Für Tarun und Mum.
Eure Treue und Ermutigung sind der Wind in meinen Segeln.
Und für meine Kinder, die mir durch ihre Liebe ermöglicht haben,
zu mir selbst zu finden.
Einleitung
Warum ich dieses Buch für dich geschrieben habe
Mein Weg zur Mutterschaft
Die Ausbildung zur Therapeutin
Als Therapeutin in Therapie
Das Thema Mutterschaft
Wie du am meisten von diesem Buch profitierst
1. Kapitel
Ist »normal« wirklich das, was du dafür hältst?
Wir alle haben manchmal Angst
Verändern, was »normal« erscheint
Gut investierte Zeit
Hetz dich nicht
Zusätzliche Unterstützung
Deine Erwartungen an das Buch
Geh diesen Weg nicht alleine
Ein Buch für dich
2. Kapitel
Von supercool bis Nervenbündel
Emotionale Zustände
Wo befinde ich mich auf dieser Linie?
Das weiße Rauschen wahrnehmen
Angstzuständen auf den Grund gehen
Angst ist nicht nur schlecht
Der Höhlenmensch
Der Tag, an dem das Nervensystem meiner Schwiegermutter mir das Leben rettete
Was Angst macht, wenn unser Leben nicht in Gefahr ist
3. Kapitel
Die vielen Masken der Angst
Die vielen Masken meiner Ängste
Veränderung
Behandlung von Symptomen und Ursachen
Wie können sich Ängste anfühlen?
Häufige Formen der Angst
Die Achterbahn der Ängste
4. Kapitel
Leben wir in Zeiten der Angst?
Umgang mit Gefühlen
Ein klarer Kopf
Ratschläge und Informationen
Schicksalsschläge
Freundschaften
Vergleichen
Soziale Medien
Fazit
5. Kapitel
Was macht dir Angst?
Wann habe ich angefangen, mir solche Sorgen zu machen?
Ein Blick auf deine umständebedingten Auslöser
Ist deine Angst ein Bewältigungsmechanismus?
Ist deine Ängstlichkeit erlernt?
Mögliche körperliche Auslöser deiner Ängste
Ängste, die durch ein Trauma ausgelöst werden
Der Sache auf den Grund gehen
6. Kapitel
Wie gehst du mit deinen Ängsten um?
Vermeidungsstrategien
Soziale Isolation
Eine Maske aufsetzen
Vergleiche mit anderen
Abhängigkeit von Substanzen
Keine Ruhepausen
Es ist mehr für dich drin
7. Kapitel
Entdecke deine Persönlichkeitsmerkmale
Ehrgeiz
Du und die Ordnungsliebe
Empathie: Du fühlst, was andere fühlen
Fazit
8. Kapitel
Zwangsgedanken abbauen
Zwangsgedanken müssen kein schmutziges Geheimnis sein
Meine Erfahrungen mit Zwangsgedanken
Wie entstehen Zwangsgedanken?
Körperliche und seelische Befindlichkeiten
Die Rolle des Traumas bei Zwangsgedanken
Drei Tipps, um Zwangsgedanken zu bekämpfen
Zwangsgedanken sind kein Spiegelbild deiner Persönlichkeit
9. Kapitel
Du und dein innerer Dialog
Der Charakter deines inneren Dialogs
Mein innerer Dialog
Die lohnendste Investition
Aber ich glaube, bei mir gibt es gar keinen inneren Dialog …
Wovon der innere Dialog geprägt ist
Die Fähigkeit, sich geliebt zu fühlen
Aber meine innere Kritikerin hält mich in der Spur!
Den inneren Dialog ins rechte Licht rücken
Wie man eine empathische Stimme entwickelt
10. Kapitel
Selbstfürsorge = Selbsterhaltung
Selbstfürsorge und Selbstwertgefühl
Mein Weg zur Selbstfürsorge
Der Unterschied zum Egoismus
Fang mit kleinen Schritten an
Den Absturz dämpfen
Unsere Bedürfnisse betäuben
Selbstfürsorge und Selbstsabotage
Fange klein an, aber tu etwas!
Nützliche Tipps zur Selbstfürsorge
11. Kapitel
Tipps und Techniken zur Linderung von Ängsten
Tipp 1: Dein Atem ist deine Superkraft
Tipp 2: Unerlässlich: Offenheit!
Tipp 3: Ändere deine Denkgewohnheiten
Tipp 4: Gemischte Erdungsübungen
Tipp 5: Hilfreiche Veränderungen des Lebensstils
12. Kapitel
Langsam und stetig
Deine Arbeit an der Angst ist niemals umsonst
Rückschläge
Meine abschließenden Worte an dich
Bonus
Pep-Talks für den Notfall
Panikattacke
Ich schaffe das nicht
Mütterliche Schuldgefühle
Hilfreiche Adressen
Danksagung
Register
Die Angst hat mich nicht plötzlich weggerissen wie eine Flutwelle nach einem Dammbruch. Sie hat stetig auf mich eingeschlagen wie ein kleiner Hammer und langsam, aber sicher Haarrisse durch den Kern dessen getrieben, was ich für meine Persönlichkeit gehalten hatte – sowohl als Individuum als auch als Mutter. Die zunehmende Angst knickte mein Lächeln an den Ecken ab und zersplitterte meinen inneren Frieden.
Und plötzlich, in einem Moment großer Klarheit, wurde mir bewusst, dass ich mich nicht daran erinnern konnte, wann ich zuletzt ruhig eingeschlafen war. Ich kannte nur noch Erschöpfung, hervorgerufen durch Wirbelstürme exzessiven Grübelns. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann ich zum letzten Mal freundlich mit mir umgegangen war; ich kannte nur noch Selbstkritik. Und ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal Liebe für meine Kinder empfunden hatte, die nicht von einer starken Verlustangst getrübt war.
