge sich losgelöst vom Motiv auf die Strukturen konzentrieren kann.

RAHMENFORM

Die Form des Suchers (und des LC-Displays) hat großen Einfluss auf die Form des Bilds. Obwohl das spätere Zuschneiden kein Problem darstellt, erfährt der Fotograf einen starken intuitiven Druck, während er das Motiv innerhalb der Rahmenkanten anordnet. Es braucht jahrelange Erfahrung, um die Elemente im Sucher richtig ordnen zu können – manche Fotografen gewöhnen sich nie daran.

Anders als Gemälde und Grafiken liegen Fotografien meist in strikt definierten Formaten (Seitenverhältnissen und Größen) vor. Vor dem Aufkommen der digitalen Fotografie wiesen die allermeisten Fotografien ein 3:2-Format auf – wie auch die herkömmliche 35-mm-Kamera mit 36 × 24 mm. Da nun die Breite des Films kein Hindernis mehr darstellt, verwenden die meisten preiswerten und Midrange-Kameras ein natürlicheres Seitenverhältnis von 4:3. Dieses erleichtert sowohl den Ausdruck als auch die Darstellung auf Monitoren. Die Frage nach dem idealen Seitenverhältnis ist eine Wissenschaft für sich. Dennoch zeichnet sich ein Trend zu Breitbildformaten (z. B. 16:9 bei Großbildfernsehern) ab, die sich weniger gut für vertikal orientierte Bildkompositionen eignen.

DAS 3:2-FORMAT

Das klassische 35-mm-Seitenformat, das nahtlos auf die digitalen SLR-Kameras übertragen wurde, dient oftmals als Unterscheidungsmerkmal zwischen Amateur- und Profifotografie. Das Format ist sozusagen durch einen historischen Zufall entstanden; es gibt keinerlei ästhetische Gesichtspunkte für dieses Seitenverhältnis. Weniger gestreckte Formate wirken natürlicher, wie die vielen Arten der Präsentation von Bildern deutlich aufzeigen: Bilderrahmen, Computermonitore, Fotopapier, Bücher und Magazine und so weiter. Die historische Ursache für das Seitenverhältnis war, dass der 35-mm-Film lange Zeit als zu klein für gute Vergrößerungen galt und das gestreckte Format Platz für mehr Inhalte bot. Die Popularität des Formats ist ein eindrucksvoller Beweis für unseren Sinn für intuitive Kompositionen.

Meistens werden Fotos im horizontalen Querformat geschossen, wofür es mehrere Motive gibt. Erstens spielt die Ergonomie eine große Rolle. Kameras sind so geformt, dass die horizontale Haltung ergonomisch ideal ist. DSLRs sind für horizontale Aufnahmen gemacht. Eine Drehung um 90 Grad wird meist vermieden, da der Komfort erheblich darunter leidet. Zweitens ist unser menschliches Blickfeld horizontal angelegt. Natürlich ist es nicht durch einen rechteckigen Rahmen begrenzt, sondern entspricht eher einem lang gezogenen, an den Kanten sanft auslaufenden Oval. Innerhalb dieses Ovals fokussiert unser Auge bestimmte Punkte, die scharf gesehen werden. Das horizontale Bildformat ist die größtmögliche Annäherung an unser natürliches Blickfeld. Drittens wirkt das 3:2-Format in vertikaler Ausrichtung rein optisch viel zu sehr in die Höhe gezogen.

All diese Gründe führen dazu, dass das horizontale Bildformat am ehesten unserer menschlichen Natur entspricht. Es hat einen gewissen Einfluss auf die Art, wie wir Bilder komponieren. Es harmoniert mit dem Horizont, der in nahezu allen Landschaftsaufnahmen vorkommt. Das horizontale Format führt natürlich auch zu einer horizontalen Anordnung der Bildelemente. Des Weiteren wirkt es natürlicher, wenn man ein Motiv im Rahmen ein wenig tiefer platziert – das verstärkt den Eindruck von Stabilität. Eine Anordnung des Motivs oder des Horizonts im oberen Drittel des Rahmens simuliert eine leichte Blickrichtung nach unten mit gesenktem Kopf, was allgemein ein eher negatives Gefühl erzeugt.

