Lula Fierro

Verliebt in Afrika

Ein Freiwilligendienst in Togo

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Die Reise beginnt

Das lange Warten

Als Freiwillige im Einsatz

Verliebt in Togo

Familie ZABESSI

Im Norden ist Togo ganz anders

Essen muss der Mensch

In Togos Nachbarland

Von der Kolonie zur Scheindemokratie

Nicht zu unterschätzen

Ausblick

Impressum neobooks

Vorwort

In diesem Buch berichte ich von meinem Freiwilligendienst in Togo. Ein Jahr lang lebte ich in diesem westafrikanischen Land, habe mit sehbehinderten Schülern in einem Collège gearbeitet und zusammen mit fünf quirligen Gastschwestern in einer Gastfamilie gelebt.


Ich bereiste Togo und Benin und war tagtäglich fasziniert und befremdet zugleich von meinen vielen interessanten Erlebnissen, Beobachtungen und Erfahrungen – als Freiwillige, Erntehelferin, Gastschwester und verliebte junge Frau.


Denn so als wäre das Leben in dem fremden Land nicht schon Herausforderung genug für mich gewesen, tauchte da auch noch Nyedzi auf und verdrehte mir völlig den Kopf. Nun war ich leider nicht die einzige, die in den jungen Französischlehrer verliebt war: Eine andere Freiwillige, Pia, hatte ebenfalls ein Auge auf ihn geworfen.


Das Buch soll auch eine Vorstellung davon vermitteln, was ein Freiwilligendienst in einem der ärmsten Länder unserer Welt bedeuten kann. Es ist gedacht für Menschen, die selbst einen Auslandsaufenthalt in Westafrika planen oder die einfach nur auf eine gedankliche Reise nach Westafrika gehen und an meinen Erfahrungen teilhaben möchten.


Vor meiner Abreise nach Togo suchte ich nach informativer Literatur über das Land, denn ich wollte natürlich herauszufinden, auf was ich mich da überhaupt einlassen würde. Schließlich würde ich ein ganzes Jahr in diesem fremden Land verbringen. Außer historischen Werken, die sich mit der ehemaligen deutschen Kolonie Togoland (eine Tatsache, die mir bis dahin gar nicht bewusst war) befassten, fand ich jedoch kaum etwas Geeignetes. Nicht einmal deutschsprachige Reiseliteratur. Togo wurde meist nur ein kleines Kapitel in den Reiseführern über die gesamte Region Westafrika gewidmet.


So entstand nach meiner Rückkehr die Idee für dieses Buch, das hauptsächlich aus Tagebucheinträgen und meinen persönlichen Erinnerungen entstanden ist. Ich schrieb es in erster Linie für andere Freiwillige oder ihre Familien und Freunde, die sich über einen Freiwilligendienst in Togo oder in Westafrika im Allgemeinen informieren möchten. Während des Schreibens habe ich daher immer wieder praktische Tipps in meine Erzählungen und Berichte einfließen lassen. Dennoch ist dieses Buch nicht als ein Ratgeber, sondern als ein Erfahrungsbericht und eine persönliche Geschichte zu sehen. Ich schreibe vor allem über Menschen, die mir sehr wichtig geworden sind. Ich erzähle Geschichten, beschreibe meine Erlebnisse und gebe Eindrücke wieder, die ich aus diesem so ganz anderen Land gewonnen habe.


Die Namen der Personen und meiner Entsendeorganisation in meinen Erzählungen wurden geändert, dennoch ist das, was ich schreibe, eine wahre Geschichte. Aber das ist natürlich nur meine Wahrheit. Ich habe alles so aufgeschrieben, wie ich es sah. Wenn ein anderer von uns Freiwilligen (meine Entsendeorganisation schickte acht junge Menschen nach Togo) diese Geschichte geschrieben hätte, wäre sie sicher ganz anders geworden und mit anderen Erlebnissen angefüllt.


