Ralph Ardnassak

Gilgul Neschamot: Das Experiment Gottes

Roman. Erster Band

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

XIII

XIV

XV

XVI

XVII

XVIII

XIX

XX

XXI

XXII

XXIII

XXIV

XXV

Impressum neobooks

I

 

Was lebt, das leidet, weil es

lebt, und leben will es.

 

(Wilhelm Busch)

 

 

 

 

Das Leiden ist ja die einzige Ursache

der Erkenntnis.

 

(Fjodor Dostojewski)

 

 

 

 

Aus der Ewigkeit

reiche ich euch

meine Hände hinüber ins Leben.

Hinweg

über jene Schwelle des Todes,

die seit Anbeginn der Zeit

alles Lebende nur in einer Richtung

und unumkehrbar überschreitet.

 

 

 

 

Lehre uns alle Demut, oh Herr!

 

 

 

Es ist der Moment zwischen Schlaf und Erwachen, in welchem die Welt und der anbrechende Tag noch rein und jungfräulich sind. Noch unbefleckt vom gierigen Tun der Menschen und ihrem unnachgiebigen Griff nach allen Dingen dieser Erde.

Es ist er Moment zwischen Dämmerung und Helle, in welchem der Schlaf aus den Gliedern schwindet und er Angst weicht vor Demjenigen, was dieser neue Tag bringen wird.

Der Schlaf weicht und mit ihm die Erinnerung an die trügerische Geborgenheit der Träume, in welcher ich aufgehoben war, vor dem gewalttätigen Zugriff der Menschen, wenigstens für eine Weile.

Wie trübes Blut, so sickert der anbrechende Tag durch die Fenster ins Schlafzimmer und erfüllt es mit der Gnadenlosigkeit und Härte der Menschenwelt.

Die Furcht ist in meinen Adern erwacht, die unbestimmte Angst, die meinen Körper befallen hat, wie eine Krankheit.

Draußen, vor dem Haus, weiß ich all die gierigen und gewaltbereiten Menschen, die nach meinem Geld trachten, nach meiner Arbeitskraft, nach meinen Nieren, nach meiner Leber, nach meiner Lunge und nach meinem Herzen, nach meinen Hornhäuten, nach meinem Blut und nach meiner Knorpelmasse.

Sie lauern dort draußen wie Viren, die gierigen Menschen. In dem Irrglauben, dass Härte und Rücksichtslosigkeit die Vehikel sind, die ihnen ihren Platz an der Sonne sichern werden.

Mir graut vor dem anbrechenden Tage und ich verfluche den Moment, da aufwachen musste, um mich der Gier und der Gewaltbereitschaft all dieser Menschen dort draußen zu stellen.

Es gibt kein Entrinnen. Und wer nicht mittut, der wird zertrampelt. Man wird gezwungen, sich in den Strom der Gierigen und der Gewalttätigen, der Rohen und Rücksichtslosen, einzureihen. Wer sich nicht einreihen will, wer sich nicht einreihen kann, der wird zertreten, ausgequetscht und ausgesaugt, wie eine prall mit Blut gefüllte Zecke, die zwischen Daumen und Zeigefinger zerquetscht und dann fallen gelassen wird.

Es gibt kein Entrinnen und das Grauen steht grinsend an jedem neuen Morgen neben meinem Bett, um mich hinaus zu ziehen in die Kälte und Rohheit des gerade erst angebrochenen Tages, der doch nichts weiter ist, als ein weiterer grauer und schrecklicher Tag in der endlosen Kette der grauen und verrohten Tage. Jener Kette, die sich schlicht Leben nennt.

Leben ist nicht schön. Und was nicht schön ist, das kann auch nicht lebenswert sein. Das jedenfalls haben sie geschafft, dass Leben nicht schön ist, für sehr viele Menschen auf diesem Globus. Dass es nichts ist, als eine endlose graue Kette des Erduldens von Rohheit, Grausamkeit, Schmerz, Ungerechtigkeit, Demütigung und Ausbeutung. Eine Kette, zu der sie Leben sagen oder einfach Demokratie.