Es kostete Kraft, gegen die negativen Zuschreibungen anzukämpfen, die ich mir im Laufe der Zeit zu eigen gemacht hatte. Es erforderte Mut, der Realität offen ins Auge zu blicken. Aber es war das Größte und Beste, was ich je getan habe. Es war das Ende und der Anfang von so vielem. Und der Weg, den ich dabei zurückgelegt habe, hat mich zum Schreiben dieses Buches motiviert.
Die Angst raubt mir nicht länger die Persönlichkeit. Und auch dir muss sie nichts mehr wegnehmen.
Ich bin Anna, Psychotherapeutin und Mutter von drei Kindern. Ich bin Perfektionistin und People-Pleaserin in Rekonvaleszenz, mit einer großen Begeisterung für Instagram, einer zunehmenden Toleranz gegenüber dem Chaos des Lebens und einer angespannten Beziehung zum Backen.
Es reizt mich schon seit einer ganzen Weile, dieses Buch für dich zu schreiben – ein Buch, von dem ich wünschte, ich hätte es auf meinem Nachttisch gehabt, als ich mein erstes Baby bekam. Es hätte zweifelsohne meine Erfahrungen mit der Mutterschaft verändert. Angst beeinflusst uns Mütter mehr, als es nötig wäre. Sie nimmt mehr Raum im Kopf ein, als sie verdient. Sie kann uns daran hindern, bestimmte Entscheidungen zu treffen oder über unsere Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse zu sprechen.
Ich habe dieses Buch geschrieben, damit du dir etwas von diesem kostbaren Freiraum zurückholen kannst. Damit dein Leben nicht von diesem ständigen unterschwelligen »Was wäre, wenn« verdorben wird. Auf diesen Seiten wirst du viel über dich selbst lernen. Du wirst ein tieferes Verständnis für Ängste erlangen und Techniken und Tipps an die Hand bekommen, die dir helfen können.
Diese Ansätze werden nicht nur deiner Erfahrung als Mutter zugutekommen, sondern du kannst sie dir in allen Bereichen deines Alltags zunutze machen. Ich stelle mir gerne vor, dass dieses Buch ordentlich durchgeblättert, vollgekritzelt und mit Leben gefüllt wird. Ich brenne für den Inhalt dieser Seiten, weil ich ihn gelebt habe. Ich habe nicht nur erfahren, wie diese Konzepte das Leben meiner Klienten beeinflusst haben, sondern sie haben auch meines verändert.
Mein erstes Baby, Oscar, war ein dunkelhaariger Traum. Ich spürte eine überwältigende Liebe, sobald ich ihn in den Armen hielt. Es war wie eine Welle, die mein Herz überschwemmte und es innerhalb weniger Augenblicke auf die doppelte Größe anschwellen ließ. Das erste Jahr war im Großen und Ganzen ein glückliches. Ich meisterte das Leben als frischgebackene Mutter mit Spielnachmittagen, Kuchen, dem üblichen Geplauder und Gejammer über Schlafmangel und genug Kaffee, um ein Schiff zu fluten.
Als Oscar die Kerzen seines ersten Geburtstagskuchens ausblies (sprich: »großzügig ausspuckte«), war ich wieder schwanger. Ich wusste es, weil meine Hormone auf Hochtouren liefen und ich so manche gereizte Bemerkung herunterschlucken musste, die ich meinem Mann entgegenzuschleudern drohte, während wir mit der Familie feierten.
Und eine Woche später war der blaue Strich da. Ich machte den Test um fünf Uhr morgens (die Frühschwangerschaftshormone trieben mich um fünf Uhr morgens aus dem Bett und um fünf Uhr abends wieder rein). Ich ließ ihn auf dem Toilettendeckel liegen, damit mein Mann ihn fand, wenn er um sechs Uhr morgens vor der Arbeit duschen ging. Romantisch.
Damit begann ein ganz anderer Weg, einer mit extremer morgendlicher Übelkeit, Blinddarmentzündung (bei mir), Zungenbändchen (die sich offenbar wieder lösen können), nicht diagnostiziertem stillen Reflux, Bindungsproblemen, chronischem Schlafmangel und erdrückenden postpartalen Ängsten und Depressionen. In diesem Jahr musste ich in Tiefen meiner selbst hinabsteigen, die ich vorher nicht gekannt hatte, und ich entdeckte eine Stärke, die ich vorher nie hatte beweisen müssen. Ich fühlte mich nicht stark, sondern – im Gegenteil – wie in einer Sackgasse, schwach und verloren. Aber ich muss stark gewesen sein. Das ist unbestreitbar. Denn ich bin hier, um davon zu erzählen.
Und ich habe es wieder getan. Es dauerte eine Weile, bis ich darüber nachdachte, noch ein Baby zu bekommen. Wir hatten bis zu diesem Punkt immer von dreien geträumt. Doch ich musste erst diverse Dinge auf die Reihe bringen, bevor ich mich darauf einlassen konnte, ein drittes Kind zu bekommen.
Ich musste mehr Selbstfürsorge betreiben (auf eine nichtkitschige, »nimm-erst-mal-ein-heißes-Bad«-Art), meine ziemlich strengen inneren Stimmen in die Mangel nehmen und mehr über meine Gefühle reden.
Ich musste meine gefährlichen »Supermum«-Bestrebungen ein für alle Mal begraben. Diese Dinge haben mich gerettet. Sie haben mich immer wieder gerettet, wenn ich sie angehen musste, denn alte Gewohnheiten sind schwer auszurotten.
Jedenfalls kam dann irgendwann Florence, Baby Nummer drei und ein Balsam auf das Trauma meiner vorangegangenen postpartalen Erfahrung. Erst jetzt wird mir klar, wie unterschiedlich Babys sein können und wie sehr ihre Probleme uns herausfordern. Ich hatte drei verschiedene Babys und ging drei grundlegend verschiedene Wege mit ihnen, für die ich keine Landkarte besaß. Ich hoffe, dass das, was ich in den Hörsälen, den Therapieräumen und anhand meiner eigenen Erfahrungen gelernt habe, dazu beiträgt, dir eine Landkarte zu bieten.
