Karin Kehrer

Diener des Feuers

Teil 2: Feuer und Wasser

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Was bisher geschah:

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Charaktere

Erläuterungen zur fantastischen Sprache

Impressum neobooks

Was bisher geschah:



Der Magier Yal Rasmon wird von seinem ehemaligen Lehrmeister Varruk Erasant mit der Suche nach einem magischen Stein beauftragt. Varruks größtes Ziel ist es, den Magiern zur Unsterblichkeit zu verhelfen.

Bei seiner Suche nach dem Stein trifft Yal auf Catherine Morgan, die traumatisiert ist vom Verlust ihrer Familie und in Cornwall Zuflucht gesucht hat. Er holt die junge Frau zu sich, ohne zu ahnen, dass sie im Besitz des magischen Kleinods ist.

Sein Diener Irko stiehlt den Stein und übergibt ihn der Wassermagierin Lalana Yallasir, die ihn für ihre eigenen Zwecke einsetzt.

Yal verliebt sich in Catherine und trotz ihrer Unterschiedlichkeit werden sie ein Paar. Sie haben aber nicht lange die Gelegenheit, ihr Glück zu genießen.

Das Reich Findward, in dem Yal sich niedergelassen hat, gerät in eine politische Krise, als der Herrscher des Nachbarreiches Vergeltung für den Tod seines Sohnes fordert. Er wurde von Lalana getötet, weil er den Wasserstein in seinen Besitz gebracht hat.

Yal fühlt sich verpflichtet, die Erdmagier um Unterstützung im drohenden Krieg zu bitten. Eine Mission, die zum Scheitern verurteilt ist.

Catherine hingegen setzt alles daran, das Geheimnis seiner Einzigartigkeit zu ergründen.





Prolog



Wasser durchdringt alles, selbst die verborgenen Winkel erreicht es. Mannigfaltig ist seine Erscheinungsform.

Tautropfen und Regen bringen Fruchtbarkeit.

Bäche und Flüsse durcheilen Landschaften oder breiten sich träge aus und formen sie.

Das Meer in seiner unendlichen Weite gibt unzähligen Wesen Nahrung und Heimat.

Sturmfluten vernichten, was geschaffen wurde. Eis und Schnee ersticken alles Leben.

Gewaltig ist die Macht des Wassers.



Feuer wärmt und spendet Licht.

Es reinigt und ermöglicht neues Leben, geboren aus der Asche.

Seine Glut tötet erbarmungslos.

Flammen zerstören alles, was lebt.

Der Atem der Feuerberge lässt das Land verdorren.

Gewaltig ist die Macht des Feuers.



Feuer und Wasser – es gibt wohl keine gegensätzlicheren Elemente. Niemals kann es Einigkeit zwischen ihnen geben.



So kämpften die Elemente um die Vorherrschaft, schickten ihre Kinder in einen furchtbaren Krieg und brachten Zerstörung und Tod über Myn Fantrix, die Heimat ihrer Geschöpfe.

Der Große Geist sah dies mit Trauer. Das Leiden der unschuldigen Wesen rührte ihn. Sein Zorn richtete sich gegen die mächtigen Kreaturen der Elemente. Er nahm sie gefangen und verbannte sie in ihre Welten. In seiner Weisheit versiegelte er die Tore zu den Welten der Elemente mit magischen Steinen und verbarg sie vor den Augen aller, die bestrebt waren, danach zu suchen, damit kein Schaden mehr entstehen möge.

Zu keiner Zeit sollte es gelingen, diese Tore zu öffnen.



(Aus dem Buch der Mythen, 2. Abschnitt: Die Großen Kriege, Verfasser unbekannt)





Kapitel 1



Perwyn Treleyon starrte gelangweilt auf die Menschenansammlung im Burghof. Er saß auf einem mit geschnitzten Drachenköpfen verzierten Stuhl, der sich auf einer Tribüne befand, von der aus er das mit fest gestampftem Lehm bedeckte Viereck überblicken konnte. Ein Arkadengang verlief rings um den Hof und bot noch mehr Zuschauern Platz, aber niemand von den Beamten des Königs hatte sich eingefunden, um dem kommenden Spektakel beizuwohnen. Ungeduldig trommelte er mit den Fingerspitzen auf die Armlehnen.

Der Richtplatz von Berinward bestand aus einem Geviert aus Seilen in der Mitte des Burghofs, die Bühne für die Verurteilten und ihren Henker. Hier fanden jene Unglücklichen den Tod, die der Ausübung von Magie bezichtigt worden waren. Auf den ersten Blick kein Aufsehen erregender Ort in seiner primitiven Ausstattung. Aber ein seltsamer Geruch lag in der Luft, nach Rauch, Tod und Verzweiflung. Er hatte sich in den Mauern eingenistet, war von den Steinen aufgesogen worden und würde sich wohl nie mehr vertreiben lassen.

Perwyn stieß heftig die Luft aus. Der Gedanke daran, welch seltsamen Kampf er führte und was ihn jetzt wieder erwartete, widerte ihn mit einem Mal an.