Es ist heute leicht, die Begriffe zu verdrehen. Die Menschen haben die ursprüngliche Bedeutung vieler Begriffe vergessen. Wer tagtäglich um sein Überleben kämpfen muss, darum, ein möglichst großes Stück vom Kuchen ab zu bekommen, der fragt nicht mehr nach der genauen Bedeutung der Begriffe. Er beschränkt sich einfach darauf, sie wiederzukäuen und auszuspucken, wie es alle tun.

Der Weg zurück in den Schlaf und in die gnädige Dunkelheit des nächtlichen Vergessens der eigenen jämmerlichen Existenz ist nun versperrt. Es hilft nichts. Es geht hinaus ins Grauen, um sich dem Elend eines neuen Tages zu stellen!

 

 

II


Atma ist der zentrale Begriff der indischen Philosophie für das individuelle Selbst jedes Lebewesens.

Atma ist der individuelle Atem und Lebenshauch, die ewige und unzerstörbare Essenz des Lebens.

Atma ist das individuelle und zugleich absolute Selbst, die unveränderliche Seele.

Atma Vichara ist jegliche Form der Ergründung dieses eigentlichen, ewigen und unzerstörbaren Selbst.


Der Buddhismus lehrt, dass alles Leben zugleich Leiden bedeutet. Gier und Unwissenheit der Menschen sind die Ursachen des Leidens.

Wenn Leben aber Leiden bedeutet, so gibt es nur zwei Wege, um das Leiden zu beenden: der eine Weg besteht in der Beendigung des Lebens, dies ist der leichtere und der durchaus praktikable Weg. Der andere, der schwierigere und ungewisse Weg, besteht im Lernen und in der Selbstlosigkeit.

Ein Teil des Leidens ist jedoch, als Inhalt des Lebens, an Bewußtsein gekoppelt. An die Fähigkeit zur Wahrnehmung, zur Reflexion und Selbstreflexion. Somit gibt es ein rein körperliches und physisches Leiden, wie beispielsweise Mangelempfindungen oder Schmerz und ein rein geistiges Leiden, wie das Empfinden von Demütigung und Erniedrigung.

Das physische Leiden, als die ursprünglichste Form es elementarsten Leidens, bedarf nicht des Bewusstseins. Das Bewußtsein vervielfacht jedoch die Leidensfähigkeit, indem es das Spektrum des Leidens um das geistige und emotionale Leiden erweitert und dem leidenden Individuum außerdem die Möglichkeit eröffnet, sich seines Leidens bewußt zu werden und dadurch letztendlich umso intensiver zu leiden.

Wenn Leben Leiden ist, so kann Leben nichts Positives sein, da es Schmerz und das Bewußtsein dieses Schmerzes beinhaltet. Wenn Leben Leiden ist, so schließt es als einzig positiven Aspekt die Tatsache seiner Endlichkeit ein, denn der Tod, als das zumindest physische Erlöschen des Zustandes Leben, beendet das Leiden des Individuums und erlöst es von physischen Schmerzen und Mangelempfinden.

Wenn wir Körper und Geist getrennt betrachten und Geist dabei mit Bewußtsein assoziieren, so leiden während des Lebens Körper und Geist. Der Körper leidet physisch und der Geist leidet emotional, was sich in der Physis niederschlagen kann oder er leidet in der Erkenntnis des Leidens des Körpers.

Wenn Leben Leiden heißt, so ist Leben nichts Erstrebenswertes, denn jedes Individuum, ob nun mit Verstand und Bewußtsein begabt oder nicht, strebt seiner Natur nach nach der Beendigung des Leidens. Das Streben zum Tode hin und die Todessehnsucht sind somit elementare Urtriebe, die unmittelbar aus der Sehnsucht erwachsen, alles unabänderliche Leid zu beenden.