Philip zum Beispiel hätte ein sehr lustiges, mit Anekdoten gefülltes Buch geschrieben. Die Erzählungen von Felice wären bestimmt etwas gefühlvoller und die von Thorsten analytischer geworden. Charlotte wäre bei der Schilderung ihrer Erlebnisse liebevoll bis ins kleinste Detail gegangen. Maike hätte wahrscheinlich viele witzige und zugleich befremdliche Geschichten über Togolesen aufgeschrieben. Das Buch von Pia wäre mit großer Wahrscheinlichkeit mehr als 1000 Seiten lang geworden und Tamara, Luisa und Xenia hätten eine andere Liebesgeschichte erzählt. Aber hier ist nun meine Version unseres gemeinsamen Freiwilligendienstes in Togo.


Welche Vorbereitungen galt es zu treffen? Wie erlebte ich die Ankunft in Togo und das Zusammenleben mit den anderen Freiwilligen? In welchem Projekt wurde ich eingesetzt? Um diese Fragen dreht sich der erste Teil des Buches.

Ist es mir gelungen, meine Konkurrentin Pia auszustechen und Nyedzi für mich zu gewinnen? Fühlte ich mich in meiner Gastfamilie gut aufgenommen und wohl? Wie unternimmt man in Togo eigentlich am besten eine Reise? Und wie kamen wir Freiwilligen mit dem togoischen Essen zurecht? Diese Fragen beantworte ich im Hauptteil.


Ist der togoische Staat wirklich eine Republik oder bezeichnet er sich nur so? Wie gehen die Menschen in Togo miteinander um und wie ist das Verhältnis der Geschlechter zueinander? Im letzten Teil des Buches gehe ich auf gesellschaftliche und politische Dinge ein, denn da ich mich in meinem Soziologie- und Politikstudium u.a. mit Menschenrechtsverletzungen an Frauen in Subsahara-Afrika beschäftigt hatte, betrachtete ich das Zusammenleben der Menschen in Togo auch unter diesem Blickwinkel.


Welche gesundheitlichen Risiken birgt ein Aufenthalt in Togo? War ich das, was man gemeinhin als tropentauglich bezeichnet? Gesundheitliche Aspekte, die im Vorhinein zu bedenken sind, kommen abschließend zur Sprache.

Und was machen wir Freiwilligen heute eigentlich? Überstehen junge Liebesbeziehungen eine dauerhafte Distanz von 6.000 km? Auf diese Fragen versucht der kurze Ausblick Antworten zu geben.


Viel Spaß beim Lesen!



Die Reise beginnt

Kurz vor meinem Freiwilligendienst beendete ich mein sozialwissenschaftliches Studium. Für die Stellensuche mit anschließendem Arbeitsalltag fühlte ich mich aber noch nicht so recht bereit. Nach sechs – mal mehr, mal weniger langen – Jahren des Studierens, Lernens, Lesens und Schreibens wollte ich erst einmal etwas anderes sehen und erleben. Es zog mich in die Ferne.


Allerdings wollte ich nicht bloß reisen, sondern auch etwas Sinnvolles für andere tun, mich irgendwo nützlich machen. Es stand für mich daher bald fest, dass ich einen Freiwilligendienst leisten wollte und das am besten in einem afrikanischen Entwicklungsland. Der afrikanische Kontinent hatte mich schon länger interessiert. Meine Abschlussarbeit schrieb ich über die schwierige Menschenrechtssituation von Frauen und Mädchen in Afrika südlich der Sahara und war daher besonders daran interessiert, mehr über die Situation der Frauen vor Ort zu erfahren. Außerdem sah ich in einem Auslandsjahr eine gute Möglichkeit, meine Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern, denn die waren während des Studiums ziemlich eingerostet. Ich hatte französisch zwar auf der Schule gelernt, aber nie richtig anwenden können.


Ich begab mich zunächst auf die Suche nach einer für mich geeigneten Entsendeorganisation. Nach vielen Stunden der Internetrecherche bin ich auf den Freiwilligenaustausch Weltweit (im Folgenden FAW) gestoßen. Die Organisation mit Sitz in Berlin entsendet jedes Jahr circa 300, meist junge Menschen ins Ausland und hat sich die weltweite Friedensförderung zum Ziel gesetzt. Gegründet wurde der FAW nach dem Zweiten Weltkrieg von einem deutschen Pfarrer, der die deutsche und die US-amerikanische Bevölkerung näher zusammenbringen wollte. Daraus hat sich bis heute ein Austausch entwickelt, der sich über alle Kontinente erstreckt.