Für vertikale Motive ist das gestreckte 2:3-Format natürlich ein Gewinn. Der aufrecht stehende menschliche Körper wird oft in solchen Hochformaten abgebildet. Diese ideale Passform ist ein glücklicher Zufall, denn für viele andere Motive ist das 2:3-Format alles andere als passend und zufriedenstellend.

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DER MENSCHLICHE BLICK
Unser natürlicher Blick auf die Welt erfolgt in einem horizontalen Format, wodurch ein horizontales Foto vollkommen stimmig und normal erscheint. Die Ränder des Sichtfelds sind nur schemenhaft erkennbar, da unsere Augen generell nur einen schmalen Bereich „scharf stellen“ können. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine klassische Unschärfe, da Kanten durch die periphäre Vision wahrgenommen werden. Deshalb werden die hier grau markierten Bild bereiche nicht als unscharf wahrgenommen, sondern ignoriert.

SEITENVERHÄLTNIS

Dieser Begriff bezeichnet das Verhältnis von Breite zu Höhe. Dieser Kasten verfügt über erheblich mehr Breite als Höhe und stellt deshalb kein verbreitetes Format dar. Ein Standard-DSLR-Rahmen verfügt über ein Seitenverhältnis von 3:2 (horizontal) oder 2:3 (vertikal).

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PANORAMA
Das Zusammenspiel von Horizontlinie und Format führt in den allermeisten Landschaftsaufnahmen zu horizontal angeordneten Rahmen. Im Bild sehen Sie einen Blick auf den Blenheim Palace in Oxford, während seiner Erbauung als „der schönste Blick Englands“ getauft. Bei diesem Motiv kommt der Breite eine enorme Bedeutung für die Komposition zu, während die Tiefe eine eher untergeordnete Rolle spielt.

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DAS 3:2-STANDARDFORMAT
Die zusätzliche Breite gegenüber den 4:3-Formaten preiswerter Kameras und der meisten Computermonitore macht dieses Seitenverhältnis sehr interessant. In diesem Foto von der Lord Mayor’s Show in der City of London ergibt sich die Basisstruktur aus der Balance zwischen dem Soldaten zur Linken und der Kutsche im Zentrum. Es besteht ein klarer Vektor von links nach rechts mit einem großen Eindruck von Tiefe.

4:3 UND ÄHNLICHE FORMATE

Diese etwas „dickeren“ Formate wirken traditionell und in Bezug auf die digitale Welt mit Bildschirmpräsentationen natürlicher und stimmiger. Mit anderen Worten: Sie sind mit unseren Augen leichter und bequemer zu erfassen. In jüngster Vergangenheit existierte noch eine Vielzahl solcher Formate – von 13 × 10 cm über 25 × 20 cm und 35,5 × 28 cm bis hin zu 21,5 × 16,5 cm. Heutzutage ist die Auswahl eingeschränkter, doch die Proportionen sind immer noch im Großen und Ganzen dieselben. 4:3-Derivate sind im Rollenfilm, auf Kameradisplays und auf preiswerten Digitalkameras zu finden.

In puncto Komposition sind diese Formate leichter zu handhaben, denn sie erfordern nicht eine ganz so strikte horizontale Ausrichtung wie das 3:2-Format. Eine klare Unterscheidung zwischen Höhe und Breite ist besonders wichtig, um dem Auge dabei zu helfen, sich auf dem Foto zurechtzufinden. Vergleichen Sie dies mit den Problemen, die quadratische Formate verursachen, die oftmals eine klare Blickrichtung vermissen lassen. Allgemein lassen sich vertikale Kompositionen sehr bequem in 4:3-Formaten anordnen.

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AUSRICHTUNG ÄNDERN I
Bei dieser Aufnahme eines schlafenden Mannes in der Khyber-Eisenbahn entsteht eine natürliche Balance, wenn sein Kopf in der vertikalen Ausrichtung tiefer und in der horizontalen Ausrichtung ein wenig nach rechts verschoben wird.