Steht das Leben für das physische und geistige Leid, so steht der Tod zumindest für das Ende des physischen, des körperlichen Leidens. Wer jedoch Bewußtsein und Körper trennt und davon aus geht, dass das Bewußtsein als Seele, als Atma, als unzerstörbares Selbst, nach dem Tode des Körpers, möglicherweise in einer anderen Dimension, weiter existiert, der unterstellt damit, dass das geistige Leid nicht mit dem physischen Tode endet, sondern das vergegenständliche und manifeste Atma selbst ist. Bewußtsein und Seele sind somit geistiges Leid und ewiges und unzerstörbares geistiges Leid ist die Existenzform des Atmas selbst.

Wer den Körper als ein Gefäß begreift, in welchem der Geist oder das Bewußtsein lediglich aufbewahrt wird, wie eine Flüssigkeit, der unterstellt, dass das die Flüssigkeit nach dem Zerschlagen des Gefäßes weiter existiert. Sie kann im Erdreich versickern, zu Eis gefrieren oder verdunsten, also einen anderen Aggregatzustand annehmen, der einer anderen Dimension entsprechen kann, zerstört oder vernichtet werden, kann die Flüssigkeit demnach jedoch nicht.

Wenn aber die Flüssigkeit, die dem Geist, dem Bewußtsein oder dem Atma entspricht, einen anderen Aggregatzustand annehmen kann, so impliziert diese Annahme, dass die Flüssigkeit jeden beliebigen Aggregatzustand annehmen und unter gewissen Bedingungen auch in den flüssigen Aggregatzustand zurück verwandelt werden kann, den sie während ihres Aufenthaltes in dem Gefäß inne hatte.

Auch das Gefäß, wenn es erst zerstört ist, wird seinen Aggregatzustand möglicherweise verändern. Verschwinden werden seine Atome jedoch nicht.

Zentrale Daseinsbedingungen sowohl für das Gefäß wie auch für die darin enthaltene Flüssigkeit sind also ihre Veränderbarkeit. Dabei verändert sich das Gefäß, das keine Essenz hat, sondern lediglich materielle Hülle oder Aufbewahrungsform ist. Auch die Flüssigkeit verändert sich, aber ihre wahre Essenz, als ihr innerstes Selbst, bleibt unveränderlich und unzerstörbar, unabhängig von dem Aggregatzustand oder der Dimension, die sie gerade inne hat.

Beide, Gefäß und Flüssigkeit, werden durch das Leid miteinander verbunden, das ihre grundlegende Daseinsform ist.

Jeder Rückzug aus dem physischen und elementaren Leid ist daher ein Rückzug aus der Körperlichkeit des Gefäßes und somit ein Los- und ein Fahrenlassen alles Körperlichen.

Jeder Rückzug aus dem Gefäß in das Atma ist damit ein Rückzug in das Wesentliche, in das eigentliche und unzerstörbare Selbst. Ein Rückzug aus dem physischen Leiden, welches uns die uns umgebenden Mitmenschen bereiten.

Wenn der Inhalt des Lebens Leid ist, so ist es das Bestreben der Lebewesen, das eigene Leid zu minimieren. Das eigene Leid jedoch wird minimiert durch egoistisches und rohes Verhalten, durch Gier bei der Aneignung der Güter dieser Erde.

Jedes Leben, das auf Minimierung des eigenen Leides durch Gier aus ist, schafft damit neues Leid in der Welt und erneuert des Kreislauf des Leidens, das sich mit jedem Lebewesen, welches zur Welt kommt und die Verhaltensmaxime verinnerlicht, akzeptiert und praktiziert, fortgesetzt eigenes Leid durch gieriges und rücksichtsloses Verhalten zu minimieren, erneuert.

