Liebe Horror-Fans,
dass wir anders sind, müssen wir euch – glauben wir – nicht sagen. :-) Eine einfache Biografie über unser Leben? Nein, danke! Wir wollten etwas machen, das sonst keiner macht, und haben uns dazu entschlossen, unsere gruseligsten und emotionalsten Erfahrungen mit dem Paranormalen mit euch zu teilen!
Wir wissen, dass dieses Thema die Gesellschaft spaltet und es viele Skeptiker da draußen gibt. Aber auch ich, Lou, war ein Skeptiker! Bis ich mit meinen eigenen Sinnen erleben musste, dass wir nicht allein auf dieser Welt sind …
Ja, es gibt sie! Und sie lauern überall: Engel, Geister, Dämonen und Dimensionen, für die es keine Erklärungen gibt. Sie besuchen uns im Schlaf, quälen uns in Albträumen und spielen uns tagtäglich Streiche. Kennt ihr dieses Gefühl, wenn euch plötzlich eiskalt wird und sich eure Nackenhaare aufstellen? Wenn ihr nachts aus dem Nichts wach werdet und das Gefühl habt, es wäre jemand mit euch in eurem Zimmer?
In diesem Buch möchten wir mit euch teilen, was wir vor vielen Jahren auf YouTube mit unserem Horror-Content gestartet haben. Mich, Lisha, begleitet das Paranormale seit meiner frühen Kindheit, und ich habe schon einiges davon erzählt. Aber dieses Mal bekommt ihr die ungeschnittene Wahrheit – bis ins letzte Detail!
Und weil wir ohne euch nicht da wären, wo wir heute sind, haben wir beschlossen, die gruseligsten Storys unserer Community in unser Buch aufzunehmen. Hier gibt es nichts Ausgedachtes! Alle Geschichten basieren auf wahren Begebenheiten und werden euch einen kalten Schauer über den Rücken laufen lassen: Wenn ein Ball wie von Geisterhand durch unser Wohnzimmer fliegt, sich unser Badezimmerschacht nachts immer wieder von allein öffnet – oder der Tod mehrmals an unsere Scheibe klopft …
Vorwort
Lishas Kindheit und Jugend
Lous Kindheit und Jugend
Lishas Träume – oder andere Dimensionen
Lisha: Die tote Zwillingsschwester
Lisha: Die verfluchte Wohnung
Lisha: Unsere erste gemeinsame Ouija-Board-Erfahrung
Lisha: Ouija-Board – Geschichten aus dem Jenseits
Lou: Ouija-Board – Geschichten aus dem Jenseits
Lisha: Exorzismus in der Moschee
Lisha: Geister auf Mallorca
Quiz: Wie gut kennst du Lisha & Lou?
Paranormale Erfahrungen von Fans, Familie und Freunden
Wir wollen DANKE sagen …
Glossar
Mich musste nie jemand davon überzeugen, dass es Geister gibt. Ich bin empfänglich für alles Paranormale – schon seit ich ein Kind war. Natürlich konnte ich das damals noch nicht einordnen. Vorfälle, die ich mir nicht erklären konnte, wie etwa ein unheimliches schwarzes Loch in meiner Kinderzimmerwand oder eine von innen abgeschlossene Badezimmertür im Haus meines Opas, machten mir Angst – wie das bei kleinen Kindern eben so ist. Geister, Dämonen, Hexen – alles fiese Kreaturen, denen man lieber nicht begegnet. Manchmal war es aber auch spannend zu beobachten, wie sich die guten und die bösen Mächte Wege suchten, mir zu begegnen.
Dazu müsst ihr wissen, dass ich grundsätzlich nie der Typ »ängstliches Mädchen« war. Im Gegenteil. Ich war diejenige, die immer Horrorfilme gucken wollte, wenn meine Freundinnen eine Liebeskomödie vorschlugen. Filme wie Ghostbusters und Scooby-Doo oder die Mystery-Fernsehserie X-Factor: Das Unfassbare habe ich nur so verschlungen – das machte mir keine Angst. Ich fand es aufregend und richtig cool. Auch Halloween war mein Fest. Ich liebte es, überall die furchterregenden Minigeister zu sehen. Klar, dass ich selbst dabei nie die Prinzessin war, sondern immer die Hexe oder ein kleiner Vampir.
Nachts passieren den Menschen die gruseligsten Dinge – das habe ich schon als kleines Kind gelernt.