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AUSRICHTUNG ÄNDERN II
Aus der Luft betrachtet, passt der Grand Prismatic Spring im Yellowstone Nationalpark hervorragend in einen horizontalen Rahmen. Wenn – z. B. für einen ganzseitigen Aufmacher – ein vertikaler Rahmen notwendig wird, muss das zentrale Bildmotiv nach unten wandern und der entstehende Platz oben durch ein weiteres Element gefüllt werden.

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VERTIKALES MOTIV – HORIZONTALER RAHMEN
Obwohl dieses Format nicht ideal für vertikale Motive wie stehende Personen oder hohe Gebäude ist, versuchen viele Fotografen dennoch, das Beste aus dem vermeintlichen Widerspruch zu machen. Eine Technik besteht im Platzieren des vertikalen Motivs am Bildrand, sodass das Auge dem horizontalen Bildverlauf folgen kann.

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EIN FLEXIBLER RAHMEN
4:3, 5:4 und ähnliche „dicke" Rahmenformen beeinflussen die Bildkomposition nicht so nachdrücklich wie das 3:2-Format. Während des Foto- grafierens genießt man daher mehr Flexibilität, wie bei dieser Aufnahme in Angkor Wat, die für ein Buchcover an den Seiten beschnitten wurde.

VERTIKAL FOTOGRAFIEREN

Wie bereits beschrieben, gibt es ein natürliches Widerstreben, Fotos in vertikaler Ausrichtung zu schießen. Allerdings bevorzugen etwa Printmedien das Hochformat, da es besser mit Buch- und Heftseiten korrespondiert. Aus diesem Grund fertigen viele Profifotografen sowohl horizontale als auch vertikale Aufnahmen ihrer Motive an. Die Natürlichkeit des horizontalen Blickfelds zwingt uns, ein Bild intuitiv von einer Seite zur anderen abzutasten.

Ein nicht gestrecktes Motiv wird von den meisten Fotografen unterhalb der gedachten Mittellinie platziert. Je gestreckter das Motiv wird, desto weiter wandert es nach unten. Die natürliche Verhaltensweise beim Aufnehmen eines einzelnen Motivs ist, den Fokus nach unten zu drücken und die Oberseite des Rahmens als Bildfläche zu meiden. Eine Ursache hierfür: Wie auch bei horizontalen Aufnahmen stellt der untere Bildrand eine solide Basis dar – sozusagen den „Boden“, auf dem das Motiv „steht“. Das funktionier mit 3:4-Proportionen ohne Probleme, doch beim 2:3-Seitenverhältnis eines SLR-Rahmens wirkt diese Vorgehensweise extrem und lässt große Teile der oberen Bildfläche ungenutzt.

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AM UNTEREN BILDRAND
Das Auge tastet ein Bild ungern von oben nach unten ab, und die Unterseite repräsentiert die solide Basis eines Fotos – die Schwerkraft beeinflusst die Bildkomposition. Motive werden deshalb vorwiegend unterhalb der Bildmitte platziert, so wie es auch bei diesem Boot in Bangkok der Fall ist. Hier wirkt sich auch noch die Bewegungsrichtung des Motivs auf die tiefe Positionierung aus.

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STEHENDE PERSON
Der aufrecht stehende Mensch ist wie geschaffen für ein vertikales Bildformat. Darüber hinaus lassen sich auch hohe Gebäude, viele Pflanzen, Flaschen, Trinkgläser, Türen und Tore hervorragend im Hochformat verewigen.

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MUSTER OHNE ORDNUNG
Muster und andere formlose Arrangements passen hervorragend in einen quadratischen Rahmen, da das Format keine Richtung impliziert. Unter diesen Umständen wirkt sich die Rahmenform nicht auf den Bildinhalt aus.

QUADRAT

Während alle anderen denkbaren Rahmenformate rechteckig mit variablen Proportionen sind, gibt es nur einen Rahmen mit gleichmäßigen Proportionen: das Quadrat. Einige wenige Kameras nutzen dieses ungewöhnliche Format, in das nur wenige Motive und Kompositionen passen.