So kommen mit den Lebewesen die Gier und das Leid auf die Welt und das Bewußtsein entwickelt sich, das Atma, als das unzerstörbare Selbst, welches das physische Leid reflektiert und das emotionale Leiden realisiert.

Warum aber soll man alles physische Sein loslassen?

Weil es in der Welt so unerträglich leidvoll und kalt sein kann, dass man dort nur noch Schmerz und Elend findet, nicht aber Trost.

Keine Art des Trostes kann von außerhalb, aus der physischen Welt oder von anderen Menschen kommen, deren Bestreben nur darin besteht, durch gieriges und egoistisches Verhalten das eigene Leid zu minimieren.

Der einzige wirkliche Trost kann nur aus dem Atma kommen, welches das eigentliche und das ewige und unzerstörbare Wesen allen individuellen Lebens ist.

Daher muss das äußere Sein und damit auch alles Leid los gelassen werden, um sich auf sich selbst und in sich selbst zurück zu ziehen, wie das Wasser bei Ebbe, das den Strand frei gibt und sich zurück zieht.

Es ist also eine Selbstentsagung und eine gewaltige Selbstkontraktion, dieser Rückzug. Es ist vergleichbar dem Versinken in den Schlaf oder in den Tod.

Schlaf und Tod sind eines. Sie trennen das Gefäß von der Flüssigkeit ab, so dass sich alles nach innen wendet, zum Atma hin und zum eigentlichen unzerstörbaren Selbst, welches in jenen Momenten, zwischen Wachen und Träumen, offenbar wird.

Allein auf dem Weg nach innen, offenbart sich dem Suchenden die wahre Natur der Dinge, wenn er sich niederlegt, in jenen Momenten, zwischen Wachen und Einschlafen, wie zwischen Leben und Sterben, dann lächelt ihm eine Ahnung seines Atmas zu.

Erst in jenen Momenten, nahezu losgelöst von allen Äußerlichkeiten des Gefäßes und nicht mehr gefangen in den Dingen der äußeren Welt, ist er in der Lage, sich auf die Flüssigkeit zu konzentrieren, die er in sich trägt und die sein eigentliches und unzerstörbares Wesen, sein Atma, repräsentiert.

Um wirklich die äußere Welt loszulassen und sich dem Atma zu stellen, bedarf es einigen Mutes. Doch ist das Leid der Welt zu groß, so findet jeder den Mut. Größer ist das Erschrecken vor der Welt und ihrem Leid, als das Erschrecken vor jenem, was er Loslassende jenseits des Gefäßes findet.

Zurückgeworfen auf das Leid seines Seins, ist er gezwungen, sein innerstes unzerstörbares Selbst, sein Atma, die Essenz seiner Existenz, zu erkennen. Dieser Zustand mag jenem Zustand am nächsten kommen, den die Buddhisten Erleuchtung nennen. Er ist eine Existenzform, in der das rein physische Leid seine Bedeutung verliert und sich das Leben dem Ausgesetztsein der Gier der anderen Individuen durch vollkommene Hinwendung nach innen und vollkommenes Loslassen entzieht.

Nicht wirtschaftliche Güter, nicht Erfahrung oder Status zählen hier, sondern allein die Quelle und die Essenz des eigenen Seins.



III


Es ist der Herbst 1415. Oktober, ein guter Monat zum Sterben. Wie fahle Leichentücher hängen die Nebel in den Feldern Frankreichs, in das wir gezogen sind, um den Anspruch unseres edlen Königs Heinrichs V. auf den Thron Frankreichs zu untermauern.

Ein Anspruch, der auf den Siegen Eduards III. bei Crécy und des Schwarzen Prinzen, Edwards of Woodstock, bei Maupertuis sowie dem nachfolgenden Friedenschlusse von Brétigny beruhte. Schließlich auch auf der Verschlagenheit der Franzosen, die in Brétigny getroffenen und als verbindlich angesehenen Abmachungen nicht bestätigt zu haben!