Mein Kinderzimmer, das ich mir mit meiner älteren Schwester teilte, lag in unserer Dreizimmerwohnung in der Graefestraße in Berlin, am Ende eines langen Flures. Hier bin ich aufgewachsen. Wir hatten zusammen ein ungefähr zwanzig Quadratmeter großes, viereckiges Zimmer. Gleich links, wenn man durch die Tür kam, stand unser gemütliches Hochbett aus hellem Holz. Das liebten wir. Meine Schwester schlief oben. Ich war aber genauso glücklich über meine Höhle unten. Hier konnte ich mich zusammen mit all meinen Kuscheltieren gemütlich an die Wand ankuscheln. Das gab mir Nacht für Nacht ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit beim Einschlafen. Neben dem schönen Bett stand noch ein heller Kleiderschrank, gegenüber gab es einen Schreibtisch, unsere Hamsterkäfige und ein großes Fenster, durch das der Mond hell ins Zimmer schien, wenn wir mal wieder vergessen hatten, die Jalousien herunterzulassen. Weil unsere Mutter der Ansicht war, dass wir Schutzengel brauchten, die über uns wachten, hing direkt über dem Türrahmen eine Porzellanfigur: zwei betende kleine Engelskinder, ein Junge und ein Mädchen im Pyjama.
Ob die in dieser einen Nacht – ich war etwa vier Jahre alt – im Raum waren, um mich zu beschützen? Ich glaube nicht. Es muss zwei, drei Uhr am Morgen gewesen sein. Es war dunkel, bis auf den Mond, der durchs Fenster schien und schattenhafte Umrisse ins Zimmer zeichnete. Ich hatte schon tief und fest geschlafen. Da wurde ich wach. Nicht von einem Geräusch oder etwas Unheimlichem. Einfach so. Meine Schwester über mir schnarchte ganz leise. Ich drückte meine Kuscheltiere fest an mich, wollte mich gerade wieder an die Wand schmiegen – da war sie nicht mehr da! Ich tastete, fühlte. Das konnte doch nicht sein. Ich konnte in die Wand hineinfassen. Dort war nur tiefes Schwarz! Irgendeine Stimme schien mir zuzuflüstern: »Komm her, mein Kind! Komm rein!« Dabei war es – bis auf das gleichmäßige Schnarchen meiner Schwester – totenstill im Raum. Nur mein eigener Atem ging jetzt schneller. Ich schwitzte, mein Schlafanzug klebte an mir wie eine zweite Haut. Panik machte sich in mir breit. Ich wollte schreien, aber mir blieb der Schrei in der Kehle stecken. Ich drehte meinen Kopf weg von dem schwarzen Nichts und sah unsere Hamster leise in ihrem Hamsterrad laufen, erahnte ihre Form eher, als sie wirklich zu sehen. Dann drehte ich meinen Kopf wieder nach links. Immer noch tiefste Dunkelheit – als hätte sich ein dunkler Tunnel neben meinem Bett aufgetan. Und das war definitiv kein Traum! Ich war zu hundert Prozent wach. Irgendwie fand ich es verlockend, ins Schwarze zu gehen, um zu gucken, was mich dort erwartete. So war das bei mir schon als Kind – so unheimlich die Situation auch war, so magisch zog es mich doch an, der Sache auf den Grund zu gehen.
Doch genau in diesem Moment wurde meine Schwester wach. Sie merkte, dass bei mir etwas nicht stimmte, und fragte: »Was machst du da? Warum schläfst du nicht? Was ist los?« Schon tauchte ihr Kopf mit den herabhängenden Haaren oben am Bettrand auf, um nach mir zu sehen. »Schau, hier, alles schwarz«, setzte ich zu einer Erklärung an, drehte mich zum schwarzen Loch und – zack, war die Wand auf einmal wieder da. »Ich sehe da nichts Schwarzes!«, antwortete meine Schwester schläfrig. »Komm, schlaf weiter!« Weg war sie wieder. Ich aber wälzte mich in dieser Nacht noch lange hin und her, bis ich vor Erschöpfung schließlich ebenfalls einschlief.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, ging mein erster Blick nach links: Die Wand war da. Ich streckte meinen Arm aus, um sie zu berühren und mich mit meinen eigenen Sinnen davon zu überzeugen, dass es wirklich nur die Wand war. Kein schwarzes Loch. Kein dunkler Tunnel. Ja, da war nichts Anormales mehr. Auch an den folgenden Abenden spürte ich noch eine Aufregung in mir, ich schlief ewig lange nicht ein und war stets darauf vorbereitet, dass es wieder passierte. Ich wartete darauf, dass das schwarze Nichts zurückkehrte. Es kam nie wieder. Aber ich weiß: Ich war in besagter Nacht definitiv wach und bei klarem Verstand, das war kein Traum. Es war ein erster Ruf von der dunklen Seite, ein erstes Herantreten an mich.
An Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern sowie zu Familiengeburtstagen sind wir immer nach Westdeutschland zu meinen Großeltern gefahren. Sie wohnten im beschaulichen Breuna, ein echter Kontrast zu Berlin, zur lauten Großstadt. Jedes Mal, wenn wir mit unserem Auto von der Landstraße abfuhren und rechts in den holprigen Feldweg abbogen, kam bei mir Urlaubsstimmung auf. Es gab viele Felder, mit Pferden und Kühen hier und da, Natur pur auf dem Dorf. Das erste Eckhaus gleich rechts war ihres. Davor gab es eine riesige Wiese mit Hasenställen. Auf die Hasen freute ich mich immer besonders, weil es mir so viel Spaß machte, mich um die flauschig-niedlichen Tiere zu kümmern. Allerdings habe ich da auch noch nicht verstanden, dass sie gezüchtet wurden, um gegessen zu werden.
Eine große, einladende Treppe führte ins riesige Haus von Oma und Opa. Als Kind hatte ich dort immer das Gefühl, ich könnte mich verirren – so weitläufig war alles. Im großen Empfangsbereich stand ich auf den kalten Fliesen, dazwischen lagen Kuhfelle auf dem Boden, und nahm immer erst mal den Geruch wahr. Es roch gut, nach Land, meist auch nach leckerem Essen, das Oma schon für uns gekocht hatte. Im Wohnzimmer gab es einen schönen offenen Kamin, vor dem an Weihnachten der Tannenbaum meterhoch stand. Ich mochte das Gammelzimmer am liebsten, so haben wir es genannt. Dort trafen wir uns abends immer alle und guckten gemeinsam fern. Es war einfach sehr hübsch und idyllisch bei Oma und Opa, keine Frage, wir hatten immer tolle Ferien dort.
Aber dieses riesige Haus hatte für mich als Kind auch immer etwas Unheimliches, etwas Bedrohliches. So auch in diesen Sommerferien nach der sechsten Klasse, in denen wir zu Besuch waren. Unser Gästezimmer lag im ausgebauten Kellergeschoss. Eine kleine Treppe führte nach unten. Neben unserem Raum gab es dort noch die Vorratskammer, die Garage und einen Wäscheraum – keinen typischen gruseligen, modrigen Keller. Neben unserem Gästezimmer war auch eine Toilette. Da wir uns alle tagsüber oben im Haus oder im Garten aufhielten und nur zum Schlafen nach unten in den Keller gingen, war ich auch immer oben auf der Toilette.
Doch als ich an diesem Julitag dringend musste und oben besetzt war, dachte ich: »Komm, dann gehe ich eben runter.« Obwohl sich innerlich in mir schon etwas sträubte. Ich wollte nie allein dorthin. Irgendetwas war da, das mir sagte: »Geh lieber nicht allein in den Keller!« Weil ich aber in dem Moment aus guten Gründen nicht länger warten konnte, rannte ich die Treppe nach unten, geradewegs auf die Tür zu, stürzte mich auf die Türklinke – doch was sollte das denn? Die Tür war abgesperrt. »Hey, wer ist denn da drin?«, fragte ich, von einem Bein aufs andere tretend. Keine Antwort. Komisch. Ich klopfte. Wieder keine Antwort. Ich war mir sicher, ich würde mir gleich in die Hose machen, und war schon sauer auf meine Schwester, weil ich dachte, dass sie mich veräppeln wollte. Da sich aber nichts tat, flitzte ich zurück nach oben, suchte meine Eltern und fragte: »Wer ist denn da unten auf Toilette? Ich muss mal! Und es ist abgeschlossen.« Nach und nach kam die ganze Familie zusammen, mittlerweile war die Toilette oben frei – zu meinem Glück konnte ich mich dann endlich erleichtern –, da bemerkten wir: Unten konnte keiner auf dem WC sein! Alle waren da. Mein Vater wollte das lieber mit eigenen Augen sehen, ging selbst nach unten in den Keller, griff beherzt nach dem Türgriff und schüttelte kräftig. Vielleicht klemmte ja einfach nur die Tür. Aber auch auf seinem Gesicht war jetzt ein großes Fragezeichen zu sehen.