Manche Babys sind schwieriger als andere.
Aber auch wir Erwachsenen haben unterschiedliche Probleme und Geschichten,
die unsere Erfahrungen beeinflussen.
Nach meinem Studium der Sozialpsychologie erwarb ich einen Masterabschluss in Psychotherapie und sozialer Beratung an der Regent’s University London. Dort begann ich meine Ausbildung zur akkreditierten Psychotherapeutin bei der British Association for Counselling and Psychotherapy.
Bevor wir ein Kind bekamen und wie die meisten Familien aus der Stadt rauszogen, weil wir uns dort kaum eine Einzimmerwohnung leisten konnten, wohnte ich in London und arbeitete als Psychotherapeutin in Privat- und Hausarztpraxen. Ich leitete zwischen sechs Wochen und drei Jahren dauernde Einzeltherapien, bei denen ich mich einmal pro Woche mit meinen Klienten traf. Manche brauchten nur eine Kurztherapie, andere tiefenpsychologische Betreuung, bei der ihre Entwicklung von Kind an betrachtet wurde. (»Erzählen Sie mir von Ihrem Verhältnis zu Ihrem Vater.«) Ich liebte meine Arbeit.
An einem Frühlingswochenende zogen wir aus London fort, mit einem klapprigen Miettransporter und einem acht Wochen alten Geheimnis in meinem Bauch (das nicht ganz so geheim war, wenn man einen Blick auf mein grünliches Gesicht warf). Eine Zeit lang pendelte ich nach London, um meine Klienten weiterhin zu behandeln, aber nach und nach verlagerte ich meine Tätigkeit an unseren neuen Wohnort. Inzwischen arbeite ich bequem von zu Hause aus und lasse meine Klienten auf meinem blauen Knautschsofa Platz nehmen.
Ich habe einmal gehört, dass man in der Ausbildung zur Therapeutin die Therapie erhalte, die man braucht. Ich habe mich zur Therapeutin ausbilden lassen, weil ich Menschen helfen wollte, ihren Verstand zu entwirren, aber in Wirklichkeit brauchte auch meiner eine ganze Menge Entwirrung. Tatsächlich werde ich meinen Verstand und meine Gedanken immer in irgendeiner Form entwirren müssen. Aber ich finde mich zunehmend damit ab.
Ich habe zwar die Fähigkeiten, anderen zu helfen, kann aber nicht mein eigenes Ein-Frau-Unterstützungsnetzwerk sein. Das kann keine Frau, unabhängig davon, wie viel Wissen, Erfahrung und Selbstbewusstsein sie besitzt. Wissen bereitet uns vor, rüstet uns aus und erlaubt uns, Dinge zu verändern und anders zu gewichten, aber es bietet keinen Schutz. Ich habe wirklich einige herausfordernde Turbulenzen auf der Achterbahn erlebt, die das Muttersein darstellt, aber in gewisser Weise bin ich dankbar für sie, denn sie haben in mir den dringenden Wunsch wachgerufen, mich auf postpartale seelische Probleme zu spezialisieren.
Ich arbeite deswegen so gerne mit Menschen, die unter Ängsten leiden, weil sich ihr Leben mit der richtigen Anleitung und Erkenntnis, mit Tipps und Strategien unglaublich schnell verändern lässt. Ich liebe die Aha-Erlebnisse, die sich einstellen, wenn Menschen neue Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Fühlen und Handeln herstellen. Etwas Erstaunliches passiert, wenn Klienten erkennen, dass sie nicht die Einzigen sind, die so denken oder empfinden wie sie selbst. Die Peinlichkeit und die Scham werden nach und nach abgetragen. Ich betrachte es als eine große Ehre, Teil dieses Prozesses zu sein.
Zur therapeutischen Ausbildung gehört es, sich selbst einer Therapie zu unterziehen. Brav suchte ich mir einen Therapeuten, das Ganze als eine Art Pflichtübung betrachtend. Denn eigentlich wollte ich anderen Menschen helfen. Mir selbst ging es zu dieser Zeit gut, vielen Dank.
Es stellte sich heraus, dass die Therapie genau das war, was ich brauchte. Sie bot mir eine Chance, meine eigenen Knoten und unguten Muster zu erkennen; es war an der Zeit, in die dunkleren Ecken meiner Seele zu schauen. Durch die Therapie lernte ich, dass meine eigenen seelischen Probleme keinen Hinderungsgrund darstellten, selbst eine gute Therapeutin zu werden.
Je mehr ich an meinen Problemen arbeite, je mehr ich sie zur Kenntnis nehme und mich nicht vor ihnen fürchte, desto nützlicher bin ich als Therapeutin.
In meinen zehn Jahren als Therapeutin habe ich Hunderten von Müttern gegenübergesessen und mit Tausenden durch meine Arbeit in den sozialen Medien gesprochen. Dabei stellte ich fest, dass unter Müttern eine wahre Epidemie von Schuldgefühlen grassiert, eine Welle von Sorgen über die großen und kleinen Dinge. Wir stehen unter dem kulturellen Druck, es allen in unserem Umfeld recht machen zu müssen, und sorgen uns ständig darum, ob wir »das Richtige« tun.
Wir haben Angst, etwas falsch zu machen, aber wir werden von allen Seiten derart mit Ratschlägen bombardiert, dass wir den Kontakt zu unserem eigenen Gefühl dafür verloren haben, was richtig für uns ist. Wir werden ermuntert, uns ständig mit anderen zu vergleichen, als Maßstab, wie gut es uns geht oder nicht.
Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass du als Mutter nach der Lektüre dieses Buches keine Sorgen oder Ängste mehr haben wirst. Nein, die Angst wird sich immer noch regelmäßig melden. Ich hoffe jedoch, dass sie nicht mehr so viel Macht besitzt, dein Leben, deine Entscheidungen und deine Stimmungen zu dominieren.