Das Quadrat ist das komplizierteste Format für die Bildkomposition – die meisten Designstrategien beschäftigen sich deshalb damit, wie man der Tyrannei der Gleichmäßigkeit entkommt, die ein Quadrat dem Fotografen aufbürdet.

Doch warum passen die meisten Motive nicht in einen quadratischen Rahmen? Teilweise hat dies mit der Achse des Motivs zu tun. Nur wenige Formen sind so kompakt, dass sie über keine eindeutige Ausrichtung verfügen. Die meisten Dinge dehnen sich in die eine Richtung mehr aus als in die andere, und es ist ganz natürlich, die Hauptachse eines Fotos an der längeren Seite des Rahmens auszurichten. Die meisten breitformatigen Landschaftsaufnahmen sind horizontal ausgerichtet und die meisten stehenden Personen vertikal.

Das Quadrat kennt jedoch keinerlei Ausrichtung. Sein Seitenverhältnis entspricht exakt dem Faktor 1:1 und dadurch werden die Räume innerhalb des Rahmens absolut gleichmäßig aufgeteilt. Dies ist der zweite Grund für die Komplexität quadratischer Formate: Sie fordern eine absolute formale Rigidität von Motiv und Inhalt.

Wenn Sie mit quadratischen Rahmen arbeiten, ist es überaus schwer, dem Gefühl für Geometrie zu widerstehen, das sich dabei einstellt. Die Symmetrie der Rahmenkanten lenkt den Blick des Betrachters ins Zentrum des Bilds.

Fotografen, die mit Kameras mit quadratischen Formaten arbeiten, komponieren ihre Aufnahmen dennoch in virtuellen Rechtecken und schneiden das fertige Bild zu. In der Praxis geben quadratische Sucher dem Fotografen mehr Freiheit bei der Bildkomposition; der Zuschnitt auf rechteckige Formate erfolgt erst später.

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DAS QUADRAT UNTERTEILEN
Das identische Seitenverhältnis macht quadratische Rahmen ideal für symmetrische Unterteilungen, wie die nebenstehenden Grafiken illustrieren. Vertikale und horizontale Linien erhöhen die Stabilität des Quadrats, während Diagonalen für ein Plus an Dynamik sorgen.

1. Mit seinem klar definierten Mittelpunkt eignet sich ein Quadrat ideal für kreisförmige Kompositionen. Runde und andere komplett symmetrische Objekte harmonieren perfekt mit der Symmetrie des quadratischen Rahmens. Allerdings müssen Sie auf eine exakte Ausrichtung des Objekts innerhalb des Rahmens achten.

2. Kreis und Quadrat passen hervorragend zusammen. Ein exakt mittig platzierter Kreis lenkt den Blick des Betrachters auf das Zentrum.

3. Eine natürliche Teilung durch vertikale und horizontale Linien. Der Effekt wirkt jedoch extrem statisch.

4. Eine dynamischere, aber immer noch zentrierte Unterteilung mit Diagonalen und Diamantformen.

ZUSAMMENFUGEN UND ERWEITERN

Software zum Zusammenfügen („Stitching“) mehrerer Fotos ist zu einem oft und gerne benutzten Werkzeug zur Gestaltung größerer und breiterer Fotos geworden.

Zum einen wird das Verfahren zum Verbinden mehrerer sich überlappender Aufnahmen verwendet, um eine höhere Auflösung und damit die Möglichkeit zu größeren Ausdrucken zu erhalten. Zum anderen kann man durch Zusammenfügen die Form eines Bilds verändern. Meist werden auf diese Weise mehrere horizontale Aufnahmen zu einem Panorama zusammengesetzt.

Doch es gibt noch weitere Anwendungsmöglichkeiten als den 180-Grad-Rundblick. Was oft übersehen wird: Bereits bei der Aufnahme muss der Fotograf das zusammengefügte Endergebnis im Kopf haben. Das Sucherbild entspricht nicht dem finalen Bild, was eine völlig neue Situation in der Fotografie nach sich zieht. Der Fotograf muss sich den finalen Rahmen vorstellen, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. Panoramen genießen einen besonderen Stellenwert in der Welt der Fotografie. Obwohl alle Seitenverhältnisse, die größer als 2:1 sind, sehr extrem wirken, geht von überbreiten Landschaftsaufnahmen eine große Faszination aus. Diese Faszination liegt wiederum in der Art des Sehens begründet.