Die Homepage der Organisation machte auf mich einen sehr sympathischen Eindruck. Bilder von glücklich aussehenden Menschen unterschiedlichster Herkunft und exotischen Tieren machten mich neugierig. Auch das Leitbild der Nichtregierungsorganisation fand ich sehr ansprechend. Interkulturelle Begegnungen, Friedensarbeit, Vielfalt und Solidarität waren dem FAW wichtig. Das konnte ich blind unterschreiben.


Eine Bewerbung beim FAW war online möglich. Über eine Maske auf der Homepage bewarb ich mich also für einen Dienst als Freiwillige. Die Bewerbung war recht aufwändig. Zunächst sollte ein Onlinefragebogen ausgefüllt werden. Der beinhaltete neben den üblichen Angaben zum Lebenslauf, Auskünfte über Fremdsprachenkenntnisse, bisherige Auslandsaufenthalte und die eigene derzeitige Wohn- und Lebenssituation. Die persönliche Motivation für einen ehrenamtlichen Freiwilligendienst sollte ebenfalls umfangreich dargestellt werden: „Welche sozialen, politischen, gesellschaftlichen Themen beschäftigen Dich? Welche Ziele für Deine persönliche Entwicklung verbindest Du mit Deinem Auslandsaufenthalt? Welche persönlichen Stärken und Eigenschaften kommen Dir, aus Deiner Sicht, für Deine Zeit als Freiwilliger zu Gute?“, sind drei Beispiele für Fragen, über die es hier nachzudenken galt.

Zusätzlich sollten der Bewerbung zwei aussagekräftige Referenzschreiben beigelegt werden. Ich bat die Professorin, die meine Masterarbeit betreute und bei der ich als studentische Hilfskraft angestellt war, und einen der anderen Dozenten um ein solches Schreiben.


Einige Wochen später bekam ich einen Brief. Ich wurde zu einem zweitägigen Informationsseminar in Hessen eingeladen. Wow! Vor Freude sprang ich wild in meinem Zimmer des Studentenwohnheims umher. Gespannt fuhr ich kurze Zeit später mit dem Zug nach Hessen. Etwa 50 junge Leute waren ebenfalls angereist. Auf dem Seminar stellte die Organisation sich und ihre Programme gründlich vor. Zur Finanzierung eines Freiwilligendienstes gab es mehrere Möglichkeiten: Das weltwärts-Freiwilligenprogramm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beinhaltete den Hin- und Rückflug, die Vermittlung in ein Projekt, die Unterbringung in einer Gastfamilie und ein monatliches Taschengeld in Höhe von 100 Euro (was in einem Entwicklungsland über dem Monatseinkommen der meisten Menschen liegt). Der Restbetrag von 1800 Euro, den weltwärts nicht abdeckt, sollte durch einen Förderkreis selbst beigebracht werden.


Neben diesem Programm gab es die Möglichkeit, den Auslandsaufenthalt über den IJFD (Internationaler Jugendfreiwilligendienst) oder das EU-Programm EFD (Europäischer Freiwilligendienst) zu finanzieren.


Mit jedem Bewerber wurde später auf dem Seminar ein Einzelgespräch geführt, in dem nach den eigenen Vorstellungen und Erwartungen an den Freiwilligendienst gefragt wurde. Welche Herausforderungen für einen in dem Gastland wohl am schwierigsten zu bewältigen sein würden, war zum Beispiel eine solche Frage. Ich stellte mir die Sprache zu diesem Zeitpunkt als das größte zu überwindende Hindernis vor. Ich ahnte schon, dass es mich furchtbar frustrieren würde, nicht das ausdrücken zu können, was in mir vorging.

Nach dem Gesundheitszustand der Bewerber erkundigte man sich in dem Gespräch ebenfalls, dieser sollte später noch durch ein ärztliches Gesundheitszeugnis dargelegt werden.


