Impressum

 

Texte:                   © Copyright by Daniela Kappel

Cover:             © Copyright by Wolkenart –

Marie-Katharina Wölk,

www.wolkenart.com

Verlag:             Daniela Kappel

Hauptstraße 25

2542 Kottingbrunn

dala.kappel@gmail.com

Korrektorat:             Roswitha Uhlirsch

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Prolog

 

Der würzige Geruch ausgewählter Hölzer und Kräuter waberte durch die alten Gemäuer. Überall im Tempel hatte man Räucherschalen über den Kohlebecken angebracht.

Neben dem Duft war da noch etwas anderes, das schwer über dem Tempel – ja, der ganzen Stadt – hing. Stille. Sie füllte die großen Hallen und langen Gänge im Tempel ebenso wie die hölzernen Hütten und verwinkelten Pflasterwege der Stadt.

Normalerweise belebte das Lachen von Kindern, geschäftiges Treiben, Gesang und Musik die Luft. Doch nun war das einzige Geräusch das Flüstern des Windes in den Baumwipfeln. Wie ein lebendiges Wesen schlängelte sich ein Lufthauch durch die Kronen, ließ Blätter rascheln und zerrte an den jungen Trieben. Mit einem leisen Seufzen löste sich der Windwirbel vom Waldrand und pfiff über die mit Stroh bedeckten Dächer der Stadt. Dabei riss er Sand und Blumensamen mit sich, die kreiselnd mit dem Luftstrom durch die Gassen fegten. Beim Tempel angelangt vollführte der Windhauch ein paar enge Spiralen um den Ostturm, ehe er zum Turmfenster hereinwehte.

Sirinas langes blondes Haar wirbelte einen Augenblick durcheinander, bevor sie den Wind versiegen ließ. Sand und kleine Blätter rieselten auf den blank polierten Steinboden. Der Luftzug war angenehm kühl auf ihren heißen, tränennassen Wangen gewesen. Rasch wischte sie sich mit dem Ärmel ihrer Trauerrobe darüber und zwang sich ein paar Mal tief durchzuatmen.

Du musst dich beruhigen! Deine Schwestern brauchen dich jetzt!, sagte sie sich selbst und drehte sich vom Fenster weg. Mit ausladenden Schritten durchquerte sie das Turmzimmer und eilte die enge Wendeltreppe hinab, wobei ihr schwarzes Kleid und der nachtblaue Umhang wie eine Fahne hinter ihr her wehten. Man wartete bereits auf sie.

Am Absatz der Treppe, leicht verborgen in einer Nische, stand Mara, den Blick aus einem der riesigen Buntglasfenster gerichtet, die den umlaufenden Gang säumten. Als Sirina sie passierte, stieß sie sich von der rauen Steinmauer ab und gesellte sich an ihre Seite.

„Ylvie und Calla erwarten uns bereits in der großen Halle“, ließ Mara ihre Schwester wissen. Diese quittierte die Information mit einem steifen Nicken. Das hatte sie vermutet. Ihre beiden jüngeren Schwestern wollten jede verbleibende Minute nutzen, um bei ihrem Vater zu sein.

Sirinas Herz fühlte sich schwer wie Blei in ihrer Brust an. Erneut wollten Tränen in ihre Augen treten, doch sie biss die Zähne fest zusammen und zwang sich selbst stark zu sein. „Bist du bereit?“, fragte sie Mara und ergriff die klammen Finger ihrer Schwester.

Mara verzog das Gesicht. „Und wenn ich es nicht wäre?“, wollte sie wissen.

Sirina schenkte ihr ein trauriges Lächeln. So unterschiedlich die vier Schwestern auch sein mochten, Mara war das Ebenbild ihrer Mutter. Mit ihren rosigen Wangen und den glänzenden haselnussbraunen Haaren erinnerte sie Sirina jeden Tag an ihre Mutter, die im Kindsbett der jüngsten Schwester verstorben war. Und nun mussten sie auch noch ihren Vater zu Grabe tragen. Den mächtigsten Mann, den die Menschheit je gesehen hatte. Den Mann, der sie alle vor dem Untergang gerettet hatte, und der jetzt mit seinem Leben für das so vieler anderer bezahlte.

„Es muss sein“, erwiderte Sirina schlicht und drückte Maras Hand. Damit waren sie auch schon vor dem riesigen Eichenportal angekommen, das in die größte Halle des Tempels führte.

Die Wachen nickten ihnen ehrerbietig zu und öffneten die reich verzierten Flügel des Tors für sie.

Sirina ließ die Hand ihrer Schwester los und schritt voran in den Saal. Massen an Menschen drängten sich in dem kathedralenartigen Raum. Es schien, als wäre die ganze Stadt hier versammelt.

Leises Gemurmel erhob sich, als Sirina und Mara rechts und links neben der Bahre Aufstellung nahmen. Es handelte sich um einen mit wunderschönen Ornamenten behauenen Steinaltar, zu allen Seiten geschmückt mit Blumen.

Ylvie und Calla hielten jede eine Hand ihres Vaters. Sie waren neben dem Sterbebett niedergekniet und hatten ihre Gesichter in den weichen Kissen, auf denen ihr Vater ruhte, vergraben. Callas Körper wurde von lautlosen Schluchzern geschüttelt, während ihre Schwester mit der freien Hand so fest das seidene Laken umklammert hielt, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.

Als sie die Anwesenheit ihrer Schwestern bemerkten, erhoben sie sich pflichtbewusst, die Blicke starr auf den Leib ihres Vaters gerichtet.

Auch Sirina sah ihn an. Sein langes Haar, das immer die Farbe von Honig gehabt hatte, lag nun schlohweiß um sein eingefallenes Gesicht aufgefächert. Tiefe Furchen zeugten von einem Alter, das seine Züge wenige Tage zuvor noch nicht preisgegeben hatten.

Obwohl Sirina, die Älteste der vier Schwestern, gerade einmal achtzehn Winter zählte und auch ihre Mutter bei deren Tod kaum doppelt so alt gewesen war, lebte ihr Vater schon so lange wie die Menschheit selbst. Warum, wusste sie nicht. Keiner wusste das. Genauso wenig, wie keiner mit Sicherheit wusste, warum nun sein Ende gekommen war.

Die Kämpfe hatten ihm viel Kraft abverlangt und doch musste es etwas anderes gewesen sein, das ihm die Lebensessenz und all seine Macht entzogen hatte.

Sirina riss ihren Blick von der leblosen Gestalt ihres Vaters und erhob die Stimme. Sofort verstummte jegliches Geflüster. Ihre Worte hallten laut und klar durch den Saal.

„Für uns alle, unsere Kinder und Kindeskinder, für das Land, auf dem wir leben, die Berge und Seen, die Flüsse und Wälder, alle Tiere …“ Sie machte eine Pause und schluckte schwer, „…  hat er gekämpft. Stets um Frieden und Eintracht bemüht war er gerecht und herrschte mit einer starken Hand. Jene, die ihm die Stirn boten, die unersättlich und unbeugsam waren, die mit ihren Taten uns alle und die Natur in Gefahr gebracht haben, wurden gerichtet. Sie haben ihre Strafe erhalten und wurden verbannt.“

Ein Raunen ging durch die Menge.