Wir werden den Lärm ausschalten. Wir werden dir den Fokus zurückgeben. Wir werden die Sorgen ansprechen, die so selbstverständlich zu einem Teil der Mutterschaft geworden sind. Wir werden einige Tabus brechen und dich an den Punkt bringen, an dem du dich gerüstet und geerdet fühlst.
Man kann in letzter Zeit eine größere Offenheit rund um das Thema Mutterschaft beobachten. Ich glaube jedoch nicht, dass wir es dabei belassen sollten. Es geht um so viel mehr als nur darum, über »mütterliche Fehler« zu lachen und unsere »mütterliche Schuld« mit einem Achselzucken abzutun, nach dem Motto: »Das gehört eben dazu, sie ist unvermeidlich.«
Weil sie es nicht sein muss. Es geht um viel mehr.
Und ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, das zu erklären.
Wenn du dazu bereit bist, findest du am Ende jedes Kapitels ein paar gezielte Fragen, die du in deinem Tagebuch beantworten kannst und durch die der Inhalt des Buches persönlich relevant für dich wird.
Ich gestehe, dass ich nicht gut im Tagebuchführen bin. Ich besitze ein paar alte, eselsohrige Notizbücher, vollgepackt mit gekritzelten Gedanken von vor vielen Jahren, als ich noch den Kopf frei und genügend Zeit hatte, um im Bett zu faulenzen, und es weniger wahrscheinlich war, mit dem Abdruck eines Stifts auf der Hüfte aufzuwachen. Wenn ich mir heute Gedankenskizzen mache, sollten sie kurz und bündig sein.
Gönn dir doch mal ein neues Tagebuch. Egal ob du dir nur schnell einzelne Sätze notierst oder du dich dabei ertappst, wie du einen ganzen Wust von Gedanken aufschreibst: Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg. Aber ich würde dir auf jeden Fall raten, dir Notizen zu machen, denn das Aufschreiben hilft dem Gehirn, Emotionen auf eine andere Weise zu regulieren, als wenn man darüber spricht oder nachdenkt.
Wenn du keine Lust hast, ein Tagebuch zu führen, lies dir die Fragen am besten trotzdem durch und denke einen Augenblick lang darüber nach. Vielleicht wirst du überrascht feststellen, dass darauf ein kleiner Durchbruch oder ein Lichtblick folgt.
Aufschreiben hilft dem Gehirn,
Emotionen zu regulieren.
Eine ganze Reihe praktischer Tipps, die dir bei der Bewältigung deiner Ängste helfen, folgt im 11. Kapitel. Doch vorher habe ich in jedem Kapitel einen Vorschlag für diejenigen hinzugefügt, die bis dahin schon mal bestimmte hilfreiche Techniken ausprobieren möchten.
Ich habe für dich jedem Kapitel ein Mantra vorangestellt. Das sind kleine Sätze, die du für dich wiederholen kannst, wann immer du das Gefühl hast, ein wenig Motivation oder Unterstützung zu brauchen. Ich finde sie wirklich hilfreich, und vielleicht helfen sie auch dir.
1. Kapitel
Mantra
Ich gebe mir die Erlaubnis,
die Dinge langsam anzugehen.
Es spielt keine Rolle, ob »Angst« in deinem Arztbrief steht: Es lohnt sich in jedem Fall, sich damit zu beschäftigen. Möglicherweise hat Angst nur marginale Auswirkungen auf dein Leben oder sie kommt und geht wellenförmig. Vielleicht hast du noch nie gegoogelt: »Kann Schlafentzug eigentlich tödlich sein?«, aber vielleicht ist dir schon mal eine Milchflasche runtergefallen und du hast dich dafür verflucht oder hattest das Gefühl, schon bei der einfachsten Aufgabe als Mutter zu versagen.
Egal ob dieses Buch das Geschenk einer Freundin war oder du es bei einer nächtlichen Internetsuchaktion gekauft hast – ich bin froh, dass du es in den Händen hältst. Ich erkläre dir jetzt mal, wie es funktioniert und warum ich so sicher bin, dass es sich lohnt, sich in diese Seiten zu vertiefen und deine kostbare Zeit in sie zu investieren.
Bei der Recherche für dieses Buch habe ich viele Mütter gefragt, ob sie sich selbst als ängstlich bezeichnen würden oder sich öfter Sorgen machen. Viele verneinten dies, sie seien aber durchaus oft beunruhigt. Als ich ihnen jedoch einige Beispiele für Ängste nannte, stimmte jede einzelne Mutter zu, dass sie so etwas in gewissem Maße kannte, mit unterschiedlichen Auswirkungen auf ihr Leben.
Nicht jeder kann mit dem Wort »Angst« etwas anfangen, aber ich spreche es jetzt einfach mal aus: Wir alle sind manchmal ängstlich!
Es gibt einen Unterschied zwischen Sorgen und Ängsten. Einfach ausgedrückt, werden Sorgen in der Regel durch reale Ereignisse ausgelöst und können bewirken, dass man etwas unternimmt. Wenn man sich Sorgen macht, dass man zu spät kommt, geht man zum Beispiel früher los. Man macht sich Sorgen wegen körperlicher Beschwerden, also vereinbart man einen Termin beim Arzt. Man ist in der Lage, rational über sein Anliegen nachzudenken, und sobald das Ereignis vorüber ist, tritt die Sorge in den Hintergrund. Ängste hingegen sind schwerer zu kontrollieren und beeinträchtigen eher die Lebensqualität. Sie können mit körperlichen Symptomen einhergehen und sind häufig begleitet von Phasen übermäßigen Grübelns. Wer mehr über den Unterschied zwischen Sorgen und Ängsten wissen möchte, wird auf den Seiten 35–36 fündig.