An den Rändern des Gevierts standen verloren ein paar Schaulustige. Wahrscheinlich Händler auf der Durchreise und vielleicht Angehörige des Delinquenten, die ihm in seiner letzten Stunde beistehen wollten. Die meisten Einwohner von Berinward hatten diese grausamen Schauspiele mittlerweile satt und auch Perwyn erging es nicht anders.

Er seufzte leise und wandte sich an einen seiner Berater, einen hageren Mann mit scharfen Gesichtszügen. Trygvil Bandosant war der eifrigste Jäger magischen Gesindels in Berinward - nach Anthos. Eine Aufgabe, die er mit Inbrunst verfolgte. In seinen besten Zeiten hatte er für mindestens drei Hinrichtungen an einem Tag gesorgt. Jetzt hatte die Zahl der Verurteilten drastisch nachgelassen. Die magischen Geschöpfe hatten Berinward längst verlassen oder sie versteckten sich so gut, dass Perwyns Jäger sie nicht aufzuspüren vermochten. Das bevorstehende Spektakel war bis jetzt das einzige in diesem Mond.

„Wer ist es heute?“ Perwyn gähnte. Er hatte in der letzten Nacht nicht gut geschlafen, was wohl an diesem verdammten Wein aus den Vulkanbergen liegen mochte. Dieses Getränk rann die Kehle hinunter wie Öl und machte einen schweren Kopf.

Trygvil Bandosant lächelte kalt. „Eine junge Bauersfrau aus der Provinz Sendwick. Sie ist angeklagt, ihr Herdfeuer mit Magie entzündet zu haben.“

„Ah ja. Ich erinnere mich. Sie hat vor zwei Tagen ein Geständnis abgelegt, nicht wahr? Also werden wir wohl den Feuertanz sehen“, meinte Perwyn gleichmütig.

„Ja, Herr, so ist es.“

„Und deswegen habt Ihr mich aus meinem Bett geholt?“ Perywn fauchte. „Ein viel zu kurzes Spektakel, das des Betrachtens nicht wert ist.“

Bandosant zuckte zusammen. „Es tut mir leid, Herr. Aber Ihr wisst doch …“

„Pah! Ihr seid ohne jede Phantasie, mein Bester. Es wird an der Zeit, dass Anthos aus Findward zurückkehrt. Seine Einfälle sind einzigartig, geradezu raffiniert.“

Ein Lächeln huschte über Perwyns Züge. Ja, Anthos war ein Nachkomme nach seinem Geschmack!

Wie sehr enttäuschten ihn dagegen seine beiden älteren Söhne! Langweilige Jammerlappen, die sich weigerten, für Recht und Ordnung zu sorgen!

Die Delinquentin des heutigen Tages war das beste Beispiel für die Nachlässigkeit seiner Erben. Sie stammte aus der Provinz, die er seinem ältesten Sohn übertragen hatte. Und der war nicht in der Lage gewesen, diese Zauberin zu entdecken und hinrichten zu lassen. Hätte nicht Trygvil Bandosant Wind von der Sache bekommen, wäre die Verbrecherin unbestraft geblieben.

Perwyns Aufmerksamkeit wurde jetzt doch auf das Geschehen im Burghof gelenkt. Zwei Soldaten der Burgwache führten die Verurteilte auf den Richtplatz. Eine zierliche Frau, die sich kaum auf den Beinen halten konnte. Eine Flut von rotem Haar leuchtete in der Sonne.

„Ah.“ Perwyn musterte die armselige Gestalt. Frauen mit dieser Haarfarbe übten auf ihn eine besondere Faszination aus.

Die Soldaten stießen die Gefangene in die Mitte des Burghofs. Sie taumelte, fiel nieder und landete mit dem Gesicht im Staub. Der Mantel aus Schleimgras war bereits um ihren Oberkörper gebunden worden, sodass sie sich nicht mit den Händen abstützen konnte.

Natürlich war sie gefoltert worden, um ihr ein Geständnis abzuringen und er selbst hatte sich das Vergnügen gemacht, dabei zuzusehen. Ihre Schmerzensschreie ließen sein Blut schneller durch die Adern rinnen, der Anblick ihres nackten Körpers, der sich vor Qual wand, hatte ihm Lust bereitet. Aber im Grunde genommen hatte diese arme Kreatur genau wie die meisten der Verurteilten kaum einen Funken Magie in sich. Alle waren sie gestorben, ohne sich helfen zu können.

Perwyn hätte es nur zu gerne einmal erlebt, dass tatsächlich ein magisches Wesen in seine Gefangenschaft geriet. Eines, das ein würdiges Schauspiel bot, indem es sich angemessen verteidigte.

Er lehnte sich zurück und betrachtete den blauen Himmel. Die Wolke, die gerade über seinem Kopf stand, sah aus wie eine riesige Schlange mit gefiederten Flügeln.

Ein solches Tier würde ich gerne einfangen und zähmen!

Es gab diese magischen Geschöpfe, tief verborgen in den Welten der Elemente. So erzählten zumindest die alten Legenden.