Einige Wochen nach dem Seminar hatte ich wieder Anlass fröhlich in meinem Zimmer umherzuspringen: Ich bekam die Zusage für einen einjährigen Einsatz in Togo! Togo war das Land, das ich als Erstwunsch für meinen Freiwilligendienst angegeben hatte. Ich hatte doppeltes Glück, denn mein Einsatz als Freiwillige wurde durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert. Bis zum 28. Lebensjahr kann man sich für die Förderung bewerben. Ich sollte glücklicherweise erst in Togo 28 Jahre alt werden und bekam einen der begrenzten Förderungsplätze.

Durch die weltwärts-Förderung war der Großteil der Kosten für mein Auslandsjahr also abgedeckt. Es blieb aber noch der Restbetrag von 1800 Euro, den ich durch einen Förderkreis, ein für mich bis dato völlig unbekanntes Konzept, aufbringen sollte. Die Idee des Förderkreises ist, kurz gesagt, dass man Spenden für seinen Einsatz sammelt und dadurch gleichzeitig viele Menschen darüber informiert und für die Sache interessiert. Ich schrieb insgesamt 18 Briefe an Freunde und Verwandte, in denen ich ihnen von meinen Plänen berichtete und sie um eine Spende für meinen Förderkreis bat. Ein paar Unternehmen schrieb ich ebenfalls an, erzielte damit jedoch keinen Erfolg. Andere Freiwillige waren in ihren Unternehmungen kreativer und verkauften zum Beispiel Waffeln an ihrer Schule. Ich konnte insgesamt 1000 Euro in meinem persönlichen Umfeld sammeln und bestritt den Restbetrag selbst.


Zusammen mit mir reisten weitere sieben junge Freiwillige über den FAW nach Togo aus: Felice, Pia, Philip, Luisa, Maike, Tanja und Thorsten. Fast alle hatten gerade ihr Abitur bestanden und waren zwischen 17 und 20 Jahren alt. Nur Pia und ich waren schon deutlich über 20. Die meisten Freiwilligen, die der FAW ins Ausland entsendet, befinden sich klassischerweise in einer Übergangssituation. Meistens von der Schule an die Hochschule, bzw. den Beruf oder von der Hochschule in den Beruf.

Unsere Gruppenmitglieder kamen aus den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands. Philip war ein waschechter Hamburger, Thorsten wohnte nicht weit von Berlin entfernt, Tanja, Pia und Maike kamen aus dem Stuttgarter Raum. Luisa und ich entstammten dem Rheinland und Felice kam aus München. Immer wieder lachten wir über die sprachlichen Unterschiede, die sich bei uns offenbarten. Maike nannte ein „Butterbrot“ eine „Vesper“, „Frikadellen“ hießen bei anderen „Ballen“ und als einen „Hoddel“ bezeichnet lange nicht jeder einen „Lappen“.


In Togo arbeitet der FAW mit der Organisation Campagne des Femmes zusammen. Deren Präsident, Honoré Akete, vermittelte uns Freiwillige in Projekte und war für unsere Betreuung vor Ort zuständig. Jeder von uns Freiwilligen hatte im Voraus eine Präferenz für ein Projekt angegeben und daraufhin eine Zuteilung erhalten. Ich sollte in dem Büro von Campagne des Femmes eingesetzt werden. Genau das hatte ich mir gewünscht. Ich war voller Vorfreude auf meine Ausreise. Mein Leben würde sich für ein Jahr komplett verändern und ich brannte auf dieses Abenteuer.


Während eines 10-tägigen Seminars in Nordhessen bereitete der FAW uns auf unseren Einsatz als Freiwillige vor. Zusammen mit 137 anderen Freiwilligen, welche in die verschiedensten Länder der Welt entsendet werden sollten, erarbeiteten wir uns in Kleingruppen Themen wie westliche Privilegien, Vorurteile oder globalisierter Handel. Die Stimmung unter uns Freiwilligen war super gut und unsere Erwartungen an das Auslandsjahr mega hoch. Jeder hängte sich in den Seminaren rein und alle versuchten, besonders schlaue und gewichtige Dinge zu sagen.