Sorgen können sich zu Ängsten entwickeln. Das geschieht sehr leicht, wenn man nicht auf die Sorgen eingeht und ein müder oder beeinträchtigter Verstand danach strebt, auf einer rationalen Ebene zu bleiben. Zweifellos sorgt man sich von Zeit zu Zeit oder in bestimmten Momenten. Angst ist es wert, betrachtet zu werden, unabhängig davon, wie sehr sie uns beeinträchtigt. Wir profitieren in jedem Fall davon, sie besser zu verstehen und einige einfache Techniken anzuwenden, die helfen, die Angst zu verringern. Wir sollten ihr nicht erlauben, unsere Freude am Leben, an uns selbst und an der Mutterschaft zu beeinträchtigen.
Die meisten von uns sind in der geheimen Welt ihres Kopfes nicht besonders nett zu sich, was das verstärkte Gefühl der Besorgnis nur noch weiter anheizt. Wir haben die Angewohnheit, uns selbst zu schelten wie ein strenger Lehrer. Häufig fällt es uns schwer, die Unterstützung anzunehmen, die andere uns anbieten, und wir fürchten, eine Last zu sein, weil unsere Kultur das »Ich schaffe das«-Supermum-Ideal hochhält.
In ihrer wahren Form ist Angst ein natürlicher menschlicher Zustand, und wir werden uns viele Facetten davon ansehen, die dein Leben beeinflussen – von der Art, wie du mit dir selbst redest, bis hin zu Tipps und Strategien, um sich in solchen Momenten der Erschöpfung zu erden, wenn man glaubt: Ich. Schaffe. Das. Einfach. Nicht. (Aber du schaffst es doch, immer und immer wieder.) Obwohl sich die Angst möglicherweise anfühlt wie dein »Normalzustand«, muss sie das nicht sein.
In diesem Buch kommen zahlreiche Mütter zu Wort, die dir vermitteln werden, dass du nicht allein oder verrückt bist. Egal ob deine Angst unter der Oberfläche deines Lächelns brodelt, sich an dich heranschleicht, wenn du müde bist, oder dich als Geisel hält: Hier findest du Unterstützung.
Nur weil sich die Angst »normal« anfühlt,
muss sie das nicht sein.
Mal von Mutter zu Mutter: Ich weiß, dass dies keine Kleinigkeit für dich ist. Es erfordert eine Menge Mut, sich der Angst zu stellen, und auch Energie, von der ich weiß, dass du sie im Moment wahrscheinlich nicht im Überfluss hast.
Aber ich verspreche dir, dass es sich für dich lohnen wird, die Reste von Energie, die du noch besitzt, in dieses Projekt zu investieren. Lies ein paar Zeilen hier und da; schiebe das Buch unter deine Lieblingskuscheldecke auf dem Sofa. Wenn du es durchhast, so hoffe ich, wirst du dich hoffentlich besser in der Lage fühlen, die glücklichen Momente zu genießen und dich für die schwierigeren zu wappnen. In deinem Kopf wird es friedlicher zugehen, und deine inneren Stimmen klingen freundlicher.
Ich bin davon überzeugt, dass du dieses Buch hilfreich finden wirst, ganz gleich, in welcher Form sich deine Ängste präsentieren. Ich werde dich dazu ermutigen, vorsichtig die Gedanken zu hinterfragen, die dein Selbstvertrauen und deine Ressourcen zur Bewältigung schwieriger Situationen beeinträchtigen. Wir werden die Dinge ansprechen, die dich bisher daran gehindert haben, vorwärtszukommen. Ich werde dir helfen, deine Kontrolle neu zu definieren und dir zu ermöglichen, freie Entscheidungen zu treffen und sie aus den gewohnten Fesseln zu befreien, sodass du beginnen kannst, in deiner Rolle als Mutter aufzublühen.
Wenn ich dich um eines bitte, dann darum, dass du beim Lesen dieses Buches gut zu dir selbst bist. Es ist ein mutiger Schritt, sich mit seinen Gedanken auseinanderzusetzen, vor allem wenn man unter Schlafentzug leidet und die größte Lebensveränderung durchgemacht hat, die eine Frau erleben kann.
Ich muss zugeben, dass ich von Natur aus zu einer »Alles-oder-nichts«-Einstellung neige. Ich tendiere dazu, jedes Projekt 110-prozentig anzugehen, nach 60 Prozent des Weges den Faden zu verlieren und die Sachen verstauben zu lassen. So habe ich etwa eine ganze Sammlung von Häkelbüchern im Regal stehen, ohne je über einen schiefen Topflappen hinausgekommen zu sein. Ich sollte die Bücher wohl besser in den Wohltätigkeitsladen bringen.
Mit dieser Einstellung habe ich oft zu kämpfen, denn langsam, aber stetig kommt man viel sicherer ans Ziel. Glaube also nicht, dass du dieses Buch verschlingen, jede Frage beantworten und dir Unmengen von Notizen machen musst. Im Gegenteil: Verschlinge es nicht, sondern erlaube dir, es ruhig anzugehen. Nimm dir die Zeit, die du brauchst.
Du kannst gar nichts falsch machen! Mach dir mitten im Kapitel ein Eselsohr in die Seite oder klappe das Buch einfach mitten im Satz zu – hab Geduld mit dir! Immer mit der Ruhe.
Wenn man sich mit Ängsten auseinandersetzt,
ist Eile fehl am Platz.
Die Ratschläge und Techniken, die dieses Buch anbietet, sind nicht dazu gedacht, ärztlichen Rat oder den von medizinischem Fachpersonal zu ersetzen oder mit diesem in Konflikt zu geraten.
Wenn du beim Lesen feststellst, dass bestimmte Erfahrungen, die du gemacht hast, einige deiner negativen Gedanken triggern, oder du erkennst, dass manche deiner Denkmuster in einem bestimmten Ereignis wurzeln, empfehle ich dir, eine Therapie in Erwägung zu ziehen.