Bei der Erinnerung daran, wie ihr Vater den zig Männern und Frauen ihre Kräfte entzogen hatte, wie sie gebeugt und machtlos verjagt worden waren, lief Sirina ein eiskalter Schauer über den Rücken.

„Sein Opfer verpflichtet uns, ihn für ewig zu ehren und sein Andenken zu erhalten. Als seine Töchter übernehmen wir die Führung des Tempels und all seiner Anhänger.“

Erst jetzt erlaubte Sirina sich, ihren Vater wieder zu betrachten. Er war ein stattlicher Mann gewesen und doch sah sein Körper nun dürr und schwach aus.

Sie trat an Callas Seite und legte ihrer jüngsten Schwester, die gut einen Kopf kleiner war und ihr dunkles Haar zu einem langen Zopf geflochten hatte, die Hand auf die Schulter. Calla richtete ihre großen tiefblauen Augen auf Sirina und nickte kaum merklich.

Einen Wimpernschlag später setzte ein steter, anschwellender Takt ein. Durch das hohe, offene Fenster, vor dem der Altar aufgebaut war, konnte man beobachten, wie der Himmel seine Schleusen öffnete und Regen sich wie eine graue Decke über das Tal legte.

Sirina drückte auffordernd die Schulter ihrer Schwester und Callas Stimme erhob sich laut über das Prasseln des Regens.

„Die Macht so alt wie selbst das Leben, im ew’gen Streit für Heil und Fried, bezwungen törichtes Bestreben, geopfert schließlich gar zum Sieg.“

Das Blut rauschte laut in Sirinas Ohren und die feinen Härchen auf ihren Armen hatten sich kerzengerade aufgerichtet. Sie konnte die Macht der Worte spüren, wie sie durch ihre Adern pulste und die Luft um sie herum auflud.

Ylvie trat einen Schritt an den Altar heran und hob ihre Hände. Die zarten Blumenarrangements, die den Altar umringten, erzitterten unter ihrer Kraft. Langsam rankten sich die Triebe der Mittagsblumen das Holz der Bahre hinauf und kletterten unaufhaltsam weiter, bis sie sich um die dünnen Glieder ihres Vaters wanden.

Als Ylvie die Arme schließlich sinken ließ, war sein Körper von den Blättern und Blütenköpfchen umrahmt.

„Aus der Trauer unumwunden neue Hoffnung sprießen wird, nur der wahren Sehnsucht folgend zur Bestimmung hingeführt“, sagte sie mit fester Stimme. Beim Klang der Worte hatten sich, einem diffusen Muster folgend, alle Blüten geöffnet und zeigten sich nun in ihrer ganzen Pracht. Als strahlten sie ein warmes Licht aus, umgab den Altar ein schimmernder Schein. Er spiegelte sich in Maras glänzenden Augen, als sie neben Ylvie trat und ihre zitternde Hand auf die unbedeckte Brust ihres Vaters legte.

Sirina war klar, dass Mara die schwerste Bürde zu tragen hatte. Doch sie kannte ihre Schwester und wusste, dass sie es schaffen würde. Ohne weiter zu zögern, begann Mara zu sprechen. Ihre Stimme trug die Worte bis in die letzten Winkel der Halle.

„Steter Tropfen höhlt den Stein und die Luft, sie flamme lodernd, mag entspringen hell und rein, gar der Menschen Inne fordernd.“

Während sie sprach, begann der Körper unter ihrer Hand zu glühen. Es breitete sich rasch aus, erfasste seinen ganzen Leib und die Blumenranken, die ihn umgaben. Die Glut verzehrte alles und hinterließ bloß graue Asche, die langsam in sich zusammensank. Bevor die Konturen ihres Vaters vollends verblassen konnten, wurden sie von einem Windstoß erfasst. Im Bruchteil einer Sekunde erhob sich ein gewaltiger Sturm um den Tempel, peitschte Wind und Regen auf den Altar. Über das Tosen und Heulen hinweg schrie Sirina die letzten Worte und die Macht, die sie damit entfesselte, dröhnte von den Wänden der Halle wider.

„Einst der Erben aller Gaben in den Schoß zurückgefunden, brenne, fließe, ströme, wachse, tat die Liebe Kraft entbunden.“

Kaum hatte sie den Mund wieder geschlossen, war der Spuk vorbei. Wind und Regen hatten die Asche ihres Vaters mit sich gerissen. Nur wenige Tropfen auf der steinernen Bahre und den Bodenfliesen zeugten noch davon. Auch der Sturm vor den Mauern des Tempels war vorüber.

Er war nun dort draußen. Die Prophezeiung ward gesprochen.


Kapitel 1


Daria stützte ihren Kopf auf die Hände und starrte durch das winzige Fenster hinaus auf die Landschaft. Von hier aus konnte sie das Bürogebäude, in dem Alarik arbeitete, … gearbeitet hatte, verbesserte sie sich in Gedanken, nicht sehen.

Es musste irgendwo rechts von ihr auf dem hügeligen Bergausläufer liegen. Der Bergkamm auf der anderen Seite des massiven Staudamms hingegen war steil, klüftig und von dicht stehenden Bäumen überzogen. Unter ihr zog sich ein schmales, glänzendes Wasserband durch das dunkle, von vereinzelten Bäumchen und Büschen bewachsene Flussbett.

Das Kraftwerk mit dem Generatorenkomplex war modern gestaltet, wirkte kalt und abweisend. Obwohl bereits der Morgen dämmerte, wurde es durch unzählige Strahler beleuchtet.

Wie ein Hochsicherheitsgefängnis, dachte Daria bitter. Auch wenn sie froh war, in Sicherheit zu sein, verstärkte sich bei diesem Anblick das beklemmende Gefühl in ihr, eingesperrt zu sein.

Die Geschehnisse der letzten Stunden waren gleichsam schrecklich und unglaublich gewesen. Der grausame Mord an Alarik. Maria, die Vincent in ihrer Gewalt hatte und ihn und Daria, ohne mit der Wimper zu zucken, umgebracht hätte, wäre Raffael ihnen nicht zu Hilfe gekommen. Wie er sich jetzt fühlen musste, konnte Daria nicht im Mindesten erahnen. Dann das Auftauchen ihrer Mutter und Liams unfassbare Nachricht. Das … es war der Grund, warum sie nun hier waren.

Sophia hatte sich in Windeseile von dem Schock der Situation erholt und Hunderte Hebel in Bewegung gesetzt. Sie waren nur Minuten später von einem dunklen Wagen abgeholt und über einen versteckten Zugang ins Innere der Staumauer gebracht worden.

Wie sich herausgestellt hatte, befand sich darin ein geheimer Bunker der Garde. Wer diese Garde genau war, wollte ihr bisher keiner so richtig erklären. Es hieß nur, dass es von höchster Wichtigkeit war, sie und alle, die mit ihr zu tun hatten, in Sicherheit zu bringen. So waren sie auch alle mit Daria hier untergebracht worden. Raffael, Liam, ihre Eltern, Sophia, Silvia und Vincent. Auch Alariks Leichnam hatte man hergebracht, ebenso die versteinerten Überreste von Maria. Soweit Daria wusste, würden auch ihre Freunde und wer weiß noch mit ihr hier untergebracht werden.