Ein schrilles Kreischen holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Der Feuertanz hatte begonnen. Der Mantel aus Schleimgras war angezündet worden und jetzt stieg beißender Qualm auf.

Die Frau schrie wie am Spieß, taumelte über den Hof, fiel nieder und wälzte sich auf dem Boden, in dem vergeblichen Versuch, die tödliche Umklammerung los zu werden.

Schleimgras wuchs in Unmengen in den Sümpfen von Berinward. Dieses Gewächs bestand aus breiten harten Halmen, die im Inneren eine gallertartige Masse enthielten. Sie strömte einen durchdringenden, modrigen Geruch aus, sobald das Gras geschnitten oder gebrochen wurde. Das machte es für den täglichen Gebrauch ungeeignet.

Aber Anthos hatte entdeckt, dass es unter Einwirkung von Hitze nicht verbrannte, sondern verkohlte und sich zu einem festen, undurchdringlichen Panzer zusammenzog. Es entwickelte sich außerdem kein Rauch, der die Sicht auf das Opfer verhindert hätte.

Ein solchermaßen Gefesselter verbrannte nicht, sondern wurde langsam in der immer enger werdenden Umhüllung erstickt und bei lebendigem Leib gegart.

Perwyn betrachtete das hilflose Wesen. Er hatte schon zu viele gesehen, um sich noch daran zu ergötzen. Nichts unterschied diese Hinrichtung von den vielen anderen. Auch diese Frau würde ihr armseliges Leben aushauchen. Sie würde noch eine Weile hier herumzappeln, bis gnädige Ohnmacht sie übermannte und ihre Schreie verstummen ließ. Der Geruch nach verkohltem Schleimgras würde sich mit dem von gekochtem Fleisch mischen und noch viele Stunden lang über dem Hof liegen. Es würde nichts übrigbleiben als ein elender, schwarzer Klumpen, der in einen Sack gesteckt und in die Abfallgrube geworfen wurde.

Perwyn stand auf.

Trygvil Bandosant quiekte erschrocken. „Aber … aber Herr! Sie ist noch nicht tot!“

„Sie wird auch ohne mein Zutun verenden“, knurrte Perwyn. „Wann werdet Ihr Narren endlich einmal wirklich Erfolg haben? Ich möchte Magier sterben sehen, keine armen Bauerntölpel, die ein paar läppische Zauber beherrschen und sonst nichts!“

Er drehte sich um und verließ die Tribüne, blinzelte, als er das gleißende Sonnenlicht verließ und die dämmerige Halle betrat.

Das Geräusch seiner Schritte wurde von den Wänden zurückgeworfen, geisterte durch den Saal und verstärkte den Eindruck von Leblosigkeit noch.

Diese Burg ist ein toter Koloss, in dessen Bauch sich bleiche Würmer tummeln, dachte Perwyn. Ein Schauder überlief ihn und er zog die Schultern hoch. Ich werde wohl alt und gefühlsduselig. Wäre Anthos doch endlich wieder hier.

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Anthos wird mir Findward schenken. Endlich. In Findward wimmelt es nur so von magischen Geschöpfen.“

Elementmagier. Zwerge. Gnome. Kobolde.

Wesen, denen sein tiefster Hass galt. Ein Hass, der ihn ihm seit jenem Tag brodelte, an dem sein jüngerer Bruder das Licht der Welt erblickt hatte. Edryc – das Ergebnis des unglückseligen Versuchs, mit magischer Hilfe den sehnlichsten Wunsch seiner Mutter nach einem weiteren Kind zu erfüllen.

Tief in Gedanken versunken eilte er weiter und achtete nicht mehr auf die düstere Umgebung. Berinward-Arn war ein finsteres, uraltes Gemäuer, das wenig Bequemlichkeit bot. Perwyns Vorfahren waren ständig damit beschäftigt gewesen, Kriege zu führen und hatten keinen Wert auf die luxuriöse Ausstattung ihrer Unterkünfte gelegt. Die Trophäen, die sie angesammelt hatten, verstaubten in den Hallen und Lagerräumen der Burg.

Im Geheimen sehnte sich Perwyn nach den Kämpfen in seiner Jugendzeit. Damals hatte harter Drill sein Leben bestimmt und er hatte es genossen.

„Verzeiht, Herr …“

Perwyn blieb abrupt stehen. Ein Bediensteter kam auf ihn zu, mit unterwürfig gesenktem Kopf.

„Was ist?“

Beim scharfen Klang seiner Stimme zuckte der Mann zusammen.

Perwyn schnaubte. Kein Mann - ein verängstigtes Schaf! Ich habe es so satt!

„Ein – ein Bote, Herr. Aus Findward.“

„Ah!“ Perwyns Laune hob sich im Nu. „Nachrichten von Anthos! Schickt ihn sofort zu mir!“

Der Diener entfernte sich nach einem flüchtigen Nicken.

Der König lächelte. Was mag er wohl aushecken, mein Sohn? Eine fiese, kleine Intrige wahrscheinlich, um diese hynnische Hure endlich in sein Bett zu bekommen.