Hilfreich bei der Suche nach der richtigen Art der Therapie und der passenden Person ist die Website www.therapie.de. Andernfalls kannst du vielleicht bei deinem Hausarzt Rat einholen. Wenn du mit einer Therapeutin oder einer Freundin sprichst, könnte es nützlich sein, deine Notizen mitzunehmen. Falls du zusätzliche Unterstützung oder Beratung brauchst, solltest du sie dir holen.
Weiter hinten im Buch gehe ich auf das Thema Schwäche zeigen ein und wie wichtig dies für die psychische Gesundheit ist, aber falls du Ermutigung brauchst, kannst du jederzeit zum 11. Kapitel vorblättern.
Die Beschäftigung mit unserer Gedankenwelt kann durchaus zeitraubend und anstrengend sein, da wir täglich mit Abertausenden von Gedanken konfrontiert werden.
Die Auseinandersetzung mit negativen Denkmustern ist jedoch eine wirklich lohnende Investition, denn es passiert nur zu leicht, dass sie unser Denken beherrschen, die Freude aus Situationen heraussaugen, Unbehagen erzeugen und sich in unsere Träume einschleichen. Besonders viel Kraft kostet es, sich täglich mit solchen Mustern herumzuschlagen, während du dir ein Leben als Mutter eines Babys aufbaust.
Du bist ohnehin bereits stärker, als du denkst, unabhängig davon, was du glaubst. Du hast die Kraft aufgebracht, es bis hierher zu schaffen, trotz deiner inneren Aufgewühltheit, und deshalb wirst du mit der richtigen Unterstützung auch die Kraft haben, Techniken anzuwenden, die dir helfen werden.
Ich schreibe hier nicht nur als Psychotherapeutin, sondern auch als Mutter, die gerade frisch und munter (Ha! Wem versuche ich hier, etwas vorzumachen? Ich bin leicht angeschlagen, aber guten Mutes) ihre dritte postpartale Phase hinter sich lässt. Die Worte, die ich mit dir teilen werde, entstammen gleichermaßen meiner jahrelangen Psychotherapieausbildung und meiner therapeutischen Arbeit mit Müttern. Am wichtigsten ist jedoch, dass diese Konzepte, Techniken und Erkenntnisse unleugbar mein Leben und mein tägliches Wohlbefinden positiv beeinflusst haben. Ich hatte schon Ängste, bevor ich Mutter wurde, aber die Mutterschaft hat sie auf ein ganz neues Level gehoben.
Die Auseinandersetzung mit der Art, wie wir denken, ist kein linearer Prozess, und manchmal hast du möglicherweise das Gefühl, zwei Schritte vor und einen zurück zu machen oder dich überhaupt nicht zu bewegen. Doch vergiss nicht, dass du höchstwahrscheinlich müde bist und mit der Mutterschaft jonglierst, sodass deine Fähigkeit, jeden kniffligen Gedanken, der dir durch den Kopf geht, zu rationalisieren, vermutlich eingeschränkt sein wird. Da ist besondere Selbstfürsorge gefragt.
Es ist ganz natürlich, dass du das Gefühl hast, eine Art mentalen Salsa zu tanzen, bei dem du dich auf Zehenspitzen vorwärts und rückwärts bewegst. Viele angstbesetzte Verhaltensweisen und Gedankenmuster haben einen tief verwurzelten, gewohnheitsmäßigen Aspekt. (Ich verwende das Wort »gewohnheitsmäßig«, um Verhaltensweisen und Denkmuster zu beschreiben, die, nun ja, zur Gewohnheit geworden sind. Sie fühlen sich oft ziemlich repetitiv und ein bisschen reflexhaft an.)
Das klingt sicher nach viel Arbeit, oder? Aber ich versichere dir, dass dies im Moment die beste Investition deiner Restenergie ist. Es geht um dich und darum, dir die Möglichkeit zu verschaffen, dein Leben als Mutter so weit wie möglich zu genießen.
Vielleicht ersetzt du einen Moment des gedankenlosen Scrollens durch das Lesen dieses Buches. Du würdest dich wundern, wie viel geistige Energie du verbrauchst, wenn du tolle Fotos überfliegst, die oft an der etwas verletzlichen Stelle stochern, an der du dich als nicht »gut genug« empfindest. Damit nutzt du diese zehn Minuten wesentlich sinnvoller, und es wird dir helfen, zu erkennen, in welchem Maße du »gut genug« bist.
Überlege dir während des Lesens, mit wem du gerne reden würdest, falls bestimmte Themen auftauchen, die eine weitere Diskussion erfordern könnten. Das könnte dein Partner sein oder eine Freundin aus dem Geburtsvorbereitungskurs, eine Therapeutin oder eine Verwandte, aber rede auf jeden Fall mit einer Person, die dich gut kennt, die dich in der Vergangenheit unterstützt und sich dir gegenüber freundlich und mitfühlend verhalten hat. Ich finde, du brauchst mindestens eine Person, die für dich da ist, wenn du über irgendein Thema eingehender reden möchtest.
Vielleicht sind dir Ängste schon seit Jahren vertraute Begleiter, vielleicht haben sie dich aber auch erst überfallen, als du den blauen Strich auf dem Teströhrchen gesehen oder den ersten Schrei im Kreißsaal gehört hast.
Doch was auch immer dazu geführt hat, dass du dieses Buch zur Hand genommen hast: Ich habe es für dich geschrieben.
Ich freue mich, dass du da bist.
Top-Tipp
Gönn dir ein neues Tagebuch. Kritzle, zeichne, schreibe –
einzelne Wörter oder ganze Aufsätze. Mach es dir zu eigen.
Für dein Tagebuch
Wie ist es für dich, dieses Tagebuch zu beginnen?
Was versprichst du dir davon?
Glaubst du, dass wir alle unsere Ängste haben?
Beziehen sich deine Ängste auf konkrete Themen? Hast du bestimmte Befürchtungen oder kreisen diese um bestimmte Punkte?
