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Einheitsübersetzung der Deutschen Bibelgesellschaft
Gegrüßet seist du, Maria, ohne Sünde empfangen,
bete für uns, die wir uns an dich wenden. Amen.
Siehst du diese Frau? Als ich in dein Haus kam, hast du mir kein Wasser für die Füße gegeben; sie aber hat meine Füße mit ihren Tränen benetzt und sie mit ihren Haaren abgetrocknet. Du hast mir keinen Kuss gegeben; sie aber hat, seit ich hier bin, unaufhörlich meine Füße geküsst. Du hast mir nicht das Haupt mit Öl gesalbt; sie aber hat mit Balsam meine Füße gesalbt. Deshalb sage ich dir: Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie viel geliebt hat. Wem aber nur wenig vergeben wird, der liebt wenig.
LUKAS 7; 44–471
»Es ist besser, nicht zu leben als nicht zu lieben.«
Wie wahrscheinlich alle, die dabei waren, als Henry Drummond im Frühling 1874 in einem Garten in Kent seine denkwürdige Predigt hielt, glauben auch wir, alles Wissenswerte über das Wichtigste auf der Welt zu wissen: die Liebe.
Wir verbringen unser ganzes Leben damit, verzweifelt jemanden zu suchen, der uns liebt, der uns das Gefühl gibt, großherzig, einmalig und gut zu sein – und wenn wir nach langem, vergeblichen Suchen begreifen, dass uns auf unserem Weg auch Zeiten der Einsamkeit erwarten, sagen wir, dass das Leben ungerecht ist.
Ich selbst glaubte, dass ich bereits genug über die Liebe nachgedacht hätte, bis mir Henry Drummonds Büchlein The Greatest Thing in the World in die Hände fiel. Als ich es zu lesen begann, wurde mir deutlich, wie viel ich von einer Liebe verlange und wie wenig ich zu geben bereit bin.
Als ich Drummonds Büchlein zu lesen und seine Lehren in die Praxis umzusetzen begann, veränderte sich mein Leben grundlegend. Auch begann ich zu begreifen, dass ich bis dahin nicht richtig gesucht hatte. Oder vielmehr, um es in Henry Drummonds Worten auszudrücken, »um ins Himmelreich zu kommen, muss der Mensch das Paradies in seiner Seele tragen«.
Ein kleiner Hinweis an die Leserinnen und Leser: Ich habe Henry Drummonds Text für unsere Zeit adaptiert und möchte dessen primär christliche Botschaft als eine universell spirituelle verstanden wissen. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass die Liebe das Wichtigste auf der Welt ist und über das Religiöse weit hinausgeht.
Paulo Coelho
An einem kalten Frühlingsnachmittag des Jahres 1874 waren in einem Garten in der englischen Grafschaft Kent viele Menschen aus allen Teilen Englands zusammengekommen, um den berühmtesten Prediger der damaligen Zeit zu hören. Sie konnten es kaum erwarten, zu erfahren, was der Mann ihnen zu sagen hatte.
Doch der Prediger fühlte sich nach einer achtmonatigen Reise durch viele Länder leer und uninspiriert. Er schaute ins Publikum, versuchte sich auf etwas zu besinnen, was er seinem Publikum sagen könnte, und gab dann auf.
Der Geist Gottes hatte ihn an jenem Nachmittag ganz offensichtlich nicht berührt. Ratlos und traurig wandte er sich an einen jungen Missionar, der neben ihm stand. Dieser war erst vor kurzem aus Afrika zurückgekehrt und hatte ja vielleicht etwas Interessantes zu erzählen. Der Prediger bat ihn deshalb, an seiner Stelle zu sprechen.
Zunächst reagierten die Anwesenden enttäuscht. Denn niemand kannte den jungen Missionar. Und eigentlich war er auch gar kein richtiger Missionar; denn er hatte sich noch nicht zum Priester weihen lassen, weil er nicht sicher war, wirklich dazu berufen zu sein.
Auf der Suche nach einem Lebenssinn und auf der Suche nach sich selbst hatte der junge Mann zwei Jahre in Afrika verbracht und sich dort intentsiv dem Bibelstudium gewidmet.