Teil 3
Interviews

In diesem Teil findest Du Interviews, die ich mit Künstlern der verschiedensten Genres und Größenordnungen über ihre Erfahrungen mit Live-Tontechnik und Livemischern geführt habe. Manchmal sagen die Musiker ähnliche Sachen, manchmal gehen sie an einzelne Herausforderungen vollkommen unterschiedlich heran. Einige Antworten werden Dir bereits bekannt vorkommen, manche werden Dich vielleicht überraschen und bestimmt begegnet Dir hier auch das ein oder andere Detail, über das Du bisher noch nicht so intensiv nachgedacht hast.

Vielleicht bemerkst Du auch, was Du als Livemischer bereits sehr gut kannst, aber auch welche Aspekte Du bei Deinen nächsten Konzerten noch mehr beachten oder anders lösen könntest. Bestimmt lohnt es sich außerdem, die eine oder andere Antwort der Musiker einmal mit »Deinen« Künstlern zu diskutieren. Wahrscheinlich findet Ihr dann zusammen heraus, wie Ihr bisherige Schwierigkeiten besser lösen könnt, oder wie Ihr Euren bisherigen Weg für die Zukunft noch stimmiger gestalten könnt.

Teil 2
Fragen

Im folgenden Teil findest Du allerlei Fragen, die ich mir im Laufe einer Veranstaltung so stelle. Einige habe ich eher allgemein gehalten, einige gehen sehr ins Detail, manche beschäftigen sich mit der Musik und Tontechnik aus einer sehr weiten Perspektive.

Bitte begreife diese Fragen nicht nur als bloße Checkliste. Du solltest die Fragen unbedingt erweitern oder weiterspinnen und an Deine spezielle Situation anpassen. Es lohnt sich außerdem (besonders bei Fragen, bei denen die Antwort offensichtlich erscheint!), ein »Warum?« oder »Warum nicht?« hinterherzuschieben. Aus welchen Gründen machst Du die Dinge, die Du als Livemischer tust, eigentlich? Warum machst Du sie genau so und nicht anders? Vielleicht helfen Dir Deine Antworten auf diese Fragen, häufig auftretende Schwierigkeiten grundlegend zu lösen, oder Klischees und alte Routinen zu durchbrechen.Vielleicht findest Du neue, schönere, geeignetere Methoden, oder Du findest einfach nur heraus, dass Du den betreffenden Aspekt bereits ausgiebig durchleuchtet hast und für Dich passend behandelst.

Teil 1
Praxis des live Mischens

Live-Tontechnik wirkt häufig wie ein sehr komplexes Unterfangen. Es gibt etliche technische, kommunikative, kreative und auch persönliche Fragestellungen, die es zu lösen gilt. Jede Show unterscheidet sich zudem von jeder anderen und erfordert unter Umständen ganz neue Methoden. Wenn man allerdings einige grundlegende Herangehensweisen berücksichtigt, kann man dafür sorgen, dass die Anzahl der auftretenden Schwierigkeiten erheblich reduziert wird und man sich auf die schönen Aspekte der Show konzentrieren kann. Bei aller Komplexität stellt Live-Tontechnik schließlich kein Hexenwerk dar.

In diesem Teil des Buches schildere ich, wie man dafür sorgen kann, dass ein Konzert für alle Beteiligten zu einer möglichst tollen Erfahrung wird. Welche Absprachen sollten für ein erfolgreiches Konzert getroffen werden? Wie begegnet man Künstlern, Veranstaltern und anderen Beteiligten? Was gilt es bei Vorbereitung, Aufbau, Soundcheck und schließlich beim Mischen der Liveshow zu beachten? Welche Fähigkeiten helfen einem allgemein als Livemischer? Welches Equipment benötigt man überhaupt, und wie geht man damit um? Wie stellt man einen gut klingenden Livemitschnitt her? Diese und weitere Fragestellungen sollen hier erörtert werden.

Bei der Lektüre bitte beachten: Ich schildere hier vor allem meine eigenen Erfahrungen, Denkansätze und Herangehensweisen. Es gibt nicht den einen richtigen Weg, also nimm bitte nicht jede Methode einfach so hin. Du kannst natürlich gewisse Dinge übernehmen, um sie auszuprobieren, aber Du solltest den Text jederzeit hinterfragen und in jedem Fall unbedingt Deinen eigenen Weg finden.

Markus Mantei​

von SUPERNOVA PLASMAJETS​

Was macht für Dich oder für Deine Band einen guten Livemischer aus?

Auf der Bühne/vor der Show Stress reduzieren (evtl. Stagehands anweisen, passt die Technik etc). Nach Außen hin die Vision/das Konzept der Band »verstärken«.

Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten oder Eigenschaften sollte ein Livemischer für Dich besitzen?

Unser Setting ist, dass wir eigentlich fast immer unseren eigenen Mischer mitbringen und maximal in 10 % der Gigs auf Externe angewiesen sind. Daher kann ich eher aus dieser Perspektive sprechen.

Meiner Ansicht nach ist eine wichtige Aufgabe eines Livemischers, der Band eine funktionierende Umgebung zu schaffen, um professionell »abzuliefern«. Nichts stresst mehr als wenn man sich als »Unbeteiligter« über Probleme mit dem Mischpult oder Sachen, die trotz Rider auf einmal nicht machbar sind, usw. ärgern muss. Auf unserem Level muss der Livemischer leider oft auch noch in Bereiche eingreifen, die eigentlich in den Bereich des Haustechnikers oder der Stagehands fallen.

Mich stört andauerndes Nachregeln bzw. wenn ich merke, dass Steffen zu kämpfen hat. Man hat das Gefühl, irgendetwas stimmt nicht. Das macht mich dann unruhig und lenkt mich von der Show ab.

Bei Externen nervt mich oft, wenn persönlicher Geschmack (wir polarisieren ja) Einfluss auf die Kommunikation/Motivation hat. Der Umstieg auf die Kemper-Profiler und davor der Einstieg mit dem Eleven Rack wurde gerne belächelt und auch der Fakt, dass wir Bühnenoutfits haben. Das hat sich aber massiv gebessert, seit wir größere Shows fahren.

Wie kommunizierst Du mit dem Livemischer?

Grundsätzlich haben wir es uns als Band vorgenommen, stressfrei für alle Beteiligten zu sein. Das fängt beim Veranstalter an und soll auch nicht bei Stagehands, Mischer etc. enden. Im Endeffekt geht es darum, ein tolles Erlebnis für den Besucher zu bieten. Da haben Spielereien auf der Bühne wie zwischenrein spielen, groß am Sound rumdrehen usw. einfach kein Platz. Wir finden das selbst Panne, wenn man das bei anderen Bands sieht. Das ist bei Schülerbands natürlich ok, aber das ist nicht unser Anspruch.

Wir nutzen seit Jahren die gängige Zeichensprache (Daumen hoch/runter), um dem Mischer zu verdeutlichen, was lauter/leiser muss. Und wie gesagt, diszipliniert jeder nach der Reihe. Während der Gigs (meistens bei großen Bühnen) tu ich mich persönlich etwas schwer, übermäßig zu kommunizieren, da ich oft auch von dem Frontlicht geblendet werde bzw. nicht ganz nach hinten schauen kann. Hört sich blöd an, ist aber schon oft vorgekommen.

Direkt nach dem Gig gibt es natürlich immer ein kleines Feedback, wie es für beide Seiten lief. Ist etwas fies aus dem Ruder gelaufen, besprechen wir das auch ausführlicher, um das in Zukunft weitestgehend zu vermeiden.

Steffen übernimmt auch die komplette Kommunikation mit dem Veranstalter/Haustechniker. Selbst wenn er mal bei einem Gig nicht dabei ist.

Wir fanden es immer hilfreich, in einer ruhigen Minute vor dem Gig mal beim Livemischer vorbeizuschauen, sich vorzustellen/zu beschnuppern und kurz zu quatschen, in welche Richtung es gehen soll.

Ansonsten ist ein (realistischer) Rider immer hilfreich. Gerade wenn man »Specials« am Start hat. Nichts ist ätzender, als wenn noch kurz vorm Gig Strom gelegt werden muss oder irgendwo ne DI-Box fehlt.

Wie wird der Livemischer in Soundfragen eingebunden?

Mit Steffen (und auch den Mischern davor) haben wir uns erst mal getroffen und erklärt, was wir uns vorstellen, was unsere Ziele (nicht nur soundtechnisch) sind und mit welchem Besteck wir hantieren. Wir sehen und sahen unsere Livemischer nie nur als Dienstleister, sondern als Mitglied der Bandfamilie. Sprich, auch er soll sich entfalten/ausprobieren können und sich, natürlich alles im Rahmen, auch kreativ weiterentwickeln können. Eine Band wie wir bietet sich ja auch an, gewisse Techniken oder neues Equipment auszutesten.

Im Grunde genommen hat Steffen absolut freie Hand, da wir ihm vertrauen und wir wissen, dass er versteht, wie die Band klingen soll/will. Jeder in der Band hat seine Stärken, die er ausspielen soll. Da bringt es nichts, wenn wir uns da groß einmischen.

Da wir live alle (außer Drums) direkt ins Pult gehen (Gitarren via Kemper, Bass via 11Rack) und keine Boxen auf der Bühne haben sowie mit Samples spielen, ist eine gute Vorbereitung extrem wichtig, da die Nummer sonst schnell richtig in die Hose gehen kann.