Der Bote näherte sich mit zögernden Schritten, den Blick starr auf den Boden gerichtet.

Perwyn musterte ihn scharf. „Ihr bringt Neuigkeiten? Ich nehme doch an, sie sind gut?“

Der Bote überreichte ihm eine Pergamentrolle, mied dabei seinen Blick. „Lest selbst, Herr.“

Die Hand des Mannes zitterte. Mit einer flüchtigen Verbeugung zog er sich zurück und rannte beinahe aus dem Saal.

Verwundert starrte Perwyn ihm nach. Ist mein Ruf so schrecklich – oder bin ich ein so fürchterlicher Anblick?

Er schob den Gedanken beiseite, brach das Siegel und entrollte das Pergament.

Seine Blicke huschten über die sorgfältig geschriebenen Buchstaben. Das ergab doch keinen Sinn. Das durfte nicht … Hitze wallte in ihm auf. Sein Blick verschwamm. Er zwang sich dazu, weiter zu lesen. Als er fertig war, ließ er die Rolle sinken und starrte eine Ewigkeit lang einfach nur ins Leere.

„Nein. Nein. Nein.“ Sein Flüstern huschte durch den Raum.

„NEIN!“





Kapitel 2



Die Nachmittagssonne warf lange Schatten, die vom Dunkel des Waldes aus die grünen Hügel eroberten und es wurde merklich kühler. Catherine hatte mittlerweile schon die Erfahrung gemacht, dass die Nächte in Findward empfindlich kalt wurden, selbst wenn tagsüber die Sonne angenehm wärmte.

Sie hatte den Wald verlassen und wanderte tief in Gedanken versunken den gewundenen Pfad die leichte Anhöhe zurück nach Hause. Dabei achtete sie wenig auf das Plappern Irkos, der darauf bestanden hatte, sie zu begleiten. Er ließ sie seit ihrem Besuch bei der Erdmagierin nicht mehr aus den Augen.

Xarga und Neerma hatten ihr einiges erzählt und vieles auch wieder nicht. Je länger sie mit den beiden Magierinnen zusammen gewesen war, desto deutlicher wurde das Gefühl, dass sie ihr etwas Wesentliches verschwiegen. Gut, sie hatten ihr über die Verbindung Yals mit Varruk berichtet, über diese fatale Abhängigkeit, in die ihn der alte Feuermagier gezwungen hatte. Nun verstand sie auch, was damals mit Irko geschehen war. Ein Kampf, in dem es Yal gelungen war, den alten Feuermagier niederzuringen. Was allerdings nicht bedeutete, dass er gänzlich besiegt war.

Xargas Visionen, von denen sie andeutungsweise erzählte, zeigten diffuse Bedrohung. Alle magischen Wesen waren mit diesem Fluch belegt, manche mehr, manche weniger. Yal wurde oft von ihnen gequält, wie Xarga erklärte. Seine Außergewöhnlichkeit, gleich drei Elemente in sich zu vereinen, hatte Schuld an dieser Last.

Aber die besondere Beziehung, die Yal mit Xarga verband und die auch Catherine wahrgenommen hatte, konnte dadurch nicht erklärt werden. Sie hatte allerdings das deutliche Gefühl, dass die alte Frau ihr etwas Wesentliches verheimlichte.

Neerma, die schöne Tochter der Erdmagierin, liebte es ohnehin, in Rätseln zu sprechen. Ihre Andeutungen über die wahre Aufgabe Yals erläuterte sie nicht näher. Am Ende verabschiedete sie sich mit einem kühlen Lächeln und löste sich in einem hellen Lichtstrahl auf.

Der Umgang mit magischen Wesen ist äußerst unbefriedigend.

Catherine konnte es kaum erwarten, in die Behaglichkeit ihres Häuschens zurückzukehren.

Mein Häuschen.

Sie lächelte. Es sah so aus, als würde sie endlich beginnen, sich heimisch zu fühlen. Zumindest das Problem der Haushaltsführung war in den Griff zu bekommen. Xarga hatte ihr einige Küchengeheimnisse verraten, die ihr ermöglichen würden, auch mit der einfachen Ausrüstung, die sie besaß, selbst Mahlzeiten auf den Tisch zu bringen Somit wäre sie nicht mehr ganz so hilflos.

Erleichterung breitete sich in ihr aus, als sie auf der Anhöhe Yal Rasmons Haus entdeckte. Sie schüttelte den Kopf. Habe ich geglaubt, es könnte in der Zwischenzeit verschwunden sein?

„Nein, das nicht. Aber es hätte vielleicht abbrennen können. Oder … ach, was weiß ich.“

Der Gnom warf ihr einen fragenden Blick zu und grapschte nach ihrer Hand. „Irko passt auf“, sagte er mit wichtiger Miene. Sie musste lachen.

Irko grinste. „Jetzt Catherine wieder fröhlich“, murmelte er befriedigt.

Doch dann blieb er abrupt stehen und schnupperte misstrauisch. „Besuch bei Haus des Magiers.“

Catherine zwinkerte mit den Augen. Tatsächlich. Da stand ein grasendes Pferd. Ihr Herzschlag setzte für einen Moment aus. Yal?