Jedenfalls waren, seit sie ihre Stellung an der versteckten Aussichtsluke eingenommen hatte, immer wieder Fahrzeuge über die sanften Hügel hinaufgerollt. Dunkle Limousinen, Transporter und sogar ein richtig großer Sattelschlepper waren dabei gewesen. Wen oder was sie herangeschafft hatten, ehe sie wieder davongebraust waren, konnte Daria nicht sagen. Erst vor wenigen Minuten, als die Sonne über dem Staudamm aufgegangen war, hatte das Kommen und Gehen allmählich aufgehört.

Nun lag das Tal friedlich und still im Morgenlicht, einzig erfüllt vom leisen Plätschern des Wassers und dem sanften Summen des Generators.

Daria starrte weiter aus dem Fenster, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Sie fühlte sich wie betäubt. Unfähig einen klaren Gedanken zu fassen oder sich ernsthaft mit der Situation auseinanderzusetzen. Wäre da nicht das angenehm warme Gefühl in ihrem Unterleib, würde sie sogar Liams Worte in Zweifel ziehen, einfach weil es ihr zu absurd erschien. Sie und Mutter? Die Wiederkehr des Elementaren? Unwillkürlich schüttelte sie bei dieser Vorstellung den Kopf.

Es war so unwirklich. Ebenso wie die Tatsache, dass sich irgendwo in diesen Gemäuern ihre Mutter befand. Ein Teil von Daria war furchtbar aufgeregt und konnte kaum glauben, dass ihre Mutter nun endlich, nach so vielen Jahren, wieder an ihrer Seite sein würde. Ein anderer Teil machte sich Sorgen, wie es ihrem Vater dabei gehen mochte. Und vor allem hatte sie Angst, dass Sophia und die Anhänger der Garde ihrer Mutter nicht glauben würden. Was würden sie wohl mit ihr anstellen?

Angespannt umklammerte sie die kalte Betonkante an der Aussichtsluke. Beim Gedanken an die Zukunft und die Bedrohung durch die Auserwählten wurde ihr abwechselnd heiß und kalt.

Hinter Daria öffnete sich die Tür und Ben kam gefolgt von Liam und einem hochgewachsenen Paar herein. Unverkennbar Bens Eltern. Die Frau war nur unwesentlich kleiner als ihr Mann und trug ihr helles, glattes Haar zu einem strengen Zopf gebunden. Sie sah ernst, aber freundlich aus. Der Mann war eine ältere Ausgabe von Ben. Groß, breit, muskulös, mit kurzem Haar und wachsamen Augen.

„Daria, ich weiß nicht, was ich sagen soll, außer: Ich bin so unglaublich froh, dass es euch gut geht!“, sagte Ben mit rauer Stimme und nahm sie kurz in seine Arme.

Bens Vater räusperte sich, was Ben dazu veranlasste, sich gerade hinzustellen und seine Aufmerksamkeit auf ihn zu richten.

„Daria, mein Name ist Philipp und das ist meine Frau Margerite. Wir sind Mitglieder der Garde und hier, um unsere heilige Pflicht zu erfüllen. Euer Schutz ist unsere oberste Priorität“, verlautbarte Bens Vater förmlich und deutete eine steife Verbeugung an.

Bens Mutter begnügte sich damit, kurz Darias Hand zu drücken, bevor beide sich entschuldigten und den Raum verließen.

Daria sah perplex Ben an. Dieser wirkte ebenso verwirrt wie sie. Er hob abwehrend die Hände.

„Ich weiß, es ist mehr als gruselig. Ich erkenne die beiden nicht wieder. Gestern noch hat meine Mutter Marmelade eingekocht und mein Vater das Gartenhaus neu gestrichen, und heute stellt sich heraus, dass sie Mitglieder irgendeiner uralten Geheimorganisation sind. Ich dachte, ich kenne meine Eltern, aber da habe ich mich wohl getäuscht. Als Sophia vorhin bei uns angerufen hat, haben sie so eine abartige Actionfilm-Flucht-Nummer abgezogen. Ich wusste gar nicht, wie mir geschieht, da hatten sie mich auch schon aus dem Bett gezerrt, mir einen Rucksack in die Hände gedrückt und in wenigen Worten erklärt, dass die Prophezeiung sich nun endlich erfülle und wir unseren Dienst im Namen dieser Garde anzutreten hätten. Ganz schön verrückt das Ganze“, murmelte er und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Als wir hier angekommen sind, hat Liam mir erzählt, dass du und Vincent von Maria angegriffen wurdet. Was ist da bloß passiert? Ich meine, warum hat sie das getan? Und Raffael hat euch geholfen? Hat er wirklich seine eigene Schwester umgebracht? Ich fasse das alles gerade nicht.“ Ben stockte und rieb sich die breite Stirn. Durchdringend musterte er Daria.

Sie konnte nichts erwidern. Wie sollte sie ihm das nur alles erklären? Als sie weiterhin schwieg, sah er zu Liam.

Dieser lehnte neben der Tür an der Wand und hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben. Auch er sah Daria eindringlich an. „Kannst du es spüren?“, fragte er leise.

Daria nickte stockend.

Ben öffnete eben den Mund, vermutlich, um noch eine Trillion mehr Fragen zu stellen, da ging erneut die Tür auf und die Zwillinge stürmten ins Zimmer.

Lea ließ einen Wutschrei los und knallte die Tür so fest zu, dass Liam einen Satz nach vorne machte.

„Hey, was ist denn los?“, wollte Ben wissen.

Lea biss hart die Zähne zusammen, sodass ihre Kieferknochen spitz aus ihrem grimmigen Gesicht hervorragten.

„Es ist wegen unserer Mutter“, antwortete Leo an ihrer statt. Er legte seiner Schwester eine Hand auf die Schulter, doch sie war zu aufgebracht, um diese Geste der Beschwichtigung annehmen zu können.

Stattdessen schüttelte sie ihn ab und tigerte in dem kleinen Raum auf und ab. Mit gepresster Stimme begann sie zu erzählen: „Sie hat uns all die Jahre belogen. Unser Vater ist gar nicht bei einem Autounfall gestorben, sondern wurde offenbar von Anhängern einer radikalen Gruppe getötet. Er, Izzys Vater und die Eltern von Ben waren für irgendeine Garde unterwegs und wurden angegriffen. Unser und Izzys Vater haben es nicht heil herausgeschafft. Ich habe ja keine Ahnung, was Izzys Mutter ihr über den Tod ihres Vaters erzählt hat, aber so wie es aussieht, sind unsere Eltern alle elende Lügner.“ Lea schnaubte ein paar Mal, verzweifelt bemüht, ihre Wut und Kränkung in den Griff zu bekommen.

Ihr Bruder wirkte ebenso erschüttert. Von seiner üblichen Lässigkeit war nichts zu spüren, während er mit rauer Stimme weitererzählte: „Mitten in der Nacht hat bei uns das Telefon geklingelt. Mama ist völlig ausgerastet. Wie eine Furie hat sie in das Telefon gebrüllt.“ Er schüttelte seinen Kopf.