Daher haben wir uns bei jedem größeren Step (Amps zu Kemper oder Einsatz des Sample-Players) eine Location mit Bühnentechnik gesucht und ein ganzes Wochenende »Soundcheck« gemacht. Sprich, die Sounds so abgestimmt, dass man im Idealfall nur noch die Fader hochziehen muss. Das hat uns einen Riesenschritt nach vorne gebracht und die Soundcheckzeiten extrem verkürzt. Das bedeutet, wir verkabeln wie gewohnt, Steffen checkt jeden kurz an, wir spielen einen Song an und gut ist.

Anstrengender ist der Monitor-Sound, da das von Location zu Location variiert. Wenn man direkt geht und (noch) nicht In-Ear nutzt, ist man extrem auf die vorhandenen Monitore angewiesen. Das ist im Moment noch der größte Zeitfresser. Aber dafür haben wir nun auch eine Lösung gefunden (dazu später mehr).

Welchen Stellenwert hat für Dich der (Live-)Sound Deiner Musik?

So wie die Außendarstellung hat natürlich auch der Live-Sound einen großen Stellenwert. Aber welcher Band ist das nicht wichtig?!

Wir machen offensichtlich keine »Musiker-Mucke«. Das Ziel ist es, soundtechnisch ein kompaktes Brett zu fahren, welches sich an der CD orientiert. Daher ist uns auch die Sample-Geschichte wichtig. Stell dir einfach einen Kino/Theater-Besuch vor. Da soll man einfach für 'ne gewisse Zeit in eine andere Welt entführt werden und beeindruckt rausgehen. Da kommt es dann nicht darauf an, die Holzart meiner Gitarre herauszuhören.

Welche Konzerte (von Dir oder anderen) sind Dir für einen guten Sound in Erinnerung geblieben?)

Soundtechnisch beeindruckt hat uns z.B. der Gig auf dem Summerbreeze Open Air. Druckvoller Sound, tolle Kulisse und eine extrem professionelle Umgebung.

Privat haben mich Papa Roach und Biffy Clyro im Schlachthof Wiesbaden maßgeblich beeindruckt. The Intersphere sind live auch immer eine Bank.

Wie berücksichtigt Ihr beim Songwriting bzw. bei der Produktion von Songs/Alben die Live-Umsetzung?

Hat beim Songwriting keinen Einfluss. Das würde nur die Kreativität ausbremsen.

Da wir mit dem Sample-Player arbeiten, können wir alle wichtigen Elemente des Albums wie Keyboards, Samples etc. live und ohne Stress verfügbar machen. Das hebt das Qualitätslevel schon massiv. Wir sind sogar so weit gegangen, unsere Kempers via Sample-Player zu steuern, was uns auf der Bühne eine neue Freiheit gegeben hat. Das wird von der Musiker-Polizei gerne als Beschiss oder »nicht real« gewertet. Das tangiert uns aber nicht wirklich. Man kann es ja nicht jedem recht machen.

Welche Erfahrungen haben dazu geführt, dass Ihr etwas an Eurer Herangehensweise an die Musik bzw. Euren Sound geändert habt?

Auch wenn ich es schon in den vorangegangenen Antworten beschrieben habe: Die Entscheidung direkt ins Pult zu gehen, resultierte aus der Frustration, 120W-Amps + Boxen + Pedalboards zu schleppen und auch zu transportieren, um dann vom Techniker verklickert zu bekommen, dass der Master bitte nicht über 0,5 gehen soll. Das ist für beide Seiten, verständlicherweise, frustrierend.

Ich habe unsere erste EP selbst gemischt und weiß, wie frustrierend es auf der »anderen Seite« sein kann.

Nachteilig finde ich etwa, dass die erste Reihe, gerade in kleineren Clubs, eine tote Bühne zu hören bekommt. Ich glaub, die Wahrheit liegt in der Mitte, dass man vielleicht leise eine Gitarrenbox mitlaufen lässt, um für die Frontrow etwas mehr Sound zu bieten. Ab größeren Clubs/Festivals ist das aber eigentlich kein Thema mehr.

Wie wichtig ist für Dich der Sound auf der Bühne?

Uns allen ist der Sound wichtig und wir würden lügen, wenn wir nicht alle gerne einen druckvollen & klaren Hifi-Sound auf der Bühne hätten. Aber wir wissen auch, dass das im Moment mit Wedges mehr als Wunschdenken ist. Wir haben bewusst gelernt, Kompromisse einzugehen, um jede Show zu spielen. Schön ist es nicht, aber wir haben schon oft genug blind gespielt, weil z.B. irgend ein Hochtöner vom Wedge abgeraucht ist. In der größten Not wird sich an der Snare orientiert. Die kann immer laut.