Das aber ist Politik. Und von Politik verstehe ich nichts, denn ich bin kein hoher Herr oder Gewappneter. Ich bin nur ein Gemeiner, der den Langbogen trägt und der im Heere Heinrichs V. in das hundsföttische Frankreich gezogen kam, geplagt von der Ruhr und der herbstlichen Nässe, um der Gier dieser französischen Herren ein Ende zu bereiten, die sich Gebiet um Gebiet um Gebiet zurück eroberten, zurück ergaunerten, um es schließlich durch feige und in hundsföttischer Absicht geschlossene Friedensverträge zu sichern.

Harry of Lancaster, der älteste Sohn Heinrichs des IV. und der Mary de Bohun, ein asketisch wirkender Jüngling mit einem an die mönchische Tonsur erinnerndem Haarschnitt, mit brennenden dunklen Augen, gewaltiger Nase und fleischigen roten Lippen, hatte als Heinrich V. von England als zweiter Souverän aus dem Hause Lancaster den Thron Englands bestiegen und entschlossen seine Forderungen an die hundsföttischen Barone Frankreichs immer weiter erhöht.

Ja, was er wollte war nicht nur die Anerkennung der Franzosen all der Friedensbedingungen von Brétigny, es war schlichtweg die komplette Wiederherstellung des alten Angevinischen Reiches, zu welchem auch die Normandie gehört hatte!

Es war die Restauration des kompletten und einst umfänglichen territorialen Besitzes des Hauses Plantagenet, zu dem nicht nur England gehörte, sondern auch der Festlandsbesitz, welcher die ganze westliche Hälfte Frankreichs maß! Ein Besitz, der vom 11. bis in das 13. Jahrhundert hinein Bestand gehabt hatte!

Neben dem Königreich England mit dem Königreich Schottland, den walisischen Fürstentümern und Ostirland, bildete diese westliche Hälfte, auf die wir nun endgültig erneut Anspruch zu erheben, als Reisige ausgezogen waren, die Grafschaften von Anjou, von Tours und Maine; das Herzogtum der Normandie; das Herzogtum Aquitanien und das Herzogtum Gascogne.

Ich verstehe nichts von Politik, denn ich bin nur ein Reisiger, leidend an der Ruhr, der seinen langbogen durch die Ebenen des hundsföttischen Frankreich trägt, immer bereit, zu sterben, aber neben der Wortbrüchigkeit der Franzosen mag die Tatsache ebenso entscheidend für unseren Feldzug gewesen sein, dass der König der Franzosen, Karl VI., geistesgestört war.

Es ist wie mit einer fetten Schafsherde, die von einigen lahmen und altersschwachen Hunden bewacht wird. Jede solche Schafsherde zieht die Wölfe an und verheißt ihnen leichte Beute.

Ein schwacher und ein unentschlossener König zieht die Feinde an wie der Honig im Bienenstock die jungen Bären.

Ein geisteskranker König aber ist ein Einfallstor in jede Feste, ist ein Pfahl im Fleische seines Volkes und eine Seuche. Er ist ein Hort des Krieges und der Not, fordert er doch alle Edlen in den benachbarten Ländereien auf, mit Gewalt über ihn herzufallen und ihn seines Besitzes zu berauben.

Gutwillig, schwach und sprunghaft soll sein Wesen sein, wie es heißt. Und regieren könne Karl VI. von Frankreich überhaupt nur, gestützt auf seine Berater, die Marmousets, wie ein Lahmer, der sich auf die Krücken stützt.

Jeder Edle der Erde wäre angesichts eines solchen Königs mit seinen Reisigen in dieses hundsföttische Land eingefallen! Jeder, so wahr mir Gott helfe!