Lea ergriff wieder das Wort: „Sie hat uns von diesem Geheimbund, der Garde, erzählt, und dass unser Vater dumm und von ihren Idealen geblendet gewesen sei. Sie wollte mit uns irgendwohin abhauen. Doch dann sind zwei Typen der Garde bei uns aufgetaucht und haben uns aufgefordert, mit ihnen mitzukommen. Sie haben hitzig miteinander diskutiert. Ehrlich gesagt habe ich das Wenigste davon verstanden, aber schließlich hat sie widerwillig eingelenkt und wir wurden hergebracht.“ Leas Stimme war immer leiser geworden. Tränen glitzerten in ihren Augen. Sie machte einen unbeholfenen Schritt auf ihren Bruder zu, der sie fest in die Arme nahm.

Erst jetzt fiel Darias Blick auf die Tür hinter den beiden. Izzy stand dort mit bleichem Gesicht. Ihre Finger krallte sie links und rechts in den Türrahmen. Als sich ihre Blicke trafen, schluckte Izzy schwer und kam mit schnellen Schritten auf Daria zu. Ohne zu zögern, umarmte sie Daria fest und schluchzte kaum hörbar in ihre Halsbeuge.

„Mach das nie, nie, nie wieder, hörst du! Ich weiß nicht, wie oft ich dir das noch sagen soll! Keine Alleingänge mehr!“, meinte Izzy mit bebender Stimme. Sie drückte Daria auf Armeslänge von sich und musterte sie aufmerksam.

„Wie geht es dir?“, wollte sie dann wissen. Eine tiefe Furche bildete sich zwischen ihren Augenbrauen und unterstrich die Besorgnis in ihrer Stimme.

„Ich weiß es nicht“, erwiderte Daria ehrlich.

Izzy drückte sie noch einmal fest an sich, ehe sie von ihr abließ. „Einer dieser Garde-Typen hat uns hergebracht. Er hat kaum etwas durchsickern lassen, nur in wenigen Worten von Marias Angriff berichtet, sonst nichts. Ich verstehe nicht mal ansatzweise, was hier abgeht. Wo sind Vinc und Raffael?“, fragte Izzy schließlich und sank neben Ben auf die schmale Pritsche.

Daria zuckte hilflos mit den Schultern. „Sophia meinte, dass Vincent erst mal versorgt und dann von der Garde befragt wird, ebenso wie Raffael“, antwortete Daria und fügte im Gedanken: und meine Mutter hinzu. Sie sah dabei in die angespannten Gesichter ihrer Freunde.

Daria wurde nach und nach bewusst, dass nun alles, was sie so lange verborgen gehalten hatte, ans Licht kommen würde. Sie konnte und musste endlich all die Geheimnisse mit ihren Freunden teilen. Auch wenn sie selbst nicht wirklich viel über die Auserwählten und noch weniger über die Garde wusste, war sie es Izzy und den anderen schuldig, endlich die Karten auf den Tisch zu legen.

„Ich weiß, wer mich während der Entführung verletzt hat“, stieß Daria hervor. Ihre Freunde starrten sie aus großen Augen an.

„Ich wusste es schon damals, aber ich konnte es niemandem sagen.“ Erfüllt von dem schlechten Gewissen, das sie seit dem Wiedersehen mit ihrer Mutter an jenem schicksalhaften Tag stets begleitet hatte, blickte sie einem nach dem anderen ins Gesicht. Ihr schlugen Unglaube und Überraschung entgegen.

Unsicher setzte sie an: „Als ich noch klein war, wurden meine Eltern und ich von einer Gruppe von Radikalen angegriffen.“ Bewusst benutzte Daria Leas Worte, um an den wenigen Informationen, die sie von ihrer Mutter erhalten hatte, anzuknüpfen. „Es war dieselbe Gruppierung, die mich letztes Jahr entführt hat, und auch Maria und Raffael gehörten zu ihnen. Sie nennen sich die Auserwählten. Es war Marias Mutter, die in dieser Nacht umgekommen ist. Deshalb wollte sie sich an mir rächen.“ Beim Gedanken an all die Tode, die sie auf die eine oder andere Weise verschuldet hatte, drehte sich Daria der Magen um. Alle atmeten hörbar ein und Izzy wurde kreidebleich.

„Okay, das erklärt, was Maria getan hat, aber was wollten diese Leute denn von dir?“, murmelte Ben perplex.

Daria schluckte schwer, bevor sie antwortete: „Sie wollten verhindern, dass sich die Prophezeiung erfüllt.“

Es folgte einheitliches Schweigen. Ihre Freunde schienen diese Information nur langsam verarbeiten zu können. Nachdenklich sahen sich die Zwillinge an. Ben wirkte verkniffen und Liam blass wie immer.

Es war Izzy, die als Nächstes sprach: „Du meinst die Prophezeiung aus den alten Legenden? Die, wo es um die Wiedergeburt des Elementaren geht?“

Daria biss die Zähne aufeinander und nickte.

Bens Lippen formten nun ein perfektes O und Leas und Leos Augenbrauen schossen synchron in die Höhe.

Daria wurde heiß und ihre Hände hatten zu zittern begonnen. Was würden ihre Freunde tun, wenn sie jetzt die Wahrheit erfuhren? Mit leiser Stimme erzählte sie weiter: „Meine Eltern haben versucht, mit mir zu fliehen, doch dabei wurde meine Mutter …“ Daria hielt inne und räusperte sich. „Sie wurde von meinem Vater und mir getrennt. Wir sind gerade so davongekommen. Ich dachte, …“ Erneut stockte sie. Tränen stiegen ihr in die Augen. Es war fast zu viel es auszusprechen.

„Jahrelang dachte ich, sie wäre umgekommen. Doch dann ist sie in dieser Nacht aufgetaucht und …“ Daria konnte nicht weitersprechen.

„Deine eigene Mutter hat dir das angetan? Dich angegriffen und verletzt?“ Ben klang so ungläubig und vorwurfsvoll, dass Daria sofort den Drang verspürte, ihre Mutter und das, was sie getan hatte, zu verteidigen.

„Die Auserwählten hatten sie all die Jahre über in ihrer Gewalt. Sie musste es tun, um mich vor ihnen zu schützen!“, erklärte sie eindringlich.

Izzy hob die Hand. „Warte“, sagte sie etwas zu laut. Daria konnte in Izzys Zügen sehen, wie sie darüber nachdachte, eins und eins zusammenzählte. Ihre Augen wurden eng und sie sah nacheinander zu Ben und den anderen.

„Diese ganzen Geschichten, die wir als Kinder erzählt bekommen haben. Alles, was uns in der Schule als Legenden und Spekulationen verkauft wurde. Es ist wahr, oder? Und du. Du bist …“ Izzy verstummte und stand auf. Sie näherte sich Daria langsam und sah sie mit einem Ausdruck an, als würde sie ihre Freundin zum ersten Mal richtig erkennen können.

Darias Mund war staubtrocken, doch sie zwang sich es auszusprechen. „Ich bin eine Anomalie. Ich beherrsche zwei der Elemente, genau wie Vincent“, hauchte Daria.