Wir tasten ein Motiv mit unseren Augen ab, statt es in einer Einheit zu erfassen. Das Auge wandert über das Bild und erfasst einzelne Bestandteile, die das Gehirn zu einem Ganzen zusammensetzt. Alle Standardformate in der Fotografie – und auch die meisten Gemälde – lassen sich in einer sehr schnellen Abtastsequenz erfassen und auswerten.

Ein Panorama hingegen gibt dem Auge die Möglichkeit, über das Motiv zu wandern und nur bestimmte Bildteile auf einmal zu erfassen. Das entspricht exakt unserer natürlichen Betrachtungsweise beim Erfassen eines Motivs. Man kann das Bild sozusagen erforschen.

Natürlich setzt dies voraus, dass die Reproduktion groß genug erfolgt und der Fotograf die Einzelbilder mit Bedacht auswählt.

Dieses Geheimnis des Panoramas, das Bildteile bewusst in der peripheren Vision des Betrachters platziert, wird auch im Kino angewendet, wo breite Leinwände mit gestreckten Seitenverhältnissen zum Standard gehören.

Spezielle Projektionssysteme wie Cinerama oder IMAX gehen noch einen Schritt weiter, indem sie das Bild um den Betrachter herum aufbauen. Panoramafotografien nutzen einen ähnlichen Effekt.

Der Rahmen kann in der Nachbearbeitungsphase auch in andere Richtungen erweitert werden, z. B. durch Strecken, Verzerren oder Duplizieren von Inhalten. Bestimmte Fotos werden auch in mehrere Richtungen erweitert – z.B. beim Hinzufügen eines Firmaments am oberen Bildrand oder beim Erweitern des Hintergrunds bei einer Studiofotografie.

Für Zeitschriftenlayouts sind solche Tricks oftmals unerlässlich, doch man sollte bei solchen Manipulationen nie zu weit gehen, um den Realismusgehalt nicht zu stark zu verfälschen.

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5:1-PANORAMA
In diesem Panoramafoto wurden große Teile des Himmels und der Landschaft beschnitten, damit das Auge dem Rhythmus der Horizontlinie und der Interaktion von Wolken und Bergen zu folgen vermag. Landschaften passen hervorragend in solche gestreckte Rahmen. Die Abbildung besteht aus acht sich überlappenden Einzelaufnahmen.

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RAHMENEXPERIMENTE
Eine Sequenz von fünf sich überlappenden Einzelbildern wurde für dieses Bild der weißen Kalkklippen in der Nähe von Dover, England, verwendet. Normalerweise wird der Horizont bei solchen Panoramen strikt horizontal ausgerichtet. Doch die Neigung der Kamera hat aus der Horizontlinie eine Kurve gemacht, wodurch das fertige Bild halbrund beschnitten werden konnte.

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KONTROLLE UND VERGRÖSSERUNG
Für ein besonders großformatiges Foto wurden hier mehrere Aufnahmen desselben Motivs mit einem Shift-Objektiv zur Perspektivenkorrektur angefertigt. Das Aneinanderfügen der so entstandenen 13 Aufnahmen ergibt das Äquivalent zu einer Großformataufnahme. Normalerweise werden die Stufen am Bildrand bei der Nachbearbeitung abgeschnitten. Hier dienen sie zur Verdeutlichung und als ästhetischer Kniff.

BESCHNEIDEN

Das Beschneiden ist eine Kunst, die in den Tagen der Schwarz-Weiß-Fotografie zu höchster Perfektion gelangte, in der Farbfilm-Ära an Bedeutung verlor und nun im digitalen Zeitalter wieder einen integralen Bestandteil der Bildbearbeitung darstellt. Selbst wenn bei der Aufnahme größte Sorgfalt waltete, machen technische Eingriffe wie die Korrektur der Objektivverzeichnung den Vorgang notwendig.