Die Einheit, die wir über Rassismus machten, blieb mir besonders in Erinnerung. Hier wurde am heftigsten diskutiert. Ich erfuhr, dass der Rassismus ein Abfallprodukt der Aufklärung war und unter anderem auf Ideen von Immanuel Kant zurückzuführen ist. Das überraschte mich sehr. Kant kannte ich bisher nur als den friedvollen Denker, der wollte, dass die Menschen gut zueinander sind. Als den Mann, der den kategorischen Imperativ aufstellte, der besagt, dass man so handeln soll, dass das eigene Handeln jederzeit ein allgemeingültiges Gesetz werden könnte. Jetzt lernte ich, dass insbesondere auf Kant eine Theorie zurückgeht, in der die Menschheit in vier Rassen eingeteilt wurde. Die Rassen sollten sich vor allem in ihrer Vernunftbegabtheit unterscheiden. An der Spitze, wie sollte es anders sein, stünden die Europäer. Unglaublich, dass Menschen so etwas ernsthaft denken konnten.


Was Rassismus überhaupt ist, darüber führten wir im Anschluss hitzige Diskussionen. Bald entstanden zwei Lager im Seminarraum. Die eine Seite, auf der ausschließlich Freiwillige standen, argumentierte gegen die Seminarleiter des FAW. Die FAW-Mitarbeiter vertraten die Ansicht, dass es Rassismus gegen Weiße nicht gäbe, denn Weiße blieben bei jeder rassistischen Diskriminierung, die sie erfahren, am Ende doch immer die Privilegierten und Mächtigeren. Man könne lediglich von situationsbedingter Diskriminierung reden, wenn Weiße in Afrika beispielsweise mehr bezahlen müssen als Einheimische. In Togo betrifft dieses Phänomen zum Beispiel den Frisör. Die Preise für Weiße liegen nicht selten über dem 10-fachen dessen, was Togolesen zahlten. Und ja, das kann man sicher als eine eben solche situationsbedingte Diskriminierung begreifen. Weiße haben im Vergleich meist eben einfach mehr Geld in der Tasche als andere. Deshalb werden sie ungleich behandelt, behalten aber trotzdem die bessere Position. Ich habe aber auch etwas erlebt, worauf der Begriff der Diskriminierung nicht mehr passt, aber darauf komme ich zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zurück.


Wie bereits erwähnt, mussten wir Freiwilligen vor der Ausreise ein Gesundheitszeugnis beibringen, in dem uns ein guter Allgemeinzustand attestiert wurde. Zu den weiteren Vorbereitungen zählten Besuche beim Tropenmediziner. Ich wurde gegen Gelbfieber, Hepatitis A und B, Tollwut, Meningitis, Keuchhusten und Cholera geimpft. Zudem richtete ich mir ein Onlinekonto ein, damit ich in Togo eine Visa-Karte besaß, mit der ich kostenlos Geld abheben konnte. In Togo stellte sich dann heraus, dass Visa eine gute Wahl war, denn Maestro-Karten funktionierten dort nicht.


Dann hieß es einkaufen. Ich kaufte mir Trekkingsandalen, Flip-Flops, einige T-Shirts, Baumwollunterwäsche, kühlendes Gel, sehr viele Insektenschutzsprays, Sonnenmilch, Pflaster, Schmerz- und Durchfallmittel für die Reiseapotheke und einen großen Vorrat an Tampons – denn die gibt es in Togo nicht zu kaufen. Zu den anderen Dingen, die ich mitnahm, zählten ein Taschenmesser, eine Regenjacke, ein Moskitonetz, ein Jugendherbergsschlafsack, eine Taschenlampe und ein kleiner Wanderrucksack.