Izzy stand nun dicht vor ihr. Ihr Blick unergründlich. Über Izzys Schulter hinweg konnte Daria Ben erkennen, der sich ebenfalls erhob und auf sie zukam. Als er sprach, hielt Daria den Atem an.

„Aber wenn du und Vincent Teil dieser Prophezeiung seid und sie sich nun erfüllt, dann heißt das …“

Unwillkürlich legte Daria eine Hand über die warme Stelle an ihrem Bauch. Eine erdrückende Stille erfüllte den Raum.

Ben öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Auch Lea setzte zweimal an, bevor sie tatsächlich etwas heraus bekam: „Heißt das, du hast uns die ganze Zeit belogen?“

Ihre Worte, obwohl sie eher ungläubig als vorwurfsvoll klangen, versetzten Daria einen Stich und sie krümmte sich leicht.

„Die ganze Zeit wusstest du über so vieles, was rund um uns passiert ist, Bescheid und hast nichts gesagt“, bemerkte Ben tonlos.

Darias Blick verschwamm hinter den neuerlich aufkommenden Tränen. Sie hatte immer Angst vor diesem Moment gehabt. Ihr ganzes Leben lang hatte sie verborgen, wer und was sie wirklich war. Nie ein richtiges Zuhause gehabt und nie Freunde, denen sie ihr Vertrauen hätte schenken können. Es war stets zu unsicher gewesen, jemandem von ihren Kräften zu erzählen, also hatte sie es nie getan. Nun bezahlte sie für ihre Lügen, so notwendig sie auch gewesen sein mochten. Diese Menschen, die da mit fassungslosen Mienen vor ihr standen, hatten sie in ihrer Mitte aufgenommen, ihr vertraut und Daria hatte sie enttäuscht.

Izzy, die zu Boden gestarrt hatte, hob nun langsam den Kopf und blickte Daria ernst an. „Du hast das all die Wochen und Monate, ach was rede ich, all die Jahre völlig alleine mit dir herumgeschleppt?“

Daria stellte verblüfft fest, dass Izzys Ton weder vorwurfsvoll noch enttäuscht klang. Auch in ihren Augen glitzerten Tränen. Daria konnte das, was Izzy gerade gesagt hatte, erst nicht richtig einordnen. Doch als ihre Freundin den Abstand zwischen ihnen schloss und sie in die Arme nahm, wusste Daria es. Izzy und die anderen waren nicht wütend. Sie verurteilten sie nicht. Es war Mitleid, das sie ihr entgegenbrachten. Sie litten mit ihr und bedauerten, was ihr widerfahren war.

Die Erkenntnis brach einen Damm in Daria und sie klammerte sich fest an Izzy, schluchzte in ihre rote Mähne und wurde nur Sekunden später von zwei weiteren starken Armen umfangen. Jemand legte ihr eine Hand auf die Schulter und eine andere streichelte sanft ihren Rücken.

In diesem Moment, geborgen in der Runde ihrer Freunde, fiel all die Angst und Anspannung von Daria ab. Ihr war schwindlig vor Erleichterung.

Ein Bild blitzte vor ihrem inneren Auge auf: Vincent, der freudestrahlend ein kleines Bündel im Arm hielt.

Daria wusste nicht, was die Zukunft für sie alle bereithalten würde. Doch nun war ihr klar, dass sie diesen Weg nicht allein gehen musste.

 

*


Eilige Schritte erklangen auf dem Flur und nur Augenblicke später wurde die Tür aufgestoßen. Sophia Terres trat ein, dicht gefolgt von einem uniformierten Kerl, den Iris nicht kannte.

Sophias Miene triefte vor Misstrauen und Feindseligkeit. Obwohl Iris diese Skepsis nachvollziehen konnte, weckte der Anblick auch unangenehme Erinnerungen in ihr. Wieder war sie in der gleichen Situation: die Gefangene von einer Organisation, die fanatisch ein Ziel verfolgte. Mit dem Unterschied, dass sie jetzt vielleicht endlich wieder bei ihrer Familie sein konnte.

Betont gelassen erwiderte sie Sophias Blicke und die des Uniformträgers, der seinerseits ein perfektes Pokerface zur Schau trug.

Hinter den beiden betrat noch jemand den kleinen Raum, in dem gerade so ein Tisch und sechs Stühle Platz hatten. Erik. Iris spürte, wie ihr die Gesichtszüge entglitten. Ein vertrauter, pochender Schmerz schwoll in ihrer Brust an. Am liebsten wäre sie aufgesprungen, hätte ihre Arme fest um ihn geschlungen, ihn innig geküsst und ihm versichert, dass sie ihn jede verdammte Sekunde der letzten Jahre vermisst hatte. Doch noch wusste sie nicht, wie er inzwischen zu ihr stand. Also schluckte sie schwer und riss ihren Blick von Erik los, um Sophia und den Fremden anzusehen. Bei näherer Betrachtung stachen ihr seine Militärränge und Abzeichen ins Auge. Dieser Kerl musste ein ganz hohes Tier bei der Armee sein, was nur eines bedeuten konnte.

„Wie Sie bestimmt wissen, ist mein Name Sophia Terres. Das hier ist General Adam Forbes. Er ist …“

„Ein Mensch“, unterbrach Iris Sophias Vorstellung. Unglaube schwang in ihrer Stimme mit und war sicherlich auch in ihrem Gesicht zu erkennen.

Sophia lächelte dünn. Doch der Ausdruck in ihren leicht geweiteten Augen sprach Bände und bestätigte Iris’ Verdacht sofort. Jedoch erwiderte keiner etwas. Sophia musterte sie nur angespannt. Auch der General schien auf ihre nächsten Worte zu warten.

Iris Gedanken überschlugen sich. Sie kramte in ihren Erinnerungen, versuchte, die wenigen Informationen abzurufen, die sie über die Jahre hatte aufschnappen können. Leider waren die Vier sehr um Geheimhaltung bemüht und teilten nur höchst selten ihr Wissen mit ihren Untergebenen, mochten diese auch noch so hoch in ihrem Ansehen stehen. Was bei ihr ja ohnehin nie der Fall gewesen war.

„Dann arbeitet die Garde also mit der Regierung zusammen.“ Es war mehr eine Feststellung, doch es hätte auch keinen Unterschied gemacht, wenn Iris eine Frage gestellt hätte.

Sophia Terres und der General zuckten nicht einmal mit der Wimper. Stattdessen sprach Sophia einfach weiter, als wäre sie nie unterbrochen worden: „General Forbes ist einer der Erfahrensten im Umgang mit Kriegsspionen. Es hat also keinen Sinn, irgendwelche Spielchen mit uns zu treiben. Am besten wäre es, einfach mit der Sprache herauszurücken und uns alles zu erzählen.“ Sophia funkelte sie eisig an und unterstrich ihre kleine Rede noch, indem sie in dramatischer Geste ihre flache Hand auf den Tisch knallte.