Nein. Der Feuermagier brauchte kein Reittier.

Zögernd stieg sie den Hügel hinauf. Wenn es ein Bittsteller war, der die Hilfe Yals brauchte, war er umsonst gekommen.

Das Pferd hob den Kopf, als es sie erblickte und schnaubte leise. Seine Zügel waren am Zaun des Kräutergartens festgemacht.

„Hallo? Ist hier jemand?“, sagte sie mit zaghafter Stimme.

Aus dem Schatten löste sich eine Gestalt. Catherine zuckte zusammen. Es war ein Soldat, ein Mitglied der königlichen Wache, wie sie an dem Wappen Findwards erkannte, das er über seiner Rüstung auf der Brust trug.

Der Mann musterte sie und warf Irko einen misstrauischen Blick zu. „Ich suche Yal Rasmon. Königin Hylweth verlangt nach ihm.“

„Er ist nicht hier“, sagte Catherine. Die abweisende Miene des Soldaten verunsicherte sie.

Irko drängte sich vor sie. Der Gnom war geradezu rührend in seiner Absicht, sie zu beschützen. Gegen den kräftigen Mann hätte er allerdings keine Chance gehabt.

Der Soldat machte eine heftige Handbewegung. „Ich bekam den Befehl, ihn zu bitten, umgehend nach Halfyd-Arn zu kommen. Er wird dringend dort gebraucht.“

„Was ist geschehen?“ Sie fasste unbewusst nach dem magischen Bernstein auf ihrer Brust. Er bewegte sich nicht, aber das beunruhigende Gefühl in ihr verstärkte sich immer mehr. Bei menschlichen Problemen konnte das Kleinod natürlich nicht helfen.

Der Soldat überging ihre Frage. „Wann kommt er zurück?“

„Ich weiß es nicht. Er ist unterwegs. Es wird länger dauern“, sagte sie hilflos.

Er starrte sie einen langen Moment an. Hitze schoss in ihre Wangen. „Ich – vielleicht kann ich mitkommen? Die Königin – sie ist gut mit mir bekannt.“

Das stimmte vielleicht nicht ganz, aber die Ahnung, dass in Halfyd-Arn etwas Entscheidendes geschehen sein musste, ließ sie nicht mehr los.

Catherine erntete einen zweifelnden Blick. Aber dann zuckte er mit den Schultern. „Das Pferd kann uns beide tragen“, meinte er kurz. „Der da kann aber nicht mitkommen.“ Er wies mit dem Daumen auf Irko.

Es dauerte eine Weile, bis Catherine den Gnom davon überzeugt hatte, im Haus zu bleiben und auf sie zu warten. Erst die Aussicht auf ein reichliches Abendessen stimmte ihn um. Er stürzte sich begeistert auf die Vorräte.

Der Soldat war sichtlich genervt über die Wartezeit und froh, als sie sich endlich in den Sattel schwang.

Geritten war sie früher auch schon, das bedeutete kein Problem für sie. Aber die Tatsache, dass so dicht hinter ihr dieser fremde Mann saß, machte ihr doch zu schaffen. Deshalb war sie heilfroh, als sie im Burghof von Halfyd-Arn ankamen und sie absteigen konnte.

Erst jetzt fiel ihr die gedämpfte Stimmung auf. Trotz der ungewöhnlich vielen Menschen, die sich innerhalb der Burgmauern versammelt hatten, herrschte eine merkwürdig drückende Stille.

Die Bediensteten unterhielten sich flüsternd, huschten verstohlen umher.

„Ich werde Euch zur Königin geleiten“, verkündete ihr Begleiter, nachdem er das Pferd an einen Stallburschen übergeben hatte. „Sie ist in der Gruft.“

Ein Schauder huschte über Catherines Rücken. „In der Gruft? Was … was hat das zu bedeuten?“

„Ihr werdet es sehen“, lautete die knappe Antwort.

Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, drehte er sich um und ging. Catherine hatte Mühe, seinen langen Schritten zu folgen.

Er führte sie durch eine Seitenpforte in einen Gang, ähnlich dem, den sie damals mit Hylweth passiert hatte. Nur waren hier die Türen weniger prunkvoll gestaltet.

Eine weitere Tür brachte sie in einen kleinen Innenhof, den sie rasch durchquerten. Das Gebäude, das sie jetzt betraten, schien älter zu sein als der Teil der Burg, den sie schon kannte. Die Steine der Mauern waren mit Moos bewachsen und die Fenster ohne Glas, nur mit einem eisernen Gitter versehen.

Ihr Führer stieß eine schmale Pforte auf. Kühle, feuchte Dämmerung umgab sie mit einem Mal. Catherine verschränkte die Arme vor der Brust. Sie trug keinen Mantel, nur das Hemd Yals und ihre Jeans. In ihrer Verwirrung hatte sie gar nicht daran gedacht, etwas überzuwerfen. Die Kälte durchdrang ziemlich schnell das grobe Leinen.