Ich war extrem aufgeregt und spürte es als Kind sofort: Das war etwas Übernatürliches! Das hoffte ich auch irgendwie, um Beweise dafür zu sammeln, dass es Geister gibt. Meine Oma hingegen ergriff Panik. »Da ist jemand eingebrochen!«, vermutete sie sofort. Möglich war es. Schließlich gab es im WC ein Fenster mit einem einfachen Kellergitter davor. Von dort hätte jemand theoretisch gut einsteigen können. Wir wurden alle ein wenig unruhig. Ich fragte mich gleichzeitig: Wieso sollte das jemand tun? Und sich dann vor allem von innen dort einschließen? Meine Oma aber war sich sicher und wollte – zielstrebig, wie sie immer war – sofort los, um nachzusehen, ob außen am Haus das Fenster noch verschlossen beziehungsweise ob das Gitter noch intakt war. Ich wollte unbedingt mit meiner Oma nachsehen. Als wir ums Haus gingen, meinte sie: »Vielleicht ist auch jemand eingebrochen und hat sich etwas angetan. O Gott, behüte!« Sie dachte tatsächlich, wir könnten dort jetzt eine Leiche finden. Mein Puls ging schneller. Eine Tote oder ein Toter bei uns im Haus? Als wir am Kellerfenster angekommen waren, ging ein Schauder durch meinen Körper: Da war einfach nur ein geschlossenes Kellerfenster mit geschlossenem Gitter. Wir schauten durchs Gitter: Niemand war in der Toilette. Die Tür war abgeschlossen. Das Fenster war von innen verriegelt. Da soll mal bitte einer erklären, wie das sein konnte! Wir riefen dann die Feuerwehr, die die Tür aufbrach. Meine Oma stand daneben und schüttelte immer wieder fassungslos den Kopf. Und wo fanden wir den Schlüssel? Der steckte nicht etwa von innen im Schlüsselloch. Nein, er lag mitten auf dem Toilettendeckel, als ob ihn jemand dort sorgfältig platziert hätte. Ungefähr zwei Meter von der Tür entfernt.
Niemand konnte erklären, wie das hatte geschehen können. Das war schlicht unfassbar für die ganze Familie – meine Oma erwähnte den Vorfall danach nie wieder.
»War das nicht unglaublich?«, hörte ich die aufgekratzte Stimme meiner Mutter aus der Küche. Ich selbst, gerade neun Jahre alt, war nebenan im Wohnzimmer unserer Dreizimmerwohnung. An diesem Samstagabend waren meine Mama, meine Tante und drei ihrer Freundinnen gerade nach Hause gekommen, hatten sich um unseren großen hellen Holztisch in der Küche auf die Eckbank gesetzt, und ihre Stimmen wurden immer lauter und aufgebrachter. Da wurde ich neugierig. Irgendetwas musste passiert sein, so aufgeregt, regelrecht außer sich waren sie. Als meine Mutter dann ergriffen schluchzte, wie unfassbar diese Erfahrung doch gewesen sei, und lautstark anfing zu weinen, lief ich in die Küche. Als ich auf dem Tisch die ganzen Taschentücher liegen sah, flitzte ich sofort zu meiner Mutter hin, setzte mich auf ihren Schoß, kuschelte mich an sie und wollte wissen: »Mama, was habt ihr denn heute gemacht?« Da fingen meine Tante und meine Mutter an zu erzählen. Ganz hektisch unterbrachen sie sich immer wieder gegenseitig und sprachen wild und ganz euphorisch durcheinander, sodass es kurz dauerte, bis ich begriff, was sie da eigentlich erlebt hatten: Sie waren bei einer Hexe gewesen – also einer, die sich selbst als solche bezeichnete. Hexen gab es für mich bis dahin nur als fiese Kreaturen im Märchen, mit großem Buckel, einer fetten Warze auf der Nase und einer schwarzen Katze auf der Schulter – oder eben als Verkleidung an Halloween oder im Fasching.
Hexen und Hexenverbrennung
Eine Hexe ist in Märchen, im Volksglauben und in Mythen typischerweise eine mit Zauberkräften ausgestattete Frau. In der europäischen Kultur wurde sie seit dem späten Mittelalter meist in Verbindung mit Dämonen oder dem Teufel gesehen.
Zur Zeit der Hexenverfolgung wurde der Begriff Hexe oder auch Hexer – wobei etwa drei Viertel der Opfer in Mitteleuropa Frauen waren – für diejenigen verwendet, die unter dem Verdacht der Zauberei oder eben Hexerei verfolgt wurden.
In Mitteleuropa fand die Hexenverfolgung vor allem in der frühen Neuzeit statt, also zwischen dem Spätmittelalter (Mitte 13. Jahrhundert bis Ende 15. Jahrhundert) und dem Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert. Der Höhepunkt der Verfolgungswelle in Europa liegt zwischen 1550 und 1650. Man geht davon aus, dass in Europa drei Millionen Menschen der Prozess gemacht wurde, wobei 40.000 bis 60.000 Betroffene hingerichtet wurden.