Iris entfuhr ein tiefes Lachen, das in Sophias unterkühltes Gesicht rote Wangen zauberte. Jäh erstarb ihr das Lachen im Hals, als sie den Schmerz in Eriks Augen sah. Iris räusperte sich etwas verlegen und begann dann in ernstem Ton ihren Standpunkt klarzulegen. „Ich kann mir denken, was ihr von mir haltet, und ich verstehe euer Misstrauen. Immerhin wollte ich vor wenigen Stunden noch alles in meiner Macht Stehende tun, um die Prophezeiung zu boykottieren“, gab sie unumwunden zu.

Sophia knallte erneut ihre Hand auf den Tisch und schrie sie an: „Sie wollten meinen Neffen töten! Wagen Sie es bloß nicht, mir Ihr Verständnis vorzuheucheln!“

„Sophia“, sagte General Forbes schlicht, was sie dazu veranlasste, ihre Arme vor der Brust zu verschränken und sich in ihrem Sessel zurückzulehnen.

Dieser Kerl mochte vielleicht keine Elementarkräfte haben, trotzdem schien er einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Garde auszuüben, stellte Iris fest.

Mit stoischer Miene richtete er das Wort nun an sie: „Was hat sich geändert?“

Iris hielt einen Augenblick lang seinen Blick, bevor sie sich an Erik wandte.

„Nichts. Mein einziges Bestreben ist und war seit jeher, meine Tochter, meine Familie zu beschützen. Als ich den Auserwählten in die Hände gefallen war, konnte ich das am besten bewerkstelligen, indem ich ihnen, so gut es mir möglich war, gedient habe. Als dieses kranke Miststück Roxanna und ihr missratener Bruder Daria entführt und sie so in den Fokus der Vier gerückt hatten, tat ich das Einzige, dass sie in diesem Moment retten konnte. Als sie mir befohlen haben, Vincent zu töten, damit Daria am Leben bleiben durfte, habe ich ihre Anweisungen ohne Zögern befolgt.“ Iris atmete schwer, und ohne es zu wollen, waren heiße Tränen in ihre Augen getreten. Als sie weitersprach, war ihre Stimme heiser. „Die Prophezeiung ist mir egal. Ich habe keine Ahnung, wie es sein kann, doch nun scheint sie sich zu erfüllen, und der einzige Weg mein Kind weiterhin zu beschützen ist, an ihrer Seite zu stehen und sie so gut es mir möglich ist zu verteidigen. Ich bin bereit, alles dafür zu tun.“ Bei den letzten Worten hatte sie ihren tränenverschleierten Blick von Eriks warmen Augen abgewandt und ihn wieder auf Sophia Terres und den General gerichtet.

Sophia wirkte wenig überzeugt. Nach wie vor beäugte sie Iris argwöhnisch.

General Forbes hingegen quittierte ihre Aussage mit einem steifen Nicken. „Dann erzählen Sie uns alles, was Sie über die Auserwählten wissen“, forderte er sie auf.

 

*


Flankiert von zwei uniformierten Gestalten wurde Raffael einen endlos scheinenden, spärlich beleuchteten Gang entlanggeführt. Er wusste nicht, was sie nun mit ihm vorhatten, doch im Grunde war es ihm auch egal. Raffael hatte alles und jeden in seinem Leben verloren. Ja, er hatte den einzigen Menschen, der ihm noch von seiner Familie geblieben war, sogar eigenhändig umgebracht.

Einer seiner Begleiter öffnete eine Tür zu seiner Linken und der andere manövrierte ihn auf einen von vier Stühlen, die rund um einen blank polierten Metalltisch aufgestellt waren. Die beiden Männer postierten sich links und rechts neben der Tür und nur einen Moment später trat jemand zwischen den beiden hindurch. Vincent.

Er sah fürchterlich aus und es erstaunte Raffael sehr, dass er sich nach Marias Tortur überhaupt noch aufrecht halten konnte. Dieser Kerl war offenbar zäher, als man ihm ansah.

Vincent wechselte ein paar Worte mit den Uniformierten. Diese warfen sich unschlüssige Blicke zu und einer der beiden erwiderte etwas, dass Raffael nicht richtig verstehen konnte.

„Ich habe gesagt, dass ich alleine mit ihm sprechen werde“, gab Vincent schneidend zurück, woraufhin sich beide Uniformträger mit einem knappen Nicken verdrückten. Vincent war anscheinend nicht nur hart im Nehmen, sondern innerhalb dieser Mauern auch tonangebend.

Er ließ sich mit einem schmerzerfüllten Grunzen auf den Stuhl gegenüber von Raffael sinken. An seiner Stirn prangte eine blutunterlaufene Schramme und die Augenbraue direkt darunter war ziemlich geschwollen. „Du wolltest mich umbringen“, sagte Vincent gerade heraus. Sein nüchterner Tonfall und der intensive Blick, mit dem er Raffael bedachte, riefen unangenehme Gefühle wach.

Ja, er hatte ihn töten wollen. Irgendwie. Und soweit er wusste, war er da nicht der Einzige gewesen. Doch so empfand er schon lange nicht mehr, wenn er ehrlich zu sich war.

Vincent schnaubte leise, während sich seine grünen in Raffaels dunkelbraune Augen bohrten. „Und doch hast du mich gerettet. Mich, Daria und …“, er ließ den Satz in der Luft hängen, aber Raffael wusste auch so, wen oder was er meinte. Das Baby.

Vincent löste seine vor der Brust verschränkten Arme und streckte den rechten Raffael über den Tisch hinweg entgegen.

Raffael blinzelte ein paar Mal und überlegte, was hier eigentlich los war. Zögerlich ergriff er Vincents ausgestreckte Hand und erwiderte deren Druck.

Als Vincent seinen Arm wieder zurückgezogen hatte, lehnte er sich nach vorne, als würde er Raffael ein Geheimnis anvertrauen wollen. Doch, anstatt zu flüstern, sprach er klar und mit einer Inbrunst, bei der sich Raffael die Härchen auf den Armen aufstellten.

„Es ist mir egal, woher du kommst, wie du aufgewachsen bist, wem du gefolgt bist oder wer deine Familie war.“

Seine Worte verursachten ein dumpfes, schmerzhaftes Pochen in Raffaels Brust.

„Wir alle haben gelitten und wir beide wissen, der Kampf hat erst begonnen. Ich würde es verstehen, wenn du dich da lieber raushalten willst. Doch sei dir einer Sache gewiss: Wenn du bei uns bleibst und an unserer Seite kämpfst, dann bist du nicht allein. Du gehörst zu uns und wir kümmern uns umeinander.“ Um Raffael zu signalisieren, wie ernst er es meinte, nickte Vincent einmal bedeutsam.

Raffael fixierte ihn einige Zeit lang. Nur Vincents unregelmäßiger Atem war zu hören. Schließlich nickte auch er.


Wie von allein trugen Vincents Beine ihn den Gang entlang. Die rauen Betonwände schluckten das Geräusch seiner Sohlen. Jeder Schritt schmerzte. Jeder Atemzug brannte in den Lungen. Jedes Mal, wenn er an einer der spärlichen Wandleuchten vorbeilief, versetzte ihm das Licht einen Stich in seinem pochenden Schädel. Trotzdem ging Vincent immer weiter, schlängelte sich durch die Eingeweide des Bunkers, mit Tränen in den Augen und den Kopf voller Erinnerungen.