Der Mann achtete nicht auf sie, sondern ging weiter durch das düstere Gewölbe, das sie betreten hatten. Die Fackeln, die in regelmäßigen Abständen an der Wand befestigt waren, erhellten es kaum.

Schließlich erreichten sie über einige steinerne Stufen eine unterirdische Kammer.

Muffige Luft schlug ihr entgegen. Auch hier hingen Fackeln an den Wänden, aber nicht genug, um den Raum wirklich auszuleuchten.

In die Wände waren Nischen gehauen worden, die mit Bronzeplatten verschlossen waren. Im Vorbeigehen konnte sie Buchstaben darauf ausmachen, aber es war zu dunkel, um sie lesen zu können. Aber dass es sich um die letzte Ruhestätte der königlichen Familie von Findward handeln musste, stand außer Zweifel.

Am anderen Ende des Raumes befanden sich zwei Podeste. Catherine unterdrückte einen entsetzten Aufschrei, als sie die beiden Leichname bemerkte, die dort lagen. Unzählige Talglichter flackerten und erfüllten den niedrigen Raum mit ihrem Geruch, konnten diese andere Ausdünstung nicht überlagern.

Den Atem des Todes.

Die Gestalt Hylweths löste sich aus den Schatten. Die Königin hatte sich auf erschreckende Weise verändert. Das bleiche, schmale Gesicht wirkte um vieles älter, ihre Augen waren rot und verschwollen.

Ihr suchender Blick erfasste Catherine. „Ihr seid es? Wo … ich hatte nach Yal Rasmon schicken lassen.“

„Er ist fort“, sagte Catherine. „Er ist gegangen, um Hilfe zu holen. Die Erdmagier.“

Hylweth nickte, aber Catherine hatte den Eindruck, als hätte die Königin gar nicht zugehört.

„Schreckliches ist geschehen“, flüsterte die junge Frau. „Edryc und Anthos. Tot.“

Catherine schüttelte verwirrt den Kopf und trat näher an die Podeste heran. Sie zuckte zusammen, als sie die beiden Männer bemerkte, die an einem von ihnen Wache standen. Es musste sich um die Leibwache des Toten handeln, denn sie trugen nicht das Wappen Findwards, sondern einen schwarzen Bären auf silbernem Grund auf ihrem Wams.

„Sie sind verpflichtet, bei ihrem Herrn auszuharren, bis er in der Gruft bestattet ist oder bis sie von ihrem Befehl entbunden werden“, flüsterte die Königin auf den fragenden Blick Catherines und streckte die Hand aus. „Ihr solltet nicht …“

Catherine ignorierte sie. „Ich habe keine Furcht vor Toten“, sagte sie leise. „Wenn man das Liebste, das man auf der Welt besaß, so gesehen hat, kann einem ein Fremder keine Angst mehr einjagen.“

Leise Trauer berührte sie. Die Erinnerung an Pauls und Sarahs Tod würde sie für immer behalten.

Forschend betrachtete sie den Verstorbenen auf dem Podest, das ihr am nächsten war. Es musste Edryc sein. Der König wirkte wie eine grobknochigere, in die Jahre gekommene Ausgabe von Anthos. Seine Gesichtszüge zeigten selbst im Tod noch Spuren von Leid, tief eingegrabene Linien, die ihn wahrscheinlich älter erscheinen ließen, als er war. Sie wusste von Yal, dass er an merkwürdigen Stimmungsschwankungen gelitten hatte.

„Er hat sich für mich und für Findward geopfert“, sagte Hylweth leise.

„Tatsächlich? Wie das?“ Catherine sah sie erstaunt an.

„Er hat Anthos getötet. So sagte er zumindest.“

Die Königin verschwendete keinen Blick an den anderen Leichnam, sondern berührte mit den Fingerspitzen die bleiche Wange des Königs. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich ihn liebe. Aber es muss so sein, sonst würde ich nicht diesen Schmerz verspüren“, flüsterte sie. In ihren Augen schwammen Tränen. „Ich wünschte, ich hätte es früher erkannt. Und ich wünschte, ich hätte ihm helfen können.“

„Das konnte wohl niemand“, sagte Catherine behutsam. „Solche Krankheiten, wie der König sie hatte, kann man nur schwer oder gar nicht heilen. Ihr solltet daran glauben, dass er jetzt in einer besseren Welt ist.“

Sie seufzte. Worte. Nur leeres Gerede. Sie wusste selbst, wie wenig Trost sie boten.

Catherine wandte sich ab, um Hylweth ihrem Leid zu überlassen und betrachtete die Leiche des jungen Berinwarders. Nichts deutete darauf hin, wie er aus dem Leben geschieden sein mochte.

Sie trat näher. Blieb abrupt stehen, als ein eisiges Prickeln sie überschwemmte.

Merkwürdig.

Um ganz sicher zu gehen, dass sie sich nicht täuschte, streckte sie vorsichtig die Hand aus und berührte unter den wachsamen Blicken der Leibgardisten die Brust des jungen Mannes.