Wenn du mit jemandem über irgendetwas aus diesem Buch reden wolltest, wer könnte das sein?
2. Kapitel
Mantra
Ich bin nicht meine Gedanken.
Es scheint gesellschaftlich akzeptabel geworden zu sein, dass wir unser Leben damit verbringen, zwischen Sorgen und Ängsten hin- und herzuschwanken. Als Mütter neigen wir dazu, alles, was uns dabei helfen könnte, entspannter und geerdeter zu werden, schnell von uns zu weisen. Es kostet einfach mehr Zeit und Mühe, sich auf eine Atemübung zu konzentrieren, eine Freundin anzurufen oder spazieren zu gehen, als in alte Grübelmuster zu verfallen. Gewohnheiten sind deshalb so schwer auszurotten, weil es so viel einfacher ist, sich ihnen hinzugeben, egal wie wenig hilfreich sie sind.
Und weil die Gewohnheit, sich übermäßig zu sorgen, längst gesellschaftlich anerkannt ist, vergessen wir, dass wir etwas tun können, um sie zu ändern und damit unsere Lage zu verbessern. Angst ist die Diebin, die uns kostbaren Freiraum im Kopf stiehlt und unsere Ruhe und Freude am Muttersein beeinträchtigt. Um das ändern zu können, müssen wir der Angst zunächst einmal auf den Grund gehen. Und genau das werden wir jetzt tun.
Es ist gesellschaftlich akzeptabel geworden,
ein Leben lang zwischen Sorge und Angst
hin- und hergerissen zu werden.
Ich stelle mir vor, dass die Angst auf einer Linie inmitten anderer emotionaler Zustände sitzt. Ich habe sie aufgezeichnet, damit wir sie etwas genauer untersuchen können.
Stell dir vor, du bist eine bunte Murmel auf dieser Linie, die ständig darauf hin- und herrollt. Manchmal bleibst du für eine Weile an einer Stelle liegen, aber nie längere Zeit – dein Körper und dein Geist können einfach keinen einzigen dieser Zustände dauerhaft aufrechterhalten.
Wir treffen uns alle hier, weil wir im Allgemeinen mehr Zeit am rechten Ende der Skala verbringen, aber lasst euch nicht zu der Illusion verleiten, dass am anderen Ende alles in Ordnung wäre. Egal an welchem Ende man sich befindet: Es hat Auswirkungen.
Beide Seiten haben ihre positiven und negativen Seiten. Der geistig und körperlich gesündeste Ort, an dem wir den größten Teil unserer Zeit verbringen sollten, liegt irgendwo in der Mitte, und darauf arbeiten wir hin.
An einem Ende der Skala liegt die Selbstvergessenheit. Damit ist ein Zustand gemeint, in dem man so sehr in etwas versunken ist, dass einem jegliches Bewusstsein für Risiken fehlt. Man ist sich der Auswirkungen seiner Handlungen und der Gefahren um einen herum nicht mehr bewusst. Stell dir vor, du bist so vertieft in ein Gemälde oder ein Musikstück, dass du nicht einmal hörst, wie jemand deinen Namen ruft. Es ist, als wärst du in dem, was du tust, aufgegangen. Bleibst du allerdings für längere Zeit in diesem unbewussten Zustand, macht dich das sehr verletzlich. Es gleicht einem Rausch wie durch Alkohol oder Drogen, was dazu führen kann, dass man rücksichtslos und gefährlich handelt, da Risiken und Auswirkungen nicht bedacht werden. Dein Denken und Handeln ist alles andere als rational.
Wenn ich male, ist es, als würde die Welt total und vollständig ausgeblendet. Ich merke nicht einmal, wenn ich Hunger habe oder wenn jemand nach mir ruft. Es ist, als wären alle meine Sinne völlig mit dem beschäftigt, was ich tue. Es ist erstaunlich, aber es fühlt sich an wie eine harte Landung zurück auf der Erde, wenn ich aus diesem Zustand erwache. Chen
Die Rationalität ist zurückgekehrt. Man ist tiefenentspannt, sich aber durchaus bewusst, wo man ist und was um einen herum geschieht. Zugleich fühlt man sich wie abgekoppelt davon. Es ähnelt dem Gefühl wie in einem Traumurlaub. Man ist sich der Verantwortung und den Zwängen der verschiedenen Elemente seines Lebens bewusst, aber sie scheinen unabhängig von einem weiterzulaufen. Du machst dir keine Gedanken darüber, ob die Nachbarn die Katze gefüttert haben oder was während deiner Abwesenheit alles an Post gekommen ist.
Könnte man in diesem gechillten Zustand verharren, verspräche das pure Glückseligkeit, als läge man für immer in einem warmen Schaumbad. Aber realistisch betrachtet kühlt das Wasser irgendwann ab und die Haut wird runzlig. Dann klingelt das Telefon. Deine Zeit in der Wanne muss enden, und das weißt du. Das wahre Leben ruft dich; du wirst gebraucht. Aber du genießt deine Gelassenheit, solange sie andauert.
Entspannt zu sein erdet, aber es erfordert durchaus Übung und Anstrengung, um diesen Zustand zu erreichen und ihn beizubehalten. Du erlaubst Gedanken an die Vergangenheit und an die Zukunft aufzusteigen, hältst aber nicht an ihnen fest. Sie gleiten durch deine Hände wie Sand, und du erkennst, dass sich das einzig wahre Leben, das es zu leben gilt, hier und jetzt abspielt. Da, wo du bist.
Das letzte Mal, dass ich mich wirklich entspannt fühlte, war am Sonntag. Ich hatte mit meiner Familie zu Mittag gegessen; wir waren alle faul, satt und zufrieden. Ich machte mir keine Gedanken darüber, dass ich am Montag wieder arbeiten musste oder welche E-Mails sich angesammelt hatten. Es war ein schönes Gefühl. Pippa
Du bist dir über ein Problem im Klaren, aber nicht übermäßig emotional daran beteiligt. Du bist in der Lage, darüber nachzudenken, wenn du es musst oder willst, und es löst keine starke emotionale oder körperliche Reaktion aus. Du denkst rational und bist dir des Risikos bewusst, hast aber keine Angst davor.