Es war Jahre her, seit er das letzte Mal hier gewesen war. Sein Vater hatte Derek und ihn schon als Kinder gelegentlich mitgenommen, damit sie sich mit den Räumlichkeiten vertraut machten. Sie waren durch die endlosen Gänge getollt, hatten sich in den Lagerräumen versteckt und ihren Vater so regelmäßig zur Weißglut getrieben.

Vincent stieß die Tür zum Trainingsraum auf und marschierte schnurstracks zur Schießanlage. Aus einem der raumhohen Eisenregale griff er sich eine Pistole und nahm vor der Markierung des Trainingskanals Aufstellung. Gut zehn Meter vor ihm hing ein Roll up von der Decke, welches drei ineinanderliegende Kreise zeigte. Vincent visierte sein Ziel an und drückte, ohne zu zögern, ab. Da er keinen Gehörschutz trug, traf ihn der Schall unangenehm laut. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, wie ein Besessener das ganze Magazin leer zu ballern.

Schwer atmend knallte er die Pistole auf einen Metalltisch und wirbelte herum. Von einer kaum zu bändigenden Unruhe getrieben durchquerte er den Kraftraum und machte vor einem der Boxsäcke halt. Er holte aus und ließ seine Fäuste in einem unsteten Rhythmus auf das glatte Leder prasseln. Erst als er schweißnass und völlig außer Atem war, hörte er auf. Die Haut auf seinen Knöcheln war aufgeplatzt und blutete leicht. Doch ebenso wie seine anderen Verletzungen war ihm das herzlich egal. Der einzige Schmerz, der ihm wirklich zu schaffen machte, war der des Verlustes und der Angst.


Als Vincent die Tür öffnete, unterbrach er damit eine hitzige Debatte zwischen Sophia und seiner Mutter. Beide richteten ihre Blicke auf ihn. Der gequälte Ausdruck in den Augen seiner Mutter intensivierte sich, als sie seine geschundenen Knöchel entdeckte.

Sophia hingegen wirkte eisern und entschlossen. Wie sehr sich seine Tante in den wenigen Stunden, seit ihr Bruder ermordet worden war, verändert hatte. Von ihrem stets so liebevollen Wesen war nicht mehr viel zu spüren. Doch vielleicht musste sie sich auf diese Weise verhalten, um das alles durchzustehen, überlegte Vincent. Er machte ihr deshalb jedenfalls keinen Vorwurf, was auf seine Mutter allerdings nicht zuzutreffen schien.

Als Sophia zu einem „Sei doch vernünftig, Silvia“, ansetzte, unterbrach sie ihre Schwägerin barsch.

„Das kann doch nicht dein Ernst sein! Er war dein Bruder. Er hat es verdient, eine vernünftige Beerdigung zu erhalten.“ Tränen glänzten in Silvias Augen und ihre Hände zitterten.

Vincents Magen krampfte sich zusammen.

„Ja, du hast recht, trotzdem ist es unmöglich. Wie du genau weißt, können wir den Schutz des Bunkers nicht verlassen. Wo also willst du ihn begraben?“, zischte Sophia.

Silvia erwiderte nichts. Ihre Lippen waren zu einem schmalen, blassen Strich zusammengepresst und ihr Brustkorb hob und senkte sich schwer.

„Wir werden Raffael bitten, seinen Körper zu versteinern“, hörte Vincent sich sagen. Er wusste nicht, woher er die Ruhe nahm, die in seiner Stimme lag, oder die Kraft, an seine Mutter heranzutreten und sie in eine rasche Umarmung zu ziehen.

Sophia hatte sich erhoben und nickte ihrem Neffen steif zu. „Ich werde alles veranlassen“, erklärte sie, ohne Silvia noch einmal anzusehen. „Du solltest dich ausruhen. Der Arzt wird in den nächsten Stunden eintreffen, ebenso wie der Rest der Garde. Es wird eine Versammlung geben.“ Damit drehte sie sich um und ließ Vincent mit seiner Mutter allein.

Ein Seufzen entwich ihrem Mund und ein dünnes Rinnsal Tränen glitt über ihre bleichen Wangen. Vincent konnte sich nicht erinnern, seine Mutter jemals so verletzt gesehen zu haben. Den Tod ihres Sohnes hatte sie offenbar noch gut kompensieren oder vielmehr verdrängen können. Doch nun war ihre ganze Welt endgültig aus den Fugen geraten.

Vincent fühlte ihren Schmerz, bemühte sich jedoch weiterhin, die Fassung zu bewahren.

Seine Mutter aber kannte ihn besser als jeder andere Mensch und wusste, wie es in ihm aussah. Mit einer eiligen Handbewegung wischte sie ihre Tränen fort und schenkte ihm ein trauriges Lächeln. „Wann bist du nur so erwachsen geworden?“, fragte sie mit Wehmut in der Stimme.

Vincent schnaubte frustriert. „Wann war ich jemals ein normales Kind?“, erwiderte er grimmig.

Der Ausdruck, der daraufhin auf dem Gesicht seiner Mutter erschien, war schlimmer als der Schmerz. Sie nickte langsam.

„Du hast recht. Du warst immer schon zu Großem bestimmt. Aber fühlst du dich dem Ganzen wirklich gewachsen? Ich meine, es gibt viele andere, die …“

Vincent brachte seine Mutter mit einer harschen Handbewegung zum Schweigen.

Sie schluckte, sichtlich irritiert von seiner Reaktion.

„Ich weiß, wo mein Platz ist. Ich wusste es schon immer. Auch wenn ich es jahrelang nicht wahrhaben wollte. Mit der Erfüllung der Prophezeiung – und glaube mir, ich hätte liebend gerne auf die Ehre verzichtet – habe ich zum ersten Mal in meinem Leben auch die Entscheidungsgewalt.“ Sein Herz pochte laut in seiner Brust, als er an Daria dachte. An Daria und das Ding. Das Baby.

„Wenn ich es gewusst hätte. Wenn ich nicht davon ausgegangen wäre, dass es unmöglich ist.“ Vincent starrte auf seine Handflächen und schüttelte den Kopf.

Seine Mutter wartete schweigend.

„Ich hätte niemals riskiert, dass sich die Prophezeiung erfüllt. Ich hätte Daria und euch alle nie dieser Gefahr ausgesetzt. Wenn ich könnte, würde ich es ungeschehen machen“, schloss er mit zusammengebissenen Zähnen.

„Sag so etwas nicht“, hauchte Silvia und berührte ihn sanft an der Schulter. „Er ist dein Sohn, auch wenn du noch so jung bist. Er wird dich lieben und du ihn auch.“

„Sicher nicht. Ohne ihn wären wir all dem hier nicht ausgesetzt.“ Vincents Hände umschrieben einen großen Bogen, schlossen den kargen Raum, seine Verzweiflung und all seine Ängste mit ein. „Es gibt nur einen Grund, warum ich hier bin und kämpfen werde, und der ist nicht die Prophezeiung oder dieses Baby, sondern Daria.“

*

 

Erik hatte den Verhörraum bald nachdem Iris angefangen hatte, über die Auserwählten zu berichten, verlassen, was Major Forbes nur recht gewesen war.

hätte ihre Anwesenheit ohnehin nicht viel länger ertragen. Ihr schmales Gesicht, die vertrauten Züge, ihre Stimme. Er kannte sie. Kannte jeden Zentimeter ihrer Haut, all ihre Sehnsüchte und Träume. Ihre Macken und Vorlieben. Aber das war schon lange her.