Aber Spaß beiseite. Wir haben es auch nie als Luxus genossen, einen externen Monitormischer nutzen zu können. Irgendwie hat das gefühlt nie einen Vorteil gebracht.

Der nächste Step wird für uns sein, komplett auf ein Behringer X32 Rack umzusteigen und uns via Tablet unseren eigenen Monitorsound zu mischen. Wir haben bei unserer letzten Session ein grobes Wedge- und In-Ear-Profil für das X32 erstellt, so dass wir live im Idealfall nur noch minimale Korrekturen machen müssen, zur Not aber nur mit einem 5-Minuten-Linecheck starten können. Das ist im Moment noch nicht 100 % spruchreif, aber der Weg wird dahin gehen, um einfach noch schneller/stressfreier eine Show spielen zu können.

Was möchtest Du noch gerne zu der Thematik sagen?

Tech-Rider erstellt niemand zum Spaß. ;-) Tech-Rider lesen und zur Not mal kurz per E-Mail Rücksprache halten, würde live viel Stress ersparen. Wie oft sind die Kanäle nicht richtig gesteckt, der Rider ignoriert usw.

Und ein Rat an die Bands ... Ego des Einzelnen zurückschrauben = besserer Gig.

Wann bzw. warum habt Ihr Euch entschieden, mit einem eigenen Livemischer zusammenzuarbeiten?

Meine erste Erfahrung mit einem Livemischer war der von mir hochgeschätzte Dennis Metz.

Mit meiner alten Band VP-1 ist man sich öfters über den Weg gelaufen und hat sich prächtig verstanden. So hat eines zum anderen geführt und Dennis wurde unser fester Mischer.

Die Erfahrung, live sorgenfrei auf die Bühne gehen zu können, einen Brettsound abzuliefern, wollten wir fortan nicht mehr missen. Ich konnte mich immer live komplett gehen lassen, da ich wusste, dass Dennis es schon richtet. Deshalb war es bei jeder Band fortan das Ziel, einen festen Mischer am Start zu haben.

Next Level wäre es, einen eigenen Lichtmischer in der Band zu haben.

Welches Verhältnis besteht zwischen Euch und Eurem Mischer? Was bedeutet das im Detail?

Von einem sechsten Bandmitglied zu sprechen ist übertrieben, da Steffen kein Einfluss auf Band-Entscheidungen, Songwriting, etc. hat. Wir sehen ihn aber als wichtiges Mitglied der Bandfamilie. Wir sind ein großes Team, das an einem Strang zieht und alle Facetten gemeinsam durchlebt.

Ich bin mir auch sicher, dass »Teil von Etwas sein« wesentlich mehr zählt als Geld verdienen. Die Wertschätzung darf aber auch nicht auf der Strecke bleiben.

Es gibt nichts Besseres, als als Team zu wachsen. Genau wie man seine Skills am Instrument verbessert, bringt einen die wachsende Erfahrung eines Livemischers als Band nach vorne. Band bedeutet viel mehr als nur eine Handvoll Musiker. Leidenschaft kann man auch abseits eines Instruments einbringen. Bands & Mischer ... sucht und findet Euch & rockt gemeinsam die Bühnen.

Johannes Komarek​

von mix4munich.de​​

Was macht für Dich einen guten Livemischer aus?

Da sind eine Menge verschiedener Sachen, die bei einem guten Tontechniker zusammenkommen müssen, aber am wichtigsten sind nach meinem Dafürhalten die folgenden Eigenschaften:

  • ruhig bleiben, auch wenn es heiß wird oder die Zeit drängt

  • Ruhe ausstrahlen – das ist explizit der Grund, warum mich einige meiner Klienten wieder und wieder buchen, das haben die mir wiederholt so gesagt

  • ein Gespür für die Musik haben, die man mischt

  • zuhören und passend reagieren können

  • Mitarbeitern klare Anweisungen geben können

  • einen guten Monitorsound erstellen können

Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten oder Eigenschaften sollte ein Livemischer für Dich besitzen?

Neben dem vorhin schon Gesagten ist ein freundliches, umgängliches Wesen von Vorteil. Ich will sehen, dass ein Tontechniker seine Arbeit mit Hingabe angeht – es geht letztlich um Musik, um das Transportieren von Emotionen. Der Tech sollte den technischen Part so gut auf der Reihe haben, dass man sich um die Stimmungen in der Musik kümmern kann. Ich hoffe, das klingt nun nicht zu esoterisch.

Was sollte er nicht tun?