Das Beschneiden dient nicht nur zum Korrigieren eines Fotos, sondern ermöglicht auch völlig neue Arrangements innerhalb der neuen Rahmenkanten. Im Gegensatz zum Zusammenfügen geht beim Beschneiden Bildfläche und damit Auflösung verloren, sodass das Ausgangsbild in hoher Auflösung vorliegen muss. Während in der traditionellen Fotoentwicklung oft mit L-förmigen Beschnittmasken direkt auf dem Film (auf einem Leuchtkasten) oder auf einem Kontaktabzug gearbeitet wurde, greift man bei der digitalen Bildbearbeitung auf komfortable Beschnittwerkzeuge zurück.

Das Beschneiden darf niemals als Entschuldigung für eine schlechte Bildkomposition gesehen werden. Die Möglichkeit, ein Bild am Computer neu zu arrangieren, birgt die Gefahr der schludrigen Aufnahme schlecht angeordneter Motive. Das Beschneiden ist ein empfindlicher Eingriff in die Konsistenz eines Fotos, sodass dieses Mittel stets mit Bedacht eingesetzt werden sollte.

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LANDSCHAFT IM NÖRDLICHEN THAILAND
In dieser Aufnahme aus Thailand sehen Sie, farblich hervorgehoben, mehrere Alternativen für den Beschnitt. Die Tempelruine im Zentrum muss stets im Bild bleiben, da sie das zentrale Motiv darstellt. Die Variationen spielen mit verschiedenen Formaten, Ausrichtungen, Horizontlinien und peripheren Elementen. Ein niedrig platzierter Horizont (lila und grüner Rahmen) gewährt einen offeneren Blick auf das Geschehen und betont den Himmel. Schiebt man die Horizontlinie nach oben (roter Rahmen), gewinnt das Reisfeld im Vordergrund an Gewicht. Ein vertikaler Ausschnitt (blauer Rahmen) benötigt zur Balance ebenfalls einen großen Bereich des Reisfelds.

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LANDSCHAFT IN SCHOTTLAND
Anhand dieser Aufnahme der nebligen Landschaft auf der Isle of Skye betrachten wir drei Beschnittvarianten. Die Originalaufnahme wurde mit klarem Fokus auf die sehr dynamische Wolkenstruktur gemacht. Dementsprechend niedrig wurde der Horizont platziert. Dieser Umstand schränkt die verfügbaren Optionen ein.

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1. Dieser Zuschnitt ignoriert die Wolken im oberen Bildbereich und lenkt den Blick auf die Gesteinsformationen am Boden. Da nun die Wolken keine Rolle mehr spielen, steht es Ihnen frei, wie viel Sie vom oberen Bildbereich abschneiden. Dieser Beschnitt kehrt das Verhältnis von Himmel zu Boden schlichtweg um. Dadurch entsteht fast schon eine Panoramaaufnahme. Für einen solchen Zuschnitt ist eine sehr hoch auflösende Bilddatei notwendig.

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2. Wenn die horizontalen Proportionen erhalten bleiben sollen, wird es schon kniffliger. Um die Balance zu wahren, muss die Wolkenstruktur am oberen Bildrand noch sichtbar sein. Die Seiten können nicht beschnitten werden, ohne die interessante Gesteinsformation zu beschädigen. Der einzige Weg besteht deshalb im Abschneiden des unteren Bildbereichs, sodass die Horizontlinie fast an den unteren Bildrand stößt.

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3. Ist ein vertikaler Zuschnitt möglich? Da ein Hochformat noch stärker von der Wolkenstruktur lebt, bleibt hier nur ein Beschnitt der Seiten. Die interessanteste Gesteinsformation muss erhalten bleiben und gibt somit die Beschnittlinien vor.

DEN RAHMEN FÜLLEN

Um verschiedene Grafikelemente zu komponieren und deren Interaktion analysieren zu können, müssen sie zuerst isoliert, d. h. die grundlegendsten Situationen für Bildkompositionen gewählt werden. In der Praxis gibt es endlose Möglichkeiten, wobei ein einzelnes, isoliertes Objekt eine Besonderheit darstellt. Die Beispiele hier sind solche Ausnahmen, da wir in dieser Phase klare, aufgeräumte Fotos benötigen.