Sichtbarstes Zeichen der geistigen Umnachtung dieses Königs war der Bal des Ardents gewesen, der Ball der Brennenden: Ein Brand angesichts eines vom König für eine Ehrendame veranstalteten Polterabends, bei dem vier seiner Freunde bei lebendigem Leibe in ihren Verkleidungen aus Federn, Pech und Werg verbrannten, wie Zunder!

Alle Verhandlungen mit Frankreich galten schon seit dem Sommer als gescheitert!

So dass wir uns Ende des Sommers sammelten: der englische Adel als Gewappnete in seinen Rüstungen und wir gemeines Volk als die englischen Bogenschützen mit dem Langbogen, zu 12.000 an den Küsten, um uns nach Frankreich einzuschiffen.

Wir landeten an der normannischen Küste und mussten die offene Feldschlacht mit dem gewaltigen französischen Heer meiden, das uns an Zahl und an Gewappneten weit überlegen war.

Geschwächt von der Geißel der Ruhr zogen wir in endlosen Märschen durch den Regen und durch das verfluchte Land der Franzosen. Immer wieder dezimierten Scharmützel unsre Reihen.

Wie ein gewaltiges Leichentuch lag der Nebel auf den öden Feldern und in den borstigen Kronen der Baumreihen. Jämmerlich bimmelten die Kirchenglocken aus den fernen französischen Kirchtürmen zu unserem Marsch.

Wir fühlten unsere Stärke in der Nässe und Kälte der Tage schwinden, wie hungernde Kinder, die zur Feldarbeit verdammt worden waren, ohne Nahrung erhalten zu haben.

Wir fühlten unsere Glieder erlahmen und unseren Geist sich verwirren. Wir fühlten die Furcht, die sich uns näherte wie ein dunkles böses Tier, das uns aus dem fremden Unterholz heraus ansprang und die Gewissheit ging uns auf, dass wir hier, in Frankreichs öden Fluren und Feldern, wohl unsere letzte Ruhe finden würden.

Wie um uns selbst auf unser Sterben einzustimmen, sangen wir gemeinsam, während wir in Regen und Nebel marschierten, das Deo Gratias Anglia:


„Deo gratias Anglia redde pro victoria!

Owre Kynge went forth to Normandy

With grace and myght of chyvalry

Ther God for hym wrought mervelusly;

Wherefore Englonde may call and cry“


Hier fiel dröhnend und erschütternd der Chorus ein, der sich nach jeder weiteren Strophe vernehmen ließ:


„Deo gratias!

Deo gratias Anglia redde pro victoria!“


Und während wir marschierten, durch Schlamm und Regen und Nebel und Sterben, fuhr unser Gesang fort, immer wieder und nach jeder einzelnen Strophe ergänzt durch den Chorus:


„He sette sege, forsothe to say,

To Harflu towne with ryal aray;

That toune he wan and made afray

That Fraunce shal rewe tyl domesday.


Chorus


Then went hym forth, owre king comely,

In Agincourt feld he faught manly;

Throw grace of God most marvelsuly,

He had both feld and victory.


Chorus


Ther lordys, erles and barone

Were slayne and taken and that full soon,

Ans summe were broght into Lundone

With joye and blisse and gret renone.


Chorus


Almighty God he keep owre kynge,

His peple, and alle his well-wyllynge,

And give them grace wythoute endyng;

Then may we call and savely syng:


Chorus.“


(Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Agincourt_Carol)



IV


So wie der Blinde nach innen gewendet sieht, wie das Kind, obschon ohne Erfahrung, erkennt und der Schlafende reglos und mit geschlossenen Augen träumt, ist auch das Atma, als das innerste Wesen der individuellen Existenz und als die Essenz des Seins, erkenn- und erfahrbar.

Es heißt, das Atma ist ein strahlend helles Licht, welches die Augen jedoch nicht blendet. Verborgen im Innern des Gefäßes, bleibt es den meisten Menschen unsichtbar während ihres gesamten Lebens.

Der RüüüüööÄßöt.