Der Bernstein reagierte noch intensiver und sandte eine kalte Welle aus. Diese Art von Magie kannte sie. Sie erinnerte sich nur zu deutlich daran, als Yal sie nach ihrem Ausflug in das Dorf in den Hügeln zurückgelassen hatte, um rasend vor Zorn den wassermagischen Spuren zu folgen. An die Nacht, die sie einsam in seinem Haus verbracht hatte, voller Angst und Zorn. An den Hass in seinem Blick, als er von Lalana Yallasir erzählte.

Catherine wandte sich um. „Ihr sagtet, Edryc hätte Anthos getötet?“

Hylweth sah auf, zuckte mit den Schultern. „Ja. Vielleicht. Es waren seine eigenen Worte und ich habe es allen so mitgeteilt. Auch Perwyn.“

„Wenn es tatsächlich so war, dann hätte er magische Kräfte haben müssen“, meinte Catherine langsam und entfernte sich von der Leiche. Sofort beruhigte sich der Stein wieder. „Anthos starb mit ziemlicher Sicherheit durch Wassermagie.“

Die Augen der Königin weiteten sich erschrocken. „Nein“, stieß sie hervor, „das kann unmöglich sein. Woher könnt Ihr …“

„Ich verfüge selbst nicht über magische Kräfte, aber ich kann sie spüren. Was wisst Ihr über Lalana Yallasir?“

Hylweth schüttelte den Kopf. „Nichts. Diesen Namen habe ich noch nie gehört.“

Catherine starrte sie nachdenklich an. Die Königin wich ihrem Blick aus.

Weiß sie tatsächlich nichts über die Wassermagierin? Oder verschweigt sie etwas? Aber was?





Kapitel 3



Heiße Glut pulsierte durch seine Adern, strömte in jede Faser seines Körpers. Varruk ächzte, als ihn die Macht seines Elementes gänzlich in Besitz nahm und Feuerstrahlen durch ihn jagten.

Ah! Köstliche Qual, die ihn erneuerte und stärkte!

Gerade bevor sein Fleisch zu verbrennen drohte, erhob er sich langsam und verließ den See aus flüssigem Feuer. Rotes, flackerndes Licht tanzte auf seiner nackten Haut.

Er streckte den Rücken durch und hob die Arme, um den letzten Schmerz der Erneuerung aus seinen Muskeln und Knochen zu vertreiben.

Lange hatte es gedauert, ehe er die Reise in das Innere der Vulkanberge antreten konnte. Viel zu schwach und ausgemergelt war sein Leib gewesen. Doch jetzt waren ihm die Kräfte seines Elementes wieder untertan.

Er streifte die goldfarbene Robe über, die er sorgfältig am Ufer des Sees hingelegt hatte und erhob sich in die Luft, die geschwängert war vom Atem des Feuerberges. Als Flamme fauchte er durch das Labyrinth von Höhlen und Gängen, bis er den Ausgang erreichte. Er verließ die Festung durch das große Tor und trat ins Freie.

Dunkle Wolken und feiner Nebel empfingen ihn, hinterließen einen feuchten Hauch auf seiner erhitzten Haut. Der Gipfel des Vulkanberges war ständig verhüllt, so, als ob er mit aller Macht sein Geheimnis hüten wollte.

Varruk hielt sein Gesicht in die kühle Feuchtigkeit.

Wasser.

Lalana Yallasir.

Er fauchte. Eine kleine Flammenzunge entwich seinem Mund und verdampfte im Nebel.

Ihr letztes Zusammentreffen war noch nicht lange her. Doch damals hatte er keine Kraft besessen, um der Wassermagierin seinen Willen aufzuzwingen. Die Boten, die er in der Zwischenzeit zu ihr gesandt hatte, waren alle unverrichteter Dinge zurückgekehrt. Sie ging wohl ihre eigenen Wege, die nichts mit den seinen gemein hatten.

Genau wie Yal Rasmon.

„Um dich werde ich mich später kümmern, Ungetreuer“, murmelte Varruk. Jetzt musste er erst Lalanas Geheimnisse aufdecken. Sie hatten zu viel mit dem zu tun, was er selbst wollte.

Der Feuermagier wandte sich nach Norden, in die Richtung, in der Findward lag, verließ im Nu die Vulkanberge, durchquerte die fruchtbaren Ebenen und die Sümpfe von Berinward.

Er tanzte über die Wälder von Fallnon, über undurchdringliche, grüne Wildnis. Aber sie konnte ihn nicht aufhalten, nicht den mächtigen Varruk Erasant, der als Flamme durch die Lüfte reiste!

Auch die grünen Hügel von Halfyd ließ er hinter sich und erreichte endlich die Küste Findwards mit ihren steilen Felsenklippen. Er landete vor der Höhle Lalanas, sah sich prüfend um. Lauschte.

Das monotone Rauschen des Meeres, dessen Wellen an die Felsen schlugen, drang an sein Ohr.

Ein Schwarm Möwen kreiste über ihm am blauen Himmel. Die Vögel stoben kreischend auseinander und flüchteten, als ein riesiger Schatten auftauchte. Ein Myrduk.

Varruk zog sich in eine Felsnische zurück.