Auf das Verbrechen der Hexerei stand die Strafe des Feuertodes, also der Scheiterhaufen, auf dem die Hexe lebendig verbrannt wurde, um die Seele zu reinigen. Dabei wurde die Hexe an einen Pfahl inmitten eines Reisighaufens gefesselt, der dann entzündet wurde. Als Akt der Gnade galten die vorherige Enthauptung, Erdrosselung oder das Umhängen eines Schwarzpulversäckchens um den Hals.
Diese Hexe war aber offenbar anders, das checkte ich schnell. Sie hatte mit meiner Mama, ihren Freundinnen und meiner Tante ein sogenanntes Hexenbrett benutzt. Damit konnte ich auch so gar nichts anfangen. Was das wohl war? Mit diesem Brett, erklärten sie mir dann geduldig, hätten sie offenbar mit Verstorbenen reden können, mit Leuten aus der Familie im Jenseits. Sie waren so begeistert von der Sache, dass ich dachte: »Wow! Das will ich unbedingt auch machen!« Ich flehte meine Mutter an, beim nächsten Mal mitmachen zu dürfen. Sie lehnte das sofort strikt ab: »Nein, Lisha, du bist noch zu klein dafür. Du hast bei so einer Sache nichts zu suchen!« Da war ich natürlich erst mal ganz schön geknickt. Nichts darf man! Die nächsten Abende lag ich im Bett noch lange wach und fantasierte wie wild von Hexen, die eine Verbindung zu den Toten haben, die sogar mit ihnen sprechen. Angst machte mir das zu dem Zeitpunkt nicht, ich konnte ja sehen, dass weder die Hexe noch die Toten meinen Leuten etwas Böses getan hatten – schließlich ging es ihnen ja offenbar besser denn je.
Plötzlich wurde ich durch ein lautes Geräusch schreckartig wach! War es ein Türknallen? Oder doch das Prasseln des Regens an unserem Wohnzimmerfenster? Mein Blick ging nach oben rechts in die Ecke des Wohnzimmers, und ich konnte es aus dem Augenwinkel sehen: Da war eine Gestalt, die ganz schnell weghuschte. Ein Schaudern durchzog meinen ganzen Körper. Ich wollte mich aufsetzen und schnell meine Mutter wecken. Da sah ich sie wieder. Die Gestalt. Diesmal hatte ich sie ganz klar vor mir: Es war ein Mensch. Und irgendwie auch kein Mensch. Die Gestalt hatte Arme und Beine, einen Kopf mit Gesicht, aber war komplett aus Wasser. Der Körper bestand aus Wellen und sah aus wie der Ozean. Dieses unheimliche Wesen schwebte nun direkt über mir. Ich wollte laut »Hilfe« rufen, aber aus meinem Mund kam kein Ton heraus. Ich musste hier weg. Schnell! Doch ich konnte mich nicht bewegen, mein Körper gehorchte mir nicht mehr. In der Sekunde fiel es auf mich herab und würgte mich. Meine Mutter schnarchte leise neben mir. »Ich ersticke! Ich bekomme keine Luft mehr!« Mein Körper fühlte sich eiskalt an. »Maaaama!« Ein stummer Schrei. Sie musste das doch spüren. Sie war so nah bei mir und doch so weit weg. Meine Finger wollten nach ihr greifen, aber sie bewegten sich keinen Millimeter. So fühlt sich der Tod also an, dachte ich. Da löste die Gestalt ganz unvermittelt ihren Griff und verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Ich sog tief Luft in meine Lungen. »MAMA!«, schrie ich. Jetzt kam er, der Schrei. Meine Mutter schreckte voller Schock hoch. »Was ist los? Was ist passiert? Warum schreist du so?«, fragte sie sofort besorgt, als sie in mein leichenblasses Gesicht schaute. Als ich aufstand, ging das wie in Zeitlupe, ich konnte immer noch nicht ganz glauben, dass mein Körper sich wieder normal bewegen konnte. Ich wollte zu meiner Mama in den Arm, da fiel mein Blick auf die Stelle, an der ich gelegen hatte: In unserer noch ziemlich neuen Couch, die vorher perfekt und glatt ausgesehen hatte, war eine fette Kuhle. So als wäre etwas richtig Schweres an der Stelle draufgefallen und heruntergedrückt worden – diese Kuhle ging nie wieder weg.