Nachlässig sein, uninteressiert, demotiviert oder demotivierend, streitsüchtig sein. Das funktioniert auch sonst nirgends, warum also bei einem Tontechniker?

Was nervt Dich manchmal an Tontechnikern?

Technikverliebtheit. Ein guter Tontechniker erledigt den Job, ohne sich allzu sehr in die Technik zu versteigen. Wenn der Tech an irgendwelchen Parametern in den Tiefen der Pultsoftware herumkonfiguriert, dabei aber übersieht, dass die Band ihm seit drei Minuten Zeichen zu geben versucht, dann steigt schon mal mein Blutdruck.

Wie kommunizierst Du mit dem Künstlerdem Veranstalter?

Die Kommunikation vor dem Gig läuft ganz unterschiedlich, hängt aber größtenteils vom Künstler ab. Zwei Extrembeispiele: Nächsten Freitag mische ich eine Band, die jedes Jahr einen Gig spielt und es sich dabei so richtig gut gehen lassen will. Location und Band sind seit Jahren identisch. Die beiden Fragen dieses Mal waren:

  1. Wann können wir in den Saal?

  2. Habt Ihr dieses Mal musikalische Gäste dabei?

Mehr braucht es nicht, damit der Laden läuft.

Gegenbeispiel: Ende April mischen wir die Nacht der Spirituellen Lieder in München – die Location ist das zweitgrößte Tonnengewölbe Europas, wunderschön, aber mit einer verheerenden Akustik. Es treten immer drei Künstler an, von denen zwei gleich sind, einer variiert. Aber auch die Frage, ob ein Chor dabei ist oder nicht, ob dieser abgenommen wird oder sogar ein paar Solomikros braucht, kann variieren. Die Begleitmusiker bzw. ihre Anforderungen können sich von Jahr zu Jahr ändern. Dazu kommt, dass unsere Auftraggeber vollkommen auf der musikalisch-spirituellen Welle unterwegs sind, technische Anforderungen interessieren die nicht, das ist nicht deren Realität. Da müssen wir also immer ein mehrstündiges Planungsmeeting aufsetzen und kommen dort mit einem riesigen Fragenkatalog an, der auch noch von Jahr zu Jahr größer wird.

Und zwischen diesen Extremen gibt es eigentlich alles.

Für die Zeit während des Konzertes mache ich mit meinen Künstlern eine Art Zeichensprache aus: Der Künstler deutet auf seinen Monitor, dann auf einen anderen Musiker und zeigt mir dann mit nach oben gestrecktem Daumen, dass er von diesem Signal mehr auf seinem Monitor haben will. Leiser würde bedeuten, wenn er mit den Handflächen leicht nach unten drückt – denn Daumen runter kommt vor Publikum nicht gut. »Pegel okay« dann wie bei den Tauchern, Daumen und Zeigefinger formen ein O, die anderen Finger sind lang gestreckt. Das funktioniert gut. Wenn bei einer größeren VA was schiefgeht, kann ich dann immer einen Assistenten zur Bühne schicken, der sich um die Sache kümmert. Allerdings sind meine Leute so auf Zack, dass sie die Zeichen des Künstlers manchmal noch vor mir selbst bemerken. Ich arbeite am liebsten immer mit denselben Leuten zusammen, das läuft einfach von Mal zu Mal besser.

Wie wirst Du als Livemischer in Soundfragen eingebunden?

Wie gesagt, es gibt diese Gigs mit Vorbesprechung oder sogar Ortsbegehung, aber das ist die Minderheit.

Üblicherweise gibt es einen Technical Rider, Bühnen- und Kanalplan o.ä.

Dass man beim Soundcheck letzte Details klärt, finde ich ganz normal. Man kann sich über Sounds und Musik den Mund fusselig reden, aber erst, wenn man die Musik hört, werden die Dinge wirklich klar.

Bei meinen meisten Klienten habe ich vollkommene Freiheit in der Soundgestaltung. Aber das heisst nicht, dass ich machen kann, was ich will, sondern ich habe gefälligst das zu tun, was die Musik einfordert. Mische ich eine Tribute-, Cover- oder Partyband, versuche ich mich so nah wie möglich am Original zu halten. Bei einer Band mit eigener Mucke ebenso. Bei akustischer und spiritueller Musik gibt es oft keine definitive Vorlage, es soll alles klar und deutlich, kräftig und durchsichtig klingen. Die Message der Musik soll transportiert werden und die Künstler und Zuhörer müssen sich wohlfühlen können. Die Arbeit des Tontechnikers sollte transparent sein, als ob ich nicht da wäre.

Welche Erfahrungen oder Gespräche mit anderen Livetontechnikern oder Musikern haben dazu geführt, dass Du etwas an Deiner Herangehensweise an die Musik bzw. Deinen Sound geändert hast?