Erik war sich nicht im Klaren, ob die Frau, die da in diesem Verhörraum saß – die Frau, die ihre Tochter ohne Umschweife derart schwer verletzt hatte und bereit gewesen war, einen Jungen zu töten –, noch viel gemeinsam hatte mit der Frau, die er in seinen Erinnerungen trug. Vermutlich nicht.

Galle stieg ihm die Kehle hoch und er verzog das Gesicht. Ob vor Schmerz oder Abscheu wusste er selbst nicht.

Erik hob den Kopf und betrachtete die Zahl auf der Eisentür vor ihm. Das musste Darias Zimmer sein. Sachte drückte er die Tür auf und war nicht wirklich überrascht, als er Daria im Kreis ihrer Freunde antraf. Sie lümmelten alle auf den beiden schmalen Pritschen herum und unterhielten sich leise.

Ihre Gespräche verstummten jäh, als sie ihn entdeckten. Alle starrten ihn an. Er hatte allerdings nur Augen für seine Tochter. Erik schluckte schwer und räusperte sich, weil er seiner Stimme nicht recht vertraute.

„Könnte ich bitte mit meiner Tochter einen Augenblick alleine sein?“ Er bemühte sich um einen neutralen Tonfall, was im Angesicht der Situation nicht die einfachste Übung war.

Seine kleine Daria, die in seinen Augen selbst noch ein Kind war, würde ein Baby bekommen. Und nicht irgendein Baby, sondern die Reinkarnation von einem der mächtigsten Elementträger, die je auf Erden gewandelt waren. Ihr ganzes Leben lang hatte er alles Erdenkliche getan, um sein kleines Mädchen zu beschützen, und er würde es bis zu seinem letzten Atemzug weiter versuchen. Doch die Angst, dass es ihm bei allem, was ihnen nun bevorstehen mochte, nicht gelingen könnte, schnürte ihm die Kehle zu.

Bewegung kam in die Gruppe und einer nach dem anderen drückten sie sich an ihm vorbei zur Tür hinaus. Die Letzte, die den Raum verließ, war Darias beste Freundin Izzy. Sie drückte Daria noch einmal fest an sich und bedachte Erik mit einem bedeutungsschweren Blick, als sie an ihm vorbeiging.

„Du hast wirklich gute Freunde“, stellte Erik fest, während er sich neben seiner Tochter auf die Pritsche sinken ließ.

Sie nickte und musterte ihn aus ihren großen blauen Augen. Ein schuldbewusster, verletzlicher Ausdruck lag darin. Offenbar wartete sie auf ein Donnerwetter.

Erik seufzte schwer und schloss seine Tochter in die Arme. Er brauchte keine Worte, um ihr das mitzuteilen, was sie wissen musste.

Er würde für sie da sein, so wie er es immer gewesen war.

Eine ganze Weile saßen sie einfach nur schweigend beieinander. Erik konnte beim besten Willen nicht sagen wie lange. Irgendwann jedoch begann Daria mit leiser, zaghafter Stimme zu sprechen. Sie erzählte von jener Nacht, als sie von diesen irren Mitgliedern der Auserwählten entführt und gefoltert worden war, und von den Geschehnissen, die zu ihrer Verletzung geführt hatten. Diesmal jedoch berichtete Daria mehr als nur die halbe Wahrheit, sie berichtete auch von dem Auftauchen ihrer Mutter. Nicht nur in dieser Nacht, sondern noch ein weiteres Mal einige Wochen später. Jedes Mal, wenn sie Iris erwähnte, war Erik, als würde ihm die Luft wegbleiben. Daria beschrieb ihre Sorgen, und wie sehr sie das Wissen um ihre Mutter belastet hatte.

„Ich hätte es dir einfach sagen müssen“, schloss sie schließlich und sah ihn aus diesen Augen an, die denen ihrer Mutter so ähnlich waren.

Ja, das hättest du, dachte Erik. Der Schmerz und die Enttäuschung, die er dabei empfand, machten ihn ganz unruhig und er stand auf. Langsam durchquerte er den kleinen Raum und blieb vor der spartanischen Wascheinrichtung am anderen Ende stehen. Sein Spiegelbild sah ihm blass und verhärmt entgegen.

„Nein. Es war richtig von dir, es für dich zu behalten. Iris wusste, was sie tat, indem sie dich darum gebeten hat, es mir nicht zu sagen. Ich hätte sicherlich nicht so einen kühlen Kopf bewahrt, wie ihr beide es getan habt. Bestimmt hätte ich unüberlegt gehandelt und so dich und deine Mutter in Gefahr gebracht“, versicherte er ihr. Erik versuchte sich an einem Lächeln, doch offenbar scheiterte er kläglich daran, denn seine Tochter wirkte alles andere als überzeugt.

„Wie … wie geht es jetzt weiter mit dir und Mama?“, fragte Daria. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Wispern.

Erik setzte sich wieder neben sie und nahm ihr Gesicht in seine Hände, ehe er antwortete. „Weißt du, Liebes, deine Mutter und ich, wir haben schon viel gemeinsam durchgemacht. Die letzten Jahre über habe ich sie stets vermisst, das konnte ich wohl kaum vor dir verbergen. Wir raufen uns schon zusammen.“ Erik war heilfroh über die Sanftheit und Zuversicht, die er in seiner eigenen Stimme hören konnte. Denn tief in seinem Inneren war er nicht einmal ansatzweise so sicher, dass er damit recht hatte.

*

 

Izzy durchquerte einen weiteren Lagerraum und dachte nicht zum ersten Mal daran, wie leicht es wäre, sich hier zu verirren. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie in den Untiefen des Bunkers Kreise laufen, bis sie alt und grau war.

„Was machst du hier?“ Raffaels Stimme ließ sie hochschrecken. Mit klopfendem Herzen sah sie sich zwischen den Kisten und abgedeckten Möbeln um. Leise Schritte ertönten zu ihrer Rechten und gleich darauf löste sich die hochgewachsene Gestalt Raffaels aus den Schatten. Sein Gesicht war blass und die dunklen Konturen seiner Haare ließ den verkniffenen Zug um seinen Mund hart und unnahbar wirken.

„Ich habe nach dir gesucht“, gab Izzy trocken zurück. Sie war nervös in seiner Gegenwart, doch einschüchtern würde sie sich von ihm nicht lassen. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, was in ihm vorging, hatte sie ihn doch in den letzten Wochen näher kennengelernt, als er es vielleicht beabsichtigt hatte. Jetzt, wo er sich angesichts von Marias Tod einsam und verloren fühlen musste, zog es sie mehr denn je zu ihm.

„Warum?“, wollte er mit rauer Stimme wissen. Seine Augenbrauen zogen sich leicht nach oben.

„Weil ich wissen wollte, wie es dir geht“, erwiderte sie wahrheitsgemäß.