Beunruhigung ist in der Regel auf reale Umstände zurückzuführen. Es ist ein vorübergehender Zustand, der kommt und geht, so wie die Umstände eintreten und vergehen. Sie kann sogar ziemlich motivierend sein und führt oft dazu, dass Probleme gelöst und Maßnahmen ergriffen werden. Möglicherweise beunruhigt dich der Gedanke, es nicht pünktlich zu einem Termin zu schaffen, aber du kanalisierst diese Beunruhigung, indem du dich organisierst und deine Zeit besser einteilst. Wenn du den Termin dann eingehalten hast, lässt die Unruhe nach.
Stell dir vor, jemand erzählt dir eine traurige Geschichte; irgendetwas, was dem Freund eines Freundes zugestoßen ist, den du nicht kennst. Du fühlst dich betroffen, aber du versetzt dich nicht sofort in die Situation hinein und stellst dir vor, so etwas wäre dir oder einem deiner Lieben passiert. Du fühlst dich ein wenig distanziert davon. Es ist traurig, aber es passiert nicht dir, vielleicht sogar niemals.
Die Oma meiner Freundin hat Krebs. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe Mitgefühl mit ihrer Familie und ich habe ein offenes Ohr für sie, wenn sie mit mir darüber reden will. Es ist traurig für sie und ich sorge mich um meine Freundin. Doch wenn ich ganz ehrlich bin, belastet es mich nicht so sehr, weil die Oma alt ist und es irgendwie der natürliche Lauf des Lebens zu sein scheint. Anonym
Du bist aufgewühlt. Dir geht etwas nicht mehr aus dem Kopf, ständig kreisen deine Gedanken um dieses eine Thema. Allmählich lässt die Rationalität nach, je nachdem, wie lange du dich damit beschäftigst. Du fühlst dich emotional mehr an der Situation beteiligt, als wenn du nur beunruhigt wärst, und das Problem nimmt mehr Raum in deinem Kopf ein.
Dein Kind hat Fieber, und obwohl dir auf einer rationalen Ebene bewusst ist, dass es sich wahrscheinlich um einen banalen Virus handelt, hast du kürzlich einen Artikel über Sepsis gelesen und die Liste der Symptome taucht immer wieder vor deinem geistigen Auge auf. Du schwankst zwischen dem Glauben daran, dass alles gut werden wird, und der Angst, dass etwas Schlimmes bevorsteht. Du bist jedoch in der Lage, planvoll zu handeln. Du misst Fieber und gibst dem Kind Paracetamol. Wenn das Fieber bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht gesunken ist, wirst du Rat suchen. Du bist geistig und emotional beansprucht, aber deine Murmel kullert zwischen Sorge und Angst hin und her, je nachdem, wie geerdet du dich im jeweiligen Moment fühlst.
Ich neige mental zu den üblichen guten alten Sorgen, wobei mir das aber nicht immer besonders zu schaffen macht. Ich beruhige mich gern mit Statistiken oder sage mir, dass das, worüber ich mir Sorgen mache, höchstwahrscheinlich wieder gut werden wird. Es sei denn, die Sorge schaltet sich nachts ein und ich kann nicht aufhören, über das jeweilige Thema nachzudenken. Dann kann ich nicht schlafen, weil sich meine Sorgen verschlimmern und mich innerlich aufwühlen. Dominique
Die kleine Sorge ist zu einem immer lauteren Sturm in deinem Kopf angeschwollen. Je mehr du darüber nachgrübelst, desto mehr steigt deine Herzfrequenz an und desto weniger bist du in der Lage, rational zu denken. Du fühlst dich ruhelos, weil diese Gedanken deinem Körper signalisieren, dass eine Bedrohung besteht.
Deine Gedanken sind intensiver und auf das Problem oder die Situation fixiert. Wenn du sie analysierst, wirst du wahrscheinlich feststellen, dass sie angstbasiert sind. Es fällt dir schwer, diese Art von Denken in Schach zu halten, da es sich in deinem Kopf und vielleicht auch in deinen Träumen einnistet.
Angst beinhaltet mehr mentale Bilder als Sorge. Es ist, als würdest du dir schlimme Dinge ausmalen, die passieren könnten. Wenn du sie immer wieder durchspielst, kann das zu emotionalem Stress führen. Die Angst raubt dir die Fähigkeit, Freude zu empfinden, und beansprucht immer mehr Platz im Kopf. Eventuell verfällst du in bestimmte Verhaltensweisen in dem Versuch, ein Gefühl der Sicherheit wiederzuerlangen.
Du beschwörst die Stimme der Vernunft herauf, um dich zu beruhigen; vielleicht rufst du auch eine Freundin an oder machst eine Atemübung, um dich körperlich und seelisch zu beruhigen. Wenn du diese Maßnahmen rechtzeitig ergreifst, bevor der Sturm richtig zu wüten beginnt, fällt dir das wahrscheinlich leichter. Aber wenn die Angst zunimmt und mehr und mehr in Richtung Panik tendiert, wird es schwieriger, sich zu erden.
Manchmal kommt mir ein Gedanke, und dann geht er einfach nicht mehr weg. Allmählich stresst er mich, aber ich kann nicht aufhören, darüber nachzugrübeln. Ein solcher Gedanke basiert typischerweise darauf, dass etwas Schlimmes passieren könnte, und je mehr ich mich damit beschäftige, desto überzeugter bin ich davon und desto schwieriger ist es, mir zu sagen, dass alles gut werden wird. Meine Brust fühlt sich dann immer schwerer und schwerer an, wenn Sie wissen, was ich meine. Anonym