Manche Sachen davon erwiesen sich in Togo als überaus nützlich (wie zum Beispiel das kühlende Gel, das sehr gut bei Insektenstichen half) wohingegen sich andere Dinge als völlig überflüssig herausstellten. Ich hatte viel zu viel Sonnenmilch eingepackt! Ein oder zwei Tuben hätten locker für das ganze Jahr gereicht. In der prallen Sonne hält man sich in Togo ohnehin wenig auf und auch sonst schien die Sonneneinstrahlung nicht so intensiv zu sein. Denn obwohl fast immer die Sonne schien, verursachte sie nur selten einen Sonnenbrand. Vielleicht lag das an dem vielen Staub, der dort in der Luft liegt.

Eine Regenjacke braucht man auch nicht. In der Regenzeit stellt man sich einfach solange unter, bis der Regen vorbei ist. Das mag dem einen oder anderen Europäer absurd vorkommen. Wer in Deutschland von einem Regenschauer überrascht wird, rennt wahrscheinlich ganz schnell nach Hause oder holt seinen Knirps aus der Tasche. In Togo wartet man, bis der Regen aufgehört hat. „Zeit gibt es genug“, denkt man sich. Wovon sonst kommt immer mehr nach?

Und selbst bei monsunartigem Regen ist es immer noch sehr warm und man verspürt keine Lust, eine Regenjacke zu tragen. Eher sollte man sich einen gemütlichen Pulli mitnehmen. Das einzige Mal, als ich meine Regenjacke in Togo benutzte war, als ich nachts fror.


An Gepäck waren von der Fluggesellschaft zwei Koffer à 23 kg und ein Handgepäckstück zugelassen, was ich voll nutzte. Bei der Rückreise ließ ich dann viele der Dinge in Togo zurück, damit ich in den Koffern Platz für all' die schönen Souvenirs und bunten Kleider fand, die ich aus Togo mitbrachte. Man sollte wirklich nicht zu viel Kleidung mitnehmen. Teure Funktionskleidung ist nicht nötig. Die vielen farbenfrohen gemusterten Stoffe, die es auf dem Markt gibt, verleiten einen schnell dazu, sich etwas daraus schneidern zu lassen. Die knalligen Stoffe, die in Togo „Pagne“ heißen, sind mit den wildesten Motiven bedruckt. Blaue Hühner, rote Telefone, Duschbrausen, knatschpinke Pumps oder überdimensionale USB-Sticks – alles ist tragbar. Meine Mitfreiwillige und Mitbewohnerin Luisa konnte sich überhaupt nicht bremsen und besaß am Ende über 30 Kleidungsstücke aus afrikanischen Stoffen. Besonders beliebt war unter uns Freiwilligen der „Garnelen-Pagne“. Auf dunkelblauen Grund waren unzählige knallrote Garnelen gedruckt. Philip ließ sich aus diesem Stoff sogar einen zweiteiligen Anzug, einen „complet“, schneidern.

Ein Pagne-Stand auf dem Markt.

Unzählige Motive und Farben kennzeichnen die afrikanischen Stoffe.


Vor dem Abflug musste natürlich auch noch ein Geschenk für meine zukünftige Gastfamilie her. Ich wusste zu dem Zeitpunkt der Ausreise noch nicht, in welche Familie ich kommen würde, ob die Familie Kinder haben würde und wenn ja, wie viele. Mir blieb daher nichts anderes übrig, als ins Blaue hinein zu kaufen. Ich besorgte Malbücher, Buntstifte und einen Anspitzer. Außerdem wollte ich meiner Gastfamilie typisch deutsche Geschenke machen. Ich fand ein hübsches Frühstücksbrettchen mit Motiv, kaufte Erdbeermarmelade aus eigener Herstellung, lokale Süßigkeiten-Spezialitäten, eine Flasche deutsches Bier mit Bügelverschluss und Fruchtgummi mit Waldmeistergeschmack. Der Verkäufer in dem Fruchtgummiladen versicherte mir, dass Waldmeister etwas total Besonderes ist, was es nur in Deutschland zu kaufen gäbe und damit entsprach auch das Fruchtgummi voll und ganz meinem Anspruch.