Jedes Jahr im Mai betreue ich ein kleines Festival mit sog. Forro-Musik (https://www.muniquedancaforro.de/events.html). Das ist ein südamerikanischer Musikstil, der in München viele Freunde hat, diese Musik liegt irgendwo in dem weiten Feld zwischen Samba und Lambada, kommt teilweise aber auch mit einem volkstümlichen Einschlag daher. Letztes Jahr hatte eine der Bands ihren eigenen Tontechniker dabei, und von dem habe ich übernommen, dass es ruhig mal eine Kelle Schmutz im Mix sein darf – es muss nicht alles so clean klingen, auch bei fast rein akustischer Musik.

Von einem Studiokollegen habe ich Parallelkompression gelernt – bzw. eigentlich nicht gelernt, sondern eher gesehen, wie leicht das mit einem Digitalpult anzuwenden ist. Das passt natürlich nicht zu jeder Musik, aber wenn es schieben und drücken soll wie die Seuche und wenn Feedback kein Thema ist, dann kann man das für Schlagzeug, Bass und Gitarren anwenden.

Wie hat sich die Art meiner Mikrofonierung geändert? Nun, ich versuche, die bestmöglichen Mikrofone einzusetzen, die ich mir leisten kann, denn was Du an der Quelle nicht einfängst, holst Du nie wieder rein. Für meine Zwecke sind das meistens die Mikros aus Sennheisers e900-Serie, aber auch immer gerne Shure Beta und manch andere mehr. Da ich in den letzten Jahren zunehmend akustische und spirituelle Musik mische, versuche ich, die Instrumente immer ganz abzunehmen, soll heissen, ich gehe mit dem Mikro so weit weg von der Quelle wie möglich – nur dann kann man auch mit einem gerichtet arbeitenden Mikro einen großen Anteil des Gesamtsounds einfangen. Das dann mit einem passenden Monitoring in ausreichender Lautstärke auszubalancieren ist eine Wissenschaft, an der ich wohl in den nächsten Jahren und Jahrzehnten intensiv arbeiten werde.

Was hast Du im Laufe Deiner Karriere über Livetontechnik gelernt?

Zuviel für so ein Interview. Aber genug, um auf die alten Philosophen zu stoßen: »Scio nescio«. (»Ich weiß, dass ich nichts weiß.«) Jede neue Antwort wirft neue Fragen auf. Und immer, wenn Du denkst, daß Du nun eine umfassende Antwort auf einen großen Bereich der Tontechnik gefunden hast, kannst Du Dich entspannen, denn Du liegst garantiert verkehrt. Oder sagen wir besser »eingeschränkt richtig«. Ein Beispiel: Du meinst, Du hast den ultimativen Bassdrumsound gefunden? Super, kann sein, dass dieser für Rock und Hardrock funktioniert. Kannst Du Dir für Classic Soul aber getrost in die Haare schmieren, denn dort ist die Klangästhetik eine vollkommen andere. Und umgekehrt. Solche Beispiele gibt es beliebig viele.

Kleine Bühnen? Dynamische Mikros gegen Übersprechen!

Große Bühnen? Längere Kabel, mehr Monitore, mehr Kondensatormikros wegen besserer Dämpfung gegen Übersprechen.

Was interessiert Dich besonders an der Thematik Live-Tontechnik?

Nun, der Großteil der Technik ist so weit durchoptimiert, da geht nichts mehr – Endstufen, Pulte, Regelverstärker, you name it. Weiterentwicklungen gibt es es nur noch im Bereich der Wandler, also Mikros und Lautsprecher. Shure und Sennheiser sind da alle paar Jahre für etwas Neues gut. Im Bereich der Lautsprecheranlagen kommen gerichtete Bässe oder Beamsteering in absehbarer Zeit in den bezahlbaren Bereich, so dass diese Techniken sich auch im Amateurbereich verbreiten können. Hurra, endlich weniger Gewummer für alle!

Welche Aspekte des Livesounds werden von Musikern oder Livemischern häufig falsch eingeschätzt?

Ganz klar, die Raumakustik. Die meisten ignorieren das einfach. Aber nur, wenn man diese einigermaßen im Griff hat, kann die ganze Sache zum Klingen gebracht werden.

Hast Du irgendwelche speziellen »Signature«-Techniken entwickelt, die Du häufig benutzt?

Yep, zum Beispiel das hier:

Jede Stimme hat (meiner Meinung nach) zwei Frequenzen, bei denen man sie im Mix nach vorne holen kann. Diese Frequenzen variieren von Stimme zu Stimme, sind ggf. auch tagesformabhängig. Daher: Suchen! Die eine Frequenz befindet sich im Grundtonbereich und ist für Druck bzw. Fülle zuständig. Bei Männern ungefähr bei 200 oder 300 Hz, bei Frauen rund eine Oktave oder etwas mehr darüber, ca. 400 bis 800 Hz.

Die andere Frequenz liegt im Bereich der Präsenzen, rund 6 bis 8 kHz, und sorgt für bessere Textverständlichkeit. Falls es nix anderes gibt, kann man einfach den Höhenregler ein Stück aufdrehen, denn auch wenn der seine stärkste Wirkung z.B. bei 10 kHz entfaltet, wird er auch Wirkung bei den genannten Frequenzen haben.

Ich plädiere im Normalfall für sehr dezente Anhebungen, 2, nicht mehr als 3 dB, damit die Natürlichkeit der Stimme erhalten bleibt.

Jetzt kann es sein, dass trotz obiger Maßnahmen die Stimme alleine fett klingt, aber im Zusammenhang wieder dünn. Dann gibt es andere Instrumente, welche den Grundtonbereich der Stimme zukleistern. Gitarre, Bass, Keyboards oder andere Naturinstrumente wären da die üblichen Verdächtigen. Man kann nun probieren, die Grundtonfrequenz der Gesangsstimme bei diesen Instrumenten dezent abzusenken, und da reichen 1 bis 2 dB pro Instrument, diese sollen nicht wirklich ihren Klangcharakter verändern. Wenn man das beim richtigen Instrument gemacht hat, klingt die Stimme plötzlich größer, mächtiger. Einfach, weil sie nun mehr Platz im Mix einnehmen kann.

Ich nenne das »Die Stimmen freistellen«. Es funktioniert wirklich überraschend gut.

Wie viel Bedeutung misst Du dem Sound auf der Bühne bei?

Ich bin ja auch selber Musiker und weiß daher, wie sich ein Gig mit gutem oder mit schlechtem Monitorsound anfühlt. Daher lege ich als Tech allerhöchsten Wert auf einen guten Monitorsound. Je besser der Monitorsound, desto besser können die Musiker performen.

Wenn ich es in der Hand habe, stellen die Musiker ihre Backline so auf, dass sie seitlich über die Bühne pustet, und das in einer vernünftigen Lautstärke. Erstens haben sie dann mehr davon, und zweitens wird der Saalmix weniger durch die Backline beeinflusst.

Die Akustik auf der Bühne beeinflussen: Wenn möglich, mit Molton am hinteren Bühnenrand arbeiten. Das verbessert den Raumsound auf der Bühne meist soweit, dass man damit arbeiten kann. Richtiges Ausrichten und Pegeln von Backline, Mikros und Monitoring, das macht es angenehmer für Band und Publikum.

Wie gehst Du üblicherweise an einen Mix heran?

Ich baue einen Mix üblicherweise von unten nach oben oder von hinten nach vorne auf: Drums, Bass, Gitarren, Keys, Percussion und andere Spezialinstrumente, Vocals. Meine Aufmerksamkeit liegt jeweils bei dem Instrument, welches gerade im Fokus der Konzentration liegt -- beim Soundcheck also ist jedes Instrument mindestens einmal »dran«. Beim Gig also üblicherweise Vocals bzw. die anderen »Money-Channels«.

Wie beurteilst Du den Mix?

Den Gesamtmix durch Zuhören. Ich mische nur sehr wenig mit Kopfhörer, nur wenn ich bei laufender Show nach einem Störgeräusch suche. Ansonsten bin ich wie ein kritischer Konzertgänger.

Fährst Du die Lautstärke von einzelnen Instrumenten während der Show?

Ja, ich nenne das aktiv mitmischen. Ich glaube nicht mehr an »Grundsound einstellen und gut«. Bei einem Song brauchst Du mehr Backing-Vocals, bei einem anderen ist es das Gegenteil, mal brauchst Du mehr Gitarren im Mix, mal mehr Keys, mal soll der Bass weit vorne klackern, drücken und schieben, mal gepflegt im Hintergrund schnurren etc.

Wie setzt Du Effekte ein?

Ich komprimiere oft und viel, aber jeweils dezent. Es sollte eigentlich ein unhörbarer Effekt sein. Beim Hall – und ich bin Jahrgang 1968 und meine musikalische Sozialisierung fand in den 80ern statt, als die Studios um den geilsten Hall wetteiferten – darf es schon mal etwas mehr sein, aber auch hier muss es zur Musik passen.

Was machst Du während der Show eigentlich genau?

Hören, reagieren, meine Assistenten um dies und das bitten. Anfragen der Veranstalter beantworten (»Noch was zu essen? Zu trinken?« »Ja, gerne!«).

Welche besonderen Aufgaben hast Du direkt vor oder direkt nach der Show?

Direkt vor der Show ist eigentlich alles bereits geregelt. Danach sammle ich meine Mikros ein, ist so ein Tick von mir, das selber machen zu wollen. Dabei Austausch von High Five mit den Musikern, die ebenfalls am Abbauen sind.

Arbeitest Du am liebsten mit Deinem eigenen Material? Welche Mindestanforderungen an die Qualität des Equipments hast Du, um »Deinen Sound« machen zu können?

Am liebsten arbeite ich mit eigenem Material, ich weiß, dass es gut ist, funktioniert und gut gepflegt ist, ein Defekt ist also nahezu zu 100 % auszuschließen. Mindestanforderung wäre so Material ab der Mittelklasse, also Shure-SM-Serie oder Sennheiser-600er-Serie. Aber wirklich lieber mein eigenes Material. Das Material ist nur so gut, wie der Benutzer sich damit auskennt, und da ich mein Equipment seit vielen Jahren nutze, kenne ich mich ganz gut damit aus.

Versuchst Du manchmal, das Equipment von Bands soundmäßig zu optimieren oder zu ersetzen?

Optimieren? Durchaus. Austauschen? Nur nach vorheriger Absprache oder im Notfall.

Inwieweit kannst Du schlechte Technik durch gutes Mischen kompensieren?

Geht, macht aber Arbeit. Daher lieber gleich ordentliche Technik.

Wie gehst Du mit Equipmentpannen um?

Da bin ich wohl ein Glückskind, meine letzte Equipmentpanne während einer laufenden Show liegt gut 20 bis 25 Jahre zurück. Ansonsten habe ich standardisiertes Material, wenn also eine Komponente ausfällt, habe ich im Wagen meist noch was Identisches liegen (z.B. Mikros) oder zumindest eine ganz ähnliche Lautsprecherbox (selbe Serie, nächstgrößerer oder kleinerer Typ), mit der man die Show zu Ende fahren kann.

Welche technischen Neuerungen haben Dir in den letzten Jahren am meisten geholfen bzw. Dich vor neue Herausforderungen gestellt?

Ganz klar, der Umstieg auf digitale Pulte. Man spart soviel Schlepperei und Verkabelungsaufwand, man hat soviel mehr Möglichkeiten. Okay, auch Einschränkungen kamen damit auf – so kann ich nicht bei Kanal X was am EQ drehen und gleichzeitig bei Kanal Y was am Kompressor ändern – aber damit kommt man klar, es ist halt eine etwas andere Arbeitsweise.

Was möchtest Du noch gerne zu der Thematik sagen?

Für mich ist die Tontechnik ja »nur« Nebenberuf, und so erlaube ich mir den Luxus, weiterhin mit einem Bein fest im (gehobenen) Amateurbereich zu bleiben. Auch betrachte ich das Thema »guter Sound« mehr als Breitensport, weniger als Spitzensport. Soll heißen, wenn z.B. MUSE im Jahr 2012 mit einem göttlichen Sound unterwegs sind und 2015 sogar noch ein wenig besser klingen, dann finde ich das weniger wichtig oder spannend als wenn ich in diesen 3 Jahren ca. 40 Tontechnikern die Basics beibringen kann und wie man die größten Fehler vermeidet – sozusagen die 20 % an Wissen, mit denen man 80 % seiner Probleme erschlägt oder zumindest hörbar abmildert.

Ich verfolge die Entwicklung der Tontechnik ja schon seit der Mitte der 80er-Jahre auch aus der praktischen Perspektive und als Konzertbesucher im Amateurbereich. Die Technik hat in dieser Zeit riesige Sprünge gemacht, der Sound des durchschnittlichen Amateurgigs hingegen hat sich kaum verbessert. An der Technik liegt es also nicht. Dagegen habe ich die Entwicklung einiger Tontechniker – ehemalige Schüler von mir – verfolgt und manche von denen überflügeln mich so langsam. Jeder Mix von denen klingt heute um Klassen besser als z.B. vor 5 oder 10 Jahren, unabhängig vom eingesetzten Material. Es geht also um Wissensvermittlung. Und um die Erfahrung, welche diese Leute mit ihrem neuen Wissen gesammelt haben.

Darum kann ich jedem angehenden Tontechniker nur raten, lest Euch in das Thema ein, sucht das Internet nach Informationsquellen und Tutorials ab – ich kann da nur immer wieder das englischsprachige Wikipedia oder YouTube empfehlen, Bücher wie dieses hier oder das Werk von Frank Pieper oder zahlreiche weitere, zieht es Euch rein! Sucht Euch einen Mentor, lasst Euch von ihm ausbilden, sucht Euch eine Band und wachst im Lauf der Zeit mit ihr.