Das große Tier schwebte mit ausgebreiteten Flügeln über der Bucht und drehte ab.

Varruk löste sich aus der Dunkelheit seines Verstecks und schritt auf den Höhleneingang zu. Das schwarze Loch, das vor ihm gähnte, verstärkte den Eindruck von Verlassenheit noch. Er blieb stehen, spähte in die Finsternis.

Nichts.

Kein Lebewesen, dessen Gedanken er einfangen konnte, niemand, der ihm Antwort auf seine Fragen geben würde.

Varruk streckte die Hand aus, ertastete die unsichtbare Barriere, den Schutzzauber, den die Wassermagierin über ihre Behausung gelegt hatte. Er schloss die Augen und stieß die Hand durch. Ein gequälter Laut entschlüpfte seinen Lippen, als die eisige Kälte in seine Knochen drang. Aber sein Element hatte ihn überreich gesättigt, dieses Hindernis konnte ihm nicht allzu viel anhaben. Mit einer fließenden Bewegung durchdrang er die Wand aus Wassermagie.

Er wartete, bis der Schmerz verebbte und sich dann verflüchtigte.

Seine Augen glühten in der Dunkelheit auf. Zwei rote Lichter, deren Schein ihm enthüllte, dass die Wassermagierin all ihre Kostbarkeiten zurückgelassen hatte.

Er betrachtete die Teppiche, die Möbel aus seltenen Hölzern, den Zierrat aus purem Gold und lächelte abfällig.

Tand. Nichts als unnützer Plunder.

Vielleicht hatte Lalana das endlich auch erkannt.

Doch was mochte sie dazu gebracht haben, ihre Behausung so überstürzt zu verlassen?

Er ließ seine Blicke durch die Höhle schweifen und versuchte, magische Ströme aufzufangen, die ihm sagen würden, was geschehen war. Es würde einige Zeit dauern, dies alles zu durchsuchen und er konnte auch nicht wissen, wann Lalana zurückkehren würde. Aber vielleicht hatte er ja auch Glück.

Die Abbilder der Elementsteine waren feuermagischen Ursprungs. Es würde nicht schwierig sein, Gegenstände zu finden, die auf sein Element ansprachen. Zwar befanden sich die Besitztümer Madryls auch noch hier, doch das erschwerte die Suche nur unwesentlich.

Prüfend streckte er seine Hände aus, nahm die Aura der einzelnen Gegenstände wahr.

Der Feuermagier stutzte kurz, als er die Regale entdeckte. Die leeren Stellen zwischen den Buchreihen sagten ihm, dass Lalana wohl einiges an Lektüre mitgenommen hatte. Die restlichen Exemplare waren von bläulichem Lichtschimmer umgeben. Wassermagische Beschwörungen und daher für ihn unnütz.

Immer wieder blieb er stehen, betrachtete die einzelnen Gegenstände und die Magie, die sie ausstrahlten.

Einige der goldenen Schmuckstücke umgab ein feuriger Schimmer, so wie den mannshohen Spiegel zu seiner linken Seite - offenbar ein Stück aus der Hinterlassenschaft von Lalanas Geliebtem.

Er zuckte verächtlich mit den Schultern. Madryls Tod war längst Geschichte.

Er streifte einen kleinen, runden Tisch und stockte.

„Bei allen heiligen Drachen des Feuers.“ Sein Flüstern wurde von den Felswänden zurückgeworfen und verlor sich in den Weiten der Höhle.

Fünf Steine.

Rot, weiß, blau, braun. Und der schwarze mit dem Symbol von Myn Fantrix.

Er zwinkerte mit den Augen, aber es war keine Täuschung. Sie lagen auf dem Tischchen, so, als hätte jemand sie achtlos beiseitegeschoben. Schwach nahm er die vielfärbige Aura wahr, die sie umgab. Er starrte sie an. Hatte sich der rote Stein tatsächlich bewegt? Die Aura erlosch langsam, hinterließ einen leichten Abdruck in der Luft, bis auch der verschwunden war. Es gab nur eine Erklärung dafür: Die Steine waren verschmolzen worden und hatten sich nun wieder getrennt. Lalana musste nach dem Wasserstein gesucht und ihn wohl auch gefunden haben, denn sonst hätte sie die Abbilder nicht einfach so zurückgelassen.

Varruk streckte die Hand aus und berührte sie sachte. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.

Die Abbilder der fünf Steine! Endlich waren sie sein!

Noch einmal lauschte er und ließ prüfend seine Blicke schweifen. Kurz durchzuckte ihn der Gedanke, dass ihm die Wassermagierin eine Falle gestellt haben könnte. Aber wozu?

Die Stille lastete auf der verlassenen Höhle, nur von fern war jetzt das rhythmische Tropfen von Wasser vernehmbar. Niemand war da, der ihn daran hindern konnte, die Steine mitzunehmen.

Varruk hob einen nach dem anderen auf, betrachtete sie auf seiner Handfläche und verstaute sie sorgfältig in einer Tasche seiner Robe. Er runzelte nachdenklich die Stirn.