Ausgestattet mit all' diesen Dingen fühlte ich mich bereit für die große Reise. Am Vorabend meiner Ausreise gab es noch eine große Grillfeier und ich verabschiedete mich von meiner Familie und meinen Freunden. Am nächsten Tag ging es dann tatsächlich los. Der FAW hatte für alle Freiwilligen, die durch weltwärts gefördert wurden, denselben Flieger gebucht und so traten wir gemeinsam unsere Reise nach Togo an. Am Frankfurter Flughafen verabschiedeten wir uns von unseren Eltern und Freunden, die uns zum Flughafen begleitet hatten. Die meisten kämpften mit den Tränen. Als ich durch das Gate ging und die Personenkontrolle passierte, konnte ich meine Eltern, meine Schwester Claudia und meine Freundin Marie noch durch die Glasscheiben sehen. Da fühlte auch ich auf einmal einen dicken Kloß im Hals. Wie lange würden sich die zwölf kommenden Monate ohne meine Familie und meine beste Freundin wohl anfühlen? Was lange Zeit nur ein Traum war, wurde auf einmal ernst. Ich winkte meinen Lieben noch ein letztes Mal zu, atmete tief ein, drehte mich um und schritt meinem Abenteuer entgegen.


Ein Direktflug nach Togo bräuchte eigentlich nur 6 Stunden. Da es sich bei unserer Airline aber um eine äthiopische Fluglinie handelte, mussten wir zunächst nach Addis Abeba, die äthiopische Hauptstadt, um von dort weiter nach Togo zu fliegen. So dauerte unser Flug nach Lomé, der Hauptstadt Togos, ganze 16 Stunden.

Togo besitzt nur einen einzigen internationalen Flughafen und im Gegensatz zu den deutschen Flughäfen ist er winzig klein. Nachdem wir unser Gepäck abgeholt hatten, warteten wir in der Flughafenhalle auf jemanden, der uns abholen sollte. Ein junger Mann kam freudig auf uns zu und dirigierte uns zu dem Parkplatz vor dem Flughafengebäude. Dort saß Honoré Akete, der Leiter der Partnerorganisation, am Steuer eines blauen Kleintransporters. Dass es sich bei ihm um Honoré handelte, fanden wir aber erst später heraus, denn vorgestellt hatte er sich uns nicht.

Dann hieß es, Gepäck einladen. Unsere Koffer stapelten sich im Laderaum, während wir uns vorne auf die Sitze quetschten.


Honoré fuhr uns von Lomé direkt nach Kpalimé, dem Ort, wo wir die nächste Zeit verbringen sollten. Auf der zweistündigen Fahrt bekamen wir einen ersten Eindruck von dem Land. In der Hauptstadt herrschte reges Gewusel auf den Straßen. Der Verkehr war sehr dicht, auf den Straßen drängten sich unzählige Motorräder und Taxen. In den Gassen spazierten Hühner, Schafe und Ziegen umher. Der Geräuschpegel war hoch. Das Fußvolk quetschte sich an den Straßenrändern vorbei. Es klingt vielleicht naiv, aber ich war total beeindruckt davon, nur schwarze Menschen auf den Straßen zu sehen. Ich sah keinen einzigen Weißen. Füllige Frauen in bunten Kleidern trugen überladene Körbe auf ihren Köpfen und zogen Kinder an den Händen hinter sich her. Auf den Rücken trugen sie oft zusätzlich ein kleines Baby. Männer standen an Straßenecken und gestikulierten wild, während sie miteinander diskutierten. Die Gesichter der Menschen sahen für mich alle gleich aus. Die Hautfarbe der Menschen war gleich, die meisten Nasen waren breit, die Lippen dick und die Haare kurz. Worin unterschieden sich ihre Gesichter eigentlich? Dass ich kaum in der Lage war, die Gesichter der Menschen auseinanderzuhalten, sollte auch in den ersten Wochen noch so bleiben.


Als wir aus der Stadt hinausfuhren, führte uns die Landstraße vorbei an Maisfeldern, grünen, üppigen Landschaften mit Palmen, grünen Sträuchern und weiten Flächen. An einigen Stellen war der Boden verbrannt und es ragten nur noch qualmende Baumstümpfe aus der dunklen Erde hervor. Vereinzelt standen schiefe Hütten an den